Verwaltungsgericht Sigmaringen:
Beschluss vom 8. Oktober 2004
Aktenzeichen: 2 K 1923/03

(VG Sigmaringen: Beschluss v. 08.10.2004, Az.: 2 K 1923/03)

Die in § 162 Abs 2 Satz 3 VwGO vorgesehene Auslagenpauschale gem § 26 Satz 2 BRAGO (BRAGebO) kann für das Gerichtsverfahren und das Widerspruchsverfahren insgesamt nur einmal angesetzt werden.

Tenor

Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. Juli 2004 wird geändert. Der vom Kläger an den Beklagten zu erstattende Betrag wird auf 50,19 € festgesetzt.

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Erinnerungsverfahrens je zur Hälfte.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung einer doppelten Auslagenpauschale, Fahrtkosten, Parkgebühren und eines Tagegelds zugunsten des Beklagten.

Die Beteiligten schlossen nach mündlicher Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen am 13.05.2004 einen Vergleich, wonach die angefochtene waffenrechtliche Verfügung des Beklagten am 01.09.2004 aufzuheben war und der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Für den Beklagten waren der Regierungsassessor X. und Kreisamtfrau X., die zuständige Sachgebietsleiterin für Waffenrecht beim Rechts- und Ordnungsamt, per Videokonferenz XXX zur mündlichen Verhandlung zugeschaltet.

Am 23.06.2004 beantragte der Beklagte, für das Vorverfahren und die erste Instanz jeweils den Pauschsatz von 20,00 € für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gem. § 26 BRAGO festzusetzen. Darüber hinaus wurden die Kosten der Videokonferenz mit 175,06 € geltend gemacht, hilfsweise fiktive Fahrtkosten in Höhe von 47,70 € (139 km à 0,30 €), ein Tagegeld von 5,00 € und 1,00 € Parkgebühren.

Mit Beschluss vom 21.07.2004 setzte der Kostenbeamte den vom Kläger an den Beklagten zu erstattenden Betrag auf 75,19 € fest. In diesem Betrag ist zweimal der Pauschsatz gem. § 26 BRAGO mit insgesamt 40,00 €, fiktive Fahrtkosten in Höhe von 29,19 € (139 km à 0,21 € gem. § 9 Abs. 3 ZSEG), ein fiktives Tagegeld von 5,00 € und 1,00 € für fiktive Parkgebühren enthalten. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Erstattung von Parteiauslagen erfolge nach Maßgabe der für Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften (§ 173 VwGO i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO). Das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen - ZSEG - sei sinngemäß anzuwenden. Die Erstattung der Kosten der Videokonferenz sei dort nicht vorgesehen. Daher könnten lediglich fiktive Kosten in Ansatz gebracht werden, welche bei einer Fahrt zur mündlichen Verhandlung nach Sigmaringen angefallen wären. Nach § 9 Abs. 3 ZSEG stünden Zeugen bei der Benützung eines eigenen Kraftfahrzeugs 0,21 € pro angefangenen Kilometer Wegstrecke des Hin- und Rückwegs zu. Die Festsetzung der Kosten des Vorverfahrens erfolge gemäß § 162 Abs. 1 VwGO.

Am 28.07.2004 hat der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung eingelegt. Er ist der Ansicht, für das Vorverfahren könne keine Kostenpauschale festgesetzt werden, weil ein entsprechender Kostenausspruch fehle. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO sehe hinsichtlich der Kosten des Vorverfahrens nur eine Erstattung von Anwaltsgebühren vor, wenn das Gericht die Hinzuziehung des Rechtsanwalts für notwendig erkläre. Für Behörden, die sich selbst vertreten, gebe es keine entsprechende Vorschrift. Die fiktiven Fahrtkosten seien ebenfalls nicht in voller Höhe anzusetzen, sondern müssten anteilig auf alle Verhandlungen an diesem Sitzungstag verteilt werden, bei denen das Landratsamt Bodenseekreis beklagt war. Tagegelder für Angehörige des öffentlichen Dienstes seien im ZSEG nicht vorgesehen. Parkgebühren könnten nur erstattet werden, wenn sie tatsächlich angefallen seien. In der Nähe des Gerichts gebe es auch kostenlose Parkmöglichkeiten.

Der Kostenbeamte lehnte eine Abhilfe ab und legte die Erinnerung dem Gericht zur Entscheidung vor. Der Beklagte hat sich dazu nicht geäußert.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

II.

Die zulässige Erinnerung ist nur zum Teil begründet.

1. Die festgesetzte Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ist auf 20,- € zu reduzieren.

a) Der Beklagte kann gemäß § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO an Stelle seiner tatsächlichen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in § 26 Satz 2 BRAGO (= Nr. 7002 RVG-VV) bestimmten Pauschsatz von 20,00 € fordern. Ein Kostenausspruch des Gerichts, wie er nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren zu treffen ist, wird dazu nicht benötigt.

b) Ein doppelter Ansatz des Pauschsatzes gemäß § 26 Satz 2 BRAGO (= Nr. 7002 RVG-VV) für das Klageverfahren und das Vorverfahren ist dagegen nicht möglich. Dagegen spricht bereits der Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO, wonach juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden anstelle ihrer tatsächlichen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsleistungen den in § 26 Satz 2 BRAGO bestimmten Pauschsatz fordern können. Die Regelung soll es den genannten Stellen ermöglichen, Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen im Kostenfestsetzungsverfahren pauschal geltend zu machen, ohne umfangreiche Aufzeichnungen und aufwändige Berechnungen durchführen zu müssen (vgl. BT-Drucks. 14/6856, S. 14). Daraus ergibt sich, dass die Regelung sich nicht nur auf das in § 162 Abs. 2 Satz 2 angesprochene Vorverfahren bezieht, sondern auf alle in § 162 Abs. 1 VwGO genannten notwendigen Aufwendungen dieser Stellen im Gerichtsverfahren einschließlich des Vorverfahrens. Dem Beklagten hätte es freigestanden, den tatsächlichen Aufwand des Landratsamts für Post und Telekommunikation im gerichtlichen Verfahren und im Vorverfahren zu ermitteln und geltend zu machen. Wenn aber von der Pauschalierungsmöglichkeit des § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO Gebrauch gemacht wird, sind damit alle im Gerichtsverfahren und im Vorverfahren angefallenen Aufwendungen abgedeckt.

Auch wenn § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO so ausgelegt wird, dass die dort genannten Stellen hinsichtlich ihrer Auslagen für Post- und Telekommunikationsleistungen genauso zu behandeln sind wie Rechtsanwälte (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss vom 18.02.2003, - 4 J 240/03 -, NVwZ-RR 2003, 704f), führt das nicht zu einem doppelten Ansatz des Pauschsatzes für Vorverfahren und Gerichtsverfahren. Dass neben den Gebühren des Rechtsanwalts für das gerichtliche Verfahren gemäß §§ 114, 31 BRAGO und der Auslagenpauschale gem. § 26 Satz 2 BRAGO gesondert Gebühren für das Vorverfahren gemäß § 118 BRAGO einschließlich einer weiteren Auslagenpauschale anfallen, folgt allein aus § 37 Nr. 1 BRAGO (=§ 19 Abs. 1 Nr. 1 RVG), wonach das Vorverfahren für den Rechtsanwalt nicht Bestandteil des Rechtszugs, sondern eine gesonderte Angelegenheit ist. Diese Trennung kann ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung nicht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden übertragen werden. Deshalb bleibt es gemäß § 162 Abs. 2 Satz 3 beim einmaligen Ansatz der Auslagenpauschale aus § 26 Satz 2 BRAGO.

2. Der Ansatz fiktiver Fahrtkosten anstelle der tatsächlichen Kosten der Videokonferenz ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz sogar höhere Aufwendungen, als die Anreise eines Prozessvertreters gekostet hätte. Dies gilt auch hinsichtlich der fiktiven Parkgebühren. Die Berechnung der fiktiven Fahrtkosten richtet sich für die Bediensteten des Beklagten aber nicht nach dem ZSEG, sondern nach den spezielleren Regelungen des Landesreisekostenrechts (vgl. VG Sigmaringen, Beschluss vom 11.03.2004, - 4 K 2526/98 -; zitiert nach VENSA; Hess. VGH, Beschluss vom 25.01.1988, - F 4471/88 -, zitiert nach juris, Bay. VGH, Beschluss vom 05.10.1982, - 14 N 81 A.272 -; Olbertz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar VwGO, § 162 Rn. 19 m.w.N.). Hinsichtlich der Kilometerpauschale ergeben sich aber keine Unterschiede zu der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung nach dem ZSEG.

Eine anteilige Verteilung der fiktiven Fahrtkosten auf alle an diesem Sitzungstag mit dem Landratsamt Bodenseekreis verhandelten Verfahren kommt allerdings nicht in Betracht. Außer dem vorliegenden waffenrechtlichen Verfahren wurden am 13.05.2004 noch zwei ausländerrechtliche Verfahren verhandelt, in denen das Landratsamt durch den Regierungsassessor W. und den Sachgebietsleiter für Ausländer- und Asylwesen, Herrn X., vertreten wurde. Die Sachgebietsleiterin für Waffenrecht, Frau Kreisamtfrau X., hätte das Landratsamt in diesen Verfahren nicht vertreten können und wäre auch bei einer tatsächlich unternommenen Reise XXX nur für den hier vorliegenden Fall angereist, so dass die Kosten für diese Fahrt vollständig in Ansatz zu bringen sind.

3. Fiktives Tagegeld kann für die Bediensteten des Beklagten nicht in Ansatz gebracht werden. Wie oben bereits dargelegt, sind die Regelungen des ZSEG für die Bediensteten des Beklagten nicht anwendbar, sondern vorrangig das Landesreisekostengesetz. Nach § 9 LRKG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG wird Tagegeld erst ab einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden gewährt, was hier nicht der Fall war. Der Kostenansatz war deshalb um 5,00 € zu reduzieren.

Nach alledem verbleiben erstattungsfähige Kosten des Beklagten in Höhe von 50,19 €.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.






VG Sigmaringen:
Beschluss v. 08.10.2004
Az: 2 K 1923/03


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