Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. November 2006
Aktenzeichen: 20 W (pat) 68/03

(BPatG: Beschluss v. 15.11.2006, Az.: 20 W (pat) 68/03)

Tenor

Der Beschluss des Patentamts vom 8. Juli 2003 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Fortführung des Prüfungsverfahrens an das Patentamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle für H 04 H durch Beschluss vom 8. Juli 2003 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes des mit Schriftsatz vom 18. Januar 2000 eingereichten Patentanspruchs 1 zurückgewiesen.

In der mündlichen Verhandlung wurden die Druckschriften

(1) DE 195 33 268 A1 und

(2) DE 42 37 005 A1 diskutiert.

Die Anmelderin beantragt, das Patent jeweils mit Patentanspruch 1-6 nach Haupt- und Hilfsantrag, beide überreicht in der mündlichen Verhandlung, und jeweils anzupassenden Unterlagen zu erteilen.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"1. Verfahren zum Betrieb eines Rundfunkempfängers für ein Fahrzeug für den gleichzeitigen Empfang von mindestens zwei Rundfunksignalen, bei welchem Nutzsignale, insbesondere Audiosignale, des jeweils empfangsbesten Rundfunksignals eines einmal eingestellten Senders wiedergegeben werden, wobei die Nutzsignale hinsichtlich ihrer Pegel und Laufzeit aneinander angepasst werden, dadurch gekennzeichnet, dass die Nutzsignale außerdem hinsichtlich ihres Dynamikumfangs aneinander angepasst werden."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet:

"1. Verfahren zum Betrieb eines Rundfunkempfängers für ein Fahrzeug, insbesondere eines Rundfunkempfängers für den gleichzeitigen Empfang von mindestens zwei Rundfunksignalen, bei welchem Nutzsignale, insbesondere Audiosignale, des jeweils empfangsbesten Rundfunksignals eines einmal eingestellten Senders wiedergegeben werden, wobei die Nutzsignale hinsichtlich ihrer Pegel und Laufzeit aneinander angepasst werden, dadurch gekennzeichnet, dass die Nutzsignale außerdem hinsichtlich ihres Dynamikumfangs aneinander angepasst werden, und dass die Qualität der Nutzsignale bewertet wird, und die Nutzsignale hinsichtlich ihrer Qualität aneinander angepasst werden, indem die Qualität eines der Signale objektiv verschlechtert wird."

Zu den jeweils geltenden nebengeordneten, auf einen Rundfunkempfänger gerichteten, Patentansprüchen 2 und den zugeordneten Unteransprüchen 3-6 wird auf die Akte verwiesen.

Die Anmelderin vertritt die Auffassung, der Gegenstand der jeweils geltenden Patentansprüche 1 und 2 sei gegenüber dem bisher genannten Stand der Technik neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Patentamt auf der Grundlage der neu gefassten Patentansprüche gemäß Hilfsantrag, die noch nicht geprüft sind (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 PatG).

Zum Hauptantrag:

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist dem Fachmann durch (1) i. V. m. dem Fachwissen und Fachkönnen nahegelegt. Fachmann ist ein Elektroingenieur mit Fachhochschulabschluss, der Rundfunkempfänger für RDS-Empfang entwickelt.

Druckschrift (1) offenbart dem Fachmann unbestritten ein Verfahren mit allen Merkmalen des Oberbegriffes von Anspruch 1, nämlich ein Verfahren zum Betrieb eines Rundfunkempfängers für ein Fahrzeug für den gleichzeitigen Empfang von mindestens zwei Rundfunksignalen, bei welchem Audiosignale des jeweils empfangsbesten Rundfunksignals eines einmal eingestellten Senders wiedergegeben werden (Anspruch 1). Bei dem Rundfunkempfänger zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 7 der Druckschrift (1) ist außerdem eine Anpassschaltung vorgesehen, mit der die Audiosignale (Nutzsignale) hinsichtlich ihrer Pegel und bei einer der aufgezeigten Alternativen auch hinsichtlich ihrer Laufzeit aneinander angepasst werden (Anspruch 7).

Mit der Anpassschaltung der D (1) soll ein angenehmes Hörempfinden des Benutzers unabhängig von den einzelnen Umschaltvorgängen gewährleistet werden, Sp. 3 Z. 32-35.

Der für die Entwicklung von Autoradios zuständige Fachmann befasst sich nicht nur mit der Lösung von vorgegebenen konkreten technischen Problemen, sondern ist allgemein um konkurrenzfähige Empfangsgeräte bemüht und berücksichtigt dabei mögliche Nutzerwünsche. Ist bei schlecht versorgten Empfangsgebieten mit einem hörbar unterschiedlichen Dynamikumfang zwischen zwei auf unterschiedlicher Frequenz empfangenen Nutzsignalen desselben Senders zu rechnen, hat der Fachmann daher Veranlassung, diesen hörbaren Dynamikunterschied zu verringern. Es liegt für ihn auf der Hand, bei dem durch (1) bekannten Verfahren dazu das Nutzsignal nicht nur in seinem Pegel und seiner Laufzeit, sondern auch in seinem Dynamikumfang dem bisher wiedergegebenen Nutzsignal anzupassen.

Zum Hilfsantrag:

Das Patentbegehren wurde mit dem Hilfsantrag wesentlich geändert. Damit ist der dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegende Zurückweisungsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gegenüber dem bisher bekannt gewordenen Stand der Technik entfallen.

Eine Anregung für den Fachmann, gemäß den im Patentanspruch 1 bzw. 2 gemäß Hilfsantrag genannten kennzeichnenden Merkmalen die Nutzsignale hinsichtlich ihrer Qualität aneinander anzupassen, indem die Qualität eines der Signale objektiv verschlechtert wird, ist dem derzeit in Betracht gezogenen Stand der Technik nicht entnehmbar.

Der Senat hat davon abgesehen, in der Sache selbst zu entscheiden. Wie aus der Akte ersichtlich ist, hat zu diesen vorgenannten Merkmalen das Patentamt im Verfahren nach § 44 PatG für die Prüfung, ob der Anmeldungsgegenstand die Patentierungsvoraussetzungen nach §§ 3 und 4 PatG erfüllt, noch nicht recherchiert. Nachdem vorliegend nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein einer Patenterteilung möglicherweise entgegenstehender Stand der Technik existiert und eine sachgerechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des relevanten druckschriftlichen Standes der Technik ergehen kann, wofür die Prüfungsstellen des Deutschen Patent- und Markenamts mit ihrem Prüfstoff und den ihnen zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten in Datenbanken berufen sind, ist die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (PatG § 79, (3) Nr. 1). Die Anmelderin erhält dadurch Gelegenheit, ihre Anmeldung ohne Instanzenverlust von der Prüfungsstelle u. a. auch auf die Zulässigkeit der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag prüfen zu lassen.






BPatG:
Beschluss v. 15.11.2006
Az: 20 W (pat) 68/03


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