Finanzgericht Münster:
Urteil vom 24. März 2011
Aktenzeichen: 8 K 3696/10 E

(FG Münster: Urteil v. 24.03.2011, Az.: 8 K 3696/10 E)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit einer erteilten Anrufungsauskunft nach § 42e Einkommensteuergesetz (EStG) streitig.

Die Klägerin (Klin.) ist eine im Jahr 1994 gegründete juristische Person des Privatrechts. Sie beschäftigt Arbeitnehmer, denen sie ein Modell zur flexiblen Arbeitszeitregelung (sog. FLEXI-Modell) auf freiwilliger Basis anzubieten beabsichtigt.

Hierfür soll zwischen der Klin. und ihren Arbeitnehmern eine Ergänzungsvereinbarung (ErgV) zum Arbeitsvertrag über die Teilnahme des Arbeitnehmers an einer flexiblen Arbeitszeitregelung abgeschlossen werden. Die Vereinbarung gilt bis zum 31.12. des auf das Jahr des Abschlusses folgenden Kalenderjahres und verlängert sich um ein weiteres Jahr, sofern sie nicht gekündigt wird. Die Vertragsbeteiligten sind sich darüber einig, dass das FLEXI-Modell keine sonstige flexible Arbeitszeitregelung im Sinne des Sozialversicherungsrechts gem. § 7b Sozialgesetzbuch Buch IV (SGB IV) ist.

Nach § 1 ErgV darf der einzelne Arbeitnehmer während der Laufzeit der Vereinbarung auf die Auszahlung von bis zu 25 % seines laufenden monatlichen Grundgehaltes sowie von bis zu 100 % der sonstigen Lohnbestandteile (z.B. Boni, Sonderzahlungen, vermögenswirksame Leistungen, Sachbezüge, Vergütung für Überstunden) verzichten. Die vom Verzicht erfassten Beträge werden von der Klin. in ein für den Arbeitnehmer eingerichtetes, in Geldeinheiten geführtes FLEXI-Konto eingestellt. Die Gutschrift auf dem FLEXI-Konto erfolgt in dem Zeitpunkt, in dem die Lohnansprüche des Arbeitnehmers zahlungsfällig gewesen wären (vgl. § 3 Abs. 1 ErgV). Sie umfasst den jeweiligen Vergütungsbestandteil nach Abzug aller Sozialversicherungsbeiträge, allerdings vor Steuern (vgl. § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 3 ErgV).

Nach § 4 ErgV hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf befristete Reduzierung seiner Arbeitsleistung unter Verwendung des Guthabens auf dem FLEXI-Konto. Die ErgV sieht vor, dass bis zu einem Monat eine vollständige Freistellung von der Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer beansprucht werden kann. Diese Reduzierung der Arbeitsleistung kann insbesondere bei saisonalen oder konjunkturellen Auftragseinbrüchen zur Optimierung betrieblicher Produktionen und Arbeitszyklen auch auf Wunsch und Anregung des Arbeitgebers erfolgen (vgl. 4 Abs. 3 ErgV). Der Arbeitgeber kann nicht einseitig die Verwendung des FLEXI-Kontoguthabens anordnen.

Für den Fall, dass sich der Arbeitnehmer sein FLEXI-Guthaben ganz oder teilweise auszahlen lassen will, muss er dies gegenüber der Klin. spätestens einen Monat vor dem gewünschten Auszahlungstermin beantragen (vgl. § 4 Abs. 13 ErgV). Sie entscheidet über die vom Arbeitnehmer beantragte Auszahlung unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers. Die Zustimmung zur Auszahlung darf die Klin. nicht verweigern, wenn der Arbeitnehmer zuvor glaubhaft gemacht hat, dass die zur Auszahlung beantragten Mittel zur Abwendung oder Heilung einer wirtschaftlichen Notlage vom Arbeitnehmer benötigt werden.

Zur Absicherung und Finanzierung der sich aus dem FLEXI-Konto ergebenden Ansprüche des Arbeitnehmers richtet die Klin. bei der A Bank C D E GmbH (nachfolgend: ABCDE) ein Vermögensverwaltungsdepot ein. Alle Rechte aus dem Vermögensverwaltungsdepot stehen ausschließlich der Klin. zu. Zur Absicherung der Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Flexi-Konto verpfändet die Klin. ihre Rechte und Ansprüche aus den Fondsanteilen im Vermögensverwaltungsdepot zugunsten des Arbeitnehmers.

Die Kin. verpflichtet sich nach § 6 Abs. 1 ErgV, für jede Gutschrift auf das FLEXI-Konto eine Geldzahlung in gleicher Höhe in das Vermögensverwaltungsdepot vorzunehmen. Die Einzahlung durch die Klin. erfolgt bei Fälligkeit des von ihr einbehaltenen und nicht zur Auszahlung gelangten Betrages des Arbeitslohnes des einzelnen Arbeitnehmers. Der Einzahlungsbetrag bemisst sich nach § 6 ErgV nach dem Bruttowert des eingestellten Anspruchs nach Abzug aller Kosten einschließlich aller Anlagegebühren. Ferner sieht § 6 Abs. 1 ErgV vor, dass bei Reduzierung des FLEXI-Guthabens durch Anrechnung die Klin. berechtigt ist, ihrerseits einen entsprechenden Betrag aus dem Depot bei der ABCDE zu entnehmen.

Das bei der ABCDE geführte Vermögensverwaltungsdepot wird von der J AG in N gemanagt. Die Anlagestrategie bezüglich des Vermögensverwaltungsdepots bestimmt sich nach der Vorgabe des Arbeitnehmers, der eine extrem sicherheitsorientierte, konservative, flexible oder dynamische Fonds-Portfolio-Klasse auswählen darf. § 6 Abs. 4 ErgV bestimmt weiter, dass der Arbeitnehmer seine persönliche Risikodefinition jederzeit gemeinsam mit dem Arbeitgeber als Depotinhaber neu definieren kann. Die J ist befugt, ausgehend von der gewählten Risikoeinstellung des Arbeitnehmers, die Aufteilung und die Wahl der Investmentfonds vorzunehmen.

Ferner bestimmt § 6 Abs. 5 ErgV, dass sich die Wertentwicklung des bei ABCDE geführten Vermögensverwaltungsdepots der Klin. mit der Entscheidung des Arbeitnehmers über seine Risikoeinstellung und seiner gewählten Fondskombination unmittelbar auf das FLEXI-Kontoguthaben des Arbeitnehmers bei der Klin. auswirkt. Anlagebedingte Wertsteigerungen und Wertminderungen erhöhen bzw. mindern das Guthaben auf dem für den Arbeitnehmer bei der Klin. geführten FLEXI-Konto. Bei Beendigung des Vertrages oder Verwendung des FLEXI-Kontoguthabens werden die im Vermögensdepot gehaltenen Wertpapiere und Wertpapieranteile zum Zeitwert am Verkaufstag veräußert. Für durch den Verkauf realisierte Werteinbußen hat die Klin. nicht einzustehen. Ausschüttungspflichtige Erträge der Investmentfonds werden dem Arbeitnehmer auf dem FLEXI-Konto gutgeschrieben. Zwischen der Klin. und den Arbeitnehmern wird vereinbart, dass bei einer negativen Wertentwicklung des Vermögensverwaltungsdepots eine Nachschusspflicht der Klin. nicht besteht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die ErgV Bezug genommen.

Die Klin. unterbreitete am 10.09.2010 den vorgenannten Sachverhalt dem Bekl. und beantragte eine Auskunft gem. § 42e EStG. Im Antrag vertrat die Klin. die Auffassung, dass im Zeitpunkt der Gutschrift auf den bei der Klin. für deren Arbeitnehmer geführten FLEXI-Konten kein Zufluss von Arbeitslohn erfolge. Erst mit Auszahlung an den Arbeitnehmer bzw. anderweitige Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht durch den Arbeitnehmer gelte der Arbeitslohn als zugeflossen und sei zu versteuern.

Die lohnsteuerliche Beurteilung des Sachverhaltes orientiere sich an dem steuerlichen Zuflussprinzip. Die von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 17.06.2009 (Az. IV C 5-S 2332/07/0004, 2009/0406609; BStBl. I 2009, 1286) genannten weiteren Voraussetzungen für die nachgelagerte Besteuerung seien für das geplante FLEXI-Modell nicht anzuwenden, weil es sich nicht um ein Zeitwertkonto bzw. nicht um eine Wertguthabenvereinbarung im Sinne des § 7b SGB IV handele.

Am 14.10.2009 teilte der Beklagte (Bekl.) der Klin. als Auskunft nach § 42e EStG schriftlich mit, dass die Gutschriften auf den FLEXI-Konten der Lohnversteuerung unterlägen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war dem Schreiben nicht beigefügt.

Mit Schriftsatz vom 29.10.2009 wiederholte die Klin. gegenüber dem Bekl. ihre Auffassung, dass aufgrund des geplanten FLEXI-Modells die Arbeitnehmer keinen Arbeitslohnzufluss verzeichneten, da sie nicht über den Lohn wirtschaftlich verfügen könnten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne zwar auch eine Gutschrift in den Büchern des Arbeitgebers zu einem Arbeitslohnzufluss führen, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Arbeitnehmer von nun an zur Verwendung zur Verfügung stehe. Als weitere Voraussetzung habe der BFH für den Zufluss als notwendig angesehen, dass der Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Arbeitgebers herbeigeführt wird. Nach dem vorgelegten Sachverhalt könne der Arbeitnehmer jedoch nicht unmittelbar über das Vermögensverwaltungsdepot verfügen. Die Verfügungsbefugnis stünde allein der Klin. zu, da nur sie unmittelbar Rechte an den Fonds erworben habe. Der Arbeitnehmer sei lediglich Pfandgläubiger. Diese Auffassung habe das BMF im Schreiben vom 06.12.2002 (Az. IV C 5-S 2320 - 98/02, nicht veröffentlicht) geteilt.

Nach den geplanten Verträgen könne der Arbeitnehmer auch nicht ohne weiteres Zutun über das FLEXI-Kontoguthaben verfügen, denn § 4 Abs. 13 ErgV bestimme, dass die Auszahlung des FLEXI-Kontoguthabens nur in Übereinstimmung mit dem Arbeitgeber erfolgen könne. Das vorgelegte FLEXI-Modell habe die Qualität eines dringend nachgefragten Beschäftigungssicherungskontos. Es liege auch kein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 Abgabenordnung (AO) vor.

Mit Schriftsatz vom 25.01.2010 teilte der Bekl. der Klin. mit, dass er an der bisher vertretenen Rechtsauffassung festhalte. Er vertrat dabei die Auffassung, dass es die Regelungen des § 1 Abs. 1 sowie Abs. 3 ErgV i. V. m. § 4 Nr. 13 ErgV dem Arbeitnehmer ermöglichten, über die einzustellenden Werte auf dem FLEXI-Konto zu bestimmen und kurzfristig darüber verfügen zu können. Der Bekl. wertete dies als eine konstitutive Verwendungsauflage und damit als Lohnverwendungsabrede. Im Zeitpunkt der Lohnverwendung erhalte der Arbeitnehmer eine anderweitige wirtschaftliche Verfügungsmacht über seinen Lohn. Ein Zufluss von Arbeitslohn sei nur dann nicht anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer auf seinen Lohn verzichtet und diesen Verzicht an keine Bedingungen bezüglich der freigewordenen Mittel knüpft (unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 23.12.1998 XI R 18/98, BFHE 187, 224, BStBl. II 1999, 98). Daran fehle es hier.

Am 11.02.2010 legte die Klin. Einspruch gegen die Anrufungsauskunft vom 14.10.2009 und die im Schreiben vom 25.01.2010 gemachten ergänzenden Ausführungen ein. Die vom Bekl. vertretene Auffassung zum Zufluss des Arbeitslohnes beim Arbeitszeitkonto widerspreche dem BMF-Schreiben vom 05.08.2002 (IV C 4-S 2222-295/02, IV C 5-S 2333-154/02, BStBl. I 2002, 767). Hiernach führe weder die Vereinbarung noch die Wertgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto zum Zufluss vom Arbeitslohn, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer künftig fällig werdende Arbeitslohnansprüche ganz oder teilweise betragsmäßig auf einem Konto gutschreiben, um in Zeiten der Arbeitsfreistellung hiervon auszuzahlen. Diese Auffassung sei vom BMF im Schreiben vom 05.02.2008 (IV C8-S 2222/07/003, BStBl. I 2008, 420) und vom 20.01.2009 (IV C5-S 2333/07/003, Rn. 194, BStBl. I 2009, 273) bestätigt worden. Es läge eine bemerkenswerte Logik des Bekl. vor, wenn jedes vertragliche oder auch gesetzlich dem Arbeitnehmer eingeräumte Recht zum Gehaltsverzicht zugunsten eines Durchführungswegs der arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersversorgung ebenfalls zu sofortigem lohnsteuerlichem Zufluss führte.

Der Arbeitnehmer habe auch keine eigene unmittelbare Verfügungsmöglichkeit über den Vermögenswert. Allein die Klin. habe Verfügungsrechte gegenüber der depotführenden Bank. § 4 Nr. 13 ErgV führe zu keinem anderen Ergebnis, da der Arbeitnehmer nicht unmittelbar auf das Vermögen zugreifen könne. Ein uneingeschränkter voller wirtschaftlicher Übergang des geschuldeten Gutes sei nicht erfolgt. Keine Lohnverwendungsabrede sei die eingeräumte Mitwirkung bei der Anlageentscheidung, die der Insolvenzsicherung diene. Allein das Recht des Arbeitnehmers, auf Lohn zugunsten eines Arbeitszeitkontos zu verzichten, bedeute nicht die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über den Lohn. Die vorgelegte Vertragskonstruktion ermögliche dem Arbeitnehmer nicht, jederzeit über sein Wertguthaben zu verfügen. Der Lohnverzicht zugunsten eines Arbeitszeitkontos sei nicht mit dem Verzicht unter einer konstitutiven Verwendungsauflage und damit einer Lohnverwendungsabrede gleichzusetzen.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 30.08.2010 wies der Bekl. den Einspruch gegen die Auskunft vom 14.10.2009 als unbegründet zurück.

Der Bekl. vertrat darin die Auffassung, dass das vorgelegte FLEXI-Modell dem Arbeitnehmer sowohl im Zeitpunkt der Einstellung der Beträge auf dem FLEXI-Konto als auch bei Gutschrift auf dem Vermögensverwaltungsdepot wirtschaftliche Dispositionsbefugnis über die Arbeitslohnbeträge gewähre. Bereits mit Gutschrift auf dem FLEXI-Konto sei von einem Lohnzufluss auszugehen sei, da der Arbeitnehmer gemäß § 6 Abs. 3 ErgV selbst über die Anlagestrategie entscheiden könne und das Risiko eines Teil- bzw. Totalverlustes trage. Hierdurch habe der Arbeitnehmer wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt. Darüber hinaus habe der Arbeitnehmer jederzeit das Recht, sich das bestehende Guthaben ganz oder teilweise auszahlen zu lassen. Hierfür sei lediglich die Beantragung der Auszahlung bei der Klin. erforderlich.

Am 04.10.2010 erhob die Klin. Klage.

Unter Vertiefung der im Rechtsbehelfsverfahren vorgetragenen Argumente weist die Klin. auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 07.09.2004 (3 AzR 550/03, BAGE 112, 1, DB 2005, 507) hin, wonach auch bei einer reinen Beitragszusage die Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer nicht nur das volle Anlagerisiko, sondern in der Regel auch das Insolvenzrisiko trage. Das vorliegende FLEXI-Kontomodell sei identisch mit einer reinen Beitragszusage.

Außerdem sei ein Wertguthaben gem. §§ 246 ff. Handesgesetzbuch (HGB) beim Arbeitgeber aktivierungspflichtig. Läge Lohnzufluss jedoch bereits bei der Gutschrift auf dem FLEXI-Konto vor, sei das Aktivierungsgebot ausgehebelt. Alle Bilanzen seien fehlerhaft und könnten zur Nichtigkeit nach § 256 Aktiengesetz (AktG) führen. Die einzig richtige Ansicht sei, dass das in einem Vermögensgegenstand angelegte Wertguthaben des Arbeitnehmers wirtschaftliches und rechtliches Eigentum des Arbeitgebers darstellt und auch in dessen Bilanz auszuweisen ist. Der Arbeitnehmer besitze lediglich einen schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch (unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 24.09.2003 10 AzR 640/02, BAGE 108, 1, DB 2004, 191).

Darüber hinaus sehe § 7g Abs. 1 Satz 1 SGB IV vor, dass sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber die Verantwortung für die Durchführung der Insolvenzsicherung haben. Der Gesetzgeber habe in § 7e Abs. 1 Satz 1 SGB IV zum Ausdruck gebracht, dass gerade nicht der Arbeitgeber allein die gesamte Verantwortung für die Kapitaleinlage tragen müsse. Wie bei vielen anderen Zeitwertkontenmodellen sei im vorliegenden Modell dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet, Einfluss auf die Art der Anlage zu nehmen. Da er selbst bestimmen könne, ob sein Wertguthaben volatil oder lieber risikoarm geführt wird, müsse davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer auf eine nichtwerthaltige Forderung verzichtet. Ein Verzicht auf eine nicht werthaltige Forderung stelle aber keinen steuerlichen Zufluss dar.

Der Bekl. habe bereits am 20.11.2002 der Klin. eine Auskunft zu einem anderen Zeitwertkontomodell erteilt und angenommen, dass es nicht zum Zufluss von Arbeitslohn komme, selbst wenn die Zeitgutschriften auf Wertsteigerung des vom Arbeitgeber geführten Depotkontos beruhten.

Wenn für die Frage des Zuflusses auf das Risiko eines Teil- oder Totalverlustes abgestellt werde, führe dies zwangsläufig dazu, dass der Zufluss bereits bei Entstehung des Lohnanspruches anzunehmen sei. Dann müssten eine Vielzahl der in den Jahren vor 1999 in der Bundesrepublik von vielen Großunternehmern eingerichteten Zeitwertkontenmodellen überdacht werden. Selbst das BMF-Schreiben vom 17.06.2009 habe für Altverträge nur gefordert, dass die Wertgarantie nur für Neudotierungen ab dem 01.01.2010 anzuwenden sei.

Es sei eine überfällige Maßnahme, dass die Finanzverwaltung dringend die Zeitwertkontogarantie für Zeitwertkontenmodelle mit geltendem Recht abgleiche. Die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung zur Wertguthabengarantie führe dazu, dass die Lohnbesteuerung sich von dem im Steuerrecht geltenden Zuflussprinzip hin zu dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Entstehungsprinzip wendet. Dies sei ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Die Lohnsteuer werde regelmäßig dann fällig, wenn der Zufluss von Arbeitslohn realisiert werde. Indem die Finanzverwaltung die Zeitwertgarantie verlange, mache sie deutlich, dass sie an den Erfolgen des Steuerpflichtigen (Stpfl.) teilhaben möchte, auf der anderen Seite aber Verluste oder Wertminderung nicht mitzutragen beabsichtige. Die Anlageentscheidung des Arbeitnehmers könne nicht ausschlaggebend für die Besteuerung sein. Die Annahme des Lohnzuflusses im vorgelegten FLEXI-Kontomodell beruhe allein auf fiskalischen Gründen. Hierdurch werde die Ausübung der Vertragsfreiheit eingeschränkt, so dass das Recht des mündigen Bürgers beschnitten werde.

Die Klin. beantragt,

die Anrufungsauskunft vom 14.10.2009 und die ergänzenden Auskünfte vom 25.01.2010 in der Fassung der EE vom 30.08.2010 dahingehend abzuändern, dass nicht schon die Gutschrift von Arbeitslohn auf sog. FLEXI-Konten im Rahmen einer flexiblen Arbeitszeitregelung einen Zufluss im Sinne des § 11 EStG darstellen, sondern erst die spätere Auszahlung an den Arbeitnehmer,

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Zur Begründung des Klageabweisungsantrages verweist der Bekl. auf die EE.

Die vorliegende Fallkonstellation könne nicht anders beurteilt werden, als der Sachverhalt, in dem der Arbeitnehmer den Lohn ausgezahlt bekommt und dann zur Anlage bei seinem Arbeitgeber an diesen zurückzahlt. Die Klin. verwechsele das finanzielle Anlagerisiko mit dem allgemeinen Lebensrisiko; ein Vergleich mit anderen Modellen sei daher nicht zielführend.

Die bilanzielle Einordnung des Wertguthabens hänge davon ab, ob dem Arbeitgeber das Vermögenskonto zuzurechnen sei. Aus den unerwünschten Rechtsfolgen eines Sachverhaltes könne nicht auf das Fehlen der Voraussetzungen geschlossen werden.

Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Arbeitnehmer auf eine nichtwerthaltige Forderung verzichten sollte. Allein der Umstand, dass die Anlage auf dem Vermögenskonto risikobehaftet ist, führe nicht dazu, dass der Anspruch des Arbeitnehmers nicht werthaltig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 03.02.2011 erörtert.

Der Senat hat am 24.03.2011 mündlich verhandelt. Wegen des Ergebnisses und des Verlaufs der Verhandlung wird auf das Protokoll vom selbigen Tage verwiesen und Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Sofern die Klin. beantragt, die Anrufungsauskunft vom 14.10.2009 in Gestalt der EE vom 30.08.2010 unter Aufhebung neu zu bescheiden, ist die Klage als Verpflichtungsklage zulässig. Denn die Klin. begehrt nicht nur die Aufhebung der erteilten Auskunft, sondern die Feststellung, dass nicht schon die Gutschrift von Arbeitslohn auf sog. FLEXI-Konten im Rahmen einer flexiblen Arbeitszeitregelung einen Zufluss im Sinne des § 11 EStG darstellt, sondern erst die spätere Auszahlung an den Arbeitnehmer.

Die Klin. beantragt, "die ergänzenden Auskünfte vom 25.01.2010" abzuändern. Am 25.01.2010 hat der Bekl. jedoch keine Auskünfte erteilt, sondern lediglich eine weitere Begründung geliefert, warum die Anrufungsauskunft vom 14.10.2009 nach seiner Auffassung rechtmäßig ist. Dies ergibt sich deutlich aus dem ersten Satz des Schriftsatzes vom 25.01.2010, in dem es heißt, dass trotz nochmaliger Überprüfung der vorgebrachten Argumente an der bisher vertretenen Rechtsauffassung festgehalten wird. Der Schriftsatz vom 25.01.2010 ist kein Verwaltungsakt, da er keine rechtliche Regelung enthält. Bei verständiger Würdigung des Schriftsatzes hätte die Klin. ohne weiteres erkennen können und müssen, dass der Schriftsatz vom 25.01.2010 lediglich eine weitere Begründung der bereits erteilten Auskunft nach § 42e EStG ist. Der Bekl. hat daher zutreffend in der EE vom 30.08.2010 das Erörterungsschreiben vom 25.01.2010 nicht als angefochtenen Bescheid angesehen. Der erkennende Senat legt den Klageantrag dahingehend aus, dass mit der beantragten Änderung der ergänzenden Auskünfte vom 25.01.2010 die bisherige Anrufungsauskunft als solche samt Begründung als rechtliche Einheit zur Entscheidung gestellt wird.

Die Frist zur Klageeinreichung ist eingehalten, da die Klagefrist erst am Montag, dem 04.10.2010, 24.00 Uhr, ablief.

Die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 AO dar. Zwar hat der BFH in seiner früheren Rechtsprechung der Anrufungsauskunft nach § 42e EStG lediglich den Charakter einer bloßen Willenserklärung zuerkannt (vgl. BFH, Urteile vom 09.03.1979 VI R 185/76, BFHE 127, 376, BStBl. II 1979, 451; vom 09.10.1992 VI R 97/90, BFHE 169, 202, BStBl. II 1993, 166). Der BFH verneinte insoweit das Vorliegen eines Verwaltungsaktes nach § 118 Abs. 1 Satz 1 AO, weil eine Regelung eines Einzelfalles mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen fehle. Diese Auffassung hat der BFH mit Urteil vom 30.04.2009 (VI R 54/07 BFHE 225, 50) aufgegeben und die Anrufungsauskunft als feststellenden Verwaltungsakt qualifiziert. Denn nach § 118 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahm, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Unter einer Regelung ist dabei nicht nur eine Entscheidung zu verstehen, welche die Begründung, Änderung und Aufhebung, sondern auch die verbindliche Feststellung von Rechten und Pflichten sowie von rechtserheblichen Tatsachen und Eigenschaften zum Gegenstand hat (sog. feststellender Verwaltungsakt, vgl. BFH, Urteil vom 30.04.2009 VI R 54/07, a. a. O.). Daraus leitet der BFH für den Arbeitgeber ab, dass zum Zwecke eines effektiven Rechtsschutzes der Arbeitgeber einen Anspruch darauf hat, frühestmöglich und definitiv Klarheit über die Anwendung lohnsteuerlicher Normen zu erhalten.

Die Klage ist insoweit unbegründet.

Die Klage ist unbegründet, weil die Auskunft nach § 42e EStG des Bekl. vom 14.10.2009 zutreffend ist.

Die Anrufungsauskunft ist rechtmäßig und verletzt die Klin. nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 42e EStG hat das Betriebsstättenfinanzamt auf Anfrage eines Beteiligten dar-über Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Die Beteiligten haben einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer vorbehaltlosen, verbindlichen und eindeutigen Auskunft, nicht jedoch auf die Erteilung einer bestimmten Auskunft (vgl. Drenseck, in: Schmidt, § 42e EStG, Rn. 5). § 42e EStG räumt dem Arbeitgeber nicht nur das Recht ein, lediglich die Auffassung des Finanzamtes (FA) zu erfahren, sondern gebietet auch, ihm Sicherheit über die zutreffende Rechtslage zu geben und die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers in einem besonderen Verfahren im Voraus gerichtlich feststellen zu lassen. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber das Recht hat, eine sachlich richtige Auskunft zu erhalten. Die Anrufungsauskunft ist ein feststellender Verwaltungsakt, der das Finanzamt (FA) dahingehend bindet, weder durch Nachforderungsbescheid noch durch Haftungsbescheid LSt zu erheben, wenn sich der Arbeitgeber der Anrufungsauskunft entsprechend verhält (vgl. Drenseck, a.a.O., Rn. 7).

Die Feststellung des Bekl., dass die Gutschrift auf den bei der Klin. für Arbeitnehmer im Rahmen der geplanten sonstigen flexiblen Arbeitszeitregelung geführten FLEXI-Konten Arbeitslohn darstelle und sie im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem FLEXI-Konto der Lohnversteuerung unterliege, ist nicht zu beanstanden. Mit der Gutschrift auf dem FLEXI-Konto erlangt der Arbeitnehmer wirtschaftliche Verfügungsmacht über seinen Arbeitslohn.

Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten und abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Nach § 38 Abs. 2 S. 2 EStG entsteht die Lohnsteuer in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt.

Geldbeträge fließen dem Arbeitnehmer in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Arbeitnehmers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Jedoch kann auch eine Gutschrift in den Büchern des Arbeitgebers einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldbuchverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck kommt, dass der Betrag dem Arbeitnehmer von nun an zur Verfügung steht. Allerdings muss der Arbeitnehmer in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Arbeitgebers herbeizuführen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteile vom 02.11.1962 VI 284/61 S, BFHE 76, 270, BStBl. III 1963, 96; vom 14.05.1982 VI R 124/77, BFHE 135, 542, BStBl. II 1982, 469; vom 14.02.1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl. II 1984, 480; vom 02.03.1993 VIII R 13/91, BFHE 171, 48, BStBl. II 1993, 602; vom 24.03.1993 X R 55/91, BFHE 171, 191, BStBl. II 1993, 499; vom 02.09.1994 VI R 35/94, BFH/NV 1995, 208; vom 11.05.1999 VIII R 70/95, BFH/NV 2000, 18; vom 30.10.2001 VIII R 15/01, BFHE 197, 126, BStBl. II 2002, 138; vom 18.12.2001 IX R 74/98, BFH/NV 2002, 643, m.w.N.; vom 28.10.2008 VIII R 36/04, BFHE 223, 166, BStBl. II 2009, 190, vom 11.02.2010 VI R 47/08, BFH/NV 2010, 1094 und vom 03.02.2011 VI R 4/10).

Zutreffend weist die Klin. darauf hin, dass grundsätzlich weder die Vereinbarung noch die Wertgutschrift auf einem Arbeitszeitkonto zum Zufluss von Arbeitslohn führt, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, künftig fällig werdenden Arbeitslohn ganz oder teilweise betragsmäßig auf einem Konto gutzuschreiben, um ihn in Zeiten der Arbeitsfreistellung auszuzahlen (vgl. BMF-Schreiben vom 05.02.2008, Rn. 194, BStBl. I 2008, 420). Dies gilt auch, wenn das Lebensarbeitszeitkonto in Geld geführt wird und durch den Arbeitgeber mittels Investmentfonds abgesichert wird. Die Wahl eines bestimmten Insolvenzsicherungsmodells hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die steuerliche Beurteilung einer Lebensarbeitszeitkontenregelung (vgl. Skorczyk/Klups/Jacobsen, Betriebsberater - BB - Special 4, Heft 15, 2007, 2).

Ob durch die Verzichtserklärung des jeweiligen Arbeitnehmers auf Lohnbestandteile zugunsten einer Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto und der entsprechenden Gutschrift es sich gleichwohl bereits in diesem Zeitpunkt um Arbeitslohn handelt und die Gutschrift der Lohnversteuerung unterliegt, ergibt sich aus dem in § 38 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 11 EStG normierten Zuflussprinzip.

Allein der bestehende Anspruch auf Lohn begründet noch keinen gegenwärtigen Zufluss des Lohnes. Der Zufluss ist grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben. Ein Vorteil ist dem Arbeitnehmer erst dann zugeflossen, wenn der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt. Der Arbeitnehmer muss über den Lohn wirtschaftlich verfügen können. Der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BFH-Urteil vom 12.04.2007 VI R 89/04, BFHE 217, 555, BStBl. II 2007, 719 m. w. N.).

Bei Übertragung der o.g. Rechtsgrundsätze unter Beachtung der Zuflussbesteuerung kommt es nur dann zu einer Verschiebung der Lohnbesteuerung von der Ansparphase (Gutschriften auf dem FLEXI-Konto) auf die sog. Entnahmephase (Verwendung des FLEXI-Kontoguthabens), wenn der Arbeitnehmer nicht schon in der Ansparphase die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Werte im FLEXI-Konto erhält.

Zutreffend weist die Klin. darauf hin, dass allein der Erlass einer Forderung nicht zwingend zu dessen Zufluss im steuerlichen Sinne führt. Der Erlass ist ein Vertrag zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner im Sinne des § 397 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), durch den der Gläubiger auf die Forderung verzichtet. Der Erlass eines Anspruches ist schon im Hinblick auf die fehlende Steuerbarkeit fiktiver Einnahmen im Allgemeinen steuerlich irrelevant. Es liegen nur dann steuerpflichtige Einnahmen vor, falls sich der Verzicht als Verfügung über die Verwendung bereits zugeflossener Einnahmen erweist. Dies wird angenommen, wenn der Lohnverzicht mit einer Verwendungsauflage belastet ist.

Im vorliegenden Fall erlässt der einzelne Arbeitnehmer der Klin. keine Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis, da der Lohnanspruch nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien nicht untergehen soll. Vielmehr ist ein Auszahlungsverzicht zugunsten einer Gutschrift auf dem FLEXI-Konto beabsichtigt. Die Klin. sollte gerade nicht aus ihrer Pflicht zur Lohnauszahlung entlassen werden, sondern das Wertguthaben auf dem FLEXI-Konto festhalten, um später eine Auszahlung oder Arbeitsfreistellung zu erreichen. Nach dem vorgelegten Vertragswerk ist die Klin. verpflichtet, in Höhe des FLEXI-Kontoguthabens das auf ihren Namen geführte Vermögensverwaltungsdepot zu dotieren. Die Arbeitnehmer haben in der ErgV zugestimmt, dass zur Sicherung des FLEXI-Kontos Vermögensverwaltungsdepots bei der ABCDE geführt werden. Das Vermögensdepot bei der ABCDE wird vom Arbeitnehmer in der Anlageform beeinflusst, auch wenn das ABCDE-Konto ausschließlich auf den Namen der Klin. geführt wird und der Arbeitnehmer keinen direkten Anspruch auf Auszahlung des Vermögenskontos hat. Der Senat ist davon überzeugt, dass mit dem Abschluss der ErgV der Arbeitnehmer über seinen Lohn wirtschaftlich im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem FLEXI-Konto verfügt, weil er direkt am Gewinn und Verlust des Vermögensdepots unmittelbar partizipiert. Zwischen dem Flexi-Konto und dem Vermögensverwaltungsdepot herrscht Übereinstimmung. Gewinne und Verluste auf dem Vermögensdepot wirken sich unmittelbar auf das FLEXI-Kontoguthaben des Arbeitnehmers aus. Der Arbeitnehmer partizipiert im vorliegenden Fall sowohl am Gewinn als auch am Verlust der Geldanlage, die eigentlich als Sicherungsmittel dienen sollte. Die gesamten Kosten des Vermögensverwaltungsdepots trägt der Arbeitnehmer. Bei einer risikoreichen Geldanlage in einem risikoreichen Fonds kann das Guthaben auf dem FLEXI-Konto gegen Null tendieren. In diesem Fall haben die Arbeitnehmer keine Ansprüche gegen die Klin. Ein sog. Totalverlust des Vermögens auf dem Vermögensverwaltungsdepot, das an und für sich lediglich der Sicherung der Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber dienen sollte, schlägt auf das Guthaben auf dem FLEXI-Konto durch. Der Sinn und Zweck der Absicherung des Wertguthabens wird hierdurch nicht erreicht. Wirtschaftlich gesehen ermöglicht die vorliegende Vertragsgestaltung dem Arbeitnehmer, durch entsprechende Einflussnahme auf das Wertdepot, sein Vermögen zu gestalten. Da die Möglichkeit des Totalverlustes des auf einem Arbeitskonto gutgeschriebenen Arbeitslohns besteht und ein Kapitalanlagewahlrecht des Arbeitnehmers vorgesehen ist, ist wirtschaftlich gesehen das FLEXI-Konto ein Vermögensanlagekonto des Arbeitnehmers. Sowohl bei der Auszahlung aus dem FLEXI-Kontoguthaben als auch bei Verwendung des Guthabens für die Arbeitsfreistellung bestimmt sich das FLEXI-Kontoguthaben nach dem erzielten Erlös der im Vermögensverwaltungsdepot befindlichen Fonds. Das Vermögensverwaltungsdepot und das FLEXI-Konto sind miteinander so eng verbunden, dass sie aus wirtschaftlicher Sicht eine Einheit bilden. Die Einstellung des Wertguthabens aus dem Lohnverzicht auf dem FLEXI-Konto führt zum Zufluss von Arbeitslohn (gleiche Auffassung: Oberfinanzdirektion - OFD - Hannover, Az. S 2333-217-StO 217, vom 09.07.2008, JURIS).

Dem steht nicht entgegen, dass die Verwendung des Flexi-Kontoguthabens durch den Arbeitnehmer formalrechtlich von der Zustimmung der Kl. abhängig ist. In der Literatur ist anerkannt, dass es zum sofortigen Lohnsteuerabzug kommt, wenn der Arbeitnehmer nahezu mit beliebiger Begründung und jederzeit Teilbeträge aus dem Arbeitszeitkonto abrufen kann (vgl. Stollenberg in GmbH-StB 2007, 176).

Nach § 4 Nr. 13 des ErgV kann der Arbeitnehmer unabhängig vom vereinbarten Ziel der ErgV, das FLEXI-Kontoguthaben zur Reduzierung seiner Arbeitsleistung zu verwenden, praktisch jederzeit beanspruchen, das Guthaben vom Arbeitgeber ausgezahlt zu bekommen. Zwar entscheidet der Arbeitgeber über die vom Arbeitnehmer beantragte Auszahlung unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers. Allerdings darf der Arbeitgeber die Zustimmung nicht verweigern, wenn der Arbeitnehmer ihm zuvor glaubhaft gemacht hat, dass er die zur Auszahlung beantragten Mittel zur Abwendung oder Heilung einer wirtschaftlichen Notlage benötigt. Nach der vorliegenden Vertragsgestaltung kann der Arbeitnehmer mit beliebiger Begründung jederzeit das Guthaben vom Arbeitszeitkonto verwenden. Da der Arbeitnehmer das volle wirtschaftliche Risiko des Vermögensverwaltungsdepots trägt, ist nicht ersichtlich, welche validen Gründe die Kl. vorbringen könnte, um eine Auszahlung an den Arbeitnehmer zu verweigern. Dies ist für den erkennenden Senat ein Indiz dafür, dass dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt wird, bereits bei Gutschrift auf dem Konto über die eingestellten Mittel zu verfügen.

Das von der Kl. zitierten Urteil des BAG vom 24.09.2003 steht der vom Senat vorgenommenen Beurteilung des Streitfalls nicht entgegen. Das BAG hat entschieden, dass die vom Arbeitgeber auf einem besonderen Bankkonto für die Abgeltung von Arbeitszeitguthaben der Arbeitnehmer bereitgestellte Gelder in der Insolvenz nicht der Aussonderung unterliegen, wenn der Arbeitgeber selbst Inhaber des Kontos ist. Zur Begründung führte das BAG unter II. 2) c) bb) der Gründe aus, dass das Guthaben auf dem dort streitigen Konto wirtschaftlich zum Vermögen der Insolvenzschuldnerin gehörte. Aus der Begründung wird deutlich, dass (auch) das BAG eine wirtschaftliche Betrachtung vorgenommen hat. Der erkennende Senat bejaht im Streitfall den Lohnzufluss im Zeitpunkt der Gutschrift, indem er ebenfalls auf eine wirtschaftliche Betrachtung abstellt.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass für das vorgelegte FLEXI-Modell keine Wertguthabenvereinbarung im Sinne des § 7b SGB IV (sog. Lebensarbeitszeit bzw. Arbeitszeitkonten) vorliegt, so dass die Regelungen des BMF-Schreibens vom 17.06.2009 (a.a.O.) nicht gelten. Unerheblich ist daher, ob bei anderen Zeitwertkontenmodelle die Gutschriften auf den Zweitwertkonten nicht zum Zufluss von Arbeitslohn führen. Das Gericht hat lediglich den vorgelegten Sachverhalt zu entscheiden. Das hier unterbreitete FLEXI-Kontomodell führt nach Auffassung des erkennenden Senats zum Zufluss von Arbeitslohn im Zeitpunkt der Gutschrift. Daher ist unerheblich, wie die Klin. ihre Bilanzen bisher geführt hat. Das Gericht entscheidet damit nicht über die Nichtigkeit der von der Kl. erstellten Bilanzen.

Zutreffend weist die Klin. darauf hin, dass nach § 7e Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber gemeinsam in der Verantwortung stehen, dass Wertguthaben gegen Insolvenz zu sichern. Daraus folgt nicht, dass Zufluss von Arbeitslohn in der vorliegenden Fallkonstellation nicht angenommen werden kann.

Sofern die Klin. vortragen lässt, es läge ein Verzicht auf eine nicht werthaltige Forderung vor, da möglicherweise das Wertdepot zum Totalverlust führen wird, verkennt der Prozessbevollmächtigte der Klin., dass im Zeitpunkt des Verzichtes die Forderung (auf Arbeitslohn) sehr wohl werthaltig ist. Die Werthaltigkeit der Forderung ergibt sich daraus, dass die Klin. dem Arbeitnehmer die geleistete Arbeitsleistung nach dem Arbeitsvertrag vergüten muss. Die fehlende Werthaltigkeit der Lohnforderung wäre zu bejahen, wenn die Klin. zahlungsunfähig wäre. Anhaltspunkte hierfür wurden weder vorgetragen noch ergeben sie sich aus den Akten des Bekl.

Unerheblich ist, ob der Klin. eine in ihrem Sinne positive Anrufungsauskunft für ein im Jahre 2002 eingeführtes Zeitwertkontenmodell erteilt worden ist. Das Gericht entscheidet allein den vorgelegten Sachverhalt und kann keine Aussagen zu anderen bereits erhaltenen Auskünften treffen. Eine Bindungswirkung besteht jedenfalls nach § 42e EStG nur insoweit, als die Sachverhalte aus der Anrufungsauskunft aus dem Jahr 2002 auch umgesetzt werden.

Sofern die Klin. darauf verweist, dass andere Finanzämter in ihrem Sinne positive Auskünfte erteilt haben, führt dies zu keiner Änderung der Auffassung des Senates. An die Entscheidung der Finanzbehörden ist das Gericht nicht gebunden. Im Übrigen dürften die Finanzämter die vorgenannte Verfügung der OFD-Hannover, deren Regelung länderübergreifend entsprechend gelten soll, übersehen haben.

Entgegen der Auffassung der Klin. ist die Annahme des Zuflusses im Zeitpunkt der Gutschrift nicht ohne gesetzliche Grundlage erfolgt. Die vom Senat angewandten Regelungen über den Zufluss sind in §§ 11 und 38 EStG niedergelegt.

Letztlich wird die Vertragsfreiheit durch die vorgenommene Besteuerung nicht eingeschränkt. Eine Einschränkung läge nur vor, wenn der Abschluss des Vertrages schlechthin verboten wäre. Dies ist gerade nicht der Fall. Es werden lediglich die zutreffenden steuerlichen Konsequenzen gezogen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Revisionsgründe vorliegen. Der Senat legt seiner Entscheidung die vom BFH in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätze zugrunde.






FG Münster:
Urteil v. 24.03.2011
Az: 8 K 3696/10 E


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5db6ff06c008/FG-Muenster_Urteil_vom_24-Maerz-2011_Az_8-K-3696-10-E




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