Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Oktober 2010
Aktenzeichen: 19 W (pat) 354/06

(BPatG: Beschluss v. 25.10.2010, Az.: 19 W (pat) 354/06)

Tenor

Das Patent 10 2004 008 566 wird beschränkt mit folgenden Unterlagen aufrechterhalten: Patentansprüche 1 bis 7 mit geänderter Beschreibung gemäß Hilfsantrag 1, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung, 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 5, gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Für die am 19. Februar 2004 im Deutschen Patentund Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents am 9. März 2006 veröffentlicht worden. Es betrifft einen

"Halter für einen Blitzableiterdraht".

Gegen das Patent hatte die D... GmbH + Co. KG, ...-Straße in N..., am 8. Juni 2006 Einspruch erhoben. Sie hat ihren Einspruch am 19. Oktober 2010 per Fax zurückgenommen; das Original dieser Rücknahmeerklärung ist am 20. Oktober 2010 eingegangen.

Der erteilte Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet unter Einfügung von Gliederungsbuchstaben in Anlehnung an die Merkmalsgliederung der Einsprechenden:

"a) Halter für einen Blitzableiterdraht a1) an im Querschnitt kreisabschnittförmige Umbördelungen aufweisenden Blechelementen von Blechdächern, dadurch gekennzeichnet, b) dass der Halter (1) im Querschnitt etwa U-förmig ausgebildet ist, b1) wobei die U-Schenkel (3) die Umbördelung (4) annä

hernd formschlüssig übergreifen, c) wobei die U-Schenkel (3) im Abstand vom U-Boden (2) nach innen in Richtung auf den U-Boden (2) zu vorspringende Haltelaschen (8) aufweisen, d) welche bei einem Aufschieben des Halters (1) d1) auf die Umbördelung (4) durch diese in Richtung auf die Ebene der U-Schenkel (3) zurückgedrückt werden und d2) nach Passieren des dicksten Abschnitts der Umbördelung (4) elastisch zurückfedern d3) und an der dem U-Boden (2) abgewandten Unterseite der Umbördelung (4) zur Anlage gelangen, e) wobei der Leiterdraht (5) zwischen der Oberseite der Umbördelung (4) und dem U-Boden (2) festgelegt wird."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag dadurch, dass sich an ihn -unter Ersetzung des Punktes durch ein Komma -die mit den Gliederungsbuchstaben f) und g) versehenen Merkmale

"f) wobei die U-Schenkel (3) auf den U-Boden (2) zu nach innen zurückspringen, so dass ein an den Außendurchmesser (12) des Leiterdrahtes (5) angepasster Festlegeabschnitt (6) gebildet wird, g) wobei ein Übergangsbereich (14) zwischen dem Festlegeabschnitt (6) und den freien Enden der U-Schenkel (3) kreisabschnittförmig entsprechend dem Krümmungsradius der Umbördelung (4) ausgebildet ist."

anschließen.

Die Patentinhaberin beantragt, das angegriffene Patent im erteilten Umfang, hilfsweise beschränkt mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 7 mit geänderter Beschreibung gemäß Hilfsantrag 1, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung, 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 5, gemäß Patentschrift.

Die Patentinhaberin ist der Auffassung, der Einspruch sei nicht zulässig.

Sie führt dazu aus, dass sich die Einsprechende mit der Gesamtheit der Erfindung hätte auseinandersetzen müssen. Die im Patentanspruch 1 nach Hauptantrag angegebene Umbördelung betreffe eine Umbördelung, wie sie bei Kalzip-Dächern -die Patentinhaberin legt hierzu einen Firmenprospekt vor -vorgesehen sei; eine solche Umbördelung dürfe nicht umdefiniert werden, wie dies die Einsprechende im Einspruchsschriftsatz Seite 6, vorletzter Absatz getan habe. Die Patentinhaberin meint, dass sich die Einsprechende weder mit der Kreisabschnittförmigkeit der Umbördelung, noch mit einem annähernd formschlüssigen Übergreifen der Umbördelung durch die U-Schenkel, noch mit dem Zurückspringen der Haltelaschen nach Passieren der Umbördelung und deren darauffolgendem Anliegen an der Unterseite der Umbördelung auseinandergesetzt habe.

Die Patentinhaberin bestreitet, dass der von der Einsprechenden vorgelegte Prospekt der Firma ERICO GmbH, Memmingen: Befestigungssysteme für Elektromontagen SHKL und Datacom, Seiten 1/3, 1/4, 1/13, 1,14, 1/41, 1/42, VI, VIII, X, XII, Druckvermerk ERICO -02/02-CT-F1-59.5/12/D der Öffentlichkeit vor dem Anmeldetag zugänglich gewesen sei. Sie verweist dazu auf unterschiedliche Farbgestaltungen der einzelnen Seiten und weist darauf hin, dass es sich um eine jederzeit veränderbare Lose-Blatt-Sammlung handele.

Sie trägt weiterhin vor, dass die in dem Prospekt a. a. O. gezeigten Halter Caddy H sämtlich Spitzen aufwiesen, die sich unter Blitzstrombelastung stark erhitzen würden, so dass die Halter Caddy H nicht für Blitzschutzzwecke eingesetzt werden könnten. Es gebe bei diesem Halter auch kein annähernd formschlüssiges Übergreifen einer Umbördelung durch U-Schenkel.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG a. F. begründete Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den am 8. Juni 2006 eingelegten Einspruch besteht auch nach Aufhebung dieser Bestimmung zum 1. Juli 2006 (vgl. Art. 1 Nr. 17 u. Art. 8 des Gesetzes z. Änd. d. patentrechtl. Einspruchsverfahrensu. d. PatKostG v. 21. Juni 2006; BlPMZ 2006, 225, 226, 228) nach dem allgemeinen verfahrenrechtlichen Grundsatz der "perpetuatio fori" fort (vgl. u. a. BGH GRUR 2009, 184, 185 (Nr. 5) -Ventilsteuerung).

Der Einspruch ist statthaft und auch sonst noch zulässig, insbesondere hat die Einsprechende die geltend gemachten Widerrufsgründe und die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen innerhalb der Einspruchsfrist hinreichend substantiiert schriftlich vorgetragen (§ 59 Abs. 1 Satz 2 bis 4 PatG).

Zwar hat die Einsprechende in ihrer Merkmalsanalyse des Patentanspruches 1 (Einspruchsschriftsatz S. 5) die Merkmale a1), b1), d1) bis d3) nicht erwähnt, da sie meint, dass diese als unzulässige Wirkungsangaben anzusehen seien, die nichts zur Definition des eigentlichen Halters beitrügen (Einspruchsschriftsatz S. 4 le. Abs. und S. 5 1. Abs).

Sie ist jedoch im Zusammenhang mit dem Passieren der Haltelaschen durch den dicksten Abschnitt der Umbördelung und das anschließende Entspannen und Anliegen der Haltelaschen auch auf die Merkmale d1) bis d3) eingegangen (Einspruchsschriftsatz S. 7 drittletzter und vorletzter Abs.).

Das formschlüssige Übergreifen der Umbördelung durch die U-Schenkel gemäß Merkmal b1) hat die Einsprechende ebenfalls angesprochen (Einspruchsschriftsatz S. 7 drittle. Abs.).

Durch die Bezugnahme auf einen dicksten Abschnitt einer Umbördelung (Einspruchsschriftsatz S. 7 Abs. 4) hat sie auch einen prinzipiellen Zusammenhang mit einer kreisabschnittförmigen Umbördelung gemäß Merkmal a1) hergestellt.

Das Verfahren war auch nach Rücknahme des zulässigen Einspruchs aufgrund § 61, Abs. 1, Satz 2 PatG von Amts wegen fortzusetzen. Es führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents gemäß dem geänderten Patentanspruch 1 und der geänderten Beschreibung nach Hilfsantrag 1 (§ 21 Abs. 2 PatG).

1.

Nach Überzeugung des Senats ist der hier zuständige Fachmann ein FH-Maschinenbauingenieur, der auf dem Gebiet der Konzeption und Entwicklung von Blitzschutzeinrichtungen tätig ist.

2.

Dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 liegt folgendes Verständnis zugrunde:

Zu Merkmal b1): Unter einem annähernd formschlüssigen Übergreifen der Umbördelung durch die U-Schenkel ist nicht notwendig ein Anliegen der U-Schenkel über einen großen Bereich der Umbördelung zu sehen, sondern auch ein Anliegen der U-Schenkel entlang eines kurzen Bereichs. Solches stellt sich üblicherweise schon ein, wenn die U-Schenkel unter Krafteinwirkung gegen die Umbördelung drücken. Eine -auch nur bereichsweise -Anpassung an die Kreisform der Umbördelung ist erst im Hilfsantrag beansprucht.

Zu Merkmal e) Die Angabe, dass der Leiterdraht zwischen der Oberseite der Umbördelung und dem U-Boden festgelegt wird, besagt -entgegen der Auffassung der Patentinhaberin -nicht, dass eine elektrische Kontaktierung zwischen Oberseite der Umbördelung, Leiterdraht und U-Boden hergestellt sein muss. Vielmehr ist dadurch lediglich ein Raum zwischen der Oberseite der Umbördelung und dem U-Boden bestimmt, in dem sich der Leiterdraht befindet und aus dem er nicht heraus kann.

Zu den Merkmalen a1), b1) und d1) bis d3) Nach Auffassung des Senats geben diese Merkmale an, wofür der anspruchsgemäße Halter geeignet sein muss; sie sind aber nicht Bestandteil des Halters.

3. Der Halter gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist nicht patentfähig, da er nicht neu ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 PatG).

Aus der bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten DE 100 01 847 C1 (Fig. 1) ist -mit den Worten des Patentanspruchs 1 -bekannt eina) Halter für einen Blitzableiterdraht (Überschrift)

a1) an im Querschnitt kreisabschnittförmige Umbördelungen aufweisenden Blechelementen von Blechdächern (Der Halter 1 wie er in Fig. 1 ohne das Leitungshalter-Gegenstück 2 gezeigt ist, eignet sich für im Querschnitt kreisabschnittförmige Umbördelungen, etwa solchen von Kalzip-Dächern, wie sie die Patentinhaberin in der Verhandlung und unter Vorlage eines Prospektes angesprochen hat, nämlich dann, wenn der Halter auf diese, anstelle des Blitzableiterdrahtes 14 aufgeschoben wird)

wobei, b) der Halter (1) im Querschnitt etwa U-förmig ausgebildet ist (Fig. 1 i. V. m. Sp. 4 Z. 14), b1) wobei die U-Schenkel (4) die Umbördelung annä

hernd formschlüssig übergreifen (Wird eine kreisabschnittförmige Umbördelung, die geringfügig größer ist als der Abstand der U-Schenkel voneinander, zwischen die U-Schenkel 4 geschoben, so wird sie durch die U-Schenkel etwas zusammengedrückt und mithin von den U-Schenkeln 4 im Sinne des obigen Verständnisses annähernd formschlüssig übergriffen)

c) wobei die U-Schenkel (4) im Abstand vom U-Boden (3) nach innen in Richtung auf den U-Boden (3) zu vorspringende Haltelaschen (5) aufweisen, d) welche bei einem Aufschieben des Halters (1) d1) auf die Umbördelung durch diese in Richtung auf die Ebene der U-Schenkel (4) zurückgedrückt werden (Dies ist beim Aufschieben des Halters 1 auf die kreisabschnittförmigen Umbördelung der vorstehend beschriebenen Art der Fall) und d2) nach Passieren des dicksten Abschnitts der Umbördelung elastisch zurückfedern (Passiert die kreisabschnittförmige Umbördelung der vorstehend beschriebenen Art die Haltelaschen 5 so federn diese zurück, sobald die Umbördelung die Engstelle zwischen den Haltelaschen 5 in Richtung auf den U-Boden zu verlassen hat) d3) und an der dem U-Boden (3) abgewandten Unterseite der Umbördelung zur Anlage gelangen (Bei einem Zurückfedern der Haltelaschen 5 gelangen diese an der dem U-Boden 3 abgewandten Seite der Umbördelung zur Anlage und zwar mit ihren als Klemmschrägen ausgebildeten Widerlagern 7; Sp. 4 Z. 34), e) wobei der Leiterdraht zwischen der Oberseite der Umbördelung und dem U-Boden (3) festgelegt wird (Wird der Halter 1 auf die kreisabschnittförmige Umbördelung der vorstehend genannten Art, d. h. auf eine Umbördelung mit einem Durchmesser etwas größer dem Abstand der U-Schenkel 4 aufgeschoben, dann verbleibt zwischen der Oberseite der Umbördelung und dem U-Boden noch ein Raum, der dazu geeignet ist, den Leiterdraht im Sinne des obigen Verständnisses festzulegen. Dies ergibt sich aus Figur 1, wenn die kreisabschnittförmige Umbördelung, etwa die eines Kalzip-Dachs, zwischen den U-Schenkeln und den Widerlagern 7 vorgesehen ist).

4. Die Schutzschaltung gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist demgegenüber neu und erfinderisch i. S. d. §§ 3 und 4 PatG und rechtfertigt insoweit die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents (§ 21 Abs. 2 PatG).

4.1 Zur Neuheit ist Folgendes auszuführen: Der Halter gemäß der DE 100 01 847 C1 weist weder einen an den Außendurchmesser des Leiterdrahtes angepassten Festlegeabschnitt auf, noch existiert ein Übergangsbereich zwischen dem Festlegeabschnitt und den freien Enden der U-Schenkel. Die U-Schenkel (4) verlaufen hier vielmehr durchgängig gerade zwischen ihren Enden (Austritt der Haltelaschen 5) und dem U-Boden (3).

Die Merkmale f) und g) sind damit nicht realisiert.

Der Halter Caddy H gemäß dem Firmenprospekt a. a. O. weist schon keine Haltelaschen auf, sondern Krallen. Ebenso wenig ist ein Festlegeabschnitt und ein Übergangsabschnitt vorgesehen.

Wenigstens die Merkmale c), f) und g) sind somit aus dem Prospekt nicht bekannt.

Die in der mündlichen Verhandlung weder vom Senat noch von den Beteiligten aufgegriffenen Druckschriften DE 36 06 329 C2 und DE 200 12 732 U1 gehen nicht über den abgehandelten Stand der Technik hinaus und können daher im Folgenden außer Betracht bleiben.

Der Halter gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist somit neu.

4.2 Die erfinderische Tätigkeit begründet sich wie folgt: Um ausgehend vom Halter nach der DE 100 01 847 C1 zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag zu gelangen, hätte der Fachmann ihn zunächst entgegen seiner Bestimmung nutzen müssen (was bei der Neuheitsbetrachtung nicht zum Tragen kam), d. h. er hätte den Halter statt auf den Leiterdraht auf eine kreisabschnittförmige Umbördelung aufschieben und dabei gleichzeitig das Leitungshalter-Gegenstück 2 weglassen müssen.

Weiterhin hätte er noch gemäß Merkmal f) einen Festlegeabschnitt und gemäß Merkmal g) einen Übergangsbereich am Halter vorsehen müssen, wozu er weder aus der DE 100 01 847 C1 noch aus dem Firmenprospekt a. a. O. -unterstellt, der Prospekt wäre der Öffentlichkeit zugänglich gewesen -eine Anregung erhält. Zumal der Firmenprospekt a. a. O. Halter zeigt, die wegen ihrer Zacken oder Krallen -wie die Patentinhaberin glaubhaft vortrug -für Blitzschutzanlagen ungeeignet sind.

Ein Fachmann, wie er oben definiert ist, wäre nach Überzeugung des Senats daher nicht in der Lage, die aufgezeigten Schritte zurückzulegen, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen. Der Halter gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

4.3 Die gemäß § 61 Abs. 4 Satz 1 PatG angepasste Beschreibung zum Hilfsantrag 1 genügt den an sie zu stellenden Anforderungen.

Groß Kirschneck Dr. Scholz J. Müller Pü






BPatG:
Beschluss v. 25.10.2010
Az: 19 W (pat) 354/06


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