Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. März 2007
Aktenzeichen: 27 W (pat) 28/07

(BPatG: Beschluss v. 20.03.2007, Az.: 27 W (pat) 28/07)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 28 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Januar 2005 und 18. Juli 2005 werden aufgehoben.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 28 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit den im Tenor genannten Beschlüssen die Anmeldung der Kennzeichnung MultiClassicals Wortmarke für die Waren

"Geld- und geldwertmäßig betätigte Unterhaltungs- und Spielautomaten sowie Teile dieser Waren, soweit in Klasse 28 enthalten"

nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe zurückgewiesen, weil die Anmeldemarke in Bezug auf Unterhaltungs- und Spielautomaten nur als Hinweis auf vielfach klassische Spiele, ein vielfach klassisches Design oder auf deren vielfache Erstklassigkeit angesehen werde.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 28 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Januar 2005 und 18. Juli 2005 aufzuheben.

Sie hält die Anmeldemarke weiterhin für schutzfähig und führt hierzu aus: Unterhaltungs- und Spielautomaten würden nicht durch Begriffe wie "vielfach klassisch" oder "in vielerlei Hinsicht klassisch" beschrieben; die Anmeldemarke wecke daher im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren bei den angesprochenen Verkehrskreisen allenfalls Assoziationen, vermöge diese aber nicht zu beschreiben; auch die von der Markenstelle genannten möglichen Interpretationen der Anmeldemarke würden die angemeldeten Automaten nicht beschreiben. Die Anmeldemarke sei daher ohne weiteres unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig.

II Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde ist begründet. Der Schutzgewährung der angemeldeten Kennzeichnung stehen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Hindernisse nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG entgegen. Weder beschreibt sie mögliche Merkmale der beanspruchten Waren noch fehlt ihr jegliche Unterscheidungskraft.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle steht der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen, denn die angemeldete Bezeichnung besteht in keiner ihrer möglichen Bedeutungen ausschließlich aus Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können, die hinreichend eng mit einer Ware in Bezug stehen (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 419 - Berlin Card). Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung steht daher nicht das im Allgemeininteresse liegende Ziel entgegen, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw. Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden können (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 - CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 - BIOMILD).

Dabei kann dahin stehen, ob die Anmeldemarke von den angesprochenen Verkehrskreisen tatsächlich in den von der Markenstelle unterstellten Bedeutungen verstanden werden wird. Dies gilt sogar dann, wenn man die Endverbraucher, an welche die beanspruchten Waren in der Regel nicht unmittelbar veräußert werden, welche sie aber letztlich betätigen, einrechnet. Keinesfalls könnte dies ohne analysierende Betrachtung geschehen. Dazu neigt der Verbraucher aber gerade nicht (vgl. st. Rspr., BGH GRUR 1992, 515, 516 - Vamos; GRUR 195, 408, 409 - PROTECH). Die Annahme der Markenstelle, "classic" im Sinne von "klassisch" werde auch als Hinweis auf Erstklassigkeit verstanden, erscheint sehr weit hergeholt, da der Begriff "classic" in seiner unmittelbaren Bedeutung allein "klassisch" bedeutet (vgl. Duden-Oxford - Großwörterbuch Englisch. 3. Aufl. Mannheim 2005 [CD-ROM] Stichwort "classic". Die Bedeutung Erstklassigkeit könnte sich allenfalls daraus ergeben, dass der Klassik eine positiv besetzte Bedeutung beigemessen wird. Dies ist keineswegs zwangsläufig und hängt von subjektiven Anschauungen ab, wobei der Begriff "klassisch" im Fall von Waren auch in einem abfälligen, nämlich auf ihr Alter und damit auf eine nicht mehr den aktuellen Erfordernissen entsprechende mangelnde Funktionsfähigkeit oder ein veraltetes Design verstanden werden kann.

Dies kann aber letztlich auf sich beruhen. Zwar können die einzelnen Bestandteile "Multi" und "Classic" für sich genommen für einzelne Waren und Dienstleistungen durchaus beschreibend sein, es ist aber nicht ersichtlich, welche möglichen Merkmale der hier konkret zu beurteilenden Waren, also Unterhaltungs- und Spielautomaten und deren Bestandteile, die angemeldete Kennzeichnung beschreiben sollte. Welche Bedeutung den Begriffen "Multi" und "Classic" bereits für sich genommen bei den hier zu beurteilenden Unterhaltungs- und Spielautomaten zukommen sollte, ist weder ersichtlich, noch wurde dies von der Markenstelle - wozu sie verpflichtet gewesen wäre - belegt. Anhaltspunkte dafür, dass es "klassische" Unterhaltungs- und Spielautomaten gibt und welche hierunter konkret zu verstehen sind, sind ebenso wenig feststellbar, wie dafür, dass Multifunktionalität (vgl. hierzu etwa HABM R 904/04-2, veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM) bei diesen Geräten überhaupt eine Rolle spielt und hierauf beschreibend hingewiesen zu werden pflegt.

Ist schon hinsichtlich der Einzelbestandteile ein rein beschreibender Gehalt für die konkret zu betrachtenden Geräte nicht erkennbar, gilt dies erst recht für ihre Kombination in der Anmeldemarke. Dabei ist schon unklar, was der Verkehr, sofern er die Anmeldemarke überhaupt im Sinne von "vielfach klassisch", "in vielerlei Hinsicht klassisch" oder gar "vielfach erstklassig" übersetzt und auffasst, hierunter verstehen sollte. Ein solcher Ausdruck ist nämlich im allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur unüblich, sondern würde auch als inhaltsleer und nichtssagend erachtet werden, weil eine Steigerung von Klassizität, klassischem Design oder Erstklassigkeit (denn gegenüber der ersten Ordnungszahl ist eine Verbesserung unvorstellbar) unbekannt und völlig unverständlich ist; insofern unterscheidet sich die hier zu beurteilende Anmeldemarke erheblich von anderen Kombinationen mit den Begriffen "Multi" oder "classic", bei denen ein bestimmter beschreibender Begriffsinhalt auf der Hand liegt (vgl. etwa BPatG 25 W (pat) 42/98 - MULTI-ENZYM für pharmazeutische Produkte; 30 W (pat) 251/97 - MULTI-PHONE u. a. für Computerprogramme; 24 W (pat) 73/96 - MULTI-PILOT für Steuereinheiten; 27 W (pat) 153/00 - MULTI-POWER u. a. für Transfomatoren; 28 W (pat) 21/05 - MULTI-FORM für Filze und Siebe; 28 W (pat) 294/97 - CLASSIC PREMIUM für Zierfischfutter; 32 W (pat) 359/02 - RETRO CLASSICS u. a. für Juwelierwaren und Bekleidungsstücke; sämtliche vorgenannten Entscheidungen veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM). Ferner bleibt im Dunkeln, welche konkreten möglichen Eigenschaften der angemeldeten Unterhaltungs- und Spielautomaten hiermit angesprochen werden sollten.

Mangels eines im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Waren beschreibenden Begriffsinhalts (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. - RATIO-NAL SOFTWARE CORPORATION) fehlt der angemeldeten Bezeichnung auch nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, also nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) die Eignung, von den Abnehmern, an welche sich die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden.

Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zu Unrecht die Eintragung wegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG versagt hat, waren die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben.






BPatG:
Beschluss v. 20.03.2007
Az: 27 W (pat) 28/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5b5d3702fdf2/BPatG_Beschluss_vom_20-Maerz-2007_Az_27-W-pat-28-07




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share