Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juli 2002
Aktenzeichen: 32 W (pat) 1/02

(BPatG: Beschluss v. 17.07.2002, Az.: 32 W (pat) 1/02)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Oktober 2001 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Anmeldung der dreidimensionalen Markesiehe Abb. 1 am Endefür Zuckerwaren; Schokolade und Schokoladewaren; feine Backwarenhat die Markenstelle mit Beschluss vom 1. Oktober 2001 zurückgewiesen. Dazu ist ausgeführt, Form und Farbe entsprächen üblichen Pralinen. Damit fehle jegliche Unterscheidungskraft. Der Verbraucher sei an entsprechende Gestaltungen bzw. an das Bestreben der Anbieter, abwechselnde Formen zu schaffen, gewöhnt.

Hiergegen wendet sich der Anmelder mit der Beschwerde. Er führt aus, die Rosette, die nicht den Fuß sondern die Oberseite der Praline darstelle, sei auf dem vorliegenden Warengebiet unterscheidungskräftig. Die Gestaltung sei aufwendig herzustellen. Hier bestehe keine besondere Formenvielfalt.

Er beantragt, den Beschluss vom 1. Oktober 2001 aufzuheben und die angemeldete Marke einzutragen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Dem begehrten Schutz für die Bundesrepublik Deutschland stehen keine Versagungsgründe entgegen.

Die Form einer Ware ist gem. § 3 Abs. 1 MarkenG als Marke schutzfähig (vgl. BGH MarkenR 2001, 71 - Stabtaschenlampe); der Schutzausschließungsgrund des § 3 Abs. 2 MarkenG liegt nicht vor. Darunter fallen nur Formen, die durch die Art der Ware selbst bedingt oder die zur Herstellung einer technischen Wirkung erforderlich sind oder die der Ware wesentlichen Wert verleihen. Nichts davon ist hier der Fall; die Form ist weder durch die Ware an sich noch durch deren Herstellungstechnik vorgegeben, wie divergierende auf dem Markt befindliche Darreichungsformen zeigen; die Form verleiht der Praline auch keinen besonderen Wert (vgl. BGH MarkenR 2001, 67 - Gabelstapler; GRUR 2001, 56 - Likörflasche).

Die naturgetreue Wiedergabe einer beanspruchten Ware ist als solche geeignet, diese ihrer betrieblichen Herkunft nach zu individualisieren (vgl. BGHZ 130, 187, 192 - Füllkörper; BGH GRUR 1997, 527, 529 - Autofelge), wenn die Ware selbst Gestaltungsmerkmale aufweist, die herkunftshinweisend wirken (vgl. BGH GRUR 2001, 734 - Jeanshosentasche). Bereits eine geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden. Höhere Anforderungen sind auch bei dreidimensionalen Marken nicht zu stellen.

Es ist damit allein zu prüfen, ob die die Ware abbildende Form keinerlei über die einfache Abbildung von Pralinen hinausgehenden Charakteristika aufweist oder ob sie aus sonstigen Gründen nur als solche und nicht als Herkunftshinweis verstanden wird. Dabei werden die Anforderungen an die Unterscheidungskraft nicht erst durch eigentümliche und originelle Formen erfüllt (BGH aaO - Likörflasche).

Die Form der Rosette und das darauf befindliche Muster geben keinerlei beschreibende Hinweise auf die beanspruchten Waren. Gleiches gilt für die gegenüber dem Pralinenkörper dunklere Farbe der Rosette und für die gewellte Oberfläche des Pralinenkörpers. Bei diesen Gestaltungselementen handelt es sich auch nicht um einfache Motive oder geometrische Formen, die üblicherweise in bloß schmückender Form verwendet werden (vgl. BGH GRUR 1999, 495 - Etiketten). Dass der Verbraucher in ihnen keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht, kann nicht festgestellt werden.

Ist auf dem Markt eine Formenvielfalt feststellbar, so ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass der Verkehr einer in dieser Vielfalt untergehenden Form keinen Herkunftshinweis entnimmt; etwas anderes gilt jedoch hier, weil der Verkehr daran gewöhnt ist, dass bestimmte Schokoladewaren durch die Form unterscheidbar sind, zumal die Form auch außerhalb der Verpackung sichtbar bleibt und für die Verbraucher kennzeichnend wirken kann. Dass die angemeldete Form von Dritten verwendet wird, ist nicht feststellbar.

Zwar weisen verschiedene Pralinen Abflachungen auf, die sich allein aus dem Herstellungsvorgang ergeben. Die Pralinen werden nämlich oft in noch verformbaren Zustand in Schokostreuseln oder sonst abgestellt, wobei sich der "Fuß" abflacht. Dies hat mit einer aufgesetzten Platte jedoch nichts zu tun.

Da einige Gestaltungsmerkmale nicht rein beschreibend sind, fällt die angemeldete Marke auch nicht unter § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, der Marken von der Eintragung ausschließt, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder zur Bezeichnung deren sonstiger Merkmale dienen können.

Zwar neigt die Rechtsprechung (BGH MarkenR aaO - Gabelstapler, - Stabtaschenlampen, - Rado-Uhr) dazu, Markenschutz bei Formmarken nur bei Verkehrsdurchsetzung zu gewähren, da der durch das Markengesetz gewährte Dauerschutz zu einer Einengung des Gestaltungsspielraums führen kann. Es muss sich dabei aber um einen rechtlich relevanten Gestaltungsspielraum handeln. Wenn - wie hier - den Mitbewerbern der Formenschatz nahezu unbeschränkt erhalten bleibt, ist ein schutzausschließendes Freihaltungsbedürfnis auch zu verneinen, wenn man der Auffassung des Bundesgerichtshofs folgt.

Ferner dürfen die speziellen Marktverhältnisse in Bezug auf die beanspruchten Waren nicht außer Acht gelassen werden. Unter diesem Aspekt sind im konkreten Fall die Anhaltspunkte für ein aktuelles oder zukünftiges Freihaltungsbedürfnis nicht ausreichend sicher. Warengestaltungen, die nicht das funktionale oder ästhetische Erscheinungsbild der Ware als solches betreffen, sondern eine hiermit in keinem inneren Zusammenhang stehende, also hiervon gleichsam losgelöste Form aufweisen, haben sich von den dem Freihaltungsbedürfnis zu Grunde liegenden Gedanken deutlich genug entfernt, so dass die Interessen der Mitbewerber nicht mehr ernsthaft tangiert werden. Diese Besonderheit sieht der Senat hier jedenfalls in der Kombination der Gestaltungsmerkmale (andersfarbige Rosette, welliger Körper und Rosettenmuster). Die wellige Form des Pralinenkörpers ist in seiner konkreten Ausgestaltung nur schwer beschreibbar und ohne zeichnerische Vorlage kaum wiederholbar (vgl. BGH BlPMZ 2001, 58 - Zahnpastastrang).

Die wörtlich aus Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL übernommene Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gebietet die Versagung der Eintragung auch dann, wenn eine noch nicht feststellbare Benutzung als Sachangabe jederzeit erfolgen kann (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 - Chiemsee; BGH WRP 2001, 692, 694 - Test ist). Hier ist jedoch keine Tendenz, Pralinen in der angemeldeten Form (die an eine Mohnkapsel erinnert) anzubieten, mit hinreichender Sicherheit prognostizierbar. Aus der Herkunft der Form aus dem Bereich der Flora kann darauf nicht geschlossen werden, weil keine Tendenz feststellbar ist, Süßwaren in der Form von Blütenteilen anzubieten.

Winkler Klante Dr. Albrecht Hu Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/32W(pat)1-02.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 17.07.2002
Az: 32 W (pat) 1/02


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