Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Oktober 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 121/03

(BPatG: Beschluss v. 06.10.2004, Az.: 28 W (pat) 121/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 10 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Januar 2003 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 109 543 wird die Löschung der Marke 399 65 106 angeordnet.

Gründe

I.

Gegen die für

"Orthopädische Artikel, insbesondere Bandagen und Orthesen"

am 30. Mai 2000 eingetragene Wortmarke

"OmoTract"

ist rechtzeitig Widerspruch erhoben worden aus der Wortmarke 2 011 261

"Omotrain", eingetragen seit dem 4. August 1987 für die Waren

"Orthopädische Hilfsmittel, nämlich Bandagen, Fußeinlagen, Kompressionsstrümpfe, Prothesen und Orthesen, sämtliche vorgenannte Waren soweit in Klasse 10 enthalten".

Die Markenstelle für Klasse 10 hat - nachdem die Markeninhaberin die Benutzung bestritten hat - den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die Widersprechende habe nicht hinreichend die rechtserhaltende Benutzung nach Art und Form glaubhaft gemacht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die zum Nachweis der Benutzung eine weitere eidesstattliche Versicherung nebst zusätzlichen Unterlagen vorlegt und eine Verwechslungsgefahr für unausweichlich hält, weil angesichts identischer bzw. hochgradig ähnlicher Waren und eines durch lange und umfangreiche Benutzung erhöhten Schutzumfangs der Widerspruchsmarke die Abweichung der Vergleichsmarken lediglich in den zwei Endbuchstaben nicht ausreiche, um den erforderlichen Zeichenabstand vor allem gegenüber den zumindest mitbetroffenen Endverbraucherkreisen herzustellen.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie erhält ihre Nichtbenutzungseinrede weiterhin aufrecht und bestreitet eine erhöhte Bekanntheit und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Auch wendet sie sich gegen die Annahme einer Verwechslungsgefahr, da die ersten beiden Silben der Vergleichsmarken unabhängig von den betroffenen Verkehrskreisen kennzeichnungsschwach seien. In der Branche sei es üblich, den Anwendungsbereich der Bandagen durch die aus dem Altgriechischen stammende medizinische Bezeichnung (z.B. "omo" für Schulter, "manu" für Hand, "genu" für Knie, "achillo" für Ferse) zu kennzeichnen und sie mit einem weiteren Bestandteil zu verbinden wie im vorliegenden Fall, so dass der Verkehr erst aus dem nachfolgenden Bestandteil die betriebliche Herkunft entnehme und im vorliegenden Fall auch hinreichende Unterschiede in jeder Richtung vorfinde, die durch den jeweils anklingenden Sinngehalt verstärkt würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet. Nach Auffassung des Senats halten die sich gegenüberstehenden Marken nicht den erforderlichen Abstand ein, um eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG auszuschließen.

Nach dieser Vorschrift hängt das Bestehen der Verwechslungsgefahr ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfassten Waren. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Nach diesen Grundsätzen muss vorliegend eine Verwechslungsgefahr bejaht werden.

Was die Warenlage anbetrifft, ist von der Markeninhaberin die Benutzung in zulässiger Weise bestritten worden. Jedoch hat die Widersprechende die Benutzung ihrer Marke im Sinne von § 43, 26 MarkenG, § 294 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht.

Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin sind hierfür nicht umfangreiche Unterlagen wie Rechnungen oder Lieferscheine oder sonstige Umsatzbelege erforderlich. Vielmehr kann die Benutzung, wie im Gesetz vorgesehen, unter Umständen sogar allein mit einer sorgfältig formulierten eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht werden. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass nicht der Vollbeweis einer Benutzung erbracht werden muss, sondern lediglich deren Glaubhaftmachung. Wenn schon im einstweiligen Verfügungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung genügt, dürfen im markenrechtlichen Registerverfahren die Anforderungen etwa an die Qualität und den Aussagegehalt einer solchen Versicherung nicht höher geschraubt werden, auch wenn ein Widersprechender hier mehr Zeit zur Zusammenstellung von Unterlagen hat. Letztlich sollen mit der Regelung der §§ 43, 26 MarkenG vor dem Hintergrund des schon in der europäischen Markenrichtlinie enthaltenen Benutzungszwangs lediglich Scheinbenutzungen oder sonstige nicht ernsthafte Benutzungshandlungen ausgeschlossen werden, so dass selbst Umsatzangaben aus einem sehr kurzen Abschnitt des jeweils relevanten Fünf-Jahres-Zeitraumes ohne weiteres die Ernsthaftigkeit belegen können (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl. 2003, § 43 Rdn. 95). Im übrigen können, wie gesagt, alle Kriterien zur Glaubhaftmachung umfassend durch Erklärung im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung erfüllt werden einschließlich der verbalen Beschreibung einer funktionsmäßigen Benutzung, auch wenn insoweit die Vorlage von Benutzungsbeispielen auf der Ware oder, falls das nicht möglich oder üblich ist, der Verpackung in Form von entsprechenden Abbildungen sicherlich sachdienlich ist.

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die Widersprechende den Anforderungen an die Glaubhaftmachung bereits mit ihren bei der Markenstelle eingereichten Unterlagen entsprochen hat. Denn spätestens mit der Vorlage der weiteren eidesstattlichen Versicherung und Unterlagen im Beschwerdeverfahren ist die Benutzung der Widerspruchsmarke als Kennzeichnung für "Bandagen" ausreichend dargelegt, denn es wird ein relevanter Zeitraum von 1997 bis 2001 mit der Übersicht über den erzielten Umsatz abgedeckt, der sich ersichtlich außerhalb einer reinen Scheinbenutzung bewegt. Die von der Markeninhaberin geltend gemachten Mängeln in den eidesstattlichen Versicherungen und den weiteren Unterlagen können deren Erklärungsgehalt nicht ernstlich in Zweifel ziehen, da sich zumindest aus den Gesamtumständen ein ernsthafter Marktauftritt der Widersprechenden mit ihrer Marke für die beanspruchte Ware ergibt. Die Frage der räumlichen Verbindung zwischen Marke und Ware, die bislang nur in Form eines Verpackungsbeispiels belegt war, ist in der mündlichen Verhandlung durch Vorlage eines bildlichen Verwendungsnachweises (Einnäher mit Wiedergabe der Marke) ausreichend geklärt, abgesehen davon, dass es offenbar, wie auch die Markeninhaberin bestätigt hat, auf dem vorliegenden Warengebiet nicht durchgängig üblich ist, Marken unmittelbar auf der Ware zu platzieren bzw. diese mit einem Einnäher zu versehen, sondern teilweise nur die Verpackung zu kennzeichnen. Damit hat die Widersprechende eine ernsthafte und wirtschaftlich sinnvolle Benutzung für ihre Bandagen glaubhaft gemacht.

Aus den eingereichten Unterlagen ergibt sich allerdings keine hinreichende Basis für die Anerkennung einer durch Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die die Markeninhaberin überdies bestritten hat.

Die sich gegenüberstehenden Waren sind zumindest teilweise identisch bzw. im engsten Ähnlichkeitsbereich. Zwar hat die Widersprechende die Benutzung nur für Schulterbandagen glaubhaft gemacht. Auf diese konkreten Ware darf sie jedoch nicht festgelegt werden, weil sie sonst in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit ungebührlich eingeengt wäre. Nach der von der Rechtsprechung für das Widerspruchsverfahren entwickelten erweiterten Minimallösung (vgl. Ströbele/Hacker, aaO., § 26 Rdn. 210 ff., 217 m.w.N.) ist die nächstgelegene Untergruppe festzustellen, die im vorliegenden Fall zumindest den Warenbereich der Bandagen insgesamt erfasst und damit dem Oberbegriff im angegriffenen Warenverzeichnis unterfällt, so dass von Warenidentität ausgegangen werden muss.

Die angegriffene Marke hält den damit erforderlichen erheblichen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht mehr ein. Insgesamt weisen die Marken beachtliche klangliche und schriftbildliche Gemeinsamkeiten auf, wobei neben der fast identischen Vokalfolge (einzige Abweichung "ai/a") und Silbengliederung auch die Betonung übereinstimmt. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin kann der gemeinsame Bestandteil "Omo" nicht unberücksichtigt bleiben. Wegen seines auf "Schulter" hinweisenden Bedeutungsgehalts mag er zwar für Orthopäden im Zusammenhang mit Schulterbandagen kennzeichnungsschwach sein; für die weiteren Verkehrskreise, nämlich Händler und insbesondere die Endverbraucher, erschließt er sich mangels Fachkenntnissen nur bedingt oder gar nicht. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin werden sich diese Verkehrskreise deshalb auch an "Omo" orientieren. Zudem können solche Teile einer einheitlichen Marke, deren Kennzeichnungskraft insgesamt mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als normal einzustufen ist, nicht unberücksichtigt bleiben, sondern im Zusammenhang mit weiteren Ähnlichkeiten der Vergleichsmarken als zusätzlicher Grund für die Bejahung der Verwechslungsgefahr Bedeutung erlangen (vgl. Ströbele/ Hacker, aaO., Rdn. 331 m.w.N.). Dies gilt selbst bei beschreibenden Bestandteilen, auch wenn ihnen keine besondere Gewichtung zukommen wird, obwohl sie am Wortanfang stehen (BGH GRUR 2004, 783 (785) - NEURO-VIBOLEX/ NEURO-FIBRAFLEX). Ebenso wenig werden dem Verkehr im vorliegenden Fall die klanglichen Unterschiede auffallen. Beide Marken unterscheiden sich klanglich praktisch nur im unterschiedlichen Wortende, an welchem der zusätzliche Vokal "i" als Diphtongende und die abschließenden stimmlosen Konsonanten nur bei genauem Hinhören zur Geltung kommen. Selbst bei einer - nicht ohne weiteres nahegelegten - englischen Aussprache der jeweiligen Endsilben werden die Abweichungen jedenfalls unter ungünstigen Übermittlungsbedingungen nicht durchschlagen, zumal der abschließende Vokallaut ("ä/äi") sehr ähnlich ist. Berücksichtigt man, dass für den klanglichen Gesamteindruck die Silbengliederung und Vokalfolge maßgeblich sind (vgl. Ströbele/Hacker, aaO., Rdn. 180, 182 m.w.N.), so reichen die genannten verbleibenden Unterschiede, die in den langen Markenwörtern sowieso weniger ins Gewicht fallen (vgl. Ströbele/Hacker, aaO., Rdn. 195), jedenfalls im engsten Warenähnlichkeitsbereich nicht mehr aus, um für den erforderlichen Abstand zu sorgen, zumal sie den betroffenen Verkehrskreisen, die die Vergleichsmarken ja nicht unbedingt nebeneinander sehen, nicht in Erinnerung bleiben werden. Dies gilt auch, wenn angesichts der Waren, die dem medizinischen Bereich zuzurechnen sind, eine erhöhte Aufmerksamkeit des Verkehrs zugrundegelegt wird, die aber nicht den Grad wie bei zur Einnahme vorgesehenen Arzneimitteln erreicht.

Unter diesen Umständen muss eine klangliche Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hinsichtlich der angegriffenen orthopädischen Artikeln bejaht werden, so dass der angemeldeten Marke die Eintragung zu versagen war.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Fa






BPatG:
Beschluss v. 06.10.2004
Az: 28 W (pat) 121/03


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