Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 16. Mai 2011
Aktenzeichen: I-8 AktG 1/11

(OLG Hamm: Beschluss v. 16.05.2011, Az.: I-8 AktG 1/11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Beschluss entschieden, dass die Klagen gegen den Verschmelzungsbeschluss einer Hauptversammlung keine Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister entgegenstehen. Die Hauptversammlung hatte mit großer Mehrheit der Fusion zwischen der Antragstellerin und der I AG zugestimmt. Die Klägerinnen hatten gegen den Beschluss Klage erhoben. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die von den Klägerinnen beanstandeten Rechtsverstöße gegen das Aktiengesetz nicht so schwerwiegend sind, dass eine Eintragung der Verschmelzung verhindert werden müsste. Die Antragstellerin hat jedoch glaubhaft gemacht, dass die zeitnahe Eintragung der Fusion wesentliche Vorteile bringt, wie etwa einen geplanten Börsengang, eine verbesserte Kreditwürdigkeit und geringere Verwaltungskosten. Das Gericht setzt den Streitwert auf 100.000 € fest und entscheidet, dass die Klägerinnen die Kosten des Verfahrens tragen müssen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Hamm: Beschluss v. 16.05.2011, Az: I-8 AktG 1/11


Tenor

Es wird festgestellt, dass die Erhebung der Klagen der Antragsgegnerinnen (Landgericht Dortmund, IV. Kammer für Handelssachen, Az. 18 O 28/11 und 18 O 29/11) gegen die Wirksamkeit des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 15. Dezember 2010 über die Zustimmung zu dem Verschmelzungsvertrag zwischen der Antragstellerin und der I AG, H, vom 28. Oktober 2010 der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister nicht entgegensteht.

Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Antragstellerin strebt die Freigabe der Eintragung eines Beschlusses ihrer Hauptversammlung in das Handelsregister trotz anhängiger Beschlussanfechtungsklagen an. Inhalt des Beschlusses ist die Zustimmung zur Verschmelzung der Antragstellerin auf die I AG.

Mehrheitsaktionäre der Antragstellerin mit einem Aktienbesitz von knapp 90 % waren zwei Investmentgesellschaften der sog. P-Gruppe. Die Mehrheitsaktionäre (im Folgenden: P) gründeten im Jahre 2010 die I GmbH und übertrugen ihre Aktien an der Antragstellerin auf die GmbH im Wege der Sachkapitalerhöhung. Die I GmbH emittierte im Juli 2010 eine Unternehmensanleihe (High Yield Bond) über 280 Mio. € zu einem Zinssatz von 9,75 %. Der Erlös der Anleihe wurde in Höhe von 191,02 Mio. € - einschließlich transaktionsbedingter Aufwendungen - an die Gesellschafter und im Übrigen für ein Darlehen an die Antragstellerin zur Tilgung von Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft verwendet. Nach Formwechsel der I GmbH in eine Aktiengesellschaft schlossen die Antragstellerin und die I AG am 28. Oktober 2010 einen Verschmelzungsvertrag, wonach die Antragstellerin als übertragender Rechtsträger auf die I AG als aufnehmenden Rechtsträger verschmolzen werden sollte. Das Umtauschverhältnis der Aktien wurde mit einer Aktie der Antragstellerin zu 1,75 Aktien der I AG festgelegt. Nachdem die Hauptversammlung der I AG diesen Vertrag am 8. Dezember 2010 einstimmig gebilligt hatte, stand die Beschlussfassung bei der Antragstellerin in einer außerordentlichen Hauptversammlung vom 15. Dezember 2010 zur Entscheidung an.

Die Hauptversammlung der Antragstellerin stimmte dem Abschluss des Verschmelzungsvertrages mit einer Mehrheit von 92,28 % zu.

Die Antragsgegner haben vor dem Landgericht Dortmund am 17. Januar 2011 Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklagen erhoben (18 O 28/10 und 18 O 29/10). Über die Klagen ist noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin strebt im vorliegenden Verfahren die Freigabe nach § 16 Abs. 3 UmwG an. Sie vertritt die Auffassung, die Anfechtungsklagen seien unbegründet; zudem bestehe ein erhebliches Vollzugsinteresse, dem keine ersichtlichen Nachteile der Antragsgegner gegenüberstünden.

Komme es nicht zu der zeitnahen Eintragung der Verschmelzung, erlitten die beteiligten Gesellschaften sowie die Mehrheitsaktionäre wesentliche Nachteile. Die Verschmelzung sei ein Bestandteil einer Refinanzierungsmaßnahme, die mit dem Börsengang fortgesetzt werden solle. Für den noch im 2. Quartal 2011 beabsichtigten Börsengang sei die Verschmelzung unerlässlich. Die Verzögerung führe zudem zu einer Beschädigung der Reputation am Kapitalmarkt sowie einer Herabstufung im Rating. Die Verschmelzung hätte auch steuerliche Entlastungen in Höhe von ca. 7 Mio. € jährlich sowie den Wegfall erheblicher Verwaltungsmehraufwendungen zur Folge.

Nachteile der Antragsgegner bestünden dagegen nicht, da ihre Vermögensinteressen durch das angemessene Umtauschverhältnis hinreichend gewahrt würden.

Die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, dass die Erhebung der Klagen der Antragsgegnerinnen (Landgericht Dortmund, IV. Kammer für Handelssachen, Az. 18 O 28/11 und 18 O 29/11) gegen die Wirksamkeit des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 15. Dezember 2010 über die Zustimmung zu dem Verschmelzungsvertrag zwischen der Antragstellerin und der I AG, H, vom 28. Oktober 2010 der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister nicht entgegensteht.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin zu 1 verneint die offensichtliche Unbegründetheit der von ihr erhobenen Anfechtungsklage und vertritt die Auffassung, ein rechtlich billigenswertes Vollzugsinteresse der beteiligten Gesellschaften und ihrer Mehrheitsaktionäre bestehe nicht, während sie, die Antragsgegnerin, durch die Verschmelzung erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleide.

Die Antragsgegnerin zu 1 meint, anfechtungsberechtigt zu sein. Hierzu behauptet sie, Rechtsanwalt Dr. N habe an der Hauptversammlung für sie als Legitimationsaktionär teilgenommen und mit ihrer Ermächtigung für sie Widerspruch erhoben.

Die Anfechtungsklage sei auch in der Sache begründet. Die Verschmelzung stelle sich als letzter Akt einer Maßnahme dar, deren Ziel es sei, den Mehrheitsaktionären P Entnahmen in Höhe von annähernd 200 Mio. € zu ermöglichen, die letztlich zu Lasten der Antragstellerin und ihrer Minderheitsaktionäre erfolgten. In der aus dem Erlös einer Anleihe vorgenommenen Ausschüttung an P liege ein unzulässiger Sondervorteil, der den aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsregeln widerspreche und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletze. Die Realisierung der Anleihenemission und anschließender Ausschüttung an P mittels einer hierzu gegründeten GmbH und anschließender Verschmelzung sei allein zur Umgehung der aktienrechtlichen Schutzvorschriften und damit zur Ausschaltung der Minderheitsaktionäre geschehen. Bereits die Emission der Anleihe über 280 Mio. € sei zum Nachteil der Antragstellerin erfolgt, da deren Tochtergesellschaften zur Sicherung Garantien übernommen hätten. Der Gesamtplan sei treuwidrig, was dem Verschmelzungsbeschluss entgegengehalten werden könne.

Ein weiterer Anfechtungsgrund liege in der unzutreffenden Angabe im Verschmelzungsbericht, das Grundkapital der I AG sei vollständig eingezahlt. Vielmehr sei dies nicht der Fall, da die Einlage seinerzeit zumindest teilweise zurückgeflossen sei. Die Antragsgegnerin zu 1 bezieht sich schließlich auf weitere in der Klage geltend gemachte Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe:

- fehlende Nachgründungsprüfung,

- Verstoß gegen Gläubigerschutzvorschriften,

- fehlender Aufsichtsratsbeschluss,

- fehlendes Barabfindungsgebot,

- Stimmrechtsverbot der I AG.

Die Antragsgegnerin zu 1 vertritt weiterhin die Auffassung, die von der Antragstellerin dargelegten Vollzugsinteressen bestünden tatsächlich nicht oder seien erst durch die selbst herbeigeführte Gestaltung entstanden. Dann aber könne die Freigabe darauf nicht gestützt werden. Dagegen wirke sich eine Belastung des Vermögens der Antragstellerin mit den Verbindlichkeiten der I AG nach einer Verschmelzung ganz erheblich negativ zu Lasten der Minderheitsaktionäre aus, zumal sogar die Insolvenz drohe. Die Minderheitsaktionäre würden auch durch die vorgesehene Ausschüttungssperre belastet, während die Mehrheitsaktionäre P ihre finanziellen Interessen bereits im Rahmen der Ausschüttung gewahrt habe. Bei den dargestellten rechtlichen Mängeln handele es sich zudem um Rechtsverstöße von besonderer Schwere.

Die Antragsgegnerin zu 2 bestreitet ebenfalls die zur Begründung eines vorrangigen Vollzugsinteresses dargelegten drohenden Nachteile und hält ihre Anfechtungsklage nicht für offensichtlich unbegründet. Jedenfalls sei die Beschlussfassung nichtig bzw. anfechtbar, weil Nachteile für die Gläubiger damit verbunden seien und P und den ihr verbundenen Aktionären Sondervorteile eingeräumt worden seien.

Die Antragstellerin tritt in tatsächlicher Hinsicht den behaupteten Garantieverpflichtungen ihrer Tochtergesellschaften für die Verbindlichkeiten aus der Anleihe sowie der Behauptung entgegen, wegen der Unternehmensanleihe hätten sie oder die I AG sich für die Zeit nach Wirksamwerden der Verschmelzung zu einer Ausschüttungssperre verpflichtet.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze sowie das Sitzungsprotokoll und den dazu gefertigten Berichterstattervermerk verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird ebenfalls auf den Berichterstattervermerk zu dem Senatstermin vom 20. April 2011 Bezug genommen.

B.

Der Antrag ist nach § 16 Abs. 3 UmwG zulässig und begründet, so dass die beantragte Freigabe auszusprechen war.

I. Zulässigkeit.

§ 16 Abs. 3 UmwG lässt einen Freigabeantrag zu, wenn Klage gegen einen Verschmelzungsbeschluss erhoben wurde. Das ist hier der Fall, da die Antragsgegnerinnen Klagen gegen die Beschlussfassung der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 15. Dezember 2010 betreffend die Zustimmung zum Verschmelzungsvertrag erhoben haben.

Der danach statthafte Antrag ist auch im Übrigen in zulässiger Weise gestellt worden.

Den Antrag nach § 16 Abs. 3 S. 1 UmwG kann nur der Rechtsträger stellen, gegen dessen Verschmelzungsbeschluss sich die anhängige Klage richtet (Fronhöfer in Widmann/Mayer, UmwG § 16 Rdnr. 119). Das ist die Antragstellerin.

Der Antrag richtet sich auch gegen alle Aktionäre, die gegen den Verschmelzungsbeschluss Klage erhoben haben.

II. Begründetheit des Antrags

Der Antrag ist jedenfalls nach § 16 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 UmwG begründet. Nach dieser Vorschrift ergeht der Freigabebeschluss, wenn das alsbaldige Wirksamwerden der Verschmelzung vorrangig erscheint, weil die vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger und ihre Anteilsinhaber nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen, es sei denn, es liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vor.

Im Streitfall hat die Antragstellerin ein vorrangiges Vollzugsinteresse im Sinne des § 16 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 UmwG dargelegt und glaubhaft gemacht. Die von den Antragsgegnerinnen mit den Anfechtungsklagen gerügten Rechtsverstöße, soweit sie nicht bereits offensichtlich unbegründet sind, wiegen nicht besonders schwer.

1. Vorrangiges Vollzugsinteresse der Antragstellerin

§ 16 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 UmwG sieht eine Interessenabwägung vor, bei der die Nachteile der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger und ihrer Anteilseigner für den Fall, dass es nicht zur sofortigen Eintragung kommt, ins Verhältnis gesetzt werden mit den Nachteilen, die den Antragsgegnerinnen bei einer Eintragung des Verschmelzungsbeschlusses in das Handelsregister drohen. Diese Abwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus.

a)

Im Rahmen der Interessenabwägung sind alle nicht vernachlässigbaren wirtschaftlichen Nachteile einzubeziehen. Darunter fallen gleichermaßen auch wirtschaftliche Vorteile, die mit der Verschmelzung verbunden wären, bei einer verzögerten oder verhinderten Eintragung aber entfallen.

Die Antragstellerin legt dar, dass bei Verzögerung der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister folgende Nachteile eintreten werden, die wirtschaftlich ins Gewicht fallen:

aa) Gefährdung oder Scheitern des geplanten Börsengangs,

bb) Beschädigung der Reputation der Antragstellerin am Kapitalmarkt,

cc) schlechtere Finanzierungsmöglichkeiten,

dd) schlechtere Veräußerbarkeit der Aktien durch Aktionäre,

ee) höhere Ertragsteuern,

ff) höhere Verwaltungskosten.

Diese drohenden Nachteile sind überwiegend glaubhaft gemacht worden und haben - zumal in der Gesamtschau - ein erhebliches Gewicht.

Zu aa)

Die Antragstellerin behauptet, die I AG strebe nach Wirksamwerden der Verschmelzung den Börsengang an, der bereits konkret vorbereitet werde und noch für das zweite Quartal 2011 geplant sei. Eine Verschiebung könne die Absicht gefährden oder gar zum Scheitern des Börsengangs führen, da sich die derzeit positiven Rahmenbedingungen am Kapitalmarkt kurzfristig ändern und einen jetzt erwarteten Erfolg zu späterer Zeit nicht mehr zulassen könnten.

Die Gefährdung oder gar das Scheitern eines geplanten Börsengangs stellt einen gravierenden Nachteil für ein Unternehmen dar, da damit nicht nur ein erheblicher Imageverlust einhergeht, sondern auch konkrete finanzielle Auswirkungen verbunden sind. Die gerichtsbekannt hohen Kosten für die Vorbereitung und Durchführung des Zulassungsverfahrens wären vergebens aufgewandt, die Kapitalbeschaffung über die Börse vereitelt. Näherer Darlegungen der Konsequenzen durch die Antragstellerin bedurfte es insoweit nicht.

Dass eine Verzögerung des Börsengangs von den Verantwortlichen eingeplant und deshalb nicht als nachteilig angesehen werden könne, lässt sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zu 1 nicht daraus ableiten, dass die Möglichkeit einer Verzögerung als Risiko in den Emissionsprospekt über die Unternehmensanleine (Anlage Ast 22) aufgenommen wurde. Dass es etwa durch die Anfechtung des Verschmelzungsbeschlusses zu Verzögerungen kommen könnte, lag auf der Hand und war im Rahmen einer umfassenden Aufklärung über Risiken zu prospektieren. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die Unternehmensleitung eine solche Verzögerung für unschädlich oder unbedeutend hielt.

Auch die von den Antragsgegnerinnen weiterhin erhobenen Einwendungen erweisen sich als unerheblich.

Zwar hat die Antragsgegnerin zu 1 im Senatstermin bestritten, dass ein Börsengang überhaupt ernsthaft betrieben werde. Die Antragstellerin hat ihre Darstellung jedoch hinreichend glaubhaft gemacht. Dem vorgelegten Protokoll der telefonischen Sitzung ihres Aufsichtsrats vom 24. Januar 2011 (Anlage Ast 18) ist zu entnehmen, dass das Vorstandsmitglied C über den Stand des Verfahrens berichtet hat. Danach hatte der Vorstand die Wirtschaftsprüfungsgesellschaf Q mit einem "IPO Readiness Review" der I2-Gruppe beauftragt. Aus Gesprächen mit den Vertretern von Q habe man erfahren, dass aus Sicht der Prüfer die Vorbereitungen für den Börsengang bei I2 sehr weit gediehen seien und I2 insbesondere hinsichtlich der kapitalmarktrechtlichen Anforderungen an die Finanzberichterstattung gut aufgestellt sei. Vor dem Hintergrund habe der Vorstand am 24. Januar 2011 beschlossen, die Vorbereitung des Börsengangs weiter zu verfolgen und zu intensivieren, so dass der geplante Börsengang - abhängig von der Entwicklung des Kapitalmarktumfeldes und der Eintragung der beschlossenen Verschmelzung - noch vor der Sommerpause im zweiten Quartal 2011 stattfinden könne.

Diese Ausführungen gegenüber dem Aufsichtsrat, für deren Unrichtigkeit keine Anhaltspunkte bestehen, rechtfertigen den Schluss, dass der Börsengang ernsthaft und intensiv betrieben wurde und noch im zweiten Quartal 2011 stattfinden soll, wie die Antragstellerin auch im Senatstermin wiederholt betont hat. Bedenken gegen die beabsichtigte Börsenzulassung könnten sich allenfalls dann ergeben, wenn die Gesellschaft nach Wirksamwerden der Verschmelzung einer mehrere Jahre dauernden Ausschüttungssperre unterliegen würde. Die Attraktivität der Aktien für Investoren wäre dadurch massiv beeinträchtigt, was einem Börsengang nur wenig Aussicht auf Erfolg einräumen würde.

Die entsprechende Behauptung der Antragsgegnerin zu 1, die I AG habe sich im Rahmen der Emission der Unternehmensanleihe zu einer mehrjährigen Ausschüttungssperre verpflichtet, ist jedoch zur Überzeugung des Senats widerlegt worden. Der vom Senat vernommene Zeuge Dr. G, der Leiter der Abteilung Recht und Steuern und Syndikusanwalt der Antragstellerin, hat ausgesagt, es gebe keine Ausschüttungssperre, sondern eine Begrenzung der Ausschüttungen bei der I AG auf 50 % während der Laufzeit der Anleihe. Diese Begrenzung würde nach der Verschmelzung weiter gelten.

Der Zeuge, der sowohl die Emission der Unternehmensanleihe als auch die nachfolgenden Strukturmaßnahmen an exponierter Stelle juristisch begleitet hat, ist besonders sachkundig und daher in der Lage, die Auswirkungen der Anleiheemission auf die Gesellschaft wiederzugeben. Wenn er lediglich von einer Begrenzung der Ausschüttung auf 50 % bei der I AG spricht, dagegen bei der Antragstellerin eine komplette Ausschüttungssperre aufgrund des Rahmenkredits (Syndicated Revolving Credit Facility) bekundet, hat der Senat keinen Zweifel an der grundsätzlichen Richtigkeit. Die Aussage des Zeugen korrespondiert jedenfalls in dem entscheidenden Kern mit dem Inhalt des im Senatstermin überreichten Anleiheemissionsprospekts (Anlage Ast 22, S. 120 f), wenngleich dieser den Eindruck vermittelt, dass bis zum Wirksamwerden der Verschmelzung (completion of the consolidation merger) Ausschüttungen auch bei der I AG in voller Höhe untersagt sind (Emissionsprospekt, a. a. O. S. 121). Entscheidend ist, dass nach dem Wirksamwerden der Verschmelzung durch die Bedingungen der Unternehmensanleihe Ausschüttungen nicht untersagt, sondern lediglich beschränkt sind. Diese Beschränkung auf 50 % des Ertrages stellt nach Einschätzung des Senats keine wesentliche Hürde für einen Börsengang dar.

Die Antragsgegnerinnen können schließlich nicht mit Erfolg einwenden, zur Realisierung eines Börsengangs bedürfe es der Verschmelzung nicht, weil ohne die Verschmelzung die Antragstellerin selbst problemlos die Börsenzulassung erhalten könnte. Allein der Umstand, dass auch andere unternehmerische Strategien denkbar und möglicherweise erfolgversprechend sein können, ist im hier in Rede stehenden Zusammenhang unerheblich. Entscheidend ist, ob unter Berücksichtigung der von der Unternehmensleitung verfolgten Planung die verzögerte oder verhinderte Verschmelzung zu wesentlichen Nachtteilen führen wird. Diese Planung sieht aber hier gerade den Börsengang der I AG nach Verschmelzung vor. Das haben die Minderheitsaktionäre zu akzeptieren und nur dieser Sachverhalt ist in die Abwägung von Nachteilen einzubeziehen.

Zu bb)

Die von der Antragstellerin zur Begründung eines überwiegenden Vollzugsinteresses angesprochene Beschädigung ihrer Reputation am Kapitalmarkt bzw. derjenigen des aufnehmenden Rechtsträgers bei Scheitern der Verschmelzung mag zutreffen. Wenn dies jedoch ihre Ursache darin hat, dass die Geschäftsleitung im Zusammenhang mit der Emission der Anleihe Ankündigungen gemacht hat, die sie nicht selbst einlösen kann, kommt dem Argument allenfalls ein geringes Gewicht im Rahmen der hier vorzunehmenden Abwägung zu.

Zu cc)

Nach einer Verschmelzung kann die I AG verbesserte Kreditbedingungen erwarten, etwa weil sie dann über deutlich höhere Vermögenswerte verfügen wird, die als Sicherheit eingesetzt werden können. Hierin liegt ein erheblicher Vorteil, dessen Vereitelung als wesentlicher Nachteil anzusehen ist.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegner sind im Rahmen der Abwägung nach § 16 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 UmwG die Interessen beider an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger, also auch insbesondere diejenigen der I AG als aufnehmenden Rechtsträgers, zu berücksichtigen.

Zu dd)

Die Antragstellerin macht weiterhin geltend, durch die mit der Verschmelzung einhergehende Herabsenkung der Eigenkapitalquote seien die Aktien auf dem Markt attraktiver und daher leichter veräußerbar. Auch dieser Vorteil würde durch die verzögerte Eintragung der Verschmelzung hinausgeschoben, was einen Nachteil für ihre Aktionäre bedeute.

Auch die Aktionäre der beteiligten Rechtsträger und deren Interessen können nach § 16 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 UmwG Berücksichtigung finden. Ob allein die Herabsenkung der Eigenkapitalquote wegen der dadurch verursachten Hebelwirkung zur besseren Veräußerbarkeit der Aktien führen wird, lässt der Senat dahinstehen; jedenfalls erhöht sich die Fungibilität der Aktien erheblich nach der Börsenzulassung, die wiederum von der Wirksamkeit der Verschmelzung abhängt (s. o.).

Zu ee)

Nachvollziehbar trägt die Antragstellerin vor, nach einer Verschmelzung könnten die Erträge der Antragstellerin den Aufwendungen der I AG für Verbindlichkeiten entgegengestellt werden, so dass insgesamt geringere Ertragsteuern anfallen. Die Verzögerung führe zu Steuernachteilen in Höhe von ca. 7 Mio. € jährlich.

Die Antragsgegnerinnen meinen, dieser Aspekt könne nicht berücksichtigt werden, da mit der Senkung der Steuerlast eine Reduzierung der Gewinne der Antragstellerin einhergehe und damit letztlich ein Schaden ihrer Aktionäre.

Der Nachteil der beteiligten Rechtsträger wegen höherer Steuerzahlungen ist eindeutig. Dass in gleicher Weise ein Schaden der Aktionäre der Antragstellerin zu erwarten ist, überzeugt deshalb nicht, weil die geringere Ertragskraft der künftigen Gesellschaft bereits im Umtauschverhältnis zum Ausdruck gebracht wird.

Dass mit der Verschmelzung ihrerseits Kosten verbunden sind, die den Steuerersparnissen entsprechen oder sie sogar übersteigen, ist kein taugliches Gegenargument, da diese Kosten im Wesentlichen bereits entstanden sind und bei Verzögerung oder Verhinderung der Eintragung nicht entfallen.

Zu ff)

Mit der Verschmelzung ergeben sich Einsparungen, da Verwaltungskosten nur noch für eine statt zwei Aktiengesellschaften aufgewandt werden müssen. Neben Personalkosten (Vorstand, Aufsichtsrat) handelt es sich um die Kosten der Durchführung der Hauptversammlungen, der Fertigung von Jahresabschlüssen einschließlich deren Prüfung etc.

Die Antragsgegnerinnen halten dem entgegen, die Antragstellerin könne sich darauf nicht berufen, da die Mehrheitsaktionärin die jetzt zu ändernde Struktur erst geschaffen habe. Zudem hätten breitere Konzernstrukturen auch Vorteile, wie an Beispielen namhafter Unternehmen erkennbar sei.

Bei der Abwägung der Nachteile der beteiligten Rechtsträger und deren Aktionären einerseits und der Antragsgegnerinnen andererseits ist die bestehende Situation zu der angestrebten Situation nach Verschmelzung in Relation zu setzen. Dass die derzeitigen Strukturen erst durch vorangegangene Maßnahmen der maßgeblichen Entscheidungsträger geschaffen wurden, ist dabei von untergeordneter Bedeutung.

Ob das Unternehmen mit einer Holdinggesellschaft und einer das operative Geschäft führenden Gesellschaft geführt wird oder ob beide Funktionen in einer Gesellschaft vereint werden, ist eine Strategieentscheidung, deren Sinnhaftigkeit für das konkrete Unternehmen im vorliegenden Verfahren nicht zu überprüfen ist.

Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der Antragsgegnerin zu 1, die dargestellten Nachteile seien deshalb insgesamt nicht zu berücksichtigen, weil die Verschmelzung und deren Vollziehung zumindest für einen Rechtsträger, nämlich die Antragstellerin, per Saldo unvorteilhaft sei. Die Verschmelzung sei für die Antragstellerin schon deshalb schädlich, weil ihr Vermögen nach der Verschmelzung für die Verbindlichkeiten aus der Unternehmensanleihe hafte, ohne dass sie, die Antragstellerin, in den Genuss der Vorteile gekommen sei.

Die von der Antragsgegnerin zu 1 dargestellte Situation, dass der aufnehmende Rechtsträger höhere Verbindlichkeiten hat als der übertragende, ist nicht ungewöhnlich; eine absolute Gleichwertigkeit der an einer Verschmelzung beteiligten Rechtsträger dürfte die Ausnahme darstellen. Gleichwohl lässt das Gesetz auch bei bestehender Ungleichgewichtigkeit eine Verschmelzung zu, die mit den Instrumentarien des Umwandlungsgesetzes angemessen umgesetzt wird. Die Belastung des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers mit zuvor nicht vorhandenen Verbindlichkeiten nach der Verschmelzung steht der Geltendmachung von Nachteilen i. S. d. § 16 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 UmwG deshalb nicht entgegen.

b)

Die vorstehend dargestellten wesentlichen Nachteile der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger und ihrer Aktionäre führen nur dann zur Begründetheit des Freigabeantrages, wenn sie die Nachteile der Antragsgegnerinnen überwiegen.

aa)

Die Antragsgegnerinnen machen insoweit geltend, durch die Verschmelzung nachhaltig und gravierend belastet zu werden, weil sie anschließend an einer Gesellschaft mit einer deutlich reduzierten Eigenkapitalquote beteiligt wären, die zudem die mit der Entnahme in Höhe von annähernd 200 Mio. € einhergehenden Verbindlichkeiten zu tragen habe.

Dieser Gesichtspunkt stellt keinen erheblichen Nachteil dar. Die hohen Verbindlichkeiten der aufnehmenden Gesellschaft sind bei der Berechnung des Untauschverhältnisses der Aktien berücksichtigt worden. Damit ist ein wirtschaftlicher Nachteil bei den Minderheitsaktionären ausgeglichen worden. Sollte der Ausgleich nicht zutreffend gelungen sein, weil etwa das Umtauschverhältnis zugunsten der Aktionäre der Antragstellerin vorteilhafter hätte ausfallen müssen, kann dieses Defizit in einem Spruchverfahren geltend gemacht und zur Überprüfung gestellt werden.

Dass die Gesellschaft nach Verschmelzung insolvenzreif wird, stellt kein konkretes und aktuelles Risiko dar, das dem Vollzug entgegengehalten werden könnte.

Soweit andere, am vorliegenden Verfahren nicht beteiligte Aktionäre, als Folge der Verschmelzung Steuernachteile erfahren, wie die Antragsgegnerin zu 1 behauptet, ist dies unerheblich, da die hier vorzunehmende Abwägung nur die Nachteile der Antragsgegnerinnen und nicht diejenigen anderer Aktionäre erfassen kann.

bb)

Ein beachtlicher Nachteil der Minderheitsaktionäre wäre möglicherweise dann zu bejahen, wenn, wie sie behaupten, über Jahre hinweg eine Ausschüttungssperre ihre Partizipation an den Erträgen der Gesellschaft verhindern würde. Das ist jedoch nicht der Fall, wie die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat. Zur Begründung wird auf die obigen Ausführungen im Zusammenhang mit der Plausibilität eines beabsichtigten Börsengangs (Ziff. II. 1. a) aa), S. 9) verwiesen.

Soweit eine Begrenzung der Ausschüttungen auf 50 % der Gewinne festgelegt wurde, belastet dies die Aktionäre allenfalls marginal, da Unternehmen im Regelfall nicht 100 % ihrer Erträge an die Anteilseigner ausschütten. Zudem wird sich die Ertragssituation der Minderheitsaktionäre jedenfalls theoretisch dadurch sogar verbessern, dass die derzeit bei der Antragstellerin aufgrund der Bedingungen des syndizierten Kredits bestehende 100 %ige Ausschüttungssperre entfallen wird. Diese Folge hat die Antragstellerin in tatsächlicher Hinsicht durch die glaubhafte Aussage des Zeugen Dr. G glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin zu 1 ist dem im Senatstermin auch nicht entgegengetreten.

Da somit keine erheblichen Nachteile der Antragsgegnerinnen in die Abwägung einzustellen sind, überwiegen die von der Antragstellerin dargelegten und glaubhaft gemachten Nachteile.

2. keine besondere Schwere der gerügten Rechtsverstöße

a)

Ein vorrangiges Interesse der Antragstellerin am Vollzug des Verschmelzungsbeschlusses rechtfertigt nur dann die Freigabeentscheidung, wenn nicht eine besondere Schwere der gerügten Rechtsverstöße vorliegt. Besonders schwere Rechtsverstöße in diesem Sinne sind solche, bei deren Vorliegen es für die Rechtsordnung unerträglich wäre, den Beschluss ohne vertiefte Prüfung im Hauptsacheverfahren eintragen und umsetzen zu lassen. Gemeint sind massive Verletzungen elementarer Aktionärsrechte, die durch Schadensersatz nicht angemessen korrigiert werden könne, z. B. das Abhalten einer "Geheimversammlung" unter bewusstem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot oder das völlige Fehlen notarieller Beurkundung (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der BReg., BT-Drucksache 16/13098, S. 42; Senat, Beschluss vom 22. 9. 2010, 8 AktG 1/10, NZG 2011, 148). Ein Umstand, der einen Nichtigkeitsgrund ausfüllt, reicht für sich betrachtet nicht. Darüber hinaus kommen etwa absichtliche Verstöße gegen Gleichbehandlungsgebot und Treuepflicht oder die Unvereinbarkeit mit grundlegenden Strukturprinzipien des Aktienrechts als besonders schwere Rechtsverstöße in Betracht (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, a. a. O.).

b)

Von den seitens der Antragsgegnerinnen gerügten Rechtsverstößen könnte als besonders schwerwiegend im vorgenannten Sinne die beanstandete Umgehung der gläubigerschützenden Norm des § 57 AktG sein, die mit der beschlossenen Verschmelzung zum Abschluss gebracht werden soll. Das wäre dann der Fall, wenn die seitens der damaligen I GmbH vorgenommene Ausschüttung von ca. 191 Mio. € an ihre Gesellschafter , die durch die Unternehmensanleihe über 280 Mio. € finanziert wurde, sich letztlich als Verstoß gegen das in § 57 AktG verankerte Gebot der Vermögensbindung betreffend die Antragstellerin darstellte und die Verschmelzung als letzter Akt dieses Vorgehens anzusehen wäre.

Der Senat kann die Frage, ob massive Verstöße gegen den in § 57 AktG verankerten Gläubigerschutz derart schwerwiegend sind, dass sie trotz überwiegenden Vollzugsinteresses der Gesellschaft der Freigabe der Eintragung entgegenstehen, offen lassen. Im Streitfall lässt sich nämlich die von den Antragsgegnerinnen beanstandete Umgehung des § 57 AktG nicht feststellen.

Zwar würde die Umsetzung des von Anfang an bestehenden Plans, wonach die von P und anderen Aktionären gehaltenen Aktien an der Antragstellerin auf die neu gegründete I GmbH übertragen, nach Beschaffung von Liquidität durch die Anleiheemission ca. 191 Mio. € an die Gesellschafter der GmbH ausgeschüttet wurden und durch die Verschmelzung die Antragstellerin in die Rolle der Schuldnerin gelangen soll, dazu führen, dass letztlich die Antragstellerin die ihren früheren Aktionären zugeflossenen Beträge finanziert. Dieses Vorgehen stellt nach Auffassung des Senats jedoch im Ergebnis keinen Verstoß gegen § 57 AktG dar, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Umgehung der Norm.

Leistungen eines Dritten - hier: der I GmbH - stellen sich grds. nicht als Verstoß gegen § 57 AktG dar, es sei denn, sie schmälern direkt oder indirekt das Vermögen der Aktiengesellschaft (MüchKomm(AktG)-Bayer, 3. Aufl. § 57 Rdnr. 47; Hüffer, AktG, 9. Aufl. § 57 Rdnr. 13). Bei einer Leistung der die Aktiengesellschaft beherrschenden Gesellschaft an den Aktionär gilt nicht § 57 AktG, sondern das für die Muttergesellschaft geltende Kapitalschutzrecht (MünchKomm-Bayer, a. a. O. Rdnr. 53). Das war hier das Kapitalerhaltungsrecht der GmbH, da die I zur Zeit der Ausschüttung eine GmbH war. Verstöße gegen jenes Recht sind nicht dargelegt.

Eine mit der Leistung an die Aktionäre einhergehende Vermögensschmälerung der Antragstellerin könnte dann anzunehmen sein, wenn die Tochtergesellschaften der Antragstellerin die Haftung für die Unternehmensanleihe übernommen hätten, wie von der Antragsgegnerin zu 1 im Senatstermin behauptet worden ist.

Eine derartige Haftungsübernahme oder Garantie schon vor dem Wirksamwerden der Verschmelzung hat die Antragstellerin jedoch zur Überzeugung des Senats widerlegt.

Zwar heißt es in der Anlage 1.4 zum Bericht über die Prüfung des Konzernabschlusses für das Rumpfgeschäftsjahr vom 1. 1. bis 28. 6. 2010 der I GmbH, der von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft H verfasst wurde und den die Antragsgegnerin zu 1 im Senatstermin auszugsweise vorgelegt hat, dass 8 namentlich genannte Tochtergesellschaften der Antragstellerin sich verpflichtet haben, für die Verbindlichkeiten aus der Revolving Credit Facility und der Unternehmensanleihe zu haften.

Andererseits hat jedoch der Zeuge Dr. G bei seiner Vernehmung durch den Senat bekundet, dass eine Besicherung der Anleihe durch Tochtergesellschaften der Antragstellerin nicht erfolgt sei. Erst für die Zeit nach der Verschmelzung sei vorgesehen, dass die Tochtergesellschaften aus Garantien haften. Auf Vorhalt der anders lautenden Formulierung in dem Prüfbericht von H hat er deutlich erklärt, es liege ein Fehler vor, wenn man den Text so verstehe.

Die Aussage des Zeugen Dr. G ist glaubhaft, auch wenn sich der Zeuge an einzelne Details nicht erinnern konnte und er auch Überlegungen angestellt hat, die ihm vorgehaltene Formulierung im Bericht H in aus seiner Sicht sinnvollen Weise auszulegen. Die Bekundung, vor der Verschmelzung habe es eine Haftungsverpflichtung der Tochtergesellschaften nicht gegeben, steht insbesondere im Einklang mit dem Inhalt des Emissionsprospekts, den die Antragstellerin im Senatstermin zum Zweck der Glaubhaftmachung vorgelegt hat (Anlage Ast 22). So wird S. 10 dieses Prospekts in englischer Sprache ausgeführt, dass nach deutschem Kapitalerhaltungsrecht die Antragstellerin und ihre Tochtergesellschaften gehindert seien, Garantien für die Anleihe abzugeben. Dass dieser deutlich dargestellten Rechtslage zuwider gleichwohl derartige Garantien vereinbart worden sein sollten, ist fernliegend. Entsprechend werden im Emissionsprospekt S. 105 die Sicherheiten bis zum Wirksamwerden der Verschmelzung dargestellt ohne Erwähnung der Garantien, während S. 111 des Emissionsprospekts für die Zeit nach der Verschmelzung die 8 Tochtergesellschaften namentlich als Garantiegeber genannt werden. Angesichts dieser eindeutigen Aussagen in dem für die Emission der Anleihe und deren Bedingungen bedeutsamen Prospekt und den dies bestätigenden Bekundungen des Zeugen Dr. G, der die Anleiheemission sowie die Gespräche und Vereinbarungen zur Besicherung seitens der Tochtergesellschaft intensiv juristisch begleitet hat, ist für den Senat glaubhaft, dass bis zur Verschmelzung die Tochtergesellschaften der Antragstellerin keine Haftung für die Anleihen übernommen haben. Dass die Realisierung der Anleiheemission, insbesondere deren Besicherung, entgegen dem Inhalt des Prospekts erfolgt ist, wie die Antragsgegnerin mutmaßt, erscheint eine lediglich theoretische und für den Senat bei lebensnaher Würdigung auszuschließende Möglichkeit. Dem Antrag der Antragsgegnerin zu 1, gegenbeweislich den Abschlussprüfer von H T als Zeugen zu vernehmen, war nicht zu entsprechen. Dem Charakter des vorliegenden Verfahrens als Eilverfahren, der etwa durch die gesetzliche Vorgabe einer Frist von 3 Monaten bis zur Entscheidung über den Antrag (§ 16 Abs. 3 S. 5 UmwG) oder das im Gesetz vorgesehen Erfordernis der Glaubhaftmachung statt des Vollbeweises (§ 16 Abs. 3 S. 6 UmwG) verdeutlicht wird, widerspricht die Ladung von Zeugen zu einem weiteren Verhandlungstermin. Zur Glaubhaftmachung können nur im Verhandlungstermin präsente Beweismittel herangezogen werden, § 294 Abs. 2 ZPO.

Somit hat die mittels der Anleihe erfolgte Ausschüttung an P nicht zu einer Vermögensschmälerung bei der Antragstellerin geführt.

Entsprechende Absichten für die Zeit nach der Verschmelzung stehen einer Haftungsverpflichtung für die Zeit bis zu diesem Ereignis nicht gleich, selbst wenn eine entsprechende Planung konkret bestanden haben sollte und durch Gesellschafterweisungen durchgesetzt werden sollten. Dass es bereits entsprechende verbindliche Beschlüsse zur Anweisung der Tochtergesellschaften gibt, kann der Senat nicht feststellen. Insbesondere hat der Zeuge Dr. G dies - entgegen der von der Antragsgegnerin zu 1 im Schriftsatz vom 4. Mai 2011 aufgestellten Behauptung - nicht bekundet.

Der Umstand, dass bereits zum Zeitpunkt der Ausschüttung der Formwechsel und die spätere Verschmelzung angestrebt wurden, rechtfertigt es nicht, allein deshalb eine Umgehung der aktienrechtlichen Kapitalbindungsregelung anzunehmen. Die Gläubiger der Antragstellerin sind durch die Ausschüttung weder unmittelbar noch mittelbar beeinträchtigt worden. Die mit dem Auswechseln des haftenden Rechtsträgers verbundenen Folgen werden vom Umwandlungsrecht erfasst und interessengerecht geregelt, vgl. z. B. § 22 UmwG.

Der Senat sieht in der Emission der Anleihe zur Finanzierung der Ausschüttung auch kein Handeln der I GmbH auf Rechnung der Antragstellerin, wie die Antragsgegnerin zu 1 meint. Die I handelte auf eigene Rechnung, Rechtsfolgen für das Vermögen der Antragstellerin können sich erst durch den Vollzug der Verschmelzung ergeben. Das führt aber nicht zu einem Handeln auf Rechnung der Antragstellerin, selbst wenn die Verschmelzung als Bestandteil des Gesamtkonzepts bereits vorgesehen war.

c)

Der Senat kann offen lassen, ob die weiter in den Anfechtungsklagen geltend gemachten Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe bestehen. Sie haben nämlich kein solches Gewicht, um als besonders schwer im Sinne des § 16 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 UmwG beurteilt zu werden. Soweit die Antragsgegnerin zu 1 meint, das mit der Verschmelzung abgeschlossene Vorgehen sei als Treuepflichtverletzung und Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot anzusehen, was ebenfalls einen schweren Rechtsverstoß darstelle, folgt der Senat dem nicht. Nimmt man den soeben erörterten Aspekt des Verstoßes gegen die Vermögensbindung aus, verbleibt kein Rechtsverstoß, der einen schweren, durch Schadensersatz nicht zu kompensierenden Eingriff in Aktionärsrechte darstellte, bei dessen Existenz die von der Antragstellerin angestrebte Eintragung der Verschmelzung für die Rechtsordnung unerträglich wäre oder der mit grundlegenden Strukturprinzipien des Aktienrechts nicht vereinbar wäre.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Bei der Bemessung des Streitwerts hat der Senat gem. §§ 16 Abs. 3 S. 2 UmwG, 247 Abs. 1 AktG eine an der Bedeutung der Sache für die Parteien orientierte Schätzung vorgenommen.






OLG Hamm:
Beschluss v. 16.05.2011
Az: I-8 AktG 1/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/59e40a59f925/OLG-Hamm_Beschluss_vom_16-Mai-2011_Az_I-8-AktG-1-11


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