Bundesgerichtshof:
Urteil vom 11. November 2004
Aktenzeichen: I ZR 72/02

(BGH: Urteil v. 11.11.2004, Az.: I ZR 72/02)

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 28. Februar 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch überdie Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger ist der Verband Wirtschaft im Wettbewerb mit Sitz in Düsseldorf. Nach seiner Satzung nimmt er die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder wahr und bekämpft unlauteren Wettbewerb. Die Beklagte vertreibt in Einzelhandelsgeschäften in Hannover Schmuck und Uhren.

Der Kläger hat die Beklagte mit seiner im Mai 2000 eingereichten Klage wegen eines Verstoßes gegen das Rabattgesetz auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch genommen. Er hat behauptet, die Beklagte habe am 30. November 1999 in ihrem Geschäft am E. -Platz in Hannover einem Kunden einen Charriol-Armreifen mit einem Preisnachlaß von 10% und am 22. Dezember 1999 in ihrem Geschäft in der G. straße in Hannover eine Herrenarmbanduhr "Maurice Lacroix" mit einem Preisnachlaß von 20% verkauft.

Zur Begründung seiner Klagebefugnis hat der Kläger sich darauf berufen, daß zu seinen Mitgliedern - neben der in Hannover mit einer Niederlassung vertretenen Gold Kraemer GmbH - die Maurice Lacroix Uhren und Schmuck GmbH (im folgenden: Maurice Lacroix GmbH) gehöre, die dem Kläger die Mitgliedschaft ihrer über tausend Vertragshändler vermittele. Mehrere dieser Vertragshändler betrieben Uhrenund Schmuckgeschäfte in Hannover und Umgebung.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Im Berufungsrechtszug hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem das Rabattgesetz mit Wirkung vom 23. Juli 2001 aufgehoben worden war. Die Beklagte ist der Erledigungserklärung entgegengetreten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (OLG Celle GRUR-RR 2002, 312 = NJW-RR 2002, 1469).

Hiergegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision des Klägers, mit dem dieser seinen zuletzt gestellten Antrag auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat die Klage als von Anfang an unzulässig angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Kläger habe nicht dargetan, daß ihm eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehöre, die in Hannover und Umgebung Waren gleicher oder verwandter Art wie die Beklagte vertrieben. Da die Mitgliedschaft der Gold Kraemer GmbH nicht ausreiche, komme es darauf an, ob der Kläger auch die gewerblichen Interessen der Vertragshändler der Maurice Lacroix GmbH wahrzunehmen berechtigt sei. Diese Frage sei zu verneinen. Zwar könne eine Mitgliedschaft in einem Verband nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. auch durch Unternehmen oder Verbände vermittelt werden, ohne daß diese selbst nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. klagebefugt seien. Voraussetzung sei dabei aber stets, daß diese die Mitgliedschaft vermittelnden Mitglieder ihrerseits von den Gewerbetreibenden mit der Wahrnehmung ihrer gewerblichen Interessen beauftragt worden seien. Hieran fehle es im Streitfall. Nach dem Klagevortrag habe die Maurice Lacroix GmbH ihren Vertragshändlern mitgeteilt, daß sie für die Vertragshändler eine Mitgliedschaft beim Kläger eingegangen sei und die Vertragshändler sich in Zukunft zur Wahrnehmung ihrer gewerblichen Interessen an den Kläger wenden könnten. Daß die Vertragshändler die Maurice Lacroix GmbH mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätten, sei nicht vorgetragen worden. Falls die Vertragshändler aufgrund eines Vertrages zugunsten Dritter im Verhältnis zum Kläger berechtigt seien, reiche eine solche Stellung nicht aus. Das Gesetz verlange, daß eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden dem Verband angehören müsse. Dabei sei - auch im Falle einer durch ein Mitglied vermittelten Mitgliedschaft - stets erforderlich, daß die Gewerbetreibenden selbst die Wahrnehmung ihrer Interessen durch den Verband begehrt hätten. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß sich Verbände ihre Klagebefugnis über vermittelte Mitglieder verschafften, die an der Wahrnehmung ihrer Interessen durch den Verband gar nicht interessiert seien.

Auch die Mitgliedschaft des Europaverbandes der Selbständigen Bundesverband Deutschland (BVD), dem nach dem Klagevortrag über 300 Handwerksinnungen und Verbände sowie über 350.000 Selbständige aus allen Bereichen angehörten, könne die Klagebefugnis nicht begründen, weil nicht im einzelnen bekannt sei, welche Mitglieder dieses Verbandes auf dem hier in Rede stehenden Markt tätig seien.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1.

Im Streitfall kommt es nicht darauf an, ob das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in seiner Fassung vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414) hinsichtlich der Verbandsklagebefugnis (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) sachliche Änderungen enthält. Denn die Parteien streiten nur noch darum, ob die Klage im Zeitpunkt der Aufhebung des Rabattgesetzes im Juli 2001 zulässig und begründet war. Hierfür ist allein das alte Recht maßgeblich.

2.

Ob ein Verband nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. eigene wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend machen kann, hängt davon ab, ob dieser Verband die Interessen einer erheblichen Zahl von Unternehmen wahrnimmt, die auf demselben Markt tätig sind wie der Wettbewerber, gegen den sich die Ansprüche richten sollen. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß insofern auch eine vermittelte Mitgliedschaft in Betracht kommt, daß also auch Unternehmen in die Betrachtung einzubeziehen sind, die Mitglieder in einem anderen Verband sind, der wiederum Mitglied des klagenden Verbandes ist (BGH, Urt. v. 20.5.1999

- I ZR 66/97, GRUR 1999, 1116, 1118 = WRP 1999, 1163 - Wir dürfen nicht feiern; Urt. v. 16.1.2003 - I ZR 51/02, GRUR 2003, 454, 455 = WRP 2003, 514 - Sammelmitgliedschaft I).

3.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht die durch den Europaverband der Selbständigen Bundesverband Deutschland (BVD) vermittelten Mitglieder außer Betracht gelassen hat. Denn der Kläger hat nicht vorgetragen, welche dieser Mitglieder auf dem fraglichen Markt tätig sind. Ein Verband muß die Unternehmen benennen, deren Interessen er wahrzunehmen beansprucht, wenn streitig ist, ob er die Interessen einer erheblichen Zahl auf dem fraglichen Markt tätiger Unternehmen wahrnimmt (BGHZ 131, 90, 92 ff. - Anonymisierte Mitgliederliste).

4.

Die Revision hat jedoch Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung auch die namentlich bekannten, in Hannover und Umgebung tätigen Depositäre der Maurice Lacroix GmbH unberücksichtigt gelassen hat, die mit der Beklagten dort in Wettbewerb stehen.

a) In den Fällen, in denen sich ein Verband auf die mittelbare Mitgliedschaft von Mitbewerbern des in Anspruch genommenen Unternehmens stützt, muß - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - feststehen, daß die Mitbewerber das die Mitgliedschaft vermittelnde Mitglied des klagenden Verbandes mit der Wahrnehmung ihrer Interessen - sei es unmittelbar oder mittelbar - betraut haben. Sie müssen mit der Wahrnehmung ihrer Interessen durch einen Dritten - sei es ihr Verband oder ihr Vertragspartner oder sei es ein von diesem eingeschalteter Verband - einverstanden sein.

b) Das Berufungsgericht hat dieses Erfordernis im Streitfall mit der Begründung als nicht erfüllt angesehen, der Kläger habe ein entsprechendes Einverständnis nicht ausdrücklich vorgetragen. Dabei hat es nicht berücksichtigt, daß das Einverständnis der einzelnen Depositäre damit, daß die Maurice Lacroix GmbH ihre Interessen selbst oder durch einen Wettbewerbsverband wahrnimmt, nicht ausdrücklich erklärt zu sein braucht (vgl. BGH GRUR 2003, 454, 455 - Sammelmitgliedschaft I), daß sich ein solches Einverständnis vielmehr auch aus der Natur des Vertragshändlervertrages ergeben kann. So verhält es sich im Streitfall: Im Rahmen des Depotvertrages trifft den Hersteller, hier die Maurice Lacroix GmbH, gegenüber den Depositären im allgemeinen die Verpflichtung, die Einhaltung der Bedingungen des Depotvertrages zu überwachen und gegebenenfalls Ansprüche gegen vertragsbrüchige Depositäre oder gegen Dritte geltend zu machen, die das Produkt, das Gegenstand des Depotvertrages ist, in wettbewerbswidriger Weise anbieten oder veräußern (vgl. BGHZ 143, 232, 242 - Außenseiteranspruch II). Doch auch wenn eine Verpflichtung des Herstellers, gegen Verstöße einzuschreiten, vorliegend nicht angenommen werden könnte, entspricht es doch durchweg dem Interesse der Depositäre, daß der Hersteller (oder ein von ihm beauftragter Verband) derartige Verstöße verfolgt. Unter diesen Umständen ist dem Depotvertrag jedenfalls das Einverständnis der einzelnen Depositäre damit zu entnehmen, daß der Hersteller (oder ein von ihm beauftragter Verband) durch die Geltendmachung solcher Ansprüche auch ihre gewerblichen Interessen wahrnimmt.

III. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung verwehrt, weil das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - zu dem behaupteten Verstoß gegen das Rabattgesetz noch keine Feststellungen getroffen hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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BGH:
Urteil v. 11.11.2004
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