Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 8. Oktober 2010
Aktenzeichen: 6 W 142/10

(OLG Köln: Urteil v. 08.10.2010, Az.: 6 W 142/10)

Tenor

1.) Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 24.8.2010 abgeändert:

Den Antragsgegnern wird es jeweils einzeln bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens spielgesperrten Personen die Teilnahme an öffentlichen Glückspielen durch Verkauf von Sportwetten zu ermöglichen, und zwar dann, wenn dies durch Vorlage einer Lottobasiskarte einer dritten Person geschieht, ohne dass ein Personalausweis oder vergleichbarer Lichtbildausweis vorgelegt wird, wie am 17.7.2010 geschehen in

§ der Lottoannahmestelle des Herrn V C, ..., gegen 11:40 Uhr,

§ der Lottoannahmestelle des Herrn Q K, ..., gegen 10:57 Uhr,

§ der Lottoannahmestelle der Frau T N, ..., gegen 9:00 Uhr,

§ der Lottoannahmestelle des Herrn O S, ..., gegen 10:16 Uhr,

§ der Lottoannahmestelle des Herrn D U, ..., gegen 11:30 Uhr, und

§ der Lottoannahmestelle des Herrn P X, ..., gegen 10:53 Uhr.

2. Die Kosten des Verfahrens werden den Antragsgegnern jeweils zu 1/3 auferlegt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, eine Kapitalgesellschaft nach dem Recht der britischen Kanalinsel Alderney, bietet im Internet Spielern in Deutschland die Teilnahme an Sportwetten an. Die Antragsgegnerin zu 1 ist die nordrheinwestfälische Landesgesellschaft des Deutschen Lotto- und Totoblocks; die Antragsgegnerin zu 2, deren Geschäftsführer der Antragsgegner zu 3 ist, ist ihre Komplementärin.

Die Antragstellerin beauftragte eine für die Teilnahme an Sportwetten bei der Antragsgegnerin zu 1 gesperrte Person, sich unter Vorlage der "Westlotto Basis-Karte" eines nicht spielgesperrten Dritten, in den im Tenor genannten Lottoannahmestellen an der Sportwette Oddset zu beteiligen. Dies gelang der Testperson; nach einem amtlichen Ausweis wurde sie nicht gefragt.

Die Antragstellerin hat beim Landgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Das Landgericht hat den Antrag ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter; die Antragsgegner verteidigen den angefochtenen Beschluss.

II.

Die zulässige Beschwerde führt zum Erlass der einstweiligen Verfügung.

1. Der Antrag ist zulässig. Hinsichtlich des Verfügungsgrundes bestehen keine Bedenken. Der Antrag ist aber auch nicht rechtsmissbräuchlich.

a) Es kann dahinstehen, ob die Antragstellerin rechtmäßig von der Veranstaltung von Glücksspielen, insbesondere Sportwetten, in Deutschland ausgeschlossen ist. Der Senat hat bisher nicht abschließend entschieden, ob die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags wegen Verstoßes gegen das Europarecht nicht zu Lasten ausländischer Anbieter angewendet werden können. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist diese Frage durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 8.9.2010 (C-316/07 und C-46/08) nicht abschließend geklärt. Denn zum einen war der Europäische Gerichtshof an die Sachverhaltsfeststellungen der vorlegenden Gerichte gebunden und diese Feststellungen waren - soweit dies den Urteilen entnommen werden kann - jedenfalls im Hinblick auf die Regelungen der Spielverordnung unvollständig; zum anderen hat der Europäische Gerichtshof die grundsätzliche Möglichkeit, den Vertrieb von Glücksspielen über das Internet wegen dessen besonderen Gefahren zu verbieten, ausdrücklich anerkannt (C-46/08, Rz. 102 ff.). Welche Schlussfolgerungen aus den genannten Entscheidungen zu ziehen sind, muss in diesem Verfahren jedoch nicht entschieden werden, weil das Vorgehen der Antragstellerin auch dann nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann, wenn man von der Wirksamkeit des Verbots ihrer Geschäftstätigkeit ausgeht.

Wie der das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, führt allein der Umstand, dass ein Wettbewerber selbst einen Rechtsverstoß begeht, nicht dazu, dass ihm der Schutz gegen unlauteren Wettbewerb versagt wäre; dies gilt vielmehr erst dann, wenn die Geltendmachung der auf die Stellung als Wettbewerber gestützten Ansprüche sittenwidrig oder rechtsmissbräuchlich ist (BGH GRUR 2005, 519, 520 - Vitamin-Zell-Komplex). Für eine Sittenwidrigkeit ist nichts ersichtlich. Rechtsmissbrauch liegt nach den allgemeinen Grundsätzen dann vor, wenn die Ausübung eines Rechts dem Gebot von Treu und Glauben widerspricht (vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen, 2009, § 242 Rdn. 217), wenn also kein schutzwürdiges Interesse an der Entscheidung besteht (vgl. Zöller/Greger, vor § 253 Rdn. 18). Dies ist hier bereits deshalb nicht der Fall, weil es für die Frage, ob die Tätigkeit der Antragstellerin durch den Glückspielstaatsvertrag im Hinblick auf das Europarecht wirksam eingeschränkt ist, auch darauf ankommen kann, wie die Inhaber des staatlichen Monopols sich am Markt verhalten (vgl. etwa die Ausführungen in dem Urteil C-316/07 Rz. 103 f.). Dass dieses Verhalten durch staatliche Aufsichtsbehörden nachhaltig kontrolliert würde, ist nicht ersichtlich. Daher kann der Antragstellerin nicht ein Interesse daran abgesprochen werden, die Beachtung der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages durch die Antragsgegner mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen. Es erschiene zudem als unbillig, einen Wettbewerber auf diesem vor allem rechtlich stark umkämpften Markt von der Inanspruchnahme der Gerichte generell auszuschließen.

b) Einen Rechtsmissbrauch begründet es auch nicht, dass die Antragstellerin eine Testperson eingesetzt hat, die die Inhaber der Lottoannahmestellen über ihre Identität getäuscht hat. Zwar kann der Einsatz einer Testperson den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs begründen, wenn diese Person mit verwerflichen Mitteln auf die Begehung eines Wettbewerbsverstoßes hinwirkt (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rdn. 10.162). Die Antragstellerin hat jedoch gerade den Umstand, dass und auf welche Weise sich die Inhaber der Lottoannahmestellen haben täuschen lassen, zum Gegenstand ihres Antrags gemacht. Sie rügt die mangelhafte Überprüfung der Testperson. Die Antragsgegner haben dagegen die Auffassung vertreten, es habe eine den rechtlichen Anforderungen entsprechende Überprüfung stattgefunden. Dass die Antragstellerin diese Rechtsauffassung zur gerichtlichen Überprüfung stellen wollte, könnte ihr daher allenfalls dann als Rechtsmissbrauch angelastet werden, wenn davon auszugehen wäre, dass eine solche Situation, wie sie die Antragstellerin mit Hilfe der Testperson nachgestellt hat, in der Praxis nicht vorkommen kann. Dafür liegen aber keine Anhaltspunkte vor. Vielmehr erscheint es dem Senat nicht ganz unwahrscheinlich, dass eine spielsüchtige Person sich eine solche Basis-Karte verschafft, um ihre Sucht zu befriedigen.

2. Der Verfügungsantrag ist begründet. Der Antragstellerin steht ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG iVm. § 21 Abs. 3 GlüStV zu.

a) § 21 Abs. 3 GlüStV regelt das Verhalten beim Abschluss von Sportwetten und ist damit eine Markverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG

b) Die Annahme der Sportwetten lediglich unter Vorlage der Westlotto Basis-Karte verstieß gegen § 21 Abs. 3 Satz 2 GlüStV. Nach dieser Vorschrift ist die Einhaltung des Verbots der Teilnahme gesperrter Spieler an Sportwetten (§ 21 Abs. 3 Satz 1 GlüStV) durch Kontrolle des Ausweises oder eine vergleichbare Identitätskontrolle und Abgleich mit der Sperrdatei zu gewährleisten. Dabei kann der Begriff "Ausweis", wenn er nicht gänzlich konturlos sein soll, nur den gesetzlich vorgeschriebenen Ausweis, also den Personalausweis (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 PAuswG), oder ein entsprechendes ausländisches Dokument meinen. Eine vergleichbare Identitätskontrolle wird durch die Westlotto-Basis-Karte nicht gewährleistet. Selbst wenn für die Vergleichbarkeit eine Gleichwertigkeit nicht vorausgesetzt sein sollte (vgl. in diese Richtung Dietlein in: Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, § 22 Rdn. 7), so muss die Kontrolle doch, um der Zielsetzung des § 21 Abs. 3 GlüStV zu genügen, in hohem Maß zuverlässig sein. Mittels eines Ausweises, der über kein Lichtbild verfügt, kann jedoch eine wirksame Identitätskontrolle nicht durchgeführt werden.

c) Die Antragsgegnerin zu 1 haftet nach § 8 Abs. 2 UWG für das Verhalten der Inhaber der von ihr konzessionierten Annahmestellen. Deren geschäftlicher Erfolg kommt auch der Antragsgegnerin zugute und sie verfügt über Möglichkeiten, bestimmend und durchsetzbar Einfluss auf das Verhalten der Annahmestelleninhaber auszuüben. Die Antragsgegner zu 2 und 3 haften als Organe der Antragsgegnerin zu 1.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Neufassung des Antrags ist rein redaktioneller Art, denn auch der ursprüngliche Antrag zielte auf die Untersagung der Ermöglichung der Teilnahme an Sportwetten unter Vorlage einer fremden Westlotto-Basis-Karte ab.

2. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

3. Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 25.000 €. Die Wertangabe der Antragstellerin von 150.000 € erscheint überhöht. Es ist nicht ersichtlich, dass das verfahrensgegenständliche Verhalten (ohne provoziert zu sein) weit verbreitet wäre und daher zu einer Beeinträchtigung der Marktverhältnisse führen würde, die einen Gegenstandswert in der von der Antragstellerin vorgestellten Höhe rechtfertigen würde.






OLG Köln:
Urteil v. 08.10.2010
Az: 6 W 142/10


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