Landgericht Fulda:
Urteil vom 29. Oktober 2009
Aktenzeichen: 2 O 219/09

(LG Fulda: Urteil v. 29.10.2009, Az.: 2 O 219/09)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadensersatz aus Anwaltshaftung.

Im Zeitraum bis zum Frühjahr 1992 errichtete die Klägerin das Bauobjekt in der Straße1 in Ort1. Dabei beauftragte sie den Architekten A mit allen anfallenden und erforderlichen Planungs- und Überwachungsleistungen nach § 15 HOAI einschließlich der Abwasseranlage. Nach der Errichtung des genannten Bauobjekts wurde die Klägerin auf Antrag der dortigen Wohnungseigentümergemeinschaft mit Schlussurteil des Landgerichts Fulda vom 04.10.2000 (Az. 2 O 11/98; Bl. 17 ff. d. A.) verurteilt, in der vorbenannten Wohnungseigentümeranlage eine den dortigen Erfordernissen entsprechende Fäkalienhebeanlage zu installieren. Eine vollständige Abnahme erfolgte nicht. Dabei ging das Landgericht davon aus, dass die von der Klägerin eingebaute Fäkalienhebeanlage nicht dem Stand der Technik entsprach. Im Hinblick auf die Einzelheiten des Sachmangels wird auf die Entscheidungsgründe das erwähnten Urteils Bezug genommen (Bl. 23 ff. d. A.). Innerhalb dieses Verfahrens hatte die Klägerin dem Architekten A den Streit verkündet.

Nach Verurteilung durch das Landgericht beauftragte die Klägerin den Beklagten, der bereits seit 1998 mit dem Sachverhalt vertraut war, mit der klageweisen Durchsetzung der Schadensersatzansprüche gegen den Architekten A. Die daraufhin durch den Beklagten als Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingereichte Klage wurde vom Landgericht Fulda unter dem Aktenzeichen 2 O 96/04 und in der Berufungsinstanz vom OLG Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 14 U 229/04 mit der Begründung abgewiesen, dass die Ansprüche der Klägerin gegen den Architekten A verjährt seien. Auf die Details zur Begründung des Verjährungseintritts wird innerhalb der Entscheidungsgründe zurückgekommen. Nach Zugang des Urteils des OLG Frankfurt am Main vom 25.10.2005 sprach der Geschäftsführer der Klägerin den Beklagten zu Beginn des Jahres 2006 mehrfach auf seine Haftung wegen anwaltlicher Pflichtverletzung an, worauf dieser Prüfung der Sache versprach und gegebenenfalls die Regulierung etwaig bestehender Ansprüche vorzunehmen in Aussicht stellte.

Die Klägerin beziffert die Kosten, die zu der geschuldeten Nachbesserung der Fäkalienhebeanlage erforderlich waren, mit insgesamt 9.437,85 €. Im Einzelnen berechnet sie Kosten für die notwendige Schachtabdeckung in Höhe von 597,20 €, für die Installation der Pumpenanlage in dem neu hergestellten Schacht mit 2.388,75 €, für den Umbau der Hebeanlage mit 5.977,65 €, für die Elektroinstallationen zur Sanierung der Anlage 311,85 € und für die Installation einer Leiter im Pumpenschacht 162,40 €.

Zu den geltend gemachten und mit 9.437,85 € bezifferten Nachbesserungskosten begehrt die Klägerin Gerichts-, Anwalts- und Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 12.626,59 €. In der Addition der Posten für die Nachbesserung und die Verfahrenskosten soll sich die Klageforderung errechnen lassen, die allerdings im Klageantrag um 200,- € höher angegeben ist.

Die Klägerin behauptet, die vorgenannten und jeweils durch Fachunternehmen abgerechneten Leistungen seien für die Nachbesserung der Hebeanlage, wie sie das Urteil des Landgerichts vom 04.10.2000 (Az. 2 O 11/98; Bl. 17 ff. d. A.) forderte, notwendig geworden und mit den von den Fachunternehmen bezifferten Preisen angemessen bemessen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 22.264,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.02.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, der Architekt A sei zwar zunächst mit der Planung des Bauwerks betraut worden. Entgegen der ursprünglichen Planung und der ursprünglichen beim Bauamt zur Baugenehmigung eingereichten Baupläne habe der Geschäftsführer der Klägerin eigenmächtig angeordnet, die Fäkalienanlage nicht im Keller, sondern im Außenbereich einzubauen, wobei die gesamte Planung der Hebeanlage vom Fachunternehmen B durchgeführt worden sei.

Mit seiner Klageerwiderung vom 17.08.2009 (S. 4; Bl. 74 d. A.) hat der Beklagte die Einrede der Verjährung gegenüber sämtlichen geltend gemachten Ansprüchen erhoben.

Der Beklagte ist zunächst der Rechtsauffassung, mit Zustellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts Fulda vom 14.10.2004 (Az. 2 O 96/04) habe die Verjährung gemäß § 51 b BRAO a. F. begonnen und drei Jahre später am 14.10.2007 geendet.

In der Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung vom 29.10.2009 hat der Vorsitzende der hiesigen Kammer, was nicht ausdrücklich protokolliert wurde, die Parteien darauf hingewiesen, dass möglicherweise bereits früher € nämlich mit Verjährenlassen der etwaig gegenüber dem Architekten A bestehenden Ansprüche € der vom Verschulden unabhängige Verjährungsbeginn des § 51 b BRAO a. F. anzunehmen ist. Weiterhin ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass zu Tatsachen, die eine Hemmung der Verjährung rechtfertigen könnten, ein hinreichend substantiiertes Vorbringen nicht vorliege. Auf Antrag der Klägerin erhielt diese Schriftsatznachlass auf die vorbenannten gerichtlichen Hinweise und Erörterungen binnen zwei Wochen.

Mit Schriftsatz vom 15.10.2009 (Bl. 100 ff. d. A.) hat die Klägerin vorgetragen, der Beklagte habe im Zuge der Vergleichsverhandlungen nach Zugang des Urteils des OLG Frankfurt am Main vom 25.10.2005 auf die Einrede der Verjährung verzichtet (S. 3; Bl. 102 d. A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Geltendmachung eines Anspruchs aus Anwaltsverschulden steht die durch den Beklagten mit seiner Klageerwiderung vom 18.09.2009 erhobene Einrede der Verjährung entgegen.

Einem Anspruch der Klägerin aus positiver Vertragsverletzung (pVV) steht der Ablauf der Dreijahresfrist des auf das hiesige Verfahren wegen Art. 229 § 12 Abs. 1 i. V. m. § 6 EGBGB anzuwendenden § 51 b BRAO a. F. entgegen. Danach ist der im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Anspruch im Frühjahr 2005 verjährt.

20Für den Verjährungsbeginn ist in Ansehung des § 51 b BRAO entgegen der Auffassung der Klägerin und auch entgegen der vor dem mündlichen Termin durch den Beklagten vertretenen Rechtsmeinung nicht auf die Zustellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts Fulda zum Aktenzeichen 2 O 96/04 € oder gar auf die Zustellung der zweitinstanzlichen Entscheidung oder die Rechtskraft des Urteils € abzustellen. Zwar gilt allgemein, dass der Schaden durch fehlerhaftes Prozessverhalten des Rechtsanwalts dann eintritt, wenn eine gerichtliche Entscheidung im Ausgangsprozess gefällt wird und sich der Schaden sodann vertieft, wenn in höherer Instanz die Entscheidung bestätigt wird (BGH IX ZR 190/97, Urteil vom 12.02.1998, zitiert nach €juris€). Anderes gilt aber gemäß der höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH IX ZR 134/99, Urteil vom 06.07.2000, zitiert nach €juris€) dann, wenn ein Rechtsanwalt einen streitigen Anspruch seines Auftraggebers gegen einen Dritten verjähren lässt; dann ist ausschließlich auf den Zeitpunkt des Verjährenlassens des ursprünglichen Anspruchs abzustellen (BGH a. a. O.; BGH IX ZR 196/95, Beschluss vom 14.03.1996; BGH IX ZR 204/93, Urteil vom 14.07.1994; jeweils zitiert nach €juris€). Dies erscheint in einem solchen Fall auch gerechtfertigt, da das Fehlverhalten des Prozessbevollmächtigten gerade nicht in der Prozessführung, sondern in dem pflichtwidrigen Unterlassen der gerichtlichen Geltendmachung zu sehen ist, das wiederum spätestens am letzten Tag vor Verjährung des Anspruchs hätte erfolgen müssen.

Unter Berücksichtigung des vorgenannten Grundsatzes musste vorliegend auf die Verjährung des Anspruchs der Klägerin gegenüber dem Architekten A abgestellt werden.

Dabei geht die Kammer mit der Auffassung des OLG Frankfurt am Main in seinem Urteil vom 25.10.2005 (Bl. 38 ff. d. A.) davon aus, dass die Verjährung der Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Architekten A zehn Jahre nach Errichtung des Bauobjekts in der Straße1 in Ort1 begonnen hat. Hintergrund dessen ist die Tatsache, dass eine Abnahme der Werkleistungen der Klägerin damals nicht erfolgte. Damit konnte die Verjährung nicht mit Abnahme beginnen. Der Architekt A hatte seine Leistungen erst in dem Zeitpunkt vollständig erbracht, zu dem die Gewährleistungsansprüche gegenüber den Bauhandwerkern abgelaufen sind (vgl. Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 25.10.2005, S. 6; Bl. 43 d. A.). Gemäß § 638 BGB a. F. war dies fünf Jahre nach Errichtung der Fall. Nun war aufgrund widersprüchlicher Angaben im Urteil des Landgerichts Fulda vom 09.09.2004 (Az. 2 O 96/04) dem erkennenden oberlandesgerichtlichen Senat nicht klar, wann diese Errichtung erfolgte. Während im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils von einer Errichtung im Frühjahr 1992 ausgegangen wird, wird dieser Zeitpunkt € ohne dass sich der Sinn dem OLG und der hiesigen Kammer entschließt € in den Entscheidungsgründen um ein Jahr nach hinten verlegt. Aus diesem Grund ließ das OLG Frankfurt am Main die für sein Urteil nicht entscheidungserhebliche Frage, ob die Errichtung im Frühjahr 1992 oder im Frühjahr 1993 erfolgte, dahinstehen. Nach Vortrag der Klägerin in diesem Verfahren ist im hiesigen Rechtsstreit jedoch unstreitig, dass die Errichtung des streitgegenständlichen Bauobjekts in den Jahren 1991/92 erfolgte, mithin eine Fertigstellung im Frühjahr 1992 gemeint sein musste, wofür auch sonst sämtliche Argumente sprechen. Die Gewährleistungsansprüche gegenüber den Bauhandwerkern liefen also im Frühjahr 1997 ab. Hieran schloss sich gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB, §§ 638 BGB a. F., 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F. eine fünfjährige Verjährungsfrist an, die im Frühjahr 2002 endete.

Diese Verjährung wurde trotz Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes im Verfahren 2 O 11/98 vor dem Landgericht Fulda nicht verlängert. Zwar bewirkte die Zustellung am 17.04.1998 eine Unterbrechung der Verjährung gemäß § 270 Abs. 3 ZPO a. F. Das Urteil des Vorprozesses vor dem Landgericht Fulda (Az. 2 O 11/98), in der die hiesige Klägerin Beklagte war, wurde am 18.11.2000 rechtskräftig. Nachdem die hiesige Klägerin und dortige Beklagte aber innerhalb von sechs Monaten keine Klage gegen den Architekten A erhoben hatte, wurde die durch die Zustellung der Streitverkündungsschrift verursachte Unterbrechung wirkungslos und hatte außer Betracht zu bleiben (vgl. zum Ganzen die identische Rechtsauffassung des OLG Frankfurt am Main, Az. 14 U 229/04, Urteil vom 25.10.2005, S. 7 f.; Bl. 44 f. d. A.). Weitere Hemmungs- oder Unterbrechungstatbestände sind nicht vorgetragen und wurden auch vom OLG Frankfurt in der zitierten Entscheidung nicht angenommen.

Fristbeginn der Verjährung des streitgegenständlichen Anspruchs war demzufolge im Frühjahr 2002, Ablauf im Frühjahr 2005.

Hemmungstatbestände innerhalb dieses Zeitraums hat die Klägerin nicht vorgetragen, obwohl sie zum einen darauf hingewiesen worden ist, dass die Annahme des Verjährungsbeginns bereits mit Verjährenlassen der Ansprüche gegen den Architekten A angenommen werden kann, zum anderen, dass der Vortrag zu etwaigen Hemmungstatbeständen nicht substantiiert ist. Vielmehr hat die Klägerin innerhalb des ihr hierfür gewährten Schriftsatznachlasses lediglich ausgeführt, ab Beginn des Jahres 2006 € also erst nach Ablauf der Verjährungsfrist € sei es zu Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien gekommen.

Nicht zu berücksichtigen war ebenfalls der erst innerhalb des Schriftsatznachlasses vorgebrachte Einwand der Klägerin, der Beklagte habe zum Zeitpunkt der Vergleichsverhandlungen auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Einerseits handelt es sich hierbei um eine rechtliche Bewertung und nicht um den zu fordernden substantiierten Tatsachenvortrag. Andererseits ist dieser Vortrag auch nach Schluss der mündlichen Verhandlung verspätet im Sinne des § 296 a S. 1 ZPO, da der Schriftsatznachlass explizit für die Hinweise und Erörterungen erteilt worden ist, mithin zum Vortrag von Tatsachen, die eine etwaige Verjährungshemmung betreffen, nicht aber für neuen, vor der mündlichen Verhandlung unerwähnt gebliebenen neuen Sachvortrag betreffend einen Verjährungsverzicht.

Aus diesen Gründen war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.






LG Fulda:
Urteil v. 29.10.2009
Az: 2 O 219/09


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