Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. April 2009
Aktenzeichen: 15 W (pat) 338/05

(BPatG: Beschluss v. 20.04.2009, Az.: 15 W (pat) 338/05)

Tenor

Das Patent 102 34 539 wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 30. Juli 2002 beim Deutschen Patentund Markenamt unter dem Aktenzeichen 102 34 539.2 eingereichte Patentanmeldung ist ein Patent mit der Bezeichnung "Kolben mit einem offen vergossenen Kühlkanal-Ringträger und Verfahren zu seiner Herstellung " erteilt worden. Veröffentlichungstag der Patenterteilung in Form der DE 102 34 539 B4 ist der 24. Februar 2005.

Das Patent umfasst in seiner erteilten Fassung 3 Ansprüche, die folgenden Wortlaut haben:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Kolbens (1) mit einem Kühlkanal (8), wobei ein Bauteil (7) den Kühlkanal (8) nach dem Gießen des Kolbens (1) bildet, dadurch gekennzeichnet, daß zumindest eine Öffnung (13; 14) des Bauteiles (7) vor dem Gießen des Kolbens (1) mit zumindest einer Pinole (10) einer Gießform verbunden ist, wobei über die Pinole (10) und die Gießform eine Entlüftung des Bauteiles (7) erfolgt.

2.

Kolben (1) hergestellt nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Bauteil (7) ein Kühlkanalrohr (12) oder ein Kühlkanalblech (16) ist.

3.

Kolben (1) hergestellt nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß das Kühlkanalblech (16) mit einem Ringträger (15) eine Baueinheit bildet."

Gegen die Erteilung des Patents hat die M... GmbH am 20. Mai 2005 Einspruch eingelegt.

Bei ihrer Begründung stützt sich die Einsprechende auf folgenden druckschriftlichen Stand der Technik:

D1 DE10015709A1 D2 DE10100955A1 D3 DE10036481A1 D4 JP10184450A D5 DE-AS 10 97 210 D6 US4907545 Ferner sieht die Einsprechende alle im Anmeldeverfahren angegebenen Entgegenhaltungen auch als im Einspruchsverfahren befindlich an.

In der mündlichen Verhandlung überreicht der Vertreter der Patentinhaberin neue Patentansprüche 1 bis 3 als Hilfsantrag. Diese Patentansprüche haben folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Kolbens (1) mit einem Kühlkanal (8), wobei ein Bauteil (7) den Kühlkanal (8) nach dem Gießen des Kolbens (1) bildet, dadurch gekennzeichnet, daß zumindest eine Öffnung (13; 14) des Bauteiles (7) vor dem Gießen des Kolbens (1) mit zumindest einer Pinole (10) einer Gießform verbunden ist, wobei über die Pinole (10) und die Gießform eine Entlüftung des Bauteiles (7) zur Außenumgebung erfolgt.

2.

Kolben (1) hergestellt nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Bauteil (7) ein Kühlkanalrohr (12) oder ein Kühlkanalblech (16) ist.

3.

Kolben (1) hergestellt nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß das Kühlkanalblech (16) mit einem Ringträger (15) eine Baueinheit bildet."

Der Vertreter der Patentinhaberin führt in der mündlichen Verhandlung aus, die Entgegenhaltungen D1 und D2 seien beide für sich nächstliegender Stand der Technik. Auch die D5 gehe in diese Richtung. Es wird auch eingeräumt, das Entlüften des Bauteils, das nach dem Gießen des Kolbens den Kühlkanal bilde, werde nicht als Erfindung angesehen. Jedoch sei es nicht bekannt, diese Entlüftung über eine Pinole und die Gießform in den Außenraum vorzunehmen. Im Stand der Technik erfolge demgegenüber die Entlüftung stets in die Gießschmelze hinein. So bedeute beispielsweise die innenbelüftete Pinole gemäß D2 ebenfalls, dass die Entlüftung in die Schmelze vor sich gehe. Eine solche Entlüftung sei zwar nirgends ausdrücklich dargestellt, erweise sich jedoch auch nicht als kritisch und werde deshalb im Stand der Technik stillschweigend vorgenommen. Vom Streitpatent wird dagegen ein anderer Weg als bei der Entgasung in die Schmelze und der Ableitung über die übliche Entlüftungsöffnung des Formhohlraumes beschritten. Der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Hilfsantrag ziele dementsprechend auf die Entlüftung zur Außenumgebung, wobei dieses neue Merkmal in der Streitpatentschrift auf Seite 3, linke Spalte, ab Zeile 4 offenbart sei. Im Unterschied dazu beschreibe die D5 keine Ableitung über Pinole und Gießform zur Außenumgebung. Bei der D1 erfolge die Gasableitung in die Schmelze hinein. Bei der D2 schließlich bleibe es ohnehin offen, warum die Pinolen innenbelüftet seien und wohin die Ableitung erfolge.

Der Vertreter der Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent im erteilten Umfang aufrecht zu erhalten, hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 2 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Der Vertreter der Einsprechenden stellt den Antrag, das Patent vollumfänglich zu widerrufen.

Der Vertreter der Einsprechenden wendet ein, auch die D5 sei neuheitsschädlich. Selbstverständlich müsse Luft aus der Gießform entweichen. Eine Ableitung über die Schmelze sei jedoch schlecht, da eine Aluminium-Schmelze sauerstoffempfindlich sei. Beim Kontakt mit Sauerstoff bildeten sich nämlich Dendriten, wodurch das Metallgefüge gestört werde. Somit führe die Einleitung von Luft bzw. Sauerstoff in die Aluminiumschmelze zur Zerstörung des Kolbens. In diesem sachlichen Zusammenhang weist der Vertreter der Einsprechenden auf die Beschreibung der Streitpatentschrift selbst hin, wo auf Seite 3, linke Spalte, Mitte, ausdrücklich auf eine Oxidation der Gießschmelze Bezug genommen werde. Der Hilfsantrag bewirke keine Änderung hinsichtlich der Neuheit gegenüber der D5, denn dort erfolge die Ableitung der Luft ebenfalls nach außen. Insgesamt fehle die Patentfähigkeit gegenüber D1, D2 und D5.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1.

Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind (BGH, GRUR 2007, 859 -Informationsübermittlungsverfahren I und BGH, GRUR 2007, 862 -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH, GRUR 2009, 184 -Ventilsteuerung).

2.

Der rechtzeitig und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind im Hinblick auf den druckschriftlich belegten Stand der Technik innerhalb der Einspruchsfrist die den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit nach § 21 Abs. 1 PatG rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe ohne eigene Ermittlungen ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).

3.

Der Einspruch hat Erfolg, denn der Gegenstand des Streitpatents ist nicht patentfähig, weil er gegenüber dem in der Entgegenhaltung DE 100 15 709 A1 (D1) beschriebenen Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Das Patent war deshalb zu widerrufen § 61 Abs. 1 Nr. 1 PatG).

a.

Der Gegenstand des Patents geht über den Inhalt der Anmeldung in der am Anmeldetag eingereichten Fassung nicht hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG). Insbesondere sind die geltenden Patentansprüche 1 bis 3 sowohl nach Hauptantrag als auch nach Hilfsantrag formal zulässig, denn diese Ansprüche finden ihre Grundlage in den Ursprungsunterlagen. Insbesondere geht der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 zurück. Das zusätzliche Merkmal gemäß Hilfsantrag, wonach eine Entlüftung des Bauteiles zur Außenumgebung erfolgt, findet sich sowohl in der Streitpatentschrift, dort auf S. 3 li. Sp. Zn. 4 bis 8, als auch in der ursprünglichen Beschreibung, dort auf S. 2 Z. 32 bis S.

3 Z. 1. Die übrigen, erteilten Ansprüchen 2 und 3 bzw. die identischen, hilfsweise beantragten Ansprüche 2 und 3 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 und 4.

b.

Als zuständiger Fachmann ist ein in der Entwicklung von Gießformen für die Herstellung von Kolben für Brennkraftmaschinen tätiger Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Gießereitechnik anzusehen, der über eine mehrjährige Berufspraxis verfügt. Von daher sind ihm nicht nur die konstruktiven Belange bei der Entwicklung der Gießformen geläufig, sondern er kennt auch die grundlegenden physikalischen und chemischen Vorgänge beim Gießen von Metallschmelzen sowie die Eigenschaften der zu vergießenden Schmelzen und Legierungen.

c.

Bei der streitpatentlichen Erfindung geht es um die Herstellung eines Kolbens -für eine Brennkraftmaschine -, der im Kolbenboden einen Kühlkanal aufweist (Streitpatentschrift [0001]). Durch diesen Kühlkanal zirkuliert im Betrieb des Motors ein Kühlmedium, insbesondere Motoröl, um den Kolbenboden, insbesondere im Bereich des Ringträgers bzw. um eine Brennraummulde herum, zu kühlen ([0002]). Bekannt ist hierzu einen Kern aus einem löslichen Material ("Salzkern") über Haltemittel ("Pinolen") an der Gießform, insbesondere auf dem Gießkern, zu fixieren. Nach dem Gießen und Erkalten wird das lösliche Material über Bohrungen ausgespült, so dass der gewünschte Hohlraum, der Kühlkanal, entsteht ([0003]). Bei einer anderen Methode wird zur Herstellung eines Kühlkanals ein in sich geschlossenes, hohles und gasund druckdichtes Bauteil, welches den späteren Kühlkanal bildet, in der Gießform fixiert und mit Gießschmelze umgeben. Dabei kommt der Dichtheit eine besondere Rolle zu, damit während des Gießens keine Gase austreten können, die zum Bersten des Bauteils führen können. Des Weiteren stellt das nachträglich erforderliche Anbohren des Kühlkanals, um einen Zugang für das Kühlmedium zu schaffen, einen zusätzlichen, kostenintensiven und problematischen Arbeitsschritt dar ([0004]).

Der Erfindung liegt, wie in der Streitpatentschrift im Absatz [0008] angegeben, daher die Aufgabe zugrunde, einen Kolben mit einem Kühlkanal bereitzustellen, bei dem der Kühlkanal ohne großen Aufwand hergestellt werden kann und die geschilderten Nachteile vermieden werden.

d. Gelöst wird diese Aufgabe nach Hauptantrag mit einem Verfahren gemäß dem erteilten Patentanspruch 1, der, mit Gliederungspunkten versehen, folgendermaßen lautet:

M1 Verfahren zur Herstellung eines Kolbens (1) mit einem Kühlkanal (8), wobei M2 ein Bauteil (7) den Kühlkanal (8) nach dem Gießen des Kolbens (1) bildet, dadurch gekennzeichnet, dass M3 zumindest eine Öffnung (13; 14) des Bauteiles (7) vor dem Gießen des Kolbens (1) mit zumindest einer Pinole (10) einer Gießform verbunden ist, M4 wobei über die Pinole (10) und die Gießform eine Entlüftung des Bauteiles (7) erfolgt.

Nach dem einzigen Hilfsantrag umfasst der Patentanspruch 1 im Gliederungspunkt M4 die zusätzliche Maßnahme, dass über die Pinole (10) und die Gießform eine Entlüftung des Bauteiles (7) zur Außenumgebung erfolgt.

e. Das im Patentanspruch 1 angegebene Verfahren mag zwar neu sein, weil -wie die Patentinhaberin zurecht einwendet -in dem gesamten, in Betracht gezogenen Stand der Technik nirgends ausdrücklich davon die Rede ist, die Entlüftung in die Außenumgebung vorzunehmen. Dieses Verfahren ist aber dennoch nicht patentfähig, weil es sich für den Fachmann aufgrund der in der D1 beschriebenen technischen Lehre in naheliegender Weise ergibt und somit nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

Die Merkmale M1 bis M3 erschließen sich aus der -bereits im Prüfungsverfahren genannten -Offenlegungsschrift DE 100 15 709 A1 (D1). Diese Entgegenhaltung betrifft einen Kolben mit einem ringförmigen Kühlkanal ([0001]), wobei im Abs. [0003] darauf hingewiesen wird, dass für die Herstellung des ringförmigen Kühlkanals mehrere Möglichkeiten bekannt sind, beispielsweise unter Einsatz von Salzkernen, die ausgespült werden können ([0004]). Alternativ ist es bekannt, im Kopfbereich des Kolbens einen Ringträger anzuordnen, an welchem ein Kühlkanalblech befestigt wird, welches den Kühlkanal bildet ([0005]). Aus dem Abs. [0009] i. V. m. Abs. [0007] geht schließlich hervor, dass gemäß der in der D1 beschriebenen Erfindung an eine Öffnung eines solchen, bekannten Kühlkanals ein Kanal angefügt ist und der Kühlkanal mit dem Kanal eine vor dem Gießen des Kolbens separate Einheit bildet. Insoweit beschreibt die D1 nichts anderes als ein Verfahren zur Herstellung eines Kolbens mit einem Kühlkanal, wobei das aus dem Kühlkanal gebildete Bauteil den Kühlkanal nach dem Gießen des Kolbens bildet, wie in M1 und M2 angegeben. Wie des Weiteren aus der Figur 2 i. V. m. [0021] hervorgeht, ist in dem Kühlkanal 2 neben der ersten Öffnung 3 ("Zufluss des Kühlmediums") eine zweite Öffnung 6 ("Abfluss") vorhanden, und sowohl an der ersten Öffnung 3 als auch an der zweiten Öffnung 6 sind ein erster Kanal 7 bzw. ein zweiter Kanal 8 an den Kühlkanal angefügt. Im Abs. [0015] ist schließlich angegeben, dass über die Enden des Kanals/der Kanäle diese separate Einheit auf den Gießkern aufgesteckt werden kann und somit als Stütze dient. Das kann insgesamt nichts anderes bedeuten, als dass zumindest eine Öffnung (3; 6) des Bauteiles ("Kühlkanal 2") vor dem Gießen des Kolbens mit zumindest einem Kanal (7 bzw. 8) verbunden ist, wobei die Kanäle aufgrund ihrer auf dem Gießkern ausgeübten Stützfunktion wiederum nichts anderes als dem Fachmann geläufige "Pinolen" darstellen. Somit ist auch M3 erfüllt.

Im Abs. [0015] der D1 schließlich auch noch ausgeführt, dass der Kühlkanal über das wenigstens eine Ende des Kanals offen bleibt und das darin befindliche Gas beim Gießen entweichen kann, also eine Entlüftung des Bauteiles (2) über die Pinole (7 bzw. 8) erfolgt, was zumindest teilweise der im Gliederungspunkt M4 angegebenen Maßnahme entspricht.

Nun ist, worauf die Patentinhaberin zu Recht hinweist, in der D1 nicht ausdrücklich die Rede davon, dass die Entlüftung nicht nur über die Pinole, sondern -wie beim Streitpatent -des Weiteren über die Gießform vor sich geht. Allerdings kann dieser Umstand die Patentfähigkeit nicht begründen. Denn der Fachmann entnimmt der D1, wie oben bereits zum Merkmal M3 ausgeführt, dass die auf dem Gießkern aufgesetzten Pinolen eine Stützfunktion übernehmen. Dabei erkennt der Fachmann ohne Weiteres, dass die Pinolen ihre Stützfunktion nur dann zuverlässig erfüllen können, wenn sie in ihrem Stecksitz im Gießkern einen ausreichend festen Halt haben. Denn nur so ist gewährleistet, dass die Einheit aus Pinolen und ringförmigem Kühlkanal präzise in ihrer vorgesehenen Gießposition verbleiben, damit es nach dem Gießen zu keiner Abweichung von der angestrebten Stellung der dem Zubzw. Abfluss des Kühlmediums dienenden Kühlkanäle und des ringförmige Kühlkanals im Kopfbereich des Kolbens -und somit einem Produktionsausschuss -kommt. Eine zuverlässige Aufrechterhaltung der vorgesehenen Gießposition ist jedoch dann nicht mehr gegeben, wenn das im ringförmigen Kühlkanal befindliche Gas beim Gießen über das auf dem Gießkern aufgesteckte Ende der Pinolen in die Schmelze austritt, weil es dann zwangsläufig über einen sich zwischen dem Ende der Pinolen und dem Gießkern bildenden Spalt entweichen müsste und es damit zu einer Lockerung des Sitzes der Pinolen auf dem Gießkern käme. Allein schon deshalb wird der Fachmann auf den Gedanken kommen, im Gießkern in der Verlängerung der Pinolen eine Ableitung des Gases aus dem Formhohlraum, zweckmäßigerweise in die Außenumgebung, vorzusehen.

Darüber hinaus ist eine Ableitung des beim Gießen aufgrund seiner Wärmeausdehnung aus dem ringförmigen Kühlkanal austretenden Gases durch die Pinolen über den Gießkern in die Außenumgebung auch aus der von der Einsprechenden zutreffend angesprochenen Empfindlichkeit einer Aluminium-Schmelze gegenüber Luftsauerstoff -wenn nicht schon zwingend erforderlich -zumindest nahegelegt. Denn der Fachmann wird aufgrund seines Wissens und Könnens den Gedanken haben, dass es beim Übertritt von Luft in die Gießschmelze lokal zu einer unkontrollierten Oxidation der Schmelzlegierung kommt, die insbesondere bei den bekanntlich regelmäßig für die Herstellung von Kolben für Brennkraftmaschinen eingesetzten Aluminium-Legierungen bedeutende Änderungen des Legierungsgefüges -und damit nachteilige Materialeigenschaften -erwarten lässt. Ganz abgesehen davon wird der Fachmann auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass -wie sich im Übrigen aus Streitpatent auf S. 3 li. Sp. Zn. 13 bis 22 selbst erschließt -die für eine Entlüftung in die Schmelze notwendigen Spalte zwischen Pinolen und Gießkern durch Oxidation vor und während des Gießvorganges abgedichtet werden und somit die Entlüftung verhindert wird. Um diese unberechenbaren Risiken von vornherein auszuschließen, wird der Fachmann selbstverständlich auch in diesem Fall durch einfache konstruktive Maßnahmen eine Ableitung des Gases über dementsprechende Kanäle im Gießkern aus der Gießform heraus, also zur Außenumgebung, vorsehen.

Somit ergibt sich die im Gliederungspunkt 4 angegebene Maßnahme, sowohl nach Hauptantrag als auch nach Hilfsantrag, in naheliegender Weise. Infolgedessen hat der Patentanspruch 1 keinen Bestand.

f. Nach ausführlicher Erörterung der Sachlage hat der Vertreter der Patentinhaberin abschließend einen Hauptantrag und einen Hilfsantrag gestellt. Darüber hinaus haben sich im Verlauf der Verhandlung keine weiteren Anhaltspunkte für ein stillschweigendes Begehren einer weiter beschränkten Fassung ergeben. Infolgedessen hat die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patents erkennbar nur im Umfang eines Anspruchssatzes beantragt, der zumindest einen nicht rechtsbeständigen Anspruch enthält. Das Patent war deshalb insgesamt zu widerrufen. Auf die übrigen Patentansprüche brauchte bei dieser Sachlage nicht gesondert eingegangen zu werden (BGH GRUR 2007, 862 -Informationsübermittlungsverfahren II; Fortführung von BGH GRUR 1997, 120 -Elektrisches Speicherheizgerät).

Im Übrigen wäre der nach dem -nicht patentfähigen -Verfahren gemäß Anspruch 1 hergestellte Kolben, wie er im Anspruch 2 bzw. Anspruch 3 beschrieben ist, für sich allein ebenfalls nicht patentfähig, da die in diesen Ansprüchen angegebenen, gegenständlichen Merkmale nichts Neues oder Erfinderisches beitragen. So ist im Hinblick auf Anspruch 2 bereits aus der D1 bekannt, dass das Bauteil bzw. der Kühlkanal 2, wie die Pinolen 7 und 8, beispielsweise aus einem Rohrstück besteht (Sp. 4 Zn. 8 bis 12), also ein Kühlkanalrohr darstellt. Außerdem ist in der Entgegenhaltung DE 101 00 955 A1 (D2) ein Kühlkanal in Gestalt eines Blechkühlkanals (5) -somit ein "Kühlkanalblech" -beschrieben. Darüber hinaus beschreibt die D2 sogar einen Ringträger (1) mit angeschweißtem Blechkühlkanal (Anspruch 1 und Figur 1 i. V .m. [0009], so dass der Anspruch 3 das Patent auch nicht stützen kann.

Feuerlein Schwarz-Angele Maksymiw Zettler Bb






BPatG:
Beschluss v. 20.04.2009
Az: 15 W (pat) 338/05


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