Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 15. September 2008
Aktenzeichen: AnwZ (B) 109/06

(BGH: Beschluss v. 15.09.2008, Az.: AnwZ (B) 109/06)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 5. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 9. Mai 1978 zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Antragsteller ist als Rechtsanwalt beim Amtsgericht F. sowie beim Landgericht und beim Oberlandesgericht B. zugelassen. Die Antragsgegnerin widerrief mit Verfügung vom 12. August 2005 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft unter anderem nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Anwaltszulassung des Antragstellers ist zu Recht wegen Vermögensverfalls widerrufen worden (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO).

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen waren im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung erfüllt und sind weiterhin gegeben.

Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st.Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Senatsbeschluss vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126).

Der Antragsteller war im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung mit sechs Haftbefehlen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in das Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) des Amtsgerichts B. eingetragen. Die dadurch begründete gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall des Antragstellers (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) hat dieser auch im gerichtlichen Verfahren nicht widerlegt. Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof sind deshalb mit Recht davon ausgegangen, dass sich der Antragsteller im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall befand.

Dagegen bringt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nichts mehr vor. Er beruft sich auch nicht auf eine nach Erlass der Widerrufsverfügung eingetretene Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse; Anhaltspunkte dafür sind auch nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat am 25. August 2006 die eidesstattliche Versicherung abgegeben; am 29. Dezember 2006 ist das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden (3 IN 753/06 AG B. ). Die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls besteht damit fort.

Der Übergang der Verfügungsbefugnis des insolventen Rechtsanwalts auf einen Vermögensverwalter führt nicht dazu, dass die Vermögensverhältnisse des Rechtsanwalts bereits deshalb als wieder "geordnet" anzusehen wären (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511, unter II 1 m.w.Nachw.). Die Vermögensverhältnisse eines Schuldners können grundsätzlich erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, mit welcher der Schuldner das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO), und mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts (§ 291 Abs. 1 InsO) wieder als geordnet angesehen werden (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2004 - AnwZ (B) 40/04, NJW 2005, 1271 unter II 2 und 3). Diese Voraussetzungen sind bislang nicht gegeben; es ist auch nicht absehbar, ob es zu einer Ordnung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers im Insolvenzverfahren kommen wird.

2. Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet; dies ist auch in aller Regel der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511, unter II 2 a). Allerdings kann eine Gesamtwürdigung der Person des Rechtsanwalts, der Umstände des eröffneten Insolvenzverfahrens sowie etwaiger Beschränkungen, denen sich der insolvente Rechtsanwalt arbeitsvertraglich unterworfen hat, ausnahmsweise den Schluss rechtfertigen, dass durch den Vermögensverfall eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht gegeben ist (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004, aaO unter II 2 c; vgl. auch Senatsbeschluss vom 25. Juni 2006 - AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, Tz. 12). Ein solcher Ausnahmefall, der im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur selten anzunehmen ist (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004, aaO unter II 2 b), liegt hier aber nicht vor.

a) Zwar ist der Antragsteller zunächst aufgrund des befristeten Anstellungsvertrages vom 30. Dezember 2006, sodann des unbefristeten Arbeitsvertrages vom 18. Januar 2008 nicht mehr als selbständiger Rechtsanwalt tätig, sondern als Angestellter des Rechtsanwalts P. in dessen Kanzlei beschäftigt, in der noch eine weitere Rechtsanwältin als freie Mitarbeiterin und ein Steuerberater tätig sind. Die Beschränkungen, denen sich der Antragsteller in seinem Arbeitsvertrag gegenüber Rechtsanwalt P. unterworfen hat, vermögen eine Gefährdung der Rechtsuchenden aber nicht zuverlässig auszuschließen. Soweit dort geregelt ist, dass Kanzleikonten und Barkasse der Verfügungsbefugnis des Antragstellers entzogen sind und Bargeld vom Antragsteller nicht entgegengenommen werden darf, ist eine Einhaltung dieser Beschränkungen schon deshalb nicht gewährleistet, weil nicht dargelegt ist, dass die übrigen Mitarbeiter der Kanzlei - auch das Büropersonal - in diese Vereinbarungen eingebunden sind und wie durch die kanzleiinterne Vertretungsregelungen gewährleistet sein soll, dass diese Vereinbarungen auch im Vertretungsfall eingehalten werden. Darauf ist der Antragsteller mit Verfügung vom 6. Februar 2008 hingewiesen worden. Dem Schriftsatz des Antragstellers vom selben Tag ist nicht zu entnehmen, dass der als Sozius aufgeführte Steuerberater S. und das Büropersonal von den Beschränkungen des Antragstellers auch nur Kenntnis hätten; mit Bezug auf den Steuerberater heißt es vielmehr, dieser habe mit den den Antragsteller betreffenden Dingen "nichts zu tun". Weiteres Vorbringen hierzu fehlt.

b) Unabhängig davon kann nicht, wie es nach der Senatsrechtsprechung für die Annahme eines Ausnahmefalles erforderlich wäre (Beschluss vom 18. Oktober 2004, aaO, unter II 2 c), davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller seinen Beruf bisher "ohne jede Beanstandung" ausgeübt hat.

Nach der Mitteilung der Staatsanwaltschaft B. vom 14. April 2008 läuft gegen den Antragsteller und dessen ehemaligen Sozius ein umfangreiches Ermittlungsverfahren, dessen Gegenstand im Wesentlichen Untreue ist und in dem in Kürze Anklage erhoben werden soll. Wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe wird auf die Darstellung im oben genannten Schreiben der Staatsanwaltschaft sowie auf die übersandten Vernehmungsprotokolle Bezug genommen. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorwürfe schließlich zu einer Verurteilung des Antragstellers wegen Untreue führen werden. Schon die Einlassungen des Antragstellers in dessen Vernehmungen als Beschuldigter belegen hinreichend, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Antragstellers in der Vergangenheit erheblich beeinträchtigt wurden, weil sich der Antragsteller in hohem Maß pflichtwidrig verhalten hat. So hat der Antragsteller in der Vernehmung vom 9. Mai 2006 seine Kenntnis davon eingeräumt, dass auf den Geschäftskonten der Kanzlei eingehende Fremdgelder nicht mehr an Mandanten weitergeleitet werden konnten, nachdem von den Banken die Konten nur noch auf Guthabenbasis geführt wurden und eingehende Gelder - ohne zu berücksichtigen, ob es sich um Honorarzahlungen oder Fremdgelder handelte - zum Ausgleich des Sollstandes verwendet wurden. Weiter hat er ausgesagt:

"Gingen dann neue Zahlungen ein, die auch Fremdgelder enthielten, so wurden diese an Mandanten ausbezahlt, an die bereits früher hätten Zahlungen erfolgen müssen. Dadurch wurde ein Loch gestopft und ein neues geöffnet. Dies erfolgte auf Grund des Verhaltens der Banken sozusagen zwangsweise."

In der Vernehmung vom 15. Mai 2006 hat der Antragsteller zu dem Vorwurf (Fall 4), einen Betrag von 65.000,-- DM nicht an die Mandantin K. abgeführt zu haben, ausgesagt:

"Es ist richtig, dass die Zahlung entsprechend dem Abfindungsvergleich vom 09. 08. 2001 für andere Verbindlichkeiten, die bestanden, bzw. zur Auszahlung von fälligen Fremdgeldern an Mandanten verwendet wurde. Das war mir bekannt. Es handelte sich wieder um eine Phase, wo andere gedrückt haben und Zwangsvollstreckungen drohten und deshalb dieser Frau K. zustehende Betrag verwendet werden 'musste'. Es handelte sich wieder um einen Fall, wo eben ein Loch gestopft und ein anderes aufgemacht wurde."

Dieses pflichtwidrige Verhalten des Antragstellers in der Vergangenheit begründet hinreichende Zweifel daran, dass der Antragsteller die Interessen der Rechtsuchenden in Zukunft wahren wird, solange er sich weiterhin in Vermögensverfall befindet. Ein Ausnahmefall im Sinne der Senatsrechtsprechung, in dem unter Berücksichtigung aller Umstände - auch des Verhaltens des Rechtsanwalts in der Vergangenheit - hinreichend gewährleistet erscheint, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts nicht gefährdet werden, kann danach im vorliegenden Fall nicht bejaht werden.

Ganter Ernemann Frellesen Schaal Wosgien Hauger Stüer Vorinstanz:

AGH München, Entscheidung vom 05.10.2006 - BayAGH I - 23/05 -






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Beschluss v. 15.09.2008
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