Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Mai 2010
Aktenzeichen: 20 W (pat) 51/05

(BPatG: Beschluss v. 05.05.2010, Az.: 20 W (pat) 51/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 04 N des Deutschen Patentund Markenamts vom 22. Februar 2005 aufgehoben und das Patent wird auf der Grundlage der folgenden Unterlagen erteilt:

Bezeichnung: Verfahren zum Detektieren von VPS-Datensequenzen gleichen Inhalts Patentansprüche:

Patentanspruch 1 gemäß Schriftsatz vom 5. Mai 2010 sowie Patentansprüche 2 bis 8 gemäß Hauptantrag aus dem Schriftsatz vom 29. April 2010, eingegangen bei Gericht am 30. April 2010 Beschreibung:

Beschreibung Seite 1 gemäß Schriftsatz vom 5. Mai 2010 sowie Seiten 2 bis 4 gemäß Hauptantrag aus dem Schriftsatz vom 29. April 2010, eingegangen bei Gericht am 30. April 2010 Zeichnungen:

Figur gemäß Hauptantrag aus dem Schriftsatz vom 29. April 2010, eingegangen bei Gericht am 30. April 2010

Gründe

I.

Die Patentanmeldung 103 50 711.6-55 mit der Bezeichnung "Verfahren zum Detektieren von Datensequenzen gleichen Inhalts" ist im Verfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt von der Prüfungsstelle H 04 N in der Anhörung am 22. Februar 2005 durch Beschluss zurückgewiesen worden, da sich das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 für den Durchschnittsfachmann aus dem bekannten Stand der Technik in nahe liegender Weise ergäbe und folglich keine nach dem § 4 PatG patentfähige Erfindung vorliege. Der Zurückweisung lagen die am 10. November 2004 eingereichten Patentansprüche 1 bis 8 zugrunde. Bezüglich des Wortlauts dieser Ansprüche wird auf die Amtsakte verwiesen.

Der Anmeldegegenstand betrifft ein Verfahren und eine Schaltungsanordnung zum Detektieren von VPS (Video Programming Signal)-Datensequenzen gleichen Inhalts, die mit digitalen und/oder analogen Fernsehsignalen übertragen und empfängerseitig aus dem Empfangssignal extrahiert werden. Im Hinblick auf mobile Empfangsmöglichkeiten soll die Extraktion stetig wiederkehrender VPS-Datensignale dahingehend verbessert werden, dass diese auch bei mobilem Empfang möglichst fehlerfrei interpretiert werden können.

Die Prüfungsstelle gründet ihren zurückweisenden Beschluss auf den Fachartikel D1 Deutsche TV Plattform: "Nutzung von VPS und Settop-Boxen, Januar 2003, DVB-T Ratgeber-Redaktion, Copyright 2002-2003 PR4U sowie den Fachbuchauszug D2 Malmstadt, Howard V.; Enke, Christie G.; Crouch, Stanley R.: Electronic Measurements for Scientists; W.A. Benjamin, Inc., Menlo Park, California, 1974, Seiten 846 und 847.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihre Anmeldung weiter und hat mit Schriftsatz vom 29. April 2010, eingegangen bei Gericht am 30. April 2010, einen neuen Hauptantrag mit sieben Patentansprüchen eingereicht und zusammen mit neuen Seiten 1 bis 4 der Beschreibung und einer Zeichnung.

Die Anmelderin war, wie mit Schriftsatz vom 12. April 2010 vorab mitgeteilt, in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten, ihr Verfahrensbevollmächtigter hat aber im Einvernehmen mit dem erkennenden Senat -noch während der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich einen neuen Patentanspruch 1 eingereicht, der an die Stelle von Patentanspruch 1 aus dem Hauptantrag vom 30. April 2010 treten sollte. Gleichzeitig hat die Anmelderin eine neue Seite 1 der Beschreibung eingereicht, die an die Stelle der ersten Seite der vier Seiten Beschreibung vom 30. April 2010 treten sollte.

Auf der Grundlage dieser Unterlagen hat die Anmelderin im Hauptantrag beantragt wie erkannt.

Der demnach geltende Patentanspruch 1 vom 5. Mai 2010 lautet:

"1. Verfahren zum Detektieren von VPS (Video Programming Signal)-Datensequenzen gleichen Inhalts, die mit digitalen und/oder analogen Fernsehsignalen übertragen und empfängerseitig aus dem Empfangssignal extrahiert werden, dadurch gekennzeichnet,

-dass die Daten einer ersten extrahierten VPS-Datensequenz nach einer Wiederaufbereitung direkt oder nach einer Abtastung mittels eines A/D-Wandlers als Abtastwerte in einem Der geltende Patentanspruch 6 vom 30. April 2010 lautet (mit eingefügten Spiegelstrichen):

Speicher zwischengespeichert werden,

- dass die weiteren wiederkehrenden extrahierten VPS-

Datensequenzen nach einer Wiederaufbereitung direkt odernach einer Abtastung mittels des A/D-Wandlers als Abtastwerte den bereits gespeicherten Daten hinzu addiert werden,

- dass die addierten Daten einer Mittelung anhand der Anzahlder gespeicherten VPS-Datensequenzen unterzogen werdenund - dass die ausgegebene VPS-Datensequenz einer Dekodierungunterzogen wird und in Abhängigkeit von dieser Datensequenz Steuerungen oder Anzeigen des Empfangsgerätes erfolgen."

"6. Schaltungsanordnung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,

- dass eine Extraktionsschaltung (1) die Datensequenz extrahiert,

-dass ein A/D-Wandler (2) die Datensequenz mit einer bestimmten Frequenz abtastet,

-dass die Abtastwerte in einem Speicher (3) zwischengespeichert und den bereits gespeicherten Abtastwerten gleichen Inhalts mittels Addierer (6) hinzuaddiert werden,

-dass eine Auswerteschaltung eine Mittelung der Abtastwerte nach einer bestimmten Anzahl von Datensequenzspeicherungen durchführt und eine Datensequenz abgibt, und -dass ein Decoder (7) oder eine Signalverarbeitungsschaltung für die abgegebene Datensequenz der Auswerteschaltung (4) nachgeschaltet ist."

Wegen des Wortlauts der auf den Patentanspruch 1 vom 5. Mai 2010 direkt oder indirekt rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 vom 30. April 2010 und der auf den Patentanspruch 6 rückbezogenen Ansprüche 7 und 8 -diese drei Ansprüche alle vom 30. April 2010 -wird auf die Akte verwiesen.

Die Anmelderin hält das Verfahren zum Detektieren von VPS-Datensequenzen nach den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 sowie die Schaltungsanordnung zur Durchführung des Verfahrens nach den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 6 für patentfähig.

II.

Die zulässige Beschwerde führt zum Erfolg. Die geltenden Anspruchsfassungen sind zulässig, § 38 PatG, die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 6 in ihrer geltenden Fassung sind patentfähig im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG. Die Anmeldung genügt auch sonst den Anforderungen des § 49 Abs. 1 PatG.

1.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag entspricht inhaltlich den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 1 und 5, ergänzt mit einer durch das Ausführungsbeispiel gestützten Klarstellung (vgl. einzige Figur i. V. m. Seite 3, Zeile 30 bis Seite 4, Zeile 3), "dass die weiteren wiederkehrenden extrahierten VPS-Datensequenzen nach einer Wiederaufbereitung direkt oder nach einer Abtastung mittels des A/D-Wandlers als Abtastwerte den bereits gespeicherten Daten hinzu addiert werden."

2.

Das zweifellos gewerblich anwendbare Verfahren nach dem Patentanspruch 1 sowie die Schaltungsanordnung zur Durchführung des Verfahrens nach dem Patentanspruch 6 gelten als neu.

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 8 gehen auf die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 2 bis 4, 6 sowie 8 bis 10 zurück.

Die geltende Anspruchsfassung erweist sich damit als zulässig.

Der Anmeldegegenstand richtet sich seinem sachlichen Inhalt nach an einen Fachhochschulingenieur der Fernsehtechnik, der mit der Aufbereitung von im Fernsehsignal mitübertragenen Zusatzsignalen befasst ist.

Der Fachartikel D1 befasst sich mit der Weiterentwicklung der Grundlagen für die Steuerung der Aufzeichnung von Fernsehprogrammen, insbesondere mit der Weiterentwicklung von VPS in der von PAL bekannten Form für die Übertragung in DVB-Bitströmen. Aus dem Abschnitt 4. "VPS auf der Empfängerseite" erfährt der fachkundige Leser, dass im Hinblick auf die weitere Nutzung analoger Videorekorder das in einem Bitstrom enthaltene VPS-Signal so wiederaufbereitet werden muss, dass die Wiedereinfügung der VPS-Daten in die PAL-Zeile 16 erfolgt und damit vom analogen Empfangsgerät für die Aufzeichnungssteuerung genutzt werden kann. Ein konkretes Verfahren zum Detektieren von VPS-Datensequenzen gleichen Inhalts oder die Ausgestaltung einer Schaltungsanordnung dafür sind jedoch nicht offenbart.

Der Fachbuchauszug D2 beschreibt in Abschnitt 4-5.5 "MULTICHANNEL AVERAGING" ein Verfahren, mit dem repetitive analoge Messsignalfolgen vom Rauschen befreit werden können. Um das Signal-Rausch-Verhältnis zu verbessern, werden sich wiederholende Messsignalfolgen abgetastet und die daraus resultierenden Abtastraten anschließend gemittelt oder integriert (vgl. hierzu Seite 846, vorletzter Absatz). Hierbei kann auch eine digitalisierte Verarbeitung zum Zuge kommen, bei der die sich wiederholenden Wellenformen quantisiert werden und die daraus resultierenden Werte zu vorher abgespeicherten Werten hinzuaddiert werden (vgl. hierzu Seite 846, letzter Absatz).

Im Gegensatz zum anmeldungsgemäßen Verfahren werden bei dem in Rede stehenden Verfahren ausschließlich analoge verrauschte Messsignale verarbeitet und nicht Datensequenzen, die mit digitalen und/oder analogen Fernsehsignalen übertragen werden und zudem erst aus einem ankommenden Signalgemisch extrahiert werden müssen, bevor sie entsprechend ihrem Signalcharakter der dafür zuständigen Verarbeitungsschaltung zugeführt werden können. In der Figur 4-110 ist das Blockschaltbild eines Digital Multichannel Averager wiedergegeben, auf das im Kontext aber nicht ausdrücklich Bezug genommen wird. Das Blockschaltbild zeigt mit der beanspruchten Schaltungsanordnung hinsichtlich der zur Anwendung kommenden Komponenten nur insofern Übereinstimmung, dass die verstärkten Eingangssignale einem Digitalisierer in Form eines A/D-Wandlers (vgl. Digitizer (A-to-D)) zugeführt werden, die quantisierten Signale anschließend einer Arithmetische Einheit durchlaufen, die offensichtlich die Funktion eines Addieres übernimmt, und die aufaddierten Abtastwerte in einem Speicher abgelegt werden. Eine Extraktionsschaltung, die eine eingehende Datensequenz extrahiert, eine Auswerteschaltung, die eine Mittelung der Abtastwerte durchführt und eine Datensequenz abgibt, und ein Decoder oder eine Signalverarbeitungsschaltung für die abgegebenen Datensequenzen der Auswerteschaltung, sind in der Schaltungsanordnung nach der D2 nicht vorhanden.

3. Das Verfahren zum Detektieren von VPS-Datensequenzen gleichen Inhalts nach dem Patentanspruch 1 sowie die Schaltungsanordnung zur Durchführung des Verfahrens nach dem Patentanspruch 6 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus dem Fachartikel D1 erhält der Fachmann nur einen allgemeinen Hinweis, dass ein mit den Fernsehsignalen mitgeliefertes VPS-Signal im Fernsehempfänger für eine Anzeige am Bildschirm einer entsprechenden Signalaufbereitung unterzogen werden muss. Um diese Maßnahmen auch umsetzen zu können, ist er daher gehalten, sich in seinem Fachgebiet nach konkreten Realisierungsmöglichkeiten umzuschauen.

Im Rahmen dieser fachlichen Umschau wird er sich pflichtgemäß der weiteren einschlägigen Fachliteratur zuwenden. In Anbetracht der auf die Erfassung und Verarbeitung von VPS-Datensequenzen eingeengten technischen Zielrichtung erscheint es aber fraglich, ob der Fachmann der Fernsehtechnik die D2, ein Buch über allgemeine Elektronische Messtechnik, für eine mögliche Verifizierung überhaupt zu Rate gezogen hätte. Selbst wenn der Fachmann bei seinen Recherchen auf das Fachbuch D2 und dessen Kapitel 4-5.5 "MULTICHANNEL AVERAGING" mit dem Blockschaltbild eines digitalen Multichannel Averagers in Figur 4-110 gestoßen wäre, hätte er keine Veranlassung gehabt, ein Signalverarbeitungsverfahren und eine Schaltungsausführung aufzugreifen, die ausschließlich auf eine Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses (vgl. S. 846 dritter Absatz, zweite Hälfte) analoger Messsignalfolgen gerichtet sind und die er außerdem für eine Verwendung in der Fernsehtechnik schaltungstechnisch hätte anpassen müssen.

Daher sind anmeldungsgemäße Verfahren nach dem Patentanspruch 1 und die Schaltungsanordnung zur Durchführung des Verfahrens nach dem Patentanspruch 6 nach Überzeugung des Senats durch den Fachbuchauszug D2 dem Fachmann nicht nahe gelegt.

4. Die auf den Patentanspruch 1 vom 5. Mai 2010 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 vom 30. April 2010 und die auf den Patentanspruch 6 rückbezogenen Patentansprüche 7 und 8 -alle drei Ansprüche vom 30. April 2010 -bilden die Gegenstände ihrer Bezugsansprüche in nicht selbstverständlicher Weise weiter und erweisen sich daher ebenfalls als patentfähig 5. Aus diesen Gründen war das Patent antragsgemäß zu erteilen.

Dr. Mayer Werner Gottstein Musiol Pr






BPatG:
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Az: 20 W (pat) 51/05


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