Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Februar 2011
Aktenzeichen: 12 W (pat) 307/06

(BPatG: Beschluss v. 10.02.2011, Az.: 12 W (pat) 307/06)

Tenor

Das Patent 102 53 110 wird widerrufen.

Gründe

I Gegen das am 13. November 2002 angemeldete und am 29. September 2005 veröffentlichte Patent 102 53 110 mit der Bezeichnung "Deckelverbundmaterial mit Coextrusionsbeschichtung" hat die Einsprechende am 22. Dezember 2005 Einspruch eingelegt.

Die Einsprechende verweist unter anderem auf folgende Druckschriften:

D2: DE3910820A1 D3: DE 198 30 975 A1 D5: DE1912211A D7: DE2138231A.

Die Einsprechende macht geltend, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu, zumindest beruhe er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Einsprechende beantragt schriftsätzlich sinngemäß, das Patent zu widerrufen. Die Patentinhaberin beantragt schriftsätzlich, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Sie führt im Wesentlichen aus, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Wegen der Fassung der Unteransprüche 2 bis 7 und wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Nachdem die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2010 angekündigt hatte, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde, hat der Senat den Verhandlungstermin von Amts wegen aufgehoben.

II Der zulässige Einspruch hat Erfolg.

1.

Das Patent ist anhängig. Entgegen der Auffassung der Einsprechenden ist mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2010 des Vertreters der Patentinhaberin an das Deutsche Patentund Markenamt nicht auf das Patent verzichtet worden.

Die mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2010 erklärte Rücknahme der Patentanmeldung ist im Einspruchsverfahren nicht mehr möglich, da die Patentanmeldung nicht mehr anhängig ist, sondern das Patent erteilt wurde (vgl. Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl. § 34 Rdn. 436). Im vorliegenden Fall kann die "Rücknahme der Patentanmeldung" nicht als Verzicht auf das Patent ausgelegt werden. Für einen Verzicht auf ein Patent muss der eindeutige Wille erkennbar sein, dass die Rechte aus dem Patent sofort und endgültig aufgegeben werden sollen (vgl. Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl. § 20 Rdn. 10). Ein solcher eindeutiger Wille ist aus dem Schriftsatz vom 25. Oktober 2010 nicht erkennbar. Im Schriftsatz wird die Rücknahme "der oben genannten Patentanmeldung" erklärt, die als Deutsches Patent 102 53 110.2-27, also mit Anmeldenummer samt Prüfziffer und Abteilungsnummer zitiert ist. Damit kann dem Schreiben kein eindeutiger Wille entnommen werden, auf ein bereits bestehendes Patent zu verzichten. Auf Nachfrage mit Schreiben vom 21. Dezember 2010, ob die Patentinhaberin auf das Patent verzichte, hat diese zudem geantwortet, dass die Eingabe vom 25. Oktober 2010 versehentlich versandt worden sei und ein Verzicht auf das Patent nicht beabsichtigt sei. Es kann daher auch nicht von einem nachträglichen Verzicht ausgegangen werden.

2.

Formale Bedenken gegen die erteilten Patentansprüche bestehen nicht.

3.

Anspruch 1 kann wie folgt gegliedert werden:

a) Verfahren zur Herstellung eines Deckelverbundmaterials für Verpackungen b) mit einer Aluminiumfolie als Barrierefolie, dadurch gekennzeichnet, dass c) eine Aluminiumfolie mit einer Dicke von weniger als 38 µm 4. Zum Verständnis der Lehre des Patentanspruchs 1.

d) in einem Arbeitsgange) mit einer mindestens dreifach Coextrusionsbeschichtung (3) beschichtetwird.

Fachmann ist ein Dipl.-Ing. Maschinenbau der Fachrichtung Verpackungstechnik mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Verpackungen in der Lebensmitteltechnik und entsprechenden Kenntnissen in der Kunststoffverarbeitung.

Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Deckelverbundmaterials für Verpackungen mit einer Aluminiumfolie als Barrierefolie. Bei der Verpackung von Lebensmitteln werden gute Barriereeigenschaften des Deckelverbundmaterials bezüglich gasförmiger Stoffe, beispielsweise Sauerstoff und Wasserdampf gefordert, da gute Barriereeigenschaften die Haltbarkeit der Lebensmittel in der Verpackung verlängern (Abs. [0002] der Patentschrift). Die Aluminiumfolie weist eine Dicke von weniger als 38 µm auf und wird in einem Arbeitsgang mit einer mindestens dreifach Coextrusionsbeschichtung beliebiger Art beschichtet; deren konkrete Zusammensetzung ist erst Gegenstand von Unteransprüchen. Der Begriff Coextrusion steht allgemein für das Zusammenführen von artgleichen oder fremdartigen Kunststoffschmelzen vor dem Verlassen einer Breitschlitzdüse.

5. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Verfahren gemäß Anspruch 1 neu gemäß § 3 PatG ist, denn es beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß § 4 PatG.

Nächstkommender Stand der Technik ist die D2, die ein Deckelmaterial mit einer Dichtschicht aus Aluminium zeigt und beschreibt, die mit einer Polypropylenschicht verbunden ist. Mit dem Deckel kann ein Behälter verschlossen werden (vgl. Zusammenfassung). Es handelt sich damit um ein Deckelverbundmaterial im Sinne des Merkmals a. Auch das zugehörige Herstellungsverfahren für das Deckelmaterial ist in der D2 offenbart, vgl. Sp. 2, Zeile 22 bis 31, die Merkmale a und b sind daher verwirklicht. Die Aluminiumschicht weist eine Dicke von vorzugsweise 30 µm auf (Spalte 3, Zeile 47), ist daher kleiner als 38 µm im Sinne des Merkmals c. Ferner wird die Aluminiumfolie in einem Arbeitsgang (Merkmal d) mit einer zweifach Coextrusionsbeschichtung beschichtet (vgl. Anspruch 4). Von diesem bekannten Verfahren unterscheidet sich das Verfahren nach Anspruch 1 noch dadurch, dass die Folie mit einer dreifach Coextrusionsbeschichtung beschichtet wird (Merkmal e), wodurch aufgabengemäß die Eigenschaften des Deckels optimiert werden können (Abs. [0013] der Patentschrift).

Dieser Unterschied vermag jedoch eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen, denn er beinhaltet lediglich eine einfache handwerkliche Maßnahme. Bei einem Deckelmaterial, mit dem insbesondere Lebensmittelverpackungen verschlossen werden sollen, werden neben guten Heißsiegeleigenschaften auch gute Barriereeigenschaften des Deckelverbundmaterials gegenüber gasförmigen Stoffen wie Sauerstoff und gegen Licht gefordert, da so die Haltbarkeit von Lebensmitteln in der Verpackung verlängert werden kann, vgl. Abs. [0002] des angegriffenen Patents. Der Fachmann sieht entsprechend den gestellten Anforderungen an den Deckel eine Mehrzahl von Schichten auf der Aluminiumfolie vor, um die geforderten Eigenschaften des Deckels zu optimieren, sei es beispielsweise eine geringere Durchlässigkeit gegen bestimmte Stoffe oder eine verbesserte Festigkeit. Dieses führt ohne Weiteres auch zu drei oder mehr Schichten aus Kunststoff. Diese wird der Fachmann in einem Arbeitsgang coextrudieren, um das Verfahren einfach und kostengünstig zu gestalten, so dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 in naheliegender Weise ergibt. Das Merkmal e erschöpft sich damit letztlich in der Anwendung des Fachwissens, eine bestimmte Anzahl von Schichten auf einer Aluminiumfolie zu coextrudieren, um bestimmte Eigenschaften einer Folie einzustellen. Zum Nachweis des Fachwissens wird beispielsweise auf die D3 (vgl. Zusammenfassung und Anspruch 1) verwiesen, die eine durch Coextrusion hergestellte, mehrschichtige Folie offenbart. Auch die D5 oder die D7 zeigen, dass es vor dem Anmeldetag üblich war, Aluminiumfolien mit einer Dreifachbeschichtung zu versehen, die im Coextrusionsverfahren aufgetragen wird. Die D5 beschreibt ein Verfahren zum mehrschichtigen, gemäß Anspruch 8 dreischichtigen Extrudieren von Kunststoffen auf eine Aluminiumfolie (Seite 9, Abs. 3), wodurch die Eigenschaften der Folie verbessert werden (Seite 2., Zeile 2 bis 5). Ähnlich ist die Offenbarung in der D7, vgl. Seite 3, Abs. 1 und 2 sowie Fig. 3.

Die Patentinhaberin argumentiert im Wesentlichen, die D2 offenbare lediglich, dass zwei Schichten auf einer Aluminiumfolie coextrudiert werden, der Fachmann habe daher keinen Anlass gehabt, eine Folie in einem Arbeitsgang mit einer mindestens dreifach Coextrusionsbeschichtung zu beschichten. Die Patentinhaberin übersieht hier die Kenntnisse, die dem auf dem Gebiet der Verpackungstechnik sachkundigen Fachmann zuzurechnen sind, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt.

Anspruch 1 hat nach alledem keinen Bestand.

Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7, da über einen Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents nur als Ganzes entschieden werden kann (BGH in GRUR 1997, 120 -elektrisches Speicherheizgerät).

Das Patent war daher zu widerrufen.

6. Voraussetzungen für eine mündliche Verhandlung (gemäß § 78 PatG) lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr vor, denn -die Ankündigung der Patentinhaberin, dass sie an der zunächst angesetzten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde, ist als Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung zu werten; -die obsiegende Einsprechende hatte ihren Antrag auf mündliche Verhandlung nur hilfsweise gestellt, -es war kein Beweis zu erheben (§ 88 Abs. 1 PatG) und -der Senat hat sie nicht für sachdienlich erachtet.

Es konnte deshalb nunmehr im schriftlichen Verfahren entschieden werden.

Dr. Ipfelkofer Bayer Sandkämper Dr. Baumgart Me






BPatG:
Beschluss v. 10.02.2011
Az: 12 W (pat) 307/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5a0520879e83/BPatG_Beschluss_vom_10-Februar-2011_Az_12-W-pat-307-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share