Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. Juli 2008
Aktenzeichen: AnwZ (B) 65/07

(BGH: Beschluss v. 21.07.2008, Az.: AnwZ (B) 65/07)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 3. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist 1993 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Die Antragsgegnerin widerrief die Zulassung mit Bescheid vom 1. September 2005 gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Der Anwaltsgerichtshof hat den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist zu Recht widerrufen worden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577). Zum Zeitpunkt der Widerrufsverfügung war der Antragsteller nicht in der Lage, fällige und vollstreckbare Ansprüche seiner Gläubiger fristgemäß zu befriedigen. Es standen aus die Bezahlung der am 31. August 2005 fälligen Rate von 3.000 € an den Gläubiger Prof. Dr. Dr. M. , der Geldstrafe in Höhe von 6.300 € aus dem Urteil des Landgerichts H. vom 10. März 2005, der Geldbuße in Höhe von 3.000 € aus der Disziplinarverfügung des Landgerichts H. vom 10. Mai 2004 und des Beitrags für den Monat Juni bei der B. in Höhe von 136,72 €, für den die B. einen Vollstreckungsauftrag erteilt hatte.

b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern.

2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor.

Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller nicht nachgewiesen. Zwar hat er mittlerweile die oben einzeln aufgeführten Forderungen und weitere vollständig beglichen, jedoch seine Vermögensverhältnisse trotz entsprechender Aufforderungen bereits durch die Antragsgegnerin, durch den Anwaltsgerichtshof und durch Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 15. August 2007 und vom 8. Januar 2008 nicht umfassend aufgeklärt. Die Auskünfte des Antragstellers ergeben kein vollständiges Bild seiner finanziellen Situation. Welche Mittel ihm tatsächlich zur Verfügung stehen, welche Belastungen es insgesamt gibt und inwieweit er in der Lage ist, diese zu bedienen, ist weiterhin unklar. Aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen und seinem eigenem Vortrag im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof ergaben sich Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von 283.462,98 €, denen Miteigentumsanteile an Grundstücken nur im Wert von ca. 160.000 € gegenüberstehen. Nach den dem Senat in der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2008 überreichten Unterlagen sind die eigenen Verbindlichkeiten des Antragstellers beim BH. zwar um ca. 5.000 € zurückgeführt worden; der Antragsteller teilt nun aber auch Darlehnsverbindlichkeiten seiner Ehefrau beim BH. in Höhe von 139.907,36 € als Passiva mit, für die er offenbar gesamtschuldnerisch haftet. Zu seiner gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Notar E. für dessen Verbindlichkeiten beim BH. hat er keine Angaben gemacht. Als Vermögenswert hat der Antragsteller erneut Immobilienvermögen in Höhe von 320.000 € behauptet, obwohl er vor dem Anwaltsgerichtshof eingeräumt hatte, dass er lediglich hälftige Miteigentumsanteile an den Grundstücken besitzt. Seine Einkünfte als Geschäftsführer der G. Treuhandgesellschaft mbH, als Berater der G. AG und als Mittelverwendungskontrolleur verschiedener Fonds hat der Antragsteller nicht belegt. Zwar hat er Verträge mit diesen Firmen vorgelegt, jedoch keine Unterlagen, aus denen sich ergibt, dass die vereinbarten Vergütungen tatsächlich gezahlt werden. Inwieweit sein Aktienbesitz an der Firma "S. AG" und die Ansprüche gegen Dr. Sö. werthaltig sind, ist den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen. Die vom Antragsteller mit Schreiben vom 30. Juli 2008 übersandten Kontoausdrucke mit Zahlungseingängen von 75.000 € und 25.000 € reichen nicht als Beleg für die Ordnung der Vermögensverhältnisse; sie lassen schon nicht erkennen, bei welcher Bank die entsprechenden Konten geführt werden. Für ein Fortbestehen des Vermögensverfalls spricht demgegenüber, dass am 11. Juni 2008 ein fruchtloser Vollstreckungsversuch wegen einer Hauptforderung der Gläubigerin A. in Höhe von 2.250 € stattgefunden hat und dass die Kanzleiräume in der K. straße 44 wegen rückständiger Zahlung der Nutzungsentschädigung von der Hauseigentümerin gekündigt worden sind.

b) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind. Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet; dies ist auch in aller Regel der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern. Diese Gefahr hat sich auch bereits verwirklicht. Durch Urteil des Landgerichts H. vom 10. März 2005 wurde der Antragsteller rechtskräftig wegen Untreue zu einer Geldstrafe von neunzig Tagessätzen zu je 60 € verurteilt. Er hatte einen von der Tochter seines Mandanten Prof. Dr. Dr. M. ihm zum Zwecke der Weiterleitung an die AOK S. zur Erfüllung eines zwischen dem Mandanten und der AOK geschlossenen Vergleichs überwiesenen Geldbetrag in Höhe von 50.000 DM nicht ausgekehrt. Das Anwaltsgericht C. hat am 8. Mai 2006 wegen dieser Untreuehandlung gegen den Antragsteller einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 4.000 € verhängt.

Tolksdorf Frellesen Schaal Roggenbuck Wüllrich Frey Quaas Vorinstanz:

AGH Celle, Entscheidung vom 03.07.2007 - AGH 24/05 -






BGH:
Beschluss v. 21.07.2008
Az: AnwZ (B) 65/07


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