Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 12. Oktober 2009
Aktenzeichen: 5 Sch 1/09

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 12.10.2009, Az.: 5 Sch 1/09)

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Erhebung der beim Landgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 3/5 O 218/09 anhängigen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin am 15. und 16. Mai 2009 zu Tagesordnungspunkt 8 über die Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals (€Genehmigtes Kapital 2009/I€ ohne Bezugsrechtsausschluss) der Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister der Antragstellerin nicht entgegensteht und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses zu Tagesordnungspunkt 8 die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.

Es wird festgestellt, dass die Erhebung der beim Landgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 3/5 O 218/09 anhängigen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin am €. und ... Mai 2009 zu Tagesordnungspunkt 9 über die Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals (€Genehmigtes Kapital 2009/II€ mit der Möglichkeit des Bezugsrechtsausschlusses und der Sachkapitalerhöhung) der Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister der Antragstellerin nicht entgegensteht und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses zu Tagesordnungspunkt 9 die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.

Die Antragsgegnerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

In der Hauptversammlung der Antragstellerin vom ... und €.5.2009 wurde eine Kapitalerhöhung zur Beteiligung des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (kurz: SoFFin) unter Tagesordnungspunkt 10 mit Begleitmaßnahmen unter Tagesordnungspunkt 12 beschlossen. Außerdem wurde unter den Tagesordnungspunkten 8 und 9 bei entsprechender Satzungsänderung je eine Ermächtigung des Vorstands zur Erhöhung des Grundkapitals beschlossen (sog. Genehmigtes Kapital 2009 I und II), nachdem früher bestehende Ermächtigungen zeitlich ausgelaufen waren. Diese Satzungsänderungen wurden bereits in das Handelsregister eingetragen.

In dem Rechtsstreit des Landgerichts Frankfurt am Main 3/5 O 218/09 erstreben die Antragsgegner die Nichtigkeitsfeststellung bzw. Nichtigkeitserklärung zu den Tagesordnungspunkten 8, 9, 10, 12 und 13. Sie halten die Vorschriften des Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes (FMStBG) für verfassungswidrig, weil enteignungsgleich in Eigentumsrechte der Aktionäre eingegriffen werde.

Mit dem Freigabeantrag hat die Antragsstellerin unter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung die Feststellung verlangt, dass die Klage zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9 der Eintragung nicht entgegenstünde und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Eintragungswirkungen unberührt ließen. Sie hat das darauf gestützt, dass die Antragsgegner das Aktienquorum des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechtsrichtlinie (ARUG) nicht erreichten, die Anfechtungsklage offensichtlich unbegründet sei und ein vorrangiges Vollzugsinteresse bestehe.

Die Antragsgegnerinnen, denen die Antragsschrift am 29.9.2009 zugestellt worden ist, haben einen Nachweis zum Aktienbesitz nicht vorgelegt, sondern mit Schriftsatz vom 8.10.2009 erklärt, den Antrag anzuerkennen, wiewohl sie auch insoweit Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 246a Abs.1 AktG n.F. geäußert haben.

II.

Der Antrag ist zulässig.

Die sachliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ergibt sich § 246a Abs.1 Satz 3 AktG in der Fassung des ARUG. § 20 Abs.4 EGAktG enthält insoweit zwar keine Übergangsregelung, weil dort nur § 246 Abs.2 Nr.2 der Neufassung erwähnt wird. Die Geltung des novellierten Verfahrensrechts auch für Altfälle, in denen die Hauptversammlung vor Inkrafttreten des ARUG stattgefunden hat, folgt jedoch aus den Grundsätzen intertemporalen Zivilprozessrechts. Ausgenommen abgeschlossene Prozesshandlungen und abschließend entstandene Prozesslagen sind Verfahrensregelungen mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts jeweils gleich anzuwenden (vgl. BGH vom 23.4.2007, II ZR 29/05 € BGHZ 172, 136, Rz.25 bei juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Die sachliche Zuständigkeit für das Freigabeverfahren liegt nicht gemäß § 16 des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (FMStFG; BGBl 2008 I 1982) bei dem Bundesgerichtshof. Der Anwendung von § 16 FMStFG steht entgegen, dass die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9 nicht auf § 7b FMStBG (BGBl. 2008 I 1982) beruhen. Die Antragstellerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Beschlussfassung nicht in einem Zusammenhang mit einer Rekapitalisierung nach § 7 FMStFG steht.

Die Anträge sind begründet.

Es kann dahin stehen, ob das Anerkenntnis der Antragsgegnerinnen als Prozesshandlung nach § 307 S.1 ZPO wirksam ist oder ob der Wortlaut des § 246a Abs.2 (€darf nur ergehen€) und die allseitige Wirkung der Feststellung der Bestandskraft (§ 246a Abs.3 Satz 5 AktG) dem entgegenstehen könnten. Schon früher hat der Senat diese Frage offenlassen können (Beschluss vom 11.12.2007, 5 W 30/07 € OLGR 2008, 736, Rz. 12 bei juris). Das kann offen bleiben, weil die Antragsgegnerinnen durch eine streitige Entscheidung nicht benachteiligt werden. Der gebührenrechtliche Ermäßigungstatbestand des KV zum GKG Nr.1641 idF. des ARUG liegt bei einer Anerkenntnisentscheidung nicht vor, wie auch die Antragsgegnerinnen, was noch auszuführen ist, aus § 93 ZPO keine Erleichterungen erfahren.

Die Freigabe ist zu erklären, weil die Antragsgegner nicht binnen einer Woche nach Zustellung urkundlich nachgewiesen haben, dass sie seit Bekanntmachung der Einberufung einen anteiligen Betrag am Grundkapital von mindestens 1.000,00 € halten. Nach § 20 Abs.4 EGAktG in der Fassung des ARUG gilt § 246a Abs.2 Nr.2 AktG n.F. auch schon für Altfälle, wie aus der dortigen Rückausnahme zwanglos folgt. Damit kann dahinstehen, ob die Regelung gar dem materiellen Recht zuzuweisen wäre, mit der Folge, dass über Art.170 EGBGB Altrecht anzuwenden wäre (vgl. zum intertemporalen Schuldrecht: BGHR EGBGB (1986) Art.170 €Entstehungszeitpunkt 1€). Verfassungsrechtliche Bedenken der Antragsgegnerinnen zum Quorum teilt der Senat nicht, was hier aber nicht weiter auszuführen ist (vgl. auch Regierungsentwurf ARUG BT-Drucksache 16/11642 S.40, 41), weil ohnehin eine Freigabe nach § 246a Abs.2 Nr.3 AktG n.F. zu erfolgen hat.

Nach der novellierten Fassung des § 246 Abs.2 Nr.3 AktG ist das Vollzugsinteresse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre gegen die Nachteile für die Antragsgegner abzuwägen, es sei denn, es läge ein besonders schwerer Rechtsverstoß vor. Ein solcher ist hier von den Antragsgegnerinnen nicht aufgezeigt, nimmt doch die amtliche Begründung (BT-Drucksache 16/11642 S. 41) Bezug auf €Unredlichkeiten€ oder €grobe Verletzungen von Satzung oder Gesetz€. Die mit der Anfechtungsklage geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der FMStBG würde, selbst wenn sie vorläge, dem nicht entsprechen. Es sind auch sonst keine Nichtigkeitsgründe eingewandt.

Das Vollzugsinteresse der Antragstellerin überwiegt das Interesse der Antragsgegnerinnen zweifelsfrei. Nach unbestrittenem Vortrag der Antragstellerin halten die Antragsgegnerinnen sieben Aktien mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von 2,60 €. Ein Aufschubinteresse haben die Antragsgegner nicht vorgetragen. Dem steht aber das Interesse der Antragstellerin gegenüber, durch ein genehmigtes Kapital Handlungsspielräume zu eröffnen und sich nötigenfalls beschleunigt durch Ausgabe von Aktien Kapital verschaffen zu können. Dass konkrete Maßnahmen nicht vorgesehen sind, schwächt das Interesse der Antragstellerin nur unwesentlich ab, wie der Senat schon früher für eine Freigabe zum genehmigten Kapital einer anderen Großbank entschieden hat (5 W 3/07 vom 26.2.2007, AG 2007, 867, Rz.13 bei juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO. Das Anerkenntnis der Antragsgegner führt nicht zu der Wohltat aus § 93 ZPO, weil die Antragsgegner mit ihrer Klage Veranlassung zu dem Freigabeverfahren gegeben haben. Die Streitwertfestsetzung folgt in dem novellierten Recht nun aus § 247 AktG, auf den § 246a Abs.1 Satz 2 AktG n.F. verweist. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats bedeutet dies bei einer größeren Aktiengesellschaft an sich einen Ausgangswert von 50.000,00 € je Beschlusspunkt. Wegen der sachlichen Nähe der Tagesordnungspunkte 8 und 9 können diese aber wertmäßig wie ein Beschlusspunkt angesehen werden.

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, obwohl ein dringender Fall iSd. § 246a Abs.3 Satz 1 AktG nicht vorliegt. Denn die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet, die Antragstellerin ausdrücklich, die Antragsgegner konkludent mit ihrem Anerkenntnis.






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Beschluss v. 12.10.2009
Az: 5 Sch 1/09


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