Amtsgericht Konstanz:
Beschluss vom 16. Juli 2008
Aktenzeichen: UR II 89/08

(AG Konstanz: Beschluss v. 16.07.2008, Az.: UR II 89/08)

Tenor

Der Antrag des Antragstellers vom & wird auf Gewährung von Beratung nach dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (BerHG) vom 18. Juni 1980 zurückgewiesen.

Gründe

Ausschlaggebend für die Bewilligung von Beratungshilfe und die Erteilung eines Berechtigungsscheines nach dem BerHG ist, dass die begehrte Beratung bzw. Vertretung sich im Rahmen der von der Rechtssprechung zu § 1 des BerHG entwickelten Rechtsgrundsätze bewegt, wonach das Gesuch des Antragstellers die rechtlichen Kompetenzen und Möglichkeiten des Ratsuchenden selbst und nicht allein seine finanzielle Situation betreffen muss und die in § 1 bzw. § 6 Abs. 1 des BerHG im einzelnen beschriebenen Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe und die Erteilung eines Berechtigungsscheines gegeben sein müssen.

Wenn ein Antragsteller zur Begründung seines Antrages auf Bewilligung von Beratungshilfe ausschließlich anführt, er sei hoch verschuldet, ist Gegenstand der beabsichtigten Beratung bzw. Vertretung ausschließlich die wirtschaftliche Situation des Antragstellers, auch wenn sich später ein außergerichtliches oder gerichtliches Verfahren nach der InsO anschließen sollte. Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs benötigt der Antragsteller in diesem Fall in der Regel eine qualifizierte Schuldnerberatung aber keine Rechtsberatung im Sinne des BerHG. Wenn ein Antragsteller also einen Rechtsanwalt mit der Schuldenregulierung und ggfs. Vorbereitung eines Insolvenzverfahrens beauftragt, bewegt er sich im Regelfall außerhalb des Bereichs der im Rahmen der Beratungshilfe zu klärenden Rechtsfragen und muss seinen Anwalt selbst bezahlen. Ebenso wenig wie die Inanspruchnahme eines Anwalts für eine Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarung ( Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs , Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rdnr. 960 m.w.N.), zur Erreichung eines Zwangsvollstreckungsmoratoriums (vgl. AG Westerburg, FamRZ 1998, 254) oder zur Bewältigung allgemeiner Schwierigkeiten des täglichen Lebens (Unterstützung bei Schreib-, Lese- oder sonstiger Kommunikationsschwächen) über Beratungshilfe abgegolten werden kann, da es insofern nicht um die Durchsetzung eines vermeintlichen Rechtsanspruchs oder um die Verbesserung einer schützenswerten Rechtsposition geht, findet die Umwidmung der Beratungshilfe zum Zweck einer beschleunigten Entschuldung im Beratungshilfegesetz keine Stütze ( Landmann , a.a.O., 197 f.).

Würde man die Bewilligung von BerH für jeden Fall zulassen, würde dies bedeuten, dass jeder Bürger der erhebliche Schulden hat, zum Zwecke der Schuldenregulierung eine kostenlose Beratung und ggf. auch die Vertretung eines Rechtsanwaltes in Anspruch nehmen dürfte und sich auf Kosten der Staatskasse z.B. erkundigen könnte, ob er eine Chance hat, im Wege des Insolvenzverfahrens eine Restschuldbefreiung zu erlangen.

Der Bewilligung der BerH steht jedoch in diesem Fall entgegen, dass der Antragsteller nicht als Ratsuchender auftritt, sondern gerade aufgrund seiner Schuldnereigenschaft eine kostenlose Rechtswahrnehmung fordert.

Insbesondere liegt keine Wahrnehmung rechtlicher Interessen vor, wenn bereits rechtskräftige und vollstreckungsfähige Titel vorliegen. In einem solchen Fall ist die zu Grunde liegende Forderung nicht (mehr) streitig. Der Rechtsuchende strebt daher eine Schuldenregulierung, aber keine Lösung eines rechtlichen Problems an, insbesondere dann, wenn beabsichtigt wird sehr niedrige oder ggf. überhaupt keine Zahlungen an die Gläubiger zu erbringen (sog. Nullplan).

Eine ausnahmslose Bewilligung von BerH für zahlungsunfähige Antragsteller unabhängig von der Art und Höhe ihrer Verbindlichkeiten, würde diesen einen Weg eröffnen, einen abgeschlossenen Lebenssachverhalt (Überschuldung) auf Kosten der Staatskasse verbindlich regeln zu lassen. Dies widerspricht jedoch dem Sinn, dem Zweck und dem Grundsatz des Beratungshilferechts. Aufgabe der BerH ist gerade nicht, allgemeine Lebenshilfe wie Schreib- und Lesehilfe oder Hilfe zur Überwindung von Verständnis- und Sprachschwierigkeiten zu leisten. (AG Koblenz, Beschl. 16.12.1996, Rpfleger 1997, 220)

Sinn und Zweck der BerH sind vielmehr, gerichtliche Auseinandersetzungen und Verfahren zu vermeiden, jedoch ist es nach dem Gesetzgebungsverfahren nicht Aufgabe der BerH, gerichtliche Verfahren selbst in Gang zu setzen oder deren spätere Durchführung zu beschleunigen oder zu erleichtern. (Schoreit/Dehn, 8. Aufl. § 1 Rz. 12 mit Hinweis auf den Regierungsentwurf)

Im übrigen gelten die Regelungen des Beratungshilfegesetztes subsidiär, das heißt nur dann, wenn keine andere Möglichkeit zur Hilfe zur Verfügung steht. § 1 Abs. 1 und 2 AGInsO/BW nennt neben den Anwälten andere geeignete Stellen, welche für den Versuch der außergerichtlichen Einigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO in Frage kommen. In den einschlägigen Kommentierungen des Insolvenzrechtes (Hess, InsO, § 305 Rn. 27; Uhlenbruck, InsO,12.Aufl., § 305 Rn. 55; Münchener Kommentar, Band II, InsO, § 304, Rn. 30 benennt die Schuldnerberatungsstellen insbesondere.) wird die Schuldnerberatung gleichberechtigt genannt und ausdrücklich auf deren Zuständigkeitsbereich hingewiesen. (Münchener Kommentar, Ott, aaO, § 305 Rn. 75.) Art. 4 der Begründung des Regierungsentwurfs zu Nr. 3 des InsOÄndG (BT-Drucksache 14/5680 Seite 18.) geht in seiner Schätzung sogar davon aus, dass in 70% der Fälle der außergerichtliche Einigungsversuch durch die Schuldnerberatungsstellen unterstützt wird.

Hier ist es zumutbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG), eine der öffentlich anerkannten Schuldnerberatungsstellen aufzusuchen, da diese eine andere Art der Hilfe gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG darstellen. (Kammeier, Rpfleger 1998, 502 ff.) Die Bewilligung von Beratungshilfe ist nach allgemeiner Ansicht nur ein subsidiär gewährtes Element staatlicher Fürsorge, auf die -trotz finanzieller Bedürftigkeit - kein unbegrenzter Anspruch besteht, wie § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BerHG zeigen. Namentlich ist Beratungshilfe nur dann zu gewähren, wenn nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG). Eine solche andere Möglichkeit stellt vorliegend das Aufsuchen einer qualifizierten Schuldnerberatungsstelle dar (ebenso u.a. AG Torgau, Beschluss vom 13.02.2006, recherchiert bei juris-online; AG Schwerte, ZinsO 2004, 1215). Dabei ist eine Verzögerung durch die gerichtsbekannte Belastung der Beratungsstellen grundsätzlich hinzunehmen, denn der Schuldner hat keinen Anspruch auf Bearbeitung seines Falles innerhalb eines bestimmten Zeitraumes. Schließlich tritt eine Überschuldung nicht plötzlich und unerwartet ein, sondern ist das Ergebnis eines längeren, abzusehenden Prozesses (AG Torgau, a.a.O.). Wenn die Überlastung der Schuldnerberatungsstellen eine beschleunigte Bearbeitung seines Anliegens nicht zulässt, bleibt es jedem Schuldner unbenommen, außerhalb des Verfahrens auf Bewilligung von Beratungshilfe eine der in § 1 Abs. 1 und 2 AGInsO genannten Personen oder Stellen aufzusuchen, um auf eigene Kosten eine außergerichtliche Einigung gem. § 305 Abs. 1 InsO in Angriff zu nehmen. Eine Umwidmung der Beratungshilfe zum Zweck der beschleunigten Schuldnerberatung ist im Gesetz nicht vorgesehen und daher abzulehnen (vgl. Landmann, Rpfleger 2000, 197 ff; Lissner, Rpfleger 2006, 458ff). Es mag im Einzelfall zutreffend sein, dass es für den Schuldner angenehmer ist, wenn die Wahrnehmung seiner Interessen durch einen Anwalt und nicht mittels einer Schuldnerberatungsstelle erfolgt. Diese Einschränkung hat der Rechtsuchende jedoch hinzunehmen, denn die Restschuldbefreiung stellt eine Rechtswohltat dar, die für den Schuldner nicht zum Nulltarif zu haben ist. Vielmehr fordert der Gesetzgeber von dem Schuldner erhebliche Eigenanstrengungen zu investieren, da nur dann der Einsatz öffentlicher Mittel [...] gerechtfertigt ist. Die Wartezeit ist - jedenfalls im Regelfall - zumutbar im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG.

Angemerkt werden darf , dass die Rechtsanwaltskammer Celle (zu entnehmen aus einem Schreiben der Rechtsanwaltskammer Freiburg.) zu dieser Frage das Niedersächsische Justizministerium um Stellungnahme gebeten hat. Auch hier wurde erkannt, dass zum einen der Rechtsanwalt neben den Schuldnerberatungsstellen ( dort: gleichwertig ) besteht, zum anderen, dass deshalb nicht stets Beratungshilfe zu bewilligen sei und die Antragszurückweisung deshalb zulässig wäre, wenn anderweitige Hilfsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.. Die Rechtsanwaltskammer Thüringen hat in einer Stellungnahme die Verfahrensweise in Thüringen mitgeteilt. Der Schuldner könne sich grundsätzlich von einer geeigneten Person vertreten lassen, also auch von einem Rechtsanwalt. Das Wahlrecht löse jedoch nicht automatisch Ansprüche von Gewährung von Beratungshilfe aus, sondern nur wenn ein Rechtsanwalt wegen der (wohl juristischen) Schwierigkeit notwendig sei oder von der Schuldnerberatungsstelle an einen Anwalt verwiesen wird. Die Insolvenzberatung und -vertretung stelle keinen Sonderfall dar und sei daher grundsätzlich nach den Vorschriften des BerHG zu bewerten. Ähnlich hat sich hierzu der Justizminister von Baden-Württemberg Dr. Goll in einem Schreiben vom 23.05.2006 (Drucksache 13/5239 Landtag Baden-Württemberg; siehe Lissner, Rpfleger 2006, 458ff.) geäußert-

Auch das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 07.04.2000, Az. 1 BvR 2205/99, NJW 2000, 2494 f, zitiert nach juris, dort Rn. 17) ist der Auffassung, wonach vorrangig eine Schuldnerberatung in Anspruch zu nehmen sei, in der genannten Entscheidung nicht entgegen getreten ist. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass sich das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung mit dieser Frage nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat, da es dort darauf nicht ankam. Hätte das Bundesverfassungsgericht diese Auffassung indes für unzutreffend gehalten, hätte es erfahrungsgemäß nahegelegen, dies in den Gründen des Beschlusses zumindest anzudeuten.

Das BVerfG hat zudem in seiner Entscheidung vom 04.09.2006 (BVerfG 04.09.2006 1 BvR 1911/06) hierzu wie folgt ausgeführt: Die vom Amtsgericht gewählte Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG, wonach das Aufsuchen einer Schuldnerberatungsstelle grundsätzlich eine andere Möglichkeit für eine Hilfe darstellt, die dem Rechtsuchenden zuzumuten ist, ist einfachrechtlich gut vertretbar.

Die Beratungsstellen sind nicht nur zumutbar, sondern besonders geeignet. So üben diese die Schuldenregulierung tagtäglich aus und besitzen hier große Erfahrungswerte. Schuldnerberatungsstellen sind zudem eigens zu diesem Zweck geschaffen worden. Die Beratungshilfe ist hier lediglich subsidiär, da sie nicht die von anderen, meist über besondere Sachkunde verfügenden Einrichtungen kostenfrei geleistete Beratung ersetzen, sondern diese ergänzen soll (vgl. BRDrucks. 404/79, S. 14) Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass entsprechenden Einrichtungen den Kreis der vermögenslosen Bürger in dieser Sache oft über Jahre hinweg betreuen ( auch während des Verfahrens), wohingegen beim Rechtsanwalt meist nach Versuch des Plans die Tätigkeit beendet ist. Bereits hieraus ergibt sich doch, dass entsprechende Einrichtungen geeignet sind. Ob die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts für die öffentliche Hand wirtschaftlich günstiger wäre als die Tätigkeit einer anerkannten Beratungsstelle kann dahinstehen, ändert indes de lege lata nichts an der gesetzgeberischen Entscheidung, wonach der Rechtsuchende gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG zunächst andere zumutbare Möglichkeiten für eine Hilfe in Anspruch zu nehmen verpflichtet ist und Schuldnerberatungsstellen grundsätzlich andere zumutbare Möglichkeiten in diesem Sinne darstellen. Diese Überlegung zählen ebenso wenig zu den Tatbestandsmerkmalen des Beratungshilfegesetzes, wie Mutmaßungen über die Intentionen des Gesetzgebers der Insolvenzordnung oder der Vergütungsvorschriften für Rechtsanwälte ( , a.a.O., 197 ff.; , Rpfleger 2006, 458ff; Rechtspfleger 2007,448). Dass § 132 Abs.4 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung - BRAGO - (früher) und nunmehr § 44 RVG i.V.m. Anlage 1, Teil 2, Abschnitt 5 (bis 30.06.2006 Abschnitt 6) des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 Abs. 2 RVG (dort Nr.VV 2502 ff.) Gebührentatbestände vorsehen, bedeutet - wie bereits erwähnt - keine tatbestandliche Erweiterung der allein im Beratungshilfegesetz geregelten Bewilligungsvoraussetzungen oder einen davon unabhängig zu gewährenden Anspruch auf Beratungshilfe. Denn nach den immer zu prüfenden Umständen des Einzelfalles ( , a.a.O., 197; , a.a.O.) mögen Fallkonstellationen vorkommen, in denen ausnahmsweise Beratungshilfe zu bewilligen und für die eine abrechnungsfähige Gebühr erforderlich ist.

Im übrigen ist es auch unter Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG der einfachere und schnellere Weg, wenn der Antragsteller sich mit seinen Fragen an das für ihn zuständige (Insolvenz-)Gericht wendet.

Das Argument, dass die Verweisung an eine Behörde dann nicht zulässig ist, wenn es gerade diese Behörde ist, die mit der Entscheidung der Hauptsache befasst ist, kann hier nicht maßgeblich sein, da das (Insolvenz-)Gericht verpflichtet ist, dem Antragsteller eine kurze Auskunft zu erteilen. Dem Gericht obliegt gegenüber dem Schuldner eine Fürsorgepflicht, die insbesondere im Verbraucherinsolvenzverfahren gegenüber dem häufig Rechtsunkundigen eine eingehende Beratung erforderlich machen kann. (BT-Drucksache 14/5680, S. 21) Auch ist kein Grund ersichtlich, warum z.B. das (Insolvenz-)Gericht ein Interesse daran haben sollte, dem Rechtsuchenden eine Beantwortung seiner Fragen zu verweigern. Dies würde den beruflichen Erfahrungen des Gerichts aus der Praxis und der Prozessökonomie widersprechen. Neben dem Insolvenzgericht kann der Rechtsuchende sich unter Hinblick auf § 3 Abs. 2 BerHG je nach Zuständigkeit auch an das Amtsgericht seines Wohnortes wenden. Auch kann das Insolvenzgericht zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht als befangen abgelehnt werden, da BerH nur außerhalb gerichtlicher Verfahren in Betracht kommt (§ 1 Abs. 1 vor Nr. 1 BerHG) und daher das Gericht (noch) nicht beteiligt ist und daher als objektive Auskunftsstelle den Rechtsuchenden zur Verfügung steht.

Die Ansicht, jedem Antragsteller, der die Absicht äußert, ein Insolvenzverfahren durchführen zu wollen, sei ausnahmslos BerH zu bewilligen, damit auf Staatskosten durch die Beteiligung eines Rechtsanwalts die erforderliche Bescheinigung gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO verschafft werden kann, benachteiligt im übrigen in nicht zu rechtfertigender Weise die anderen zugelassenen Berufsgruppen (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer etc.), die ihre Tätigkeit nicht über das RVG liquidieren können. ( OLG Düsseldorf, Beschl. 23.02.2006, Rpfleger 2006, 328; AG Witten, 06.01.06, 2 UR 837/05; LG Landau, Beschl. 08.08.2005, NZI 2005, 639 f.; AG Villingen-Schwenningen, (richterl.) Beschl. 14.07.2006, UR III 143/06. )

Außerdem darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der mittellose zahlungsunfähige Antragsteller sich nicht besser stellen darf, als seine mittellosen Gläubiger. Nach der Rechtsentwicklung sind die Bestimmungen des BerHG eher darauf abgestellt, einem zahlungsunfähigen Gläubiger (!) BerH zu gewähren, wenn sein Schuldner ankündigt er wolle zum Zwecke der Schuldenbereinigung nicht etwa zahlen, sondern das Verfahren zur Restschuldbefreiung in Anspruch nehmen.

Dass § 132 Abs. 4 BRAGO bzw. VV Nr. 2502 ff. RVG einen Gebührentatbestand des Rechtsanwalts regeln, steht den o.g. Ausführungen allein deswegen nicht entgegen, da die Gebührenvorschriften die abschließenden Zugangsvoraussetzungen zur BerH (§ 1 BerHG) nicht erweitern, und selbst keinen gesonderten losgelösten Anspruch auf BerH schaffen.

Die Bewilligung von Beratungshilfe zur Erlangung eines Negativattests im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO scheidet regelmäßig bereits deshalb aus, weil es sich hierbei nicht um Beratungshilfe im Sinne von § 1 Abs.1 BerHG handelt (vgl. eingehend Landmann , Rpfleger 2000, 196, 197 f.; Lissner, Rpfleger 2006, 458ff).

Für die Vorbereitung und Durchführung des außergerichtlichen Einigungsversuchs nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO konnte daher BerH im vorliegenden Fall nicht bewilligt werden.

Das AG Konstanz hält insoweit an seiner ständigen, richterlichen Rechtsprechung fest wonach keine Beratungshilfe bewilligt werden kann und sieht sich überdies auch im Einklang mit der h. M. und Literatur &[ Anmerkung des Einsenders: es folgt eine Aufzählung an Rechtsprechungshinweisen ] ... .Überdies verfügt der Raum Konstanz über diverse Schuldnerberatungsstellen mit relativ kurzen Wartezeiten. Angemerkt werden darf, dass das AG Konstanz insoweit nicht auf Wartezeiten abstellt., da es sich bereits beim Komplex selbst regelmäßig um vordringlich wirtschaftliche Gesichtspunkte und damit nicht um Rechtswahrnehmung handelt. Die Beratungsstellen sind nicht nur zumutbar, sondern besonders geeignet und üben ihre Tätigkeit tagtäglich aus. Dabei begleiten sie den Schuldner in aller Regel nicht nur bis zur Antragstellung, sondern werden auch über den Rahmen des § 305 InsO hinaus unterstützend tätig. Damit stellen diese in aller Regel eine qualifiziertere Hilfe dar. Schuldnerberatungsstellen wurden insbesondere zur Beratung und Begleitung von Schuldnern ins Leben gerufen, die nach einem Ausweg aus der Schuldenfalle suchen. Sie sind auf Grund der Ausbildung ihrer Mitarbeiter geeignet, einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zu erstellen und die Antrag-Stellung des Verbraucherinsolvenzverfahrens vorzubereiten.

II.

Bei nachträglicher Antragsteller trägt der Rechtsanwalt das Kostenrisiko. Auf das Gebührenrisiko des Rechtsanwaltes wird vielerorts hingewiesen. (Bt-Drs. 8/3695 zu § 7; AG Witzenhausen Rpfleger 1989, 290; Lindemann/Trenk-Hinterberger, BerHG § 7 Rn 4; Feuerich/Braun, BRAO , 4.Auflage zu § 49a Rn.11f; Klinge § 7 Rn.2; Mümmler in Anm. zu JurBüro 1987, 609; OLG Hamm JurBüro 1984, 1746; LG Paderborn 5 T 92/86; AG Bamberg JurBüro 1982, 71; Schaich AnwBl 1981, 3; Krahmer ZfSH 1980, 300; Nöcker Rpfleger 1981, 3; Finger MDR 1982, 361; Klein JurBüro 2001, 172; Eckert FamRZ 2001, 536.) Tritt der Rechtsanwalt damit in eine Vorwegleistung, so tut er dies auf sein eigenes Risiko und hat insoweit kein Vertrauensschutz auf eine gerichtliche Bewilligung.

III.

Die korrekte Form der Antragstellung ist nicht eingehalten.

Es gibt lediglich zweierlei vom Gesetzgeber zugelassene Formen der Antragstellung. Zum einen ist dies schriftlich oder mündlich vor Erteilung der Beratungshilfe. Zum anderen ist dies - bei nachträglicher Antragstellung - zwingend schriftlich über das Anwaltsbüro mit allen erforderlichen Belegen und zusammen mit der Liquidation. Die nachträgliche Antragstellung hat dabei nach Abschluss der Tätigkeit zusammen mit den erforderlichen Unterlagen, dem erforderlichen Tätigkeitsnachweis sowie der Liquidation zu erfolgen. Ist die Angelegenheit noch nicht abgeschlossen, kann kein Schein erteilt werden und der Antrag ist zurückzuweisen. (AG Konstanz richterl. Beschluss vom 11.09.2007UR II 81/07) Eine nachträgliche Scheinerteilung soll ausgeschlossen sein. (Schulte Rpfleger 1983, 285; OLG Düsseldorf AnwBl 1985, 655;Feuerich/Braun, BRAO zu § 49a Rn. 2.; Grunsky NJW 80, 2041a.A.LG Berlin Rpfleger 1982, 239; BayObLG Rpfleger 83, 447.; Mümmler JurBüro 84,1125.) Dies geht auch so aus dem Reg-Entwurf ( Bt-Drs. 8/3311 Seite 15 zu § 10 Beratungshilfegesetz ) hervor. Zudem ist es sinnwidrig, die Entscheidung des Amtsgerichts über einen Berechtigungsschein zu beantragen, wenn der Rechtsanwalt die Beratung bereits begonnen hat. (Schoreit/Dehn § 4 Rn. 8; Klein JurBüro 2001, 172.) Beantragt der RA, obwohl er schon tätig geworden ist und die Angelegenheit noch nicht abgeschlossen war, BerH , ist der Antrag zurückzuweisen. (AG Rahden 29.09.2006 - 2 II 21/056 (BH) ; AG Konstanz v. 11.09.2007 UR II 81/07 juris.)

Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Sache abgeschlossen ist.

IV.

Der Antragsteller darf die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht selbst aufbringen können. Bei den wirtschaftlichen Verhältnissen und den Angaben haben Belege vorzuliegen. Die Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat dabei im amtlichen Vordruck zu erfolgen hat, wobei die Angaben zu belegen sind. Dies bedeutet, dass der Vordruck nicht nur sorgfältig und verständlich ausgefüllt werden, sondern auch aus sich heraus verständlich sein muss. Die beigefügten Belege sollen, was sich ohne weiteres aus der Bedeutung dieses Begriffs erschließt, die im Vordruck enthaltenen Angaben nicht ersetzen, sondern "belegen" und ihre Überprüfung ermöglichen. (OLG Frankfurt, Beschl. 26.08.1996, FamRZ 1997, 682)

Vorliegend fehlt es nahezu sämtlichen Belegen, welche sich das AG Konstanz regelmäßig vorlegen lässt. Dies sind Kontoauszüge der letzten 2-3 Monate , Mietvertrag sowie Einkommensnachweise.

Vorliegend liegt kein Mietvertrag vor. Dieser ist aber notwendig, da z.B. nicht alle Nebenkosten bei der BerH/PKH abzugsfähig sind. Zudem ist zu prüfen, wieviele Personen im Mietvertrag stehen ( ggf. kopfteilige Aufteilung der Mietkosten) . Einkommensnachweise (des Astellers sowie der weiteren Familienangehörigen ) fehlen ganz. Es kann wohl schwerlich angenommen werden, dass Sozialleistungen ohne Nachweise zu bewilligen sind. Weiter fehlen Angaben zu Kindergeld, Sparguthaben , Schonvermögen. Unter Bankguthaben wurde im Vordruck versichert, dass ein solches nicht zur Verfügung stünde. Gleichzeitig werden ( unvollständige ) Kontoauszüge vorgelegt. Hier liegt ein Wiederspruch vor.

Zum Einkommen zählen Geld oder Sachleistungen ( = Geldeswert ) unabhängig davon, woher sie stammen, ob sie pfändbar oder zu versteuern sind. Hierunter fallen auch freiwillige regelmäßige Zahlungen Dritter (z.B. des Lebensgefährten) egal, ob ein Rechtsanspruch hierauf besteht oder nicht. Weiter zählen zum Einkommen auch Wertvorteile, Krankengeld, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, sonstige Sozialleistungen, Kindergeld, Wohngeld, BAFÖG , Steuerrückerstattungen (OLG Bremen FamRZ 1998,1180.) , Abfindungen (OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1196) etc.. Sonderzahlungen wie Urlaubs - und Weihnachtsgeld, sind auf den Monat umzulegen und ebenfalls zu berücksichtigen. Neben den Einkünften ist das bereits vorhandene Vermögen zu berücksichtigen, soweit es den sogenannten Schonbetrag (§ 115 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO, § 90 SGB XII zählt hier abschließend auf; Geldbeträge bis 2600,- Euro gelten als Schonbetrag; 1600 Euro nach dem LSG Sachsen FamRZ 2007, 156.) übersteigt. Ersparte Mittel sind einzusetzen, da sonst jeder Sparer den Einsatz seiner Mittel mit dem Hinweis auf die künftige Alterssicherung verweigern könnte. Eine Einsetzung des Vermögens ist auch erforderlich, da Beratungshilfe eine Sozialleistung auf dem Gebiet der Rechtspflege ist (AG Pforzheim FamRZ 2005, 467 f.) und den Zugang zu der außergerichtlichen anwaltlichen Hilfe erleichtern soll, die jedoch nicht zur Aufgabe hat, begüterten Parteien den ungeschmälerten Erhalt ihres Vermögens zu ermöglichen. (OLG Frankfurt/M FamRZ 2005, 466.) Sparguthaben oberhalb des Schonvermögens ist selbst dann einzusetzen, wenn z.B. wegen einer vorzeitigen Kündigung ein Zinsverlust eintritt. (OLG Celle FamRZ 2005, 992.)

Angaben hierzu fehlen ganz.

Bei den vorgelegten Kontoauszügen fällt auf, dass es sich lediglich um solche aus dem Zeitraum März 08 und damit um veraltete handelt. Tatsächliche Konsultierung des Rechtsanwaltes soll im Juni 2008 gewesen sein. Es ist daher fraglich, wie sich der Rechtsanwalt ein Bild über die Situation des Mandanten gemacht hat bzw. wie geprüft und belegt wurde, dass ein Mandat nach dem BerHG vorliegt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind zum Zeitpunkt der Antragstellung darzulegen.

Was Darlehensraten betrifft, sind diese regelmäßig in der Beratungshilfe nicht abzugsfähig. Dies würde zu einer Bevorteilung der finanziell minderbemittelten Partei gegenüber einer Partei führen, welche mit ihren bescheidenen Mitteln sorgsamer umgeht. Kredite zur Vermögensbildung sind grundsätzlich nicht abzugsfähig. Zudem wäre der Verbleib des Kredites zu prüfen, da dieser als einzusetzendes Einkommen gilt.

V.

Es fehlen zudem sämtliche Tätigkeitsnachweise. Es liegt lediglich ein Plan in Form einer Tabelle vor. Ob und wann die Gläubiger jemals angeschrieben wurden, ist unklar. Ebenso ist der Verfahrensstand unklar.

VI.

Der Antragsteller darf die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht selbst aufbringen können. Die finanziellen Voraussetzungen der Beratungshilfe sind in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BerHG genannt.

Eine grobe Kalkulation der unbelegten Angaben lässt vermuten, dass BerH auch aus finanzieller Sicht nicht in Betracht kommt, da Vermögen von mehr als 15 Euro im Monat gegeben ist.

Eine genaue und abschließende Prüfung könnte nur bei Vorlage aller Belege erfolgen.

Die Beratungshilfe war daher aus mehreren Gründen nicht zu bewilligen.






AG Konstanz:
Beschluss v. 16.07.2008
Az: UR II 89/08


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