Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Mai 2005
Aktenzeichen: 14 W (pat) 34/03

(BPatG: Beschluss v. 31.05.2005, Az.: 14 W (pat) 34/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 28. März 2003 hat die Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent 44 14 544 mit der Bezeichnung

"Depottablette"

widerrufen.

Dem Beschluß liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 3 zugrunde, von denen der Patentanspruch 1 folgendermaßen lautet:

"Depottablette, die als Depotbasisbestandteil Hydroxypropylmethylcelluloseteilchen enthält, deren Schüttdichte nicht mehr als 0,35 g/ml beträgt, wobei nicht weniger als 95 Massen% ein (100 mesh-)Sieb mit 0,15 mm Maschenweite passieren können und die einen Substitutionsgrad an Methoxygruppen von 19 bis 30 Massen% und einen Substitutionsgrad an Hydroxypropoxygruppen von 4 bis 12 Massen% haben."

Die Ansprüche 2 und 3 sind auf Weiterbildungen der Depottablette nach Anspruch 1 gerichtet.

Der Widerruf ist im wesentlichen damit begründet, der gemäß geltendendem Patentanspruch 1 beanspruchten Depottablette fehle es gegenüber den Entgegenhaltungen

(1) US 47 34 285

(2) Auszüge aus "Handbook of Pharmaceutical Excipients" 1986 S 138 bis 140 an der erfinderischen Tätigkeit. Nachdem sich die Depottablette gemäß Streitpatent von den mit (1) beschriebenen nur darin unterscheide, daß in (1) für die eingesetzten Hydroxypropylmethylcelluloseteilchen keine Schüttdichte genannt werde, liege es im routinemäßigen Handeln des Fachmannes, in Kenntnis von (2), mit welcher 0,25 bis 0,70 g/cm3 als Bereich für mögliche Schüttdichten offenbart werde, die optimale Schüttdichte für die Cellulosepartikel einer Depottablette herauszufinden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.

Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, daß weder eine Kombination der Entgegenhaltungen (1) und

(11) Technical Information - Bulletin VC-586 der Aqualon Company, Rev 6-91 (© Aqualon, 1992)

noch der Entgegenhaltungen (1) und (2) die Bereitstellung einer Depottablette, wie sie mit dem Patentanspruch 1 angegeben werde, nahe lege. So betreffe die Entgegenhaltung (11) lediglich vorläufige Untersuchungsergebnisse. Nicht nur deshalb hege sie starke Zweifel an den dort genannten Ergebnissen, sondern auch deshalb, weil, wie ein Vergleich der Figuren 7 und 8 erkennen lasse, in der Figur 8 die für die Cellulosen HPMC 2208 (fine) und BENECEL MP 843 mit der Siebanalyse erhaltenen Werte wohl falsch zugeordnet worden seien, dh die Cellulosen augenscheinlich verwechselt worden seien. Daher sei es das Produkt BENECEL MP 843, das einen Rückhalt von 6% bei einem 100 mesh-Sieb aufweise, und nicht, wie von der Einsprechenden 1 behauptet, HPMC 2208 (fine). Diese Ungereimtheiten setzten sich in den die Auflösungsprofile wiedergebenden Figuren 18 und 19 dieses Dokumentes fort. Trotz der unterschiedlichen Teilchengröße der Cellulosen HPMC 2208 und HPMC 2208 (fine) und der Cellulose BENECEL MP 843, seien die Figuren nahezu deckungsgleich. Anhand dieser Figuren sei im übrigen auch zu ersehen, daß mit allen in (11) genannten Cellulosen Wirkstoffabgaben verbunden seien, die für eine angestrebte kontinuierliche Abgabe unvorteilhaft seien. Die erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf die Entgegenhaltungen (1) und (2) begründete sie damit, daß in (1) iVm den dort genannten Cellulosen nicht nur keine Schüttdichten genannt seien, es gebe dort auch an keiner Stelle Hinweise dahingehend, daß diese das Auflöseverhalten von Depottabletten beeinflussen könnten. Anregungen die Schüttdichte unter diesem Aspekt in die Überlegungen mit einzubeziehen, gebe auch die Entgegenhaltung (2) nicht. Dort sei dieser Parameter nämlich nur als allgemeiner, für Hydroxypropylmethylcellulosen üblicher Bereich, jedoch nicht unter dem Blickpunkt der pharmazeutischen Relevanz angegeben. Nachdem der Fachmann ferner nur den Zusammenhang zwischen niedriger Teilchengröße und der daraus resultierenden höheren Schüttdichte kenne und eine niedrige Schüttdichte, so wie sie im Streitpatent angegeben werde, nicht mit einer feinen Teilchengröße assoziiere, sei es nicht als trivial anzusehen, die beiden in Rede stehenden Parameter, so wie im Streitpatent angegeben, einzustellen. Nur so gelinge es aber, insbesondere das Auflösungsverhalten am Anfang wesentlich zu verbessern und damit auf eine Abgabe des Wirkstoffes in konstanten Dosen hin zu wirken.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten Die Einsprechende 1 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Einsprechende 2 ist - wie angekündigt - zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Sie hat schriftsätzlich ebenfalls die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

Die Einsprechende 3 ist gleichfalls nicht erschienen und hat sich im übrigen zur Sache nicht geäußert.

Die Einsprechende 1 widerspricht dem Vorbringen der Patentinhaberin.

Sie sieht sowohl die Neuheit hinsichtlich der Entgegenhaltung (11) als auch die erfinderische Tätigkeit in einer Zusammenschau dieser Druckschrift mit der Entgegenhaltung (1) bzw in einer Zusammenschau der Entgegenhaltungen (1) und (2) nicht mehr gegeben. Dazu führt sie im wesentlichen aus, daß es sich bei der Entgegenhaltung (11) um eine technische Information zu einem neuen Produkt handle, mit der das Ziel verfolgt werde, dieses Kunden möglichst frühzeitig vorzustellen. Daher solle mit solchen Druckschriften zunächst nur gezeigt werden, daß diese neuen Produkte vergleichbare Eigenschaften wie übliche Standardprodukte, zu denen zweifelsohne HPMC 2208 zähle, aufwiesen. Wie sie weiter darlegt, werde die patentgemäße Depottablette mit dieser Entgegenhaltung neuheitsschädlich getroffen, weil, wie aus der Tabelle II zu ersehen sei, die kommerziell erhältliche Cellulose HPMC 2208 (fine) eine Schüttdichte von 0,33 g/ml aufweise. Dabei handle es sich im übrigen um eine übliche Schüttdichte, da ein Fachmann gewöhnlich keine Produkte mit außergewöhnlichen Parametern für Vergleichsversuche verwende. Ferner erhalte der Fachmann mit (11) die Information, daß bei der Cellulose vom Typ HPMC 2208 (fine) 6% bei einem 100 mesh-Sieb zurückgehalten würden. Dieser Wert sei jedoch mit einer gewissen Schwankungsbreite zu lesen, da sich bei weiteren Messungen im Rahmen einer Siebanalyse sehr wohl auch Werte, wie sie im Streitpatent angegeben seien, ergäben. In diesem Zusammenhang führt sie ferner aus, daß der Fachmann nur die dort angegebene Information aus der Figur 8 entnehme, weil er diese so, wie sie abgebildet sei, zur Kenntnis nehme. Aber auch die erfinderische Tätigkeit sei ausgehend von (11) nicht gegeben. Die dort angegebene Cellulose HPMC 2208 (fine) unterscheide sich von der patentgemäß genannten Cellulose nämlich nur in der Teilchengröße. Die Entgegenhaltung (1) habe aber die Veränderung der Teilchengröße zum Gegenstand, weshalb sie dem Fachmann die Anregung gebe, die Korngröße der mit (11) angegebenen Cellulose HPMC 2208 (fine) dann zu verändern, wenn er die Auflösungseigenschaften weiter verbessern wolle.

Zu weiteren Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig; sie ist aber nicht begründet.

1. Die formale Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche 1 bis 3 ist unbestritten gegeben. Sie gehen auf die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 bis 3 zurück.

2. Die von der Patentinhaberin vorgetragenen Zweifel, daß die Entgegenhaltung (11) vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patentes, der Öffentlichkeit zugänglich war, sind nicht begründet. Diese Druckschrift trägt nämlich in Verbindung mit der Copyright-Angabe die Jahreszahl "1992". Nach geltender Rechtssprechung entspricht es aber der Lebenserfahrung, daß Druckschriften in unmittelbarem Anschluß nach ihrer Herstellung auch verteilt zu werden pflegen. Daher kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß der auf der Druckschrift angegebene Zeitpunkt - wie im vorliegenden Fall die Copyright Angabe - mit der öffentlichen Zugänglichkeit identisch ist (vgl schulte PatG 7. Aufl § 3 Rdn 46. Die Verteilung der in Rede stehenden Informationsschrift in der Zeit vor dem Prioritätstag wird darüber hinaus auch durch zwei im Laufe des Verfahrens von Seiten der Einsprechenden vorgelegte Schriftstücke (12) und (13) bestätigt. Dies erfolgt in (12) durch die Firma selbst, die diese Broschüre verschickt hat. Bei (13) handelt es sich um ein anonymes Massenschreiben der verteilenden Firma vom 1. Oktober 1992, gerichtet an die "Pharmaceutical Binder Subscriber". Schreiben in dieser Form werden üblicherweise als Deckblatt zum Versand vorgesehenen Firmenschriften beigelegt. Im vorliegenden Fall betrifft dieses Schreiben die die Entgegenhaltung (11) darstellende technische Information zu BENECEL¨-Hydroxypropylmethylcellulose.

3. Die beanspruchte Depottablette ist auch neu, denn in keiner der dem Senat vorliegenden Druckschriften wird eine Depottablette beschrieben, die als Bestandteil Hydroxypropylmethylcellulose mit der im Patentanspruch 1 angegebene Teilchengrößenverteilung und Schüttdichte aufweist. Dies gilt auch im Hinblick auf die von der Einsprechenden 1 diskutierte Entgegenhaltung (11). Diese nennt zwar Hydroxypropylmethylcellulosen, beispielsweise vom Typ HPMC 2208 (fine), die hinsichtlich ihres Substitutionsgrades an Methoxy- und Hydroxypropoxygruppen den patentgemäß genannten entsprechen und die eine Schüttdichte von 0,33 g/ml aufweisen, womit auch dieser Parameter von dem im Patentanspruch 1 für dieses Merkmal angegebenen Bereich umfaßt wird (vgl S 2 Tabelle II, 8. senkrechte Spalte). Der Senat kann sich jedoch nicht der Auffassung der Einsprechenden 1 anschließen, daß auch bezüglich der Teilchengröße Übereinstimmung herrsche. Wie aus der Figur 8 auf Seite 5 der Druckschrift zu ersehen ist, weist nämlich die als HPMC 2208 (fine) bezeichnete Fraktion nach einer Siebanalyse einen Anteil von ca 6% Rückstand bei einem 100 mesh-Sieb auf. Damit aber wird die Maßgabe gemäß Patentanspruch 1, daß nicht weniger als 95 Massen% der Hydroxypropylmethylcelluloseteilchen ein 100-Mesh-Sieb passieren können, nicht erfüllt.

4. Die Beschwerde führt aber nicht zum Erfolg, weil die Bereitstellung der beanspruchten Depottablette nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Vor dem Prioritätstag des Streitpatentes waren bereits verschiedene Arten von Depottabletten vom Matrixtyp bekannt. Bei dieser Zubereitungsform wird die Diffusionsgeschwindigkeit der pharmazeutisch wirksamen Bestandteile durch die Wahl des Depotbasisbestandteils kontrolliert. Als Depotbasisbestandteil wird dabei auch Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) verwendet. Diese herkömmlichen Depottabletten sind jedoch mit den Nachteilen verbunden, daß die Hydratationsgeschwindigkeit dann zu gering wird, wenn die Teilchengröße zu groß ist, und gleichzeitig das sich bildende Gel zu stark quillt. Dies hat zur Folge, daß sich die Tablette auflöst, bevor sich eine ausreichende Gelschicht bilden kann, weshalb sodann wiederum die Abgabegeschwindigkeit der wirksamen Bestandteile nicht wirksam kontrolliert werden kann. Auch weisen solche Tabletten nicht die erforderliche Härte auf, was gleichfalls den anfänglichen Zersetzungsprozess der Tablette beschleunigt und dem gewünschten Depotcharakter entgegenwirkt (vgl Patentschrift S 2 Z 19 bis 53).

Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, eine Depottablette zur Verfügung zu stellen, in der die Abgabegeschwindigkeit an deren pharmazeutisch wirksamen Bestandteilen wirksam und kontinuierlich kontrolliert werden kann (vgl Patentschrift S 2 Z 60 bis 62).

Gelöst wird diese Aufgabe durch die Bereitstellung einer Depottablette gemäß Patentanspruch 1, die als Depotbasisbestandteil Hydroxypropylmethylcelluloseteilchen mit dem dort genannten Substitutionsgrad und einer Schüttdichte von nicht mehr als 0,35 g/ml enthält, von denen nicht weniger als 95 Massen% ein (100 mesh-)Sieb mit 0,15 mm Maschenweite passieren.

Die Bereitstellung solcher Depottabletten bedurfte jedoch im Hinblick auf die Entgegenhaltungen (11) iVm (1) keiner erfinderischen Leistung.

Die Verwendung von Hydroxypropylmethylcellulose als Matrix zur Herstellung von Depottabletten, wobei diese nicht nur hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung, sondern auch mit einer Schüttdichte von 0,33 g/ml den im Streitpatent genannten Cellulosen entsprechen, waren dem Fachmann bereits vor dem Prioritätstag aus der Entgegenhaltung (11) bekannt (vgl S 1 Abs 1 iVm S 2 Tabelle II). Wie anhand der in (11) angegebenen Siebanalysen weiter zu ersehen ist, weist eine dieser Cellulosen, nämlich die in der Figur 8 als HPMC 2208 (fine) bezeichnete Probe, eine sehr feinkörnige Teilchengröße auf, nachdem von dieser ca 94 Massen% ein 100 mesh-Sieb passieren (vgl S 5 Figur 8). Diese Cellulose liefert, wie auch jene vom Typ BENECEL¨ HPMC MP 843, robuste Depottabletten (vgl S 6 Abs 2 iVm Figur 12), die im Vergleich mit den weiteren in dieser technischen Informationsschrift untersuchten Hydroxypropylmethylcellulosen den Wirkstoff langsamer an ihre Umgebung abgeben, was mit einer schnelleren Hydratation dieser Polymeren in Verbindung gebracht wird (vgl S 7 Abs 1 iVm Fig 17 bis 19).

Damit unterscheidet sich die in Figur 8 der Entgegenhaltung (11) mit HPMC 2208 (fine) bezeichnete Cellulose von den patentgemäß angegebenen lediglich darin, daß deren Rückstand in der Siebanalyse bei einem 100 mesh-Sieb um 1 Massen% über dem im Patentanspruch 1 angegebenen Wert liegt.

Hydroxypropylmethylcellulosen als Matrix von Depottabletten, wobei deren Substitutionsgrad an Methoxy- und Hydroxypropoxygruppen dem patentgemäß genanntem entspricht, und die eine Teichengrößenverteilung aufweisen, wie sie im Patentanspruch 1 des Streitpatentes angegeben werden, sind jedoch Gegenstand der Entgegenhaltung (1) (vgl Patentansprüche 1, 2 und 6 iVm Beschreibung Sp 1 Z 5 bis 7). Diese lehrt den Fachmann, daß eine kleine Teilchengröße die Hydratationsrate der Cellulosen erhöht, mit der Folge, daß die Abgabegeschwindigkeit der wirksamen Komponenten verzögert wird (vgl Sp 2 Z 55 bis 57). Als in diesem Sinn bevorzugt wird sodann eine Hydroxypropylmethylcellulose angesehen, von der mindestens 95 Massen% ein 100 mesh-Sieb passieren (vgl Beschreibung Sp 2 Z 58 bis 66).

Angesichts dieses Standes der Technik beruht die Bereitstellung der mit Patentanspruch 1 angegebenen Depottablette nicht auf Überlegungen erfinderischer Art. War der Fachmann nämlich vor die Aufgabe gestellt, eine Depottablette zur Verfügung zu stellen, in der die Abgabegeschwindigkeit an deren pharmazeutisch wirksamen Bestandteilen wirksam und kontinuierlich kontrolliert werden kann (vgl Patentschrift S 2 Z 60 bis 62), so erhielt er mit (11) den Hinweis, daß für diese Zielsetzung die Verwendung von Hydroxypropylmethylcellulosen besonders geeignet ist, die die in Rede stehende Konstitution besitzen und nicht nur eine geringe Schüttdichte von 0,33 g/ml aufweisen, sondern gleichzeitig auch eine kleine Teilchengröße, weil bereits mit deren Einsatz eine Steigerung der Hydratationsgeschwindigkeit zu erwarten war. Wollte er diese Cellulosen hinsichtlich ihres Abgabeverhaltens sodann weiter verbessern, so brauchte er dazu lediglich der mit (1) vermittelten Lehre zu folgen, und für die Teilchengröße die dort angegebenen als bevorzugt bezeichneten Bereiche vorzusehen. Dieses gilt umso mehr, als in (1) in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, daß feinkörnige Cellulosen im Vergleich zu grobkörnigeren ein längeres Abgabeprofil besitzen und die Abgabegeschwindigkeit durch eine weitere Verfeinerung der Korngröße, insbesondere dann, wenn mindestens 97 Massen% davon ein 140 mesh-Sieb passieren, weiter verlangsamt wird (vgl Sp 4 Z 29 bis 43).

Das Argument der Patentinhaberin, die Verwendung der im Patentanspruch 1 angegebenen Cellulosen führe nur dann, wenn gleichzeitig Schüttdichte und Teilchengröße die patentgemäßen Vorgaben erfüllten, zu Depottabletten, die nicht nur insgesamt den Wirkstoff langsamer abgäben, sondern insbesondere auch in der Anfangsphase, kann die erfinderische Tätigkeit ebenfalls nicht begründen. Dieser Effekt stellt sich nämlich zwangsläufig als Folge der aus den angeführten Gründen nahe gelegten Vorgehensweise ein.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung im Bezug auf die Entgegenhaltung (11) ferner vorgetragen, diese sei deshalb nicht als Stand der Technik in die Diskussion mit einzubeziehen, weil in der Figur 8 - wie ein Vergleich der Figur 7 zeige - den einzelnen Siebanalysen die falschen Bezeichnungen zugeordnet worden seien, dh dort die Siebanalysen der Cellulosen verwechselt worden seien. Das Ergebnis, das in dieser Figur der Cellulose HPMC 2208 (fine) zugeordnet worden sei, müsse daher der Cellulose MP 843 zugeordnet werden. Dieser Einwand kann jedoch nicht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhaltes führen. Fehler eines Dokumentes gehören nämlich grundsätzlich mit ihrer technischen Aussage zum Stand der Technik (vgl hierzu Schulte PatG 7. Aufl § 3 Rdn 126). Im vorliegenden Fall ist es darüber hinaus unerheblich, ob die Bezeichnungen der Cellulosen tatsächlich verwechselt worden sind. Wie aus der Tabelle II der Entgegenhaltung (11) zu ersehen ist, weisen beide in Rede stehenden Cellulosen nicht nur eine vergleichbare chemische Struktur auf, sie besitzen auch beide eine Schüttdichte von 0,33 g/ml. Ferner sind es auch diese beiden Cellulosen, die ein den anderen in dieser Druckschrift genannten Cellulosen überlegenes Abgabeprofil besitzen (vgl dazu auch S 7 Abs 1 iVm S 10 Fig 19). Damit wird in (11) unabhängig von der tatsächlichen Bezeichnung eine Cellulose beschrieben, die die im Patentanspruch 1 des Streitpatentes genannten Maßgaben (mit Ausnahme der Teilchengröße) ebenfalls erfüllt.

Der Patentanspruch 1 ist somit mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.

Die Patentansprüche 2 und 3 teilen das Schicksal des Patentanspruches 1 (vgl BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

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BPatG:
Beschluss v. 31.05.2005
Az: 14 W (pat) 34/03


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