Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 27. Dezember 1998
Aktenzeichen: 6 W 28/98

(OLG Köln: Beschluss v. 27.12.1998, Az.: 6 W 28/98)

1. Für die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO genügt nicht, dass der Unterlassungsschuldner eine -für sich genommen möglicherweise wettbewerbswidrige-, dem im Unterlassungstitel umschriebene ähnliche Handlung begangen hat; vielmehr muß die betreffende Handlung derjenigen, die durch den Titel untersagt ist, gleichwertig sein. 2. Ist unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung (§ 1 UWG) dem Anbieter eines Strategiespiels neben anderen kumulativ aufgeführten Elementen die Verwendung des Produktnamens "4 gewinnt" gerichtlich untersagt worden, stellt der Vertrieb des betreffenden Spiels unter dem neuen Namen "Top four" keinen Titelverstoß im Sinne von § 890 ZPO dar.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluß der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 3. März 1998 -31 O 673/97 SHI- wie folgt abgeändert: Der Antrag der Gläubigerin vom 6. Oktober 1997, gegen die Schuldnerin wegen Zuwiderhandlung gegen das durch die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 19. August 1997 -31 O 637/97- ausgesprochene Verbot Ordnungsmittel festzusetzen, wird zurückgewiesen. Die notwendigen Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens der ersten Instanz hat die Schuldnerin zu tragen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Gläubigerin auferlegt.

Gründe

Die gemäß § 793 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt zu der aus der Beschlußformel ersichtlichen Abänderung des angefochtenen Ordnungsmittelbeschlusses, weil ein für die begehrte Verhängung von Ordnungsmitteln gemäß § 890 Abs. 1 ZPO vorauszusetzender Verstoß gegen den Kernbereich des mit der einstweiligen Verfügung ausgesprochenen Unterlassungsgebots nicht festgestellt werden kann.

Dabei kann es dahingestellt bleiben, inwiefern das am 6. November 1997 erworbene Spiels "Top four" der Schuldnerin in der aus der Anlage K 1 zum Schriftsatz vom 28. November 1997 ersichtlichen Aufmachung seinerseits als unzulässige Nachahmung des Spiels "Vier gewinnt" der Gläubigern einzuordnen ist, dessen Inverkehrbringen daher als gemäß § 1 UWG unlautere Wettbewerbshandlung zu unterbinden wäre. Das ist hier deshalb nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, weil ein solcher Verstoß allenfalls im Rahmen eines neuerlichen Unterlassungsbegehrens, nicht aber im Rahmen des Ordnungsmittelverfahrens zur Zwangsvollstreckung des in der vorliegenden einstweiligen Verfügung titulierten Verbots geltend zu machen ist.

Die Verhängung von Ordnungsmitteln wegen Verstoßes gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung setzt voraus, daß der Schuldner Handlungen vorgenommen hat, die vom Verbotstatbestand erfaßt werden bzw. die nur geringfügig vom wettbewerbswidrigen Kern - dem Charakteristischen - der in dem Vollstreckungstitel untersagten, in der konkreten Verletzungsform sich niederschlagenden Handlung abweichen, ihr aber praktisch gleichwertig sind (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche. 6. Auflage, 57. Kapitel, Rdn. 12; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Auflage, Einleitung UWG, Rdn. 581 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Danach ist vorauszusetzen, daß der Schuldner nicht lediglich eine der bereits nach dem Unterlassungstitel verbotenen Handlung "ähnliche" Wettbewerbsverletzung begeht, sondern daß die Verletzung gerade in der Weise geschieht, die dem Schuldner durch den vorliegenden Verbotstitel, auf den der Gläubiger sich stützt, untersagt worden ist. Wegen des repressiven Charakters der Ordnungsmittel und des sich aus Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz ergebenden "Bestimmtheitsgebots" sind dabei enge Grenzen zu ziehen und darf die Anwendung der "Kerntheorie" nicht dazu führen, ein dem verbotenen im Kern lediglich ähnliches Verhalten mittels der Zwangsvollstreckung eines vorliegenden Titels zu "verbieten". Läßt die in diesem Zusammenhang gebotene Auslegung des Unterlassungstitels Zweifel offen, ob die in Rede stehende Verletzungshandlung dem Charakteristischen der in dem Titel untersagten Handlung entspricht, stellt sich daher das Verfahren der Zwangsvollstreckung als ungeeignet bzw. unzulässig dar und ist der Gläubiger darauf zu verweisen, sich im Rahmen eines Erkenntnisverfahrens einen (weiteren) Verbotstitel zu beschaffen.

Dies vorangestellt, kann das Inverkehrbringen des hier fraglichen Spiels "Top four" durch die Schuldnerin aber nicht als Verstoß gegen das mit der vorliegenden Unterlassungsverfügung titulierte Verbot angesehen werden. Wie sich aus der zur Auslegung des in der Beschlußverfügung ausgesprochenen Verbots heranzuziehenden Antragsschrift der Gläubigerin ergibt, begründet sich der Vorwurf des nach § 1 UWG unzulässigen Plagiats kumulativ zu weiteren, von der Gläubigerin angeführten Gesichtspunkten u. a. damit, daß das von der Schuldnerin in den Verkehr gebrachte Strategiespiel (auch) den Produktnamen des Originals "Vier gewinnt" durch die Bezeichnung "4 gewinnt" nachgeahmt habe. Eben dieser Gesichtspunkt findet in lit. e) des in der Antragsschrift formulierten, die einzelnen Merkmale der beanstandeten Ausstattung kumulativ aufführenden Unterlassungsantrags, welcher der einstweiligen Verfügung zugrundeliegt und in die Formulierung der dort titulierten Unterlassungsverpflichtung entsprechend übernommen worden ist, seinen Niederschlag. Das am 6. November 1997 erworbene Spiel der Schuldnerin weicht aber hinsichtlich des unter lit. e) des titulierten Verbots genannten Merkmals nicht nur unwesentlich von dem der Unterlassungsverfügung zugrundeliegenden Aufmachung des Spiels "4 gewinnt" ab. Denn die für diese Ausstattung des Strategiespiels der Schuldnerin gewählte Bezeichnung "Top four" ist dem Produktnamen des dem Verfügungstitel zugrundeliegenden Spiels " 4 gewinnt" weder in klanglicher, noch in inhaltlicher oder sinnbildlicher Hinsicht gleichwertig. Während der Begriff " 4 gewinnt" zum Ausdruck bringt, daß mit "4 (Spielsteinen) gewonnen" werden kann bzw. derjenige Spieler gewinnt, dem es gelingt, 4 (passende) Spielsteine zu plazieren, besagt die Formulierung "Top four" lediglich , daß 4 (Spielsteine €) "an der Spitze stehen" bzw. "oben" sind. Daß damit zwangsläufig auch der Umstand des - nach der erstgenannten Formulierung aber zum Ausdruck gebrachten - Spielgewinns verbunden ist, vermittelt die letztgenannte Aussage aber nicht ohne weiteres. Denn sie kann ebenso gut dahin verstanden werden, daß "four" bzw. 4 (Spielsteine) "on top" d.h. "oben" bzw. "an der Spitze" (des Spielbretts) stehen bzw. plaziert werden müssen, um zu gewinnen. Angesichts dieser Unterschiede im Aussagegehalt der Produktbezeichnungen handelt es sich bei der im November 1997 erworbenen Ausstattung zwar um ein der mit dem Titel untersagten konkreten Form ähnliches Produkt. Dieses ist jedoch dem Charakteristischen der kumulativ u. a. gerade an die Produktbezeichnung anknüpfenden, mit der einstweiligen Verfügung untersagten Verletzungshandlung nicht gleichwertig und liegt damit außerhalb des Kernbereichs des titulierten Verbots.

Im Ergebnis gleiches gilt hinsichtlich des anläßlich des Testkaufs am 23. September 1997 in einem in A. gelegenen Fachgeschäft erworbenen Exemplars. Da dieses unstreitig von der Schuldnerin bereits vor Zustellung der einstweiligen Verfügung in den Verkehr gebracht worden war und das titulierte Verbot die Verpflichtung, das künftige Inverkehrbringen durch Dritte zu unterbinden, nicht umfaßt, fällt auch dieses Verhalten nicht unter das in der Unterlassungsverfügung ausgesprochene konkrete Verbot.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der ersten Instanz auf § 788 Abs. 1 ZPO, bezüglich der Beschwerdeentscheidung auf § 91 Abs. 1 ZPO. Soweit sie notwendig waren, sind die Kosten der ersten Instanz danach der Schuldnerin aufzuerlegen, weil die von der Gläubigerin eingeleitete Zwangsvollstreckungsmaßnahme nicht offensichtlich aussichtslos war, sondern von einer wertenden Beurteilung des Umfangs des Kernbereichs des gerichtlichen Verbots abhing, deren Ausgang von der Gläubigerin nicht ohne weiteres vorhergesehen werden konnte (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 20. Auflage, Rdn. 8, 9/9a, 20 zu § 788 ZPO).






OLG Köln:
Beschluss v. 27.12.1998
Az: 6 W 28/98


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5f4ed2e6de9b/OLG-Koeln_Beschluss_vom_27-Dezember-1998_Az_6-W-28-98




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share