Verwaltungsgericht Stuttgart:
Urteil vom 17. Juni 2008
Aktenzeichen: 6 K 399/08

(VG Stuttgart: Urteil v. 17.06.2008, Az.: 6 K 399/08)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten einen Auskunftsanspruch geltend.

Der Kläger wendete sich im Jahre 2004 gegen eine durch seinen Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung und ließ sich im Arbeitsgerichtsverfahren vor dem Arbeitsgericht ... vom Beigeladenen vertreten. Der Beigeladene legte später das Mandat nieder, wobei er mit Schreiben vom 03.02.2005 die Verlängerung einer bis 04.02.2005 seitens des Gerichts gesetzten Schriftsatzfrist um 2 Wochen beantragt hatte, um gegebenenfalls einem neuen Prozessbevollmächtigten eine angemessene Einarbeitungszeit zu ermöglichen. Der Kläger gewann später seinen Arbeitsgerichtsprozess, machte allerdings bereits im Rahmen eines Streits um die Vergütungsfestsetzung durch seinen ehemaligen Prozessbevollmächtigten geltend, dass die Kündigung des Mandats so kurz vor Fristablauf zur Unzeit erfolgt sei und ihn in seinen Rechten verletzt habe.

Im Juni 2007 stellte der Kläger dann bei der Rechtsanwaltskammer den Antrag auf Erteilung einer Auskunft über den Berufshaftpflichtversicherer des Beigeladenen.

Mit Schreiben vom 17.07.2007 teilte der Beigeladene der Beklagten seine Bedenken gegen die Auskunftserteilung über seine Berufshaftpflichtversicherung mit und gab an, dass es sich beim Kläger um einen notorischen Querulanten handele. Nachdem dieser zur Güteverhandlung in seinem Arbeitsgerichtsverfahren mit zwei Personen aufgetaucht sei, von denen sich eine als Rechtsanwältin und die andere als Personalleiter eines Unternehmens geoutet und auf ihn eingeredet hätten, wie er die Verhandlung zu führen habe, habe er die Niederlegung des Mandats angeboten. Davon habe der Kläger aber keinen Gebrauch machen wollen. Die ständige Bombardierung mit Hinweisen über die Person des Arbeitsgebers in verunglimpfender und menschenverachtender Form nebst Vorschriften, was er noch zu tun habe, hätten ihn dann unter Hinweis auf eine zu verlierende Reputation an den Arbeitsgerichten die Vertrauensfrage neu stellen lassen, die er für sich nicht mehr als gegeben angesehen habe. Zwischenzeitig sei das Verfahren zu Gunsten des Klägers beendet worden. Anlässlich des Vergütungsfestsetzungsantrags beim Arbeitsgericht ... habe der Kläger sein Interesse an der Berufshaftpflicht damit begründet, dass seine Mandatsniederlegung zur Unzeit erfolgt sei und ihm geschadet habe. Vor Mandatsniederlegung habe er jedoch eine Schriftsatzverlängerung beantragt, die auch gewährt worden sei. Somit gebe es keine Pflichtverletzung, keinen Schaden und keinen Schadensersatzanspruch. Er mache deshalb ein schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft geltend.

Mit Bescheid vom 14.08.2007 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Auskunft über die Berufshaftpflichtversicherung seines ehemaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt ... unter Hinweis auf die beigefügten Einwände seines ehemaligen Prozessbevollmächtigten ab. Als Rechtsmittel ist dabei ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim Anwaltsgerichtshof benannt.

Der Kläger erhob daraufhin mit Schriftsatz vom 07.09.2007 Klage zum Anwaltsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg und rügte u. a. die Verletzung rechtlichen Gehörs, nachdem ihm der Schriftsatz seines ehemaligen Rechtsanwalts vom 17.07.2007 nicht zugeleitet worden sei. Dieser Rechtsstreit wurde nach Anhörung vom Anwaltsgerichtshof mit Beschluss vom 14.12.2007 an das Verwaltungsgericht Stuttgart verwiesen. Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Der Deutsche Bundestag habe in der Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesrechtsanwaltsverordnung bezüglich der Änderung zu § 51 BRAO in der Bundestagsdrucksache 15/5223 zu Nr. 31 ausgeführt, dass die Verpflichtung, eine Berufshaftpflichtversicherung zu unterhalten, zum Schutz der Mandanten in das Gesetz aufgenommen worden sei. Diese Schutzfunktion würde aber leerlaufen in den Fällen, in denen der Geschädigte von den Rechtsanwälten selbst weder Schadensersatz noch diejenigen Informationen über dessen Haftpflichtversicherung erlangen könne, die erforderlich sei, um auf den Freistellungsanspruch der Anwälte gegenüber der Versicherung zurückgreifen zu können. Die Rechtsanwaltskammer habe sich bei ihrer Entscheidung einseitig, parteiisch auf die Seite des Rechtsanwalts geschlagen. Dies widerspreche den Interessen des Gesetzgebers. Ihn als notorischen Querulanten zu bezeichnen, wenn er um seinen Arbeitsplatz kämpfe, sei ungeheuerlich. Der Beigeladene habe vielmehr seine anwaltlichen Pflichten nicht erfüllt, indem er, trotzdem ihm eine letzte Frist bis zum 04.02.2005 eingeräumt worden sei, diesem auch alle Informationen und Unterlagen dafür zur Verfügung gestellt worden seien, mit Schreiben vom 03.02.2005 das Mandat niedergelegt habe und in einem weiteren Schreiben um eine Schriftsatzfrist von 2 Wochen für einen neuen Anwalt gebeten habe. Die Niederlegung eines Mandats vor Ablauf der letzten Frist sei zur Unzeit geschehen und habe die Gefahr des kompletten Rechtsverlust für ihn erzeugt. Die sich aus dieser Vorgehensweise ergebende Schädigung seiner Person bedinge Schadensersatzansprüche gegen den Beigeladenen. Ferner sei dem Beigeladenen mit der Mandatserteilung eine zweiseitige Stellungnahme übergeben worden, u. a. auch mit dem Auftrag, den tarifrechtlichen Lohn, den der Arbeitgeber nicht gewährt habe, einzuklagen. Bis zur Mandatsniederlegung habe dieser aber nicht sämtliche Aufträge erledigt, so dass ein Teil der tarifvertraglichen Nachzahlungsansprüche verfristet und nicht mehr vollständig zur Zahlung gelangt sei, woraus ihm ebenfalls ein Schaden entstanden sei. Der Schaden beziffere sich ohne Kosten und Zinsen materiell auf mindestens EUR 959,29; immateriell wegen Nichtentfernung der Abmahnung aus der Personalakte und weiter auf EUR 1.548,60 für die erforderlich werdende weitere anwaltliche Vertretung.

Der Kläger beantragt

die Beklagte zu verpflichten bzw. zu verurteilen, den Berufshaftpflichtversicherer des Rechtsanwalts ... mitzuteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sein Vertreter darauf, dass die Verweisung an das Verwaltungsgerichts Stuttgart nicht richtig sei, denn dies sei nicht der richtige Rechtsweg. Die Rechtsanwaltskammer sei nach wie vor der Ansicht, dass der Rechtsweg gem. § 223 BRAO zum Anwaltsgerichtshof eröffnet sei. Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig. Die Auskunft gegenüber Dritten über die Berufshaftpflicht eines Kammermitglieds habe die Rechtsanwaltskammer gem. § 51 Abs. 6 Satz 2 BRAO zu erteilen. Diese Vorschrift sei mit Wirkung zum 01.06.2007 in Kraft getreten, sie werde derzeit noch in keiner Kommentierung zur BRAO berücksichtigt. Die Erteilung einer Auskunft bzw. deren Verweigerung sei hoheitliches Handeln der Kammer im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben und Verpflichtung nach der BRAO. Diese Handeln sei somit ein Verwaltungsakt (Bescheid) auf der Grundlage des § 51 BRAO. Nach § 223 BRAO sei für die Überprüfung von Verwaltungsakten "nach diesem Gesetz" die alleinige Zuständigkeit des Anwaltsgerichtshofs gegeben. Wäre die Rechtsansicht des Anwaltsgerichtshofs zutreffend, dann müsste die erhobene Klage derzeit als unzulässig zurückgewiesen werden, denn es läge noch kein formelles Widerspruchsverfahren vor. Die Rechtsanwaltskammer habe auch keine entsprechende Rechtsmittelbelehrung erteilt, weil § 223 BRAO ein solches Widerspruchsverfahren gerade nicht vorschreibe.

Der Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch seinen Prozessbevollmächtigten trug er im wesentlichen vor, dass er eine Auskunft über seinen Versicherer nicht erteilen werde. Denn der Kläger wolle diese offensichtlich nur dazu verwenden, den Beigeladenen gegenüber seinem Berufshaftpflichtversicherer in Diskredit zu bringen. Dies könne der Beigeladene nicht akzeptieren, denn er befürchte entsprechende Repressalien durch seinen Berufshaftpflichtversicherer in Form von Prämienerhöhungen oder Aberkennung/Nichtgewährung von Rabatten. Eine Erledigung des Rechtsstreits sei nur dann möglich, wenn der Kläger sich verpflichte, seinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid zurücknehme, den der Beigeladene vor dem Amtsgericht ... ... gegen diesen wegen ausstehender Honorarforderung in Höhe von EUR 1.432,60 beantragt habe, und wenn der Kläger sich verpflichte, die erteilte Auskunft ausschließlich zur Beantragung eines eventuellen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach Titulierung seiner angeblichen Schadensersatzansprüche gegen den Beigeladenen zu verwenden und es zu unterlassen, wegen dieser angeblichen Ansprüche den Berufshaftpflichtversicherer in anderer Weise zu kontaktieren oder durch Dritte kontaktieren zu lassen. Die Beklagte habe zu Recht die begehrte Auskunft nicht erteilt. Denn Voraussetzung der Norm sei, dass die Auskunft zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen benötigt werde. Dies setze voraus, dass der Kläger Tatsachen vortrage, die einen Schadensersatzanspruch gegen den Beigeladenen zumindest für möglich erscheinen lassen. Dabei könnten die Rechtsanwaltskammern zwar keine abschließende Prüfung vornehmen, aber zumindest zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Mitglieder eine summarische Prüfung. Der Kläger trage vor, Schadensersatzansprüche aus der "Mandatsniederlegung zur Unzeit" geltend machen zu wollen. Der Kläger habe selbst vorgetragen, dass der Beigeladene zunächst ausreichende Fristverlängerungsanträge gestellt habe und der Vorsitzende der Kammer dies auch bewilligt habe. Dies sei belegt durch die Verfügung des Vorsitzenden des Arbeitsgerichts und sei dem Beigeladenen auch fernmündlich bestätigt worden. Erst danach habe der Beigeladene das Mandat gekündigt. Von einer Kündigung zur Unzeit könne nicht die Rede sein. Durch diese Vorgehensweise sei es möglich gewesen, einen anderen Anwalt zu beauftragen, dies sei auch geschehen und eine vollständige fristwahrende Erledigung finde sich auf Blatt 91 € 114 der dortigen Akten. Im Verfahren habe der Kläger vollständig obsiegt (bis auf einen Teilbetrag von rund EUR 400,€ Jahressonderzahlung) nach Rücknahme der Berufung durch die dortige Beklagte. Damit sei auch aus dieser Vorhaltensweise kein Schadensersatzanspruch herzuleiten. Auf Blatt 29 führe der Kläger aus, dass ein Schaden dadurch entstanden sei, dass der Beigeladene es unterlassen habe, eine Kündigung des Arbeitsgebers dem Arbeitsgericht vorzulegen. Hierzu bestehe nach dem ArbGG aber keine Notwendigkeit, auch sei eine solche Vorlage durch das Gericht nicht verfügt worden. Unabhängig sei die Kündigung vermutlich durch den Kläger zu den Akten gelangt. Dass eventuelle Ansprüche mit der Folge einer Verjährung oder Verwirkung nicht rechtzeitig geltend gemacht worden seien, habe der Kläger nicht dargetan. Nach alledem zeige der Kläger-Vortrag nicht einmal im Ansatz einen möglichen Schadensersatzanspruch gegen den Beigeladenen. Ferner setze die Auskunftsverteilung voraus, dass der betroffene Rechtsanwalt kein schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft habe. Hier habe der Beigeladene aber solche schutzwürdigen Interessen, denn er befürchte durch unsachliche und unzutreffende Äußerungen des Klägers gegenüber der Berufshaftpflichtversicherung in Diskredit zu geraten. Im Rahmen der Auslegung der vorliegenden streitigen Regelung sei ergänzend die gesetzgeberische Begründung dieser Regelung zu beachten. Die Begründung der BT-Drs. 16/513 Seite 13 lautet aber, dass die Auskunftsberechtigung nach Auffassung der Rechtsanwaltskammern und der Landesjustizverwaltung zum Schutz geschädigter Mandanten dringend erforderlich sei, wenn der Rechtsanwalt selbst nicht zahlungsfähig oder mitwirkungsbereit sei. Die hingegen vom Kläger zitierte Begründung BT-Drs. 15/5223 sei nicht maßgeblich, denn nach Auflösung des 15. deutschen Bundestages sei diese Fassung nicht in Kraft getreten. Demnach habe der Gesetzgeber einen Auskunftsanspruch (bzw. It. der Begründung nur ein Recht der Rechtsanwaltskammern, eine Auskunft zu erteilen) für die Fälle begründet, dass der Rechtsanwalt zahlungsunfähig oder nicht zur Mitwirkung bereit sei, so dass die Norm tatbestandlich auf diese Fälle zu reduzieren sei. Der Beigeladene sei aber nicht zahlungsunfähig und sehr wohl zur Mitwirkung bereit. Ihm sei bis heute keine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zugegangen. Soweit die Geltendmachung noch erfolgen sollte, werde der Beigeladene in Abstimmung mit seinem Berufshaftpflichtversicherer die Ansprüche prüfen und bei Berechtigung selbstverständlich umgehend begleichen. Ergänzend wies der Beigeladenen-Vertreter darauf hin, dass der Beigeladene bestreite, die vom Kläger vorgelegte zweiseitige Zusammenstellung, die als K2 vorgelegt worden sei, jemals gesehen zu haben. Der Kläger habe in erster Linie seinen Kündigungsschutzanspruch durchgesetzt bekommen wollen und nicht uralte Gehaltsansprüche. Der Kläger habe die nicht zugesprochenen EUR 959.29 nur deshalb nicht erhalten, weil er die Klage zurückgenommen habe. Die Ausführungen zu der Abmahnung seien ohne Substanz. Die Kosten für die weitere anwaltliche Vertretung seien kein Schaden, denn der Kläger habe nicht dargetan, tatsächlich eine Zahlung geleistet zu haben. Auch seien die Leistungen daraus nicht wertlos geworden. Die bei der Kollegin ... entstandene Anwaltsvergütung sei bereits am 16.11.2004 durch ihre Anwesenheit bei der Güteverhandlung verdient gewesen, an der diese teilgenommen habe, ohne sich zu erkennen zu geben. Ihre Rechnung wäre auch zu bezahlen gewesen, wenn der Beigeladene sein Mandat nicht niedergelegt hätte. Auch werde vermutet, dass die Kollegin ihre Vergütung noch nicht erhalten habe, weil sie sich weigere, die Handakten herauszugeben. Auch deshalb sei kein Schaden entstanden. Im Übrigen spreche einiges dafür, dass ein möglicher Schaden EUR 2.500,€ nicht übersteigen werde. In dieser Höhe habe der Beigeladene aber mit seiner Versicherung einen Selbstbehalt vereinbart, so dass der Kläger Ansprüche in dieser Höhe von der Versicherung nicht erhalten werde.

Dem Gericht lagen der Ausgangsbescheid der Beklagten mit den dazu ergangenen Schriftsätzen der Beteiligten vor. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf die Ausführungen dort Bezug genommen.

Gründe

Im Einverständnis mit den Beteiligten konnte das Gericht gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Klage ist zulässig. Soweit der Beklagte dabei den Rechtsweg zum Verwaltungsgericht rügt und geltend macht, dass gem. § 223 BRAO Rechtsschutz gegen die Ablehnung der Erteilung einer Auskunft über den Berufshaftpflichtversicherer des Beigeladenen zum Anwaltsgerichtshof eröffnet sei, ist für das Verwaltungsgericht der Verweisungsbeschluss des Anwaltsgerichtshofs bindend (§ 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG).

Das Gericht lässt dabei offen, ob die auf Auskunft gerichtete Klage als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO) oder allgemeine Leistungsklage (vorausgesetzt in § 43 Abs. 2 VwGO) zu qualifizieren ist, da im konkreten Fall die Zulässigkeitsvoraussetzungen beider Klagearten erfüllt wären. So ist die Frage, ob eine Klage auf Erteilung einer Auskunft eine Verpflichtungsklage oder eine allgemeine Leistungsklage darstellt, nämlich äußerst umstritten und hängt davon ab, ob es sich bei der begehrten Auskunft um einen sog. Verwaltungsakt nach § 35 VwVfG handelt. Diese Frage kann dabei nicht allgemein bejaht oder verneint werden (so aber wohl Kopp, Kommentar zur VwGO 15. Aufl. Anh. § 42 Rdnr. 43).

Das Bundesverwaltungsgericht knüpft dabei im Wesentlichen an die Frage an, ob mit der Entscheidung über die Erteilung oder Versagung einer Auskunft eine Prüfung oder eine Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde verbunden ist (dazu grundlegend BVerwG, Urt. v. 25.02.1969 € 1 C 65.67 (juris)). Hier wurde zwar das Kriterium der Ermessensentscheidung des ersten Entwurfs fallen gelassen. Allerdings sprechen die Formulierungen "zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen" und "soweit der Rechtsanwalt kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft hat" für eine entsprechende Prüfungskompetenz der Rechtsanwaltskammern und damit für einen Verwaltungsakt. Das mag aber dahinstehen. Denn sollte mangels eines Verwaltungsaktes die allgemeine Leistungsklage die richtige Klageart sein, wäre dies für den Kläger insoweit günstiger, als für diese Klage kein Vorverfahren und keine Frist zu Klageerhebung vorgeschrieben wäre. Sollte hingegen von einem Verwaltungsakt auszugehen sein und damit die Verpflichtungsklage die richtige Klageart sein, dann weist der Beklagten-Vertreter zwar zu Recht darauf hin, dass für diese Klageart grundsätzlich ein Vorverfahren gem. § 68 Abs. 2 VwGO vorgeschrieben wäre. Allerdings käme in diesem Fall die vom Beklagten-Vertreter benannte Regelung des § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 223 BRAO zum Tragen, wonach Verwaltungsakte, welche nach der BRAO oder nach einer auf Grund der BRAO erlassenen Rechtsverordnung ergehen, unmittelbar durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden können. Ein Vorverfahren wäre in diesem Fall durch Bundesgesetz ausgeschlossen, die Klage somit auch dann zulässig.

Die Klage ist aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung bzw. Verurteilung der Beklagten zur Mitteilung des Berufshaftpflichtversicherers des Beigeladenen und die insoweit ausgesprochene Ablehnung der Beklagten verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten.

Soweit der Kläger dabei die Verletzung rechtlichen Gehörs durch die Beklagte rügt, nachdem ihm der Schriftsatz seines ehemaligen Rechtsanwalts vom 17.07.2007 nicht zugeleitet worden sei, führt das nicht zum Erfolg der Klage. Denn der Kläger hatte in diesem Verfahren ausreichend Gelegenheit, zu den Ausführungen seines ehemaligen Prozessbevollmächtigten Stellung zu nehmen. Bei einem Verwaltungsakt ist insoweit auch geregelt, dass die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften gem. §§ 45, 46 VwVfG geheilt werden kann und dass die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht alleine deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Vorliegend steht einem Anspruch des Klägers aber entgegen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs nicht erfüllt sind.

So setzt nach seinem Wortlaut die Erteilung einer entsprechenden Auskunft gem. § 51 Abs. 6 Satz 2 BRAO zunächst voraus, dass die Auskunft zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erteilt wird. Diese Formulierung ist im Gesetzgebungsverfahren auf ausdrücklichen Vorschlag der Bundesregierung aufgenommen worden und ersetzt dabei die vorab vorgeschlagene unbestimmte Formulierung "berechtigtes Interesse" (vgl. dazu BT-Dr. 15/5223 Seite 8, Seite 17 f, Seite 25; siehe auch BT-Dr. 16/513 Seite 13 und Seite 16 f). Damit setzt die Erteilung einer Auskunft einen konkreten Zweck voraus, dem die Übermittlung der Daten dienen soll. Sie kommt hingegen dann nicht in Betracht, wenn schon nach dem Vorbringen des Rechtssuchenden der im Gesetz bekannte Zweck, der Schadensersatzanspruch, nicht einmal im Bereich des Möglichen liegt. Zwar obliegt dabei den Rechtsanwaltskammern keine ausgiebige Prüfung zur Begründetheit eines möglichen Schadensersatzanspruches des Auskunftssuchenden. Allerdings ist eine Auskunftserteilung dann ausgeschlossen, wenn der Auskunftssuchende nicht nachvollziehbar darlegen kann, einen Schaden erlitten zu haben und einen entsprechenden Ersatzanspruch gegen den betroffenen Rechtsanwalt geltend machen zu können.

Soweit der Kläger seinen Schadensersatzanspruch mit einer angeblichen Kündigung des Mandatsverhältnisses durch den Beigeladenen zur Unzeit begründet, hat er allerdings nicht dargetan, dass ihm dadurch ein Schaden entstanden sein könnte. Auch nach Aufforderung des Gerichts mit Verfügung vom 13.03.2008 erfolgte zunächst keine Klarstellung, sondern lediglich der Hinweis, dass diese Mandatskündigung ihn in seinen Rechten verletzt habe und dadurch ein Schaden € allerdings nicht welcher € entstanden sei. Der Kläger hat nach den vorliegenden Unterlagen seinen Kündigungsschutzprozess allerdings gewonnen und ihm wurde auch nach der Mandatsniederlegung eine verlängerte Frist zur Begründung der Klage eingeräumt, so dass er bzw. sein neuer Prozessbevollmächtigter ausreichend Zeit hatte, ergänzend vorzutragen. Soweit er hingegen auf die unterlassene Vorlage seiner Kündigung im Kündigungsschutzprozess und auf die unterlassene Entfernung einer Abmahnung aus der Akte hingewiesen hat, erschließt sich dem Gericht ebenfalls nicht, zu welchem Schaden diese Verhaltensweisen geführt haben sollen. Allerdings hat der Kläger im Schriftsatz vom 06.06.2008 sein Vorbringen u. a. dahingehend ergänzt, dass ihm ein Schaden von mindestens EUR 959,29 aus der unterlassenen sofortigen Einklagung seines tarifrechtlichen Lohnes entstanden sei. Denn das Arbeitsgericht hat auf Seite 8 seiner Entscheidungsgründe im Urteil vom 07.04.2005 darauf hingewiesen, dass für Oktober 2004 lediglich die Differenz zwischen dem vom Beklagten tatsächlich gezahlten Gehalt und dem Grundgehalt von EUR 3.122,00 geltend gemacht werden könne, nachdem alle Ansprüche innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich zu erheben seien, Ansprüche, welche sich aus der Erhöhung des Grundgehalts ergeben würden, aber erst mit Klage vom 11.02.2005 erhobenen worden seien. Insoweit erscheint ein Schadensersatz durchaus möglich, ohne dass das Gericht eine Aussage darüber zu treffen hat, ob eine etwaige Klage tatsächlich Aussicht auf Erfolg hätte und ob dies den vom Kläger bezifferten Schaden mit EUR 959,29 tatsächlich rechtfertigen würde. Dies wird vom Beigeladenen-Vertreter ebenso wie ein möglicher Pflichtverstoß des Beigeladenen substantiiert bestritten und wird damit im Falle einer Schadensersatzklage konkret zu überprüfen sein.

Allerdings fehlt es im konkreten Fall am Tatbestandsmerkmal des "nicht überwiegenden schutzwürdigen Interesses des Rechtsanwalts an der Nichterteilung der Auskunft". Dabei mag offen bleiben, ob der Gesetzgeber einen entsprechenden Auskunftsanspruch immer erst nach erfolgreichem Abschluss eines möglichen Schadensersatzprozesses begründen wollte, ansonsten hingegen schutzwürdige Interessen des Rechtsanwalts an der Nichterteilung der Auskunft bestehen (vgl. dazu auch BT-Dr. 15/5223 Seite 8, Seite 17 f, Seite 25; siehe auch BT-Dr. 16/513 Seite 13 und Seite 16 f; Dahns "Die kleine BRAO-Reform, NJW 2007, Seite 1557). Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber keine ausdrückliche Formulierung ins Gesetz aufgenommen hat, obwohl in der Literatur bereits zu diesem Zeitpunkt diskutiert wurde, ob man für Fallgestaltungen, in denen der Geschädigte nach erfolgreichem Haftpflichtprozess gegen den Rechtsanwalt nicht erfolgreich vollstrecken könne und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mangels Auffindbarkeit des Rechtsanwalts ins Leere gingen, eine Verpflichtung der Rechtsanwaltskammern zur Auskunft über den Berufshaftpflichtversicherer begründen müsse. Darauf haben auch die Beteiligten hingewiesen. Denn jedenfalls geht das Gericht im konkreten Fall davon aus, dass derzeit ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Beigeladenen an der Nichterteilung der Auskunft besteht. Denn es ist in der Sache völlig offen, ob dem Kläger tatsächlich ein Schadensersatzanspruch gegen seinen ehemaligen Prozessbevollmächtigten zusteht. Bislang hat der Kläger noch nicht einmal eine diesbezügliche Klage erhoben, obwohl im damit zusammenhängende Arbeitsgerichtsprozess bereits im April 2005 ein Urteil erging und eine erhobene Berufung im Jahre 2006 zurückgenommen worden ist. Der Beigeladene ist nach seinen unbestrittenen Angaben auch nicht zahlungsunfähig und hat im Übrigen erklärt, dass er sich im Falle eines erfolgreichen Schadensersatzprozesses vorbehalte, den Anspruch des Klägers selbst zu begleichen oder ihm die Daten seines Haftpflichtversicherers zu offenbaren. Ferner hat er darauf hingewiesen, dass er mit seinem Haftpflichtversicherer einen Selbstbehalt in Höhe von EUR 2.500,€ vereinbart habe, der geltend gemachte Schaden aber möglicherweise diese Summe gar nicht übersteigen werde. Auch soll derzeit im Rahmen eines Mahnverfahrens vor dem Amtsgericht ... wegen ausstehender Honorarforderung in Höhe von EUR 1.432,60 der Kläger eine Gegenforderung aus Schadensersatz geltend gemacht haben; auch darüber ist bislang noch nicht entschieden. In einer solchen Situation kann Rechtsanwalt aber durchaus ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse geltend machen, vor verunglimpfenden Direktansprüchen gegenüber seinem Haftpflichtversicherer verschont zu bleiben.

Die Kostenentscheidung erfolgt gem. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Nachdem der Beigeladenen einen Antrag gestellt und somit auch am Kostenrisiko teilgenommen hat, entsprach es der Billigkeit, seiner außergerichtlichen Kosten ebenfalls dem Kläger aufzuerlegen.

Beschluss:

Der Streitwert für dieses Verfahren wird gem. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG entsprechend dem vom Kläger dargelegten Bedeutung der Sache (dem von ihm geltend gemachten materieller Schaden EUR 959,29 + EUR 1548,60 und dem nicht näher bezifferten immateriellen Schaden) auf

EUR 5.000,€

festgesetzt.






VG Stuttgart:
Urteil v. 17.06.2008
Az: 6 K 399/08


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