Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 2. Januar 2009
Aktenzeichen: 13 A 1194/08

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 02.01.2009, Az.: 13 A 1194/08)

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 3. März 2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 100.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, die gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO nur im Rahmen der Darlegungen der Klägerin zu prüfen sind, liegen nicht vor.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), in der das Verwaltungsgericht ausgeführt hat: Die Zuteilung von Nummern könne mit Auflagen und sonstigen Nebenbestimmungen verbunden werden. Es müsse deshalb im Falle einer zugeteilten Auskunftsrufnummer die jederzeitige Erreichbarkeit gegeben sein. Gelinge dem Anschlussinhaber trotz Fristverlängerung der ordnungsgemäße Betrieb nicht, sei die Nummernzuteilung zu widerrufen, um die knappen zur Verfügung stehenden Nummern sinnvoll nutzen zu können.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung vermögen die von der Klägerin vorgebrachten Einwände nicht zu begründen.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Widerrufsbescheid vom 19. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2006 als rechtmäßig gewertet. Er findet seine Rechtsgrundlage in § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG i. V. m. § 43 Abs. 3 Satz 2 des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 (TKG 1996) und Abschnitt 6.1 Buchst. c) und 8 der Vorläufigen Zuteilungsregeln (VRZ). Ob auch § 67 Abs. 1 Satz 2 TKG in der Fassung vom 22. Juni 2004 (TKG) als Rechtsgrundlage für die ergangene Verfügung in Betracht kommt, obgleich diese Vorschrift zum Zeitpunkt der Zuteilung der Rufnummern noch nicht galt, kann dahinstehen.

Nach § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt auch nach Unanfechtbarkeit mit Wirkung ex nunc widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Beklagte hat den Zuteilungsbescheid vom 13. September 2002, mit dem der Klägerin zwei Rufnummern für Auskunftsdienste zugeteilt wurden, mit einer Auflage versehen dürfen. § 43 Abs. 3 Satz 2 TKG 1996 gestattete die Beifügung von Auflagen (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) ausdrücklich. Eine solche Auflage enthält Abschnitt 6.1c VRZ. Die darin normierte Pflicht zur Nutzung der Rufnummer binnen 90 Tagen nach Wirksamwerden der Zuteilung ist auf ein bestimmtes Tun gerichtet und stellt sich als selbständig erzwingbare hoheitliche Anordnung dar. Die Vollstreckung dieser Nebenbestimmung ist ohne zusätzliche Konkretisierung möglich, da der in der Auflage verwandte Begriff der Nutzung entgegen der Auffassung der Klägerin ausreichend bestimmt ist. Ein Nutzen der Rufnummer bedeutet ihre Schaltung im Netz. In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat ferner davon aus, dass nach Maßgabe der Regelung in Abschnitt 1 Abs. 2 VRZ die jederzeitige Erreichbarkeit der Auskunftsrufnummer hinzukommen muss.

So bereits VG Köln, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 11 L 1829/01 -, NVwZ-RR 2002, 605.

Der Senat hat zudem bereits entschieden, dass die Vorläufigen Zuteilungsregeln der Zuteilung von Rufnummern für Auskunftsdienste zugrunde gelegt werden dürfen. Ihnen kommt zwar als solche keine Außenwirkung zu, jedoch sind sie Ausdruck von Sinn und Zweck der Nummernverwaltung, die der Beklagten obliegt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Januar 2004 - 13 B 2225/03 -, juris.

Sie bewirken dabei in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften im Einzelfall eine rechtlich beachtliche Selbstbindung der Verwaltung bei der Rufnummernzuteilung und -verwaltung.

Die Einhaltung der in der Auflage bestimmten 90-Tage-Frist ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht im Sinne von § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG unmöglich.

Maßgeblich für das Verständnis dieser die Nummernverwaltung bestimmenden Auflage ist der Gesichtspunkt des alsbaldigen und konkreten Bedarfs für die begehrte Rufnummer. Der Senat hat im Zusammenhang mit der Erteilung und Nutzung einer Rufnummer bereits entschieden, dass ein alsbaldiger und konkreter Bedarf des jeweiligen Bewerbers für die begehrte Rufnummer dann besteht, wenn die Bereitstellung des mit der Rufnummer der Gasse 118xy erreichbaren Auskunftsdienstes am Markt in Kürze, d. h. in etwa drei Monaten konkret ansteht. Obgleich diese Voraussetzung in den Vorläufigen Zuteilungsregeln nicht ausdrücklich genannt wird, ergibt sie sich aus Sinn und Zweck der geregelten Nummernverwaltung. Ein derartiger Bedarf folgt für die Vergabe von Rufnummern allgemein und von solchen der Gasse 118xy im Besonderen aus dem ihnen von der Rechtsprechung zuerkannten Charakter einer knappen Ressource. Von einer knappen Ressource ist zurückhaltend, den Vorrat schonend Gebrauch zu machen und deshalb die Vergabe einer Rufnummer nur bei Notwendigkeit und alsbaldiger funktionsgerechter Verwendung der Nummer vorzunehmen. Das Erfordernis eines alsbaldigen Bedarfs für eine begehrte Rufnummer findet seinen konkreten Ausdruck in der Fristenregelung des Abschnitts 5.2 Satz 3 und 6.1 Buchst. c) VRZ. Aus der Frist von 90 Tagen vor Wirksamwerden einer Nummernzuteilung, zu welchem der Zuteilungsantrag frühestens gestellt werden darf, sowie aus der gleich langen Frist nach Wirksamwerden einer Nummernzuteilung, innerhalb der eine zugeteilte Rufnummer zu nutzen ist, ferner aus der Widerrufsmöglichkeit bei Verstoß gegen diese Fristenregelung folgt, dass eine Rufnummer einerseits nur bei erkennbar alsbaldigem Einsatz zugeteilt werden soll, andererseits ohne einen Einsatz in dieser Frist dem Inhaber auch nicht verbleiben soll, dass mit anderen Worten ein relativ aktueller und fortbestehender Bedarf für die jeweilige Rufnummer für ihre Inhaberschaft erforderlich sein soll. Eine Nummernvergabe auf Vorrat für den Fall, dass das beantragende Unternehmen die Nummer irgendwann einmal zu einem noch nicht absehbaren Zeitpunkt benötigen wird, ist demnach nicht erlaubt und ein dahin gehender Zuteilungsantrag unzulässig mit der Folge seiner Nichtbeteiligung am Vergabeverfahren.

So OVG NRW, Beschluss vom 8. Januar 2004 - 13 B 2226/03 -.

Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) weist zutreffend darauf hin, dass anderen Zuteilungsnehmern die Nutzung der Rufnummern in der vorgegebenen Zeit gelinge. Es kann daher keine Rede davon sein, dass niemand einen derartigen Zuteilungsverwaltungsakt habe ausführen können und die Einhaltung der Frist deshalb unmöglich sei. Ob die Klägerin hierzu nicht in der Lage war, ist demgegenüber unerheblich, denn es kommt im Zusammenhang mit der Anwendung des § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nicht auf das Unvermögen des Adressaten an.

Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 7. Auflage 2008, § 44 Rn. 143.

Es besteht auch kein Zweifel, dass die Voraussetzung der Auflage in Abschnitt 6.1c VRZ im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nicht erfüllt war. Nach den eigenen Ausführungen der Klägerin lief zu dieser Zeit (lediglich) der Test im Wirkbetrieb; wegen der laufenden Tests sind Anrufern im Januar und Februar 2006 keine inhaltlichen Auskünfte erteilt, sondern diese auf den Testbetrieb hingewiesen worden. Nach ihrer eigenen Einschätzung nutzte die Klägerin die Rufnummern vielmehr erst seit dem 30. April 2006 in der Weise, dass Auskunftsanrufe rund um die Uhr an 7 Tagen in der Woche beantwortet würden. Aber auch nach den durchgeführten Testanrufen im Dezember 2006 und im Januar 2007 stand nicht fest, dass die Voraussetzungen von Abschnitt 1 Abs. 2. VRZ ("jederzeit ... erreichbarer Informationsdienst") zwischenzeitlich vorgelegen hätten. Durchgreifende Bedenken gegen den Aussagewert dieser Anrufe hat die Klägerin auch nicht schlüssig aufgezeigt.

Ebenfalls verstießen die Auflagen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen die im Telekommunikationsgesetz bestimmten Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG. Denn sämtliche dort aufgelisteten Ziele der Regulierung sind bei der Anwendung des Telekommunikationsgesetzes zu berücksichtigen und es ist ein angemessenes Verhältnis der Ziele herzustellen. Aus diesem Grund scheidet eine einseitige Berücksichtigung eines oder einiger Regulierungsziele, wie die Klägerin meint, aus. Die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG (Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs) und in § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG (Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung mit Telekommunikationsdiensten zu erschwinglichen Preisen) bestimmten Zwecke sind in Einklang zu bringen mit den weiteren Regulierungszielen des § 2 Abs. 2 TKG. Insbesondere ist gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 8 TKG eine effiziente Nutzung von Nummerierungsressourcen zu gewährleisten, so dass die Verpflichtung nach den Vorläufigen Richtlinien, die zugeteilten Rufnummern binnen 90 Tagen zu nutzen, mit dem Regulierungsprogramm des Telekommunikationsgesetz übereinzustimmen hat. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG rügt, finden insoweit gegebene Ungleichbehandlungen ihre sachliche Rechtfertigung in einer effizienten Nutzung von zugeteilten Rufnummern. Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen das Kartellrecht geltend macht, bleibt ihr Vorbringen unsubstantiiert.

Die Klägerin hat auch nicht schlüssig dargetan, dass die BNetzA das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Die BNetzA hat vor allem darauf abgehoben, ohne dass dies rechtlich zu beanstanden wäre, dass die Klägerin bis zum Widerruf drei Jahre Zeit gehabt habe, die Nummern in ordnungsgemäßen Betrieb zu nehmen, dies aber trotz zahlreicher Fristverlängerungen nicht getan habe, so dass im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs der Widerruf unumgänglich gewesen sei. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Frage des Verschuldens hinsichtlich der Nichterfüllung der Auflage als unerheblich angesehen.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 6. September 1995 - 4 B 198.95 -, NVwZ-RR 1996, 193.

Soweit die Frage des Verschuldens bei der Ermessensentscheidung von Bedeutung sein kann, ist das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des mit der Auflage verbundenen Zwecks entscheidend.

Vgl. Sachs, a. a. O., § 49 Rn. 50.

Vorliegend musste daher mit Rücksicht auf die besonders knappe Ressource fünfstelliger Auskunftsrufnummern das Widerrufsermessen der BNetzA nicht die näheren Umstände der Nichterfüllung der Auflage berücksichtigen. Vielmehr stand einem anzuerkennenden Vertrauensschutz der Klägerin entgegen, dass die Beklagte während des langen Zeitraums von drei Jahren unterbliebener Nutzung der Rufnummern immer wieder zugewartet hat.

Schließlich sind die angefochten Bescheide nicht deshalb aufzuheben, weil die BNetzA zu ihrer Aufhebung verpflichtet wäre. Der Klägerin trägt in diesem Zusammenhang vor, die BNetzA habe die Aufhebung verbindlich in Aussicht gestellt, wenn und soweit die aufgestellten Qualitätskriterien erfüllt seien. Hierzu ist es allerdings nie gekommen, weil die Klägerin die Rufnummern nicht genutzt hat. Außerdem weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass die BNetzA eine solche Verpflichtung zur Aufhebung des Widerrufsbescheides nicht eingegangen ist. Vielmehr war immer nur von einer entsprechenden Prüfung die Rede, die indes stattgefunden hat.

Weitere Zulassungsgründe hat die Klägerin weder ausdrücklich noch der Sache nach geltend gemacht. Sie sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 02.01.2009
Az: 13 A 1194/08


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