Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Oktober 2009
Aktenzeichen: 25 W (pat) 71/07

(BPatG: Beschluss v. 30.10.2009, Az.: 25 W (pat) 71/07)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Gründe

I.

Die Wortmarke Lektraist am 28. Januar 2005 für die Waren

"pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke sowie Präparate fürdie Gesundheitspflege; Babykost, Pflaster, Verbandmaterial" unter der Nummer 304 52 964 in das Markenregister eingetragen worden. Die Inhaberin der am 27. Januar 1927 für die Waren

"Arzneimittel und Verbandstoffe für Menschen und Tiere, pharmazeutische Drogen, Tierund Pflanzenvertilgungsmittel, Konservierungsmittel für Lebensmittel, Desinfektionsmittel, ärztliche und zahnärztliche Apparate, pharmazeutische orthopädische, gymnastische Bandagen, Desinfektionsapparate"

unter der Nummer 327631 eingetragenen Wort-Bildmarkeund der am 12. Juni 1986 für die Waren

"Lebensmittel, insbesondere vitaminisierte Lebensmittel, nämlich Fleischextrakte, im wesentlichen aus Fleisch, Fisch, Wild, Geflügel, Gemüse, Reis, Saucen und/oder Gewürzen bestehende Fertiggerichte, Fertigsuppen; Milch und Milchprodukte, und zwar Sahne, Joghurt, Quark, Trockenmilch für Nahrungszwecke, Desserte aus Milch, Joghurt, Quark und Sahne, Pudding-Desserte, Kaffee, Kakao, Zucker, Kaffee-Ersatzmittel, Mehle und Getreidepräparate für Nahrungszwecke, Bisquits, Kuchen, feine Backund Konditorwaren, Honig, Melassesirup, Kaffee-, Kakaound Schokoladengetränke; diätetische Erzeugnisse, insbesondere vitaminisierte diätetische Erzeugnisse; Traubenzucker, insbesondere mit Vitaminzusätzen; Bier, Ale und Porter; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Sirupe und andere alkoholfreie Präparate für die Zubereitung von Getränken (soweit in Klasse 32 enthalten), sämtliche Waren der Klasse 32 insbesondere vitaminisiert"

unter der Nummer 1092665 eingetragenen Wortmarke BIOLECTRA hat dagegen am 6. Juni 2005 Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 8. Februar 2007 und vom 27. August 2007, von denen der Letztgenannte im Erinnerungsverfahren erging, die Widersprüche zurückgewiesen. Sie ist der Auffassung, zwischen der angegriffenen Marke 304 52 964 und den Widerspruchsmarken 327631 und 1092665 bestehe keine Verwechslungsgefahr. Beide Widerspruchsmarken besäßen durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Sie seien zwar im Verhältnis zur angegriffenen Marke für teilweise identische bzw. in einem engen Ähnlichkeitsbereich liegende Waren registriert. In klanglicher Hinsicht unterschieden sich die Widerspruchsmarken und die angegriffene Marke schon auffällig durch ihre Wortlänge. Obwohl es sich um einen kennzeichnungsschwachen Bestandteil handele, trage das Element "Bio" bei den Widerspruchsmarken zur Prägung bei und dürfe nicht unberücksichtigt bleiben. Auch in schriftbildlicher Hinsicht unterschieden sich die Widerspruchsmarken markant von der angegriffenen Marke. Eine begriffliche Ähnlichkeit scheide mangels erkennbarer, übereinstimmender Begriffsgehalte aus. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr komme ebenfalls nicht in Betracht, da der Bestandteil "Lectra" nicht als eigenständiger Wortstamm hervortrete. Es bestünde für den Verkehr kein Anlass, den Bestandteil "Lec(k)tra" als Stammbestandteil einer Zeichenserie zu sehen; die Widerspruchsmarken wirkten als ein in sich geschlossener Gesamtbegriff. Da die Widersprechende nichts zu einem im Verkehr bekannten Unternehmenskennzeichen vorgetragen habe, könne auch keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne angenommen werden.

Hiergegen richtet sich die am 27. September 2007 von der Widersprechenden erhobene Beschwerde. Den Widerspruchsmarken käme eine erhöhte Kennzeichnungskraft und somit ein erhöhter Schutzumfang zu. Die Marke "Biolectra" sei eine führende Marke im Bereich der "Mineralstoffe". So habe die mit der Beschwerdeführerin wirtschaftlich und organisatorisch eng verbundene Fa. H... -GmbH, die die Widerspruchsmarken mit Zustimmung der Beschwerde führerin benutze, in den Jahren 2003 -2006 Verkaufszahlen von durchschnittlich ... Mio. Originalpackungen mit der Kennzeichnung "Biolectra" erzielt und in diesen Jahren Werbeaufwendungen von über ... Mio. € p.a. für mit "Biolectra" ge kennzeichnete Präparate getätigt. Zwischen 2003 und 2006 sei die Zahl von in den Verkehr gebrachten Probierpackungen mit dem Kennzeichen "Biolectra" von ... Mio. auf ... Mio. gestiegen. Im Jahre 2006 hätte die Marke "Biolectra" bei Magnesiumpräparaten Rang 2 von ..., bei Kalziumpräparaten Rang 6 von ..., bei Zinkpräparaten Rang 7 von ... und bei Eisenpräparaten Rang 43 von ... aufgewiesen. Die Streitmarken wendeten sich an ein Publikum, das alle Bevölkerungsschichten umfasse, so dass eine überdurchschnittliche Aufmerksamkeit des Abnehmers nicht erwartet werden könne, zumal die betroffenen Waren nicht der Rezeptpflicht unterfielen und teilweise auch in Drogerien erhältlich seien.

Da es somit einerseits um Waren gehe, die dem Publikum keine besondere Aufmerksamkeit abverlangten, andererseits die Widerspruchsmarken erhöhte Kennzeichnungskraft hätten, sei der Grad der Verwechslungsgefahr der streitgegenständlichen Marken erheblich erhöht. Der Bestandteil "Bio" sei verbraucht und beschreibend, so dass ihm jegliche Unterscheidungskraft fehle. Als betrieblicher Herkunftshinweis komme ausschließlich der Bestandteil "Lectra" in Frage, der eine mit der angegriffenen Marke klanglich identische Phantasiebezeichnung sei. Es läge sowohl unmittelbare als auch mittelbare Verwechslungsgefahr vor. Der Durchschnittsabnehmer, der bisher nur mit Waren der Marke "Biolectra" konfrontiert worden sei, werde "Lektra"-Produkte betrieblich als neue Produktlinie der Beschwerdeführerin zuordnen. Da das Publikum den Zeitrang der streitgegenständlichen Marken nicht kenne, könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die älteren Marken dem Betrieb des Beschwerdegegners als Erweiterung seiner Produkte um eine "Bio"-Linie zugeordnet würden. Der Beschwerdegegner betreibe eine Versandapotheke im Internet. Ihm sei der Erfolg der Widerspruchsmarken nicht verborgen geblieben und er habe diese für seinen Betrieb usurpiert.

Die Beschwerdeführerin beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle vom 8. Februar 2007 und vom 27. August 2007 aufzuheben und die Löschung der Marke 304 52 964 anzuordnen.

Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er betreibe einen Pharmavertrieb. Er habe bei der Anmeldung der von ihm selbst gestalteten Marke 304 52 964 nicht unlauter gehandelt, da er davor nach entgegen stehenden Marken recherchiert habe. Zwar sei der Bestandteil "Bio" für Lebensmittel beschreibend. Diese Silbe sei aber bei den Widerspruchsmarken keineswegs bedeutungslos sondern vielmehr für den Verkehr besonders prägnant, zumal er sich am Wortanfang befinde, dem der Verkehr eine höhere Aufmerksamkeit widme. Hinsichtlich der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken habe eine Recherche seinerseits keinen Hinweis ergeben, dass es sich um besonders bekannte Marken handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die verfahrensgegenständlichen Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2009 und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Zwischen den Widerspruchsmarken und der angegriffenen Marke besteht keine Verwechslungsgefahr (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 MarkenG).

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 -PI-CASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. -Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 32).

1. Bei der Warenähnlichkeit ist von der Registerlage auszugehen, da Benutzungsfragen insoweit nicht streitig sind. Die Widerspruchsmarke 327 631 istu. a. für "Arzneimittel und Verbandstoffe für Menschen und Tiere" registriert, so dass insoweit Warenidentität mit den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren "pharmazeutischen und veterinärmedizinischen Erzeugnissen; Pflaster, Verbandmaterial" gegeben ist. Die von der Widerspruchsmarke 1 092 665 beanspruchten Waren "diätetischen Erzeugnisse, insbesondere vitaminisierte diätetische Erzeugnisse" weisen zudem Warenidentität bzw. enge Ähnlichkeit mit den Waren "diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke sowie Präparate für die Gesundheitspflege, Babykost" der angegriffenen Marke auf.

Da sich die streitgegenständlichen Marken somit auf teilweise identischen und ansonsten eng ähnlichen Waren begegnen, hat die angegriffene Marke zu den Widerspruchsmarken einen deutlichen Abstand einzuhalten. Auch dann, wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin eine durch lange und umfangreiche Benutzung begründete erhöhte Kennzeichnungskraft beider Widerspruchsmarken unterstellt, wird die angegriffene Marke diesen Anforderungen noch gerecht.

2.

Für den markenrechtlichen Vergleich der sich gegenüberstehenden Marken ist prinzipiell der Gesamteindruck maßgeblich. Hierbei ist eine zergliedernde Betrachtungsweise einzelner Markenbestandteile zu vermeiden, zumal der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 170 m. w. N.). Beide Widerspruchsmarken enthalten am Wortanfang den Bestandteil "Bio", so dass sich gegenüber der Marke "Lektra" dadurch in der Silbengliederung, der Vokalfolge, der Silbenzahl und auch im Sprachrhythmus deutliche Unterschiede ergeben. Eine schriftbildliche und klangliche Verwechslungsgefahr ist bei einem Vergleich der Markenwörter in ihrer Gesamtheit aufgrund dieser Unterschiede nicht gegeben. Insoweit ist der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht beizupflichten, dass beim Erwerb der Produkte, für die die Widerspruchsmarken benutzt würden, mangels ausreichender Beratung durch Verkaufspersonal in Drogerien und auch in Apotheken mit Blick auf die alle Bevölkerungsschichten umfassenden Abnehmerkreise eine besonders hohe Gefahr von Verwechslungen gegeben sei. Dem widerspricht die Erfahrung, dass Endverbraucher bei Produkten, die der Gesundheitspflege und der Krankheitsprävention dienen, eine gegenüber dem Erwerb von Massenartikeln und Produkten für den täglichen Bedarf weitaus höhere Aufmerksamkeit und Überlegung -auch und gerade dann, wenn keine eingehende Kaufberatung durch qualifiziertes Verkaufspersonal stattfindet -an den Tag legen. Vor diesem Hintergrund sind die Unterschiede zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken deutlich genug, um eine unmittelbare Verwechslungsgefahr bei einer Gesamtbetrachtung zu verneinen.

3.

Der Bestandteil "lectra" prägt die Widerspruchsmarken auch nicht derart, dass der weitere Bestandteil "Bio" im Rahmen des Gesamteindrucks der Widerspruchsmarken weitgehend in den Hintergrund tritt.

Auch wenn bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit die sich gegenüberstehenden Zeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck zu vergleichen sind, ist es nicht ausgeschlossen, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für den Gesamteindruck prägend sein können, den das Kennzeichen im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorruft. Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (BGH/GRUR 2008, 903, 904, Tz. 18 -SIERRA ANTIGUA). Von diesen Maßstäben ist auch auszugehen, wenn es um die Beurteilung eines aus mehreren Bestandteilen zu einem Wort zusammengesetzten Zeichens geht (BGH/GRUR 2008, 905, Tz. 26 -Pantohexal).

Der Bestandteil "Bio" ist ein Wortbildungselement mit verschiedenen Bedeutungen, und zwar

"das Leben betreffend; Lebensvorgänge; Lebewesen; Lebensraum",

"gesund, natürlich, ohne chemische Zusätze",

"in irgendeiner Weise mit organischem Leben in Beziehung stehend"

(Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. aktualisierte Aufl., 2007, S. 202). Dieses Wortbildungselement ist mit diesen Bedeutungen in der deutschen Sprache in eine Reihe von mehrgliedrigen Substantiven eingefügt worden wie z. B. "Bioethik", "Bioladen" oder "Biochemie", denen ein eindeutiger Sinngehalt zugeordnet werden kann und bei denen der Bestandteil "Bio" als eigenständiger, begriffsbestimmender Wortbestandteil innerhalb dieser Begriffe hervortritt. Solche Begriffsbildungen existieren auch im Bereich der hier betroffenen Waren, z. B. "Biokompatibilität" mit Bezug zu pharmazeutischen Erzeugnissen oder "Biogemüse" mit Bezug zu Lebensmitteln. Mit Blick auf die Widerspruchsmarken liegt es aber insoweit anders, als der Wortbestandteil "Bio" mit dem weiteren Bestandteil "lectra" kombiniert ist, der ein Phantasiewort ohne einen eigenständigen Bedeutungsoder Sinngehalt darstellt. Der Bestandteil "Bio" verschmilzt mit dem Phantasiebegriff "lectra" zu einer einheitlichen Lautfolge, ohne dass eine klangliche Zäsur zwischen den beiden Wortbestandteilen auftritt. Für den Verkehr, dem insoweit -wie bereits ausgeführt -eine durchaus erhöhte Aufmerksamkeit und Überlegung zuzuschreiben ist, drängt es sich hierbei in keiner Weise auf, dem Bestandteil "Bio" in Verbindung mit "lectra" eine spezifische Bedeutung zuzurechnen, aufgrund deren rein beschreibenden Inhalts dieser Bestandteil gegenüber dem weiteren Bestandteil "lectra" mit Blick auf die Herkunftsfunktion der Marke weitgehend in den Hintergrund träte.

Die von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung genannten Beispiele von Marken mit dem Bestandteil "Bio", denen mangels Unterscheidungskraft bzw. wegen einer beschreibenden, freihaltungsbedürftigen Angabe die Eintragung in das Markenregister verweigert wurde, führt ebenfalls nicht dazu, davon auszugehen, dass der Bestandteil "Bio" bei den Widerspruchsmarken weitgehend in den Hintergrund tritt. Bei den Markenanmeldungen 305 33 169.8 (BIO SPA), 306 17 307.7 (BIO TO GO) und 300 88 454.0 (Bio für mich) handelt es sich nicht um eine zu einem Markenwort zusammengefasste Kombination des Bestandteils "Bio" mit einem Phantasiebegriff, so dass es hier um eine andere Fallgruppe geht.

Vielmehr ist es angezeigt, auch insoweit von einer Gesamtbetrachtung der Widerspruchsmarken auszugehen. Denn die Widerspruchsmarken entsprechen eher einem Markenwort wie z. B. Bionorica (518 768), bei dem der Bestandteil "Bio" ebenfalls nicht dazu führt, dass die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit einen beschreibenden Inhalt aufweist und sich eine Aufgliederung aufdrängt, die zu einer isolierten Betrachtungsweise der Wortbestandteile und zur Vernachlässigung oder gar einer "Ausblendung" des Bestandteils "Bio" führen könnte . Insoweit kann nicht angenommen werden, dass dieser Bestandteil bei solchen, einen Gesamtbegriff darstellenden Markenwörtern für den Verkehr dermaßen zurücktritt, dass er den Gesamteindruck der Marke nicht mehr mitbestimmt. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass in dem hier maßgeblichen Warenbereich, insbesondere bei pharmazeutischen Erzeugnissen, Marken üblicherweise so gebildet werden, dass Dach-, Firmenoder Serienmarken zur Kennzeichnung einer "Bio-Produktlinie" der entsprechende Bestandteil vorangestellt wird. Es kann nicht unterstellt werden, dass die Widerspruchsmarken etwa die "Bio-Produkte" der Markenprodukte "Lectra" kennzeichnen sollen. Eine Prägung der Widerspruchsmarken allein durch den Bestandteil "lectra" kann nach alledem nicht bejaht werden.

4. Ferner ist eine mittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den Widerspruchsmarken und der angegriffenen Marke ebenfalls nicht gegeben. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass dem Bestandteil "lectra" in den Widerspruchsmarken eine selbständig kennzeichnende Wirkung zukommt.

Zwar hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (GRUR 2005, 1042 -THOMSON LIFE) und des Bundesgerichtshofes (GRUR 2006, 859 -Malteserkreuz; GRUR 2008, 903 -SIERRA ANTIGUA; GRUR 2008, 905 -Pantohexal; GRUR 2008, 909 -Pantogast) anerkannt, dass einem Bestandteil in einer zusammengesetzten Marke auch dann eine selbständig kennzeichnende Stellung, die ggf. kollisionsbegründend sein kann, zukommen kann, ohne dass dieser Bestandteil das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt.

So liegt es hier aber nicht. Zum einen betrifft diese Rechtsprechung eine andere Fallgruppe, nämlich die Übernahme eines Zeichens als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder komplexe Kennzeichnung. Hier liegt hingegen die umgekehrte Fallgestaltung vor, nämlich die Übereinstimmung eines Bestandteils einer zusammengesetzten Marke mit der jüngeren Marke. Zum anderen kann die o. g. Rechtsprechung auch nicht ohne weiteres auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden. Vielmehr ist erforderlich, dass ein in eine jüngere Marke übernommener Bestandteil einer älteren Marke diese ältere Marke dominiert oder prägt; ansonsten würde für die Widerspruchsmarken, die Schutz nur in der eingetragenen Form beanspruchen können, ein selbständiger Elementenschutz begründet, der dem Kennzeichenrecht grundsätzlich fremd ist (BGH/GRUR 2008, 903, 905, Tz. 34 -SIERRA ANTIGUA). Da aber -wie ausgeführt -dem Bestandteil "lectra" innerhalb der Widerspruchsmarken keine prägende und keine dominierende Stellung zukommt, kann auch nicht von einer selbständig kennzeichnenden Stellung dieses Bestandteils ausgegangen werden, aufgrund derer eine Verwechslungsgefahr auch im weiteren Sinne mit der angegriffenen Marke begründet oder eine "Markenusurpation" angenommen werden könnte.

Die Beschwerde war nach alledem zurückzuweisen.

5. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG.

Bayer Merzbach Metternich Hu






BPatG:
Beschluss v. 30.10.2009
Az: 25 W (pat) 71/07


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