Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Februar 2003
Aktenzeichen: 26 W (pat) 58/02

(BPatG: Beschluss v. 19.02.2003, Az.: 26 W (pat) 58/02)

Tenor

1. Anläßlich der Beschwerde wird der Tenor des angegriffenen Beschlusses der Markenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 05. Februar 2002 dahingehend berichtigt, daß die Registernummer der Widerspruchsmarke "399 46 307" lautet.

2. Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag des Inhabers der angegriffenen Marke auf Kostenauferlegung wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren und Dienstleistungen

"Fahrzeuge; Reparatur von Fahrzeugen; Vermietung von Fahrzeugen"

unter der Nummer 300 80 140 eingetragene Marke ADW ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 399 46 307 siehe Abb. 1 am Endedie für die Waren

"Technische Öle, Fette und Schmiermittel, technische Brennstoffe einschließlich Kraftstoffe; Einzelteile für Motoren (ausgenommen für Motoren von Landfahrzeugen); Fahrzeuge, Kupplungs- und Antriebsvorrichtungen für Fahrzeuge; Druckereierzeugnisse"

eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 37 hat diesen Widerspruch durch Beschluß eines Beamten des gehobenen Dienstes zurückgewiesen, da keine Verwechslungsgefahr bestehe. Hinsichtlich der Ware "Fahrzeuge" müsse bei einem Vergleich der beiden Marken Identität festgestellt werden. Zwischen der Ware "Fahrzeuge" der Widerspruchsmarke und den Dienstleistungen "Reparatur von Fahrzeugen; Vermietung von Fahrzeugen" der jüngeren Marke bestehe Ähnlichkeit. Trotz dieser festgestellten Identität bzw Ähnlichkeit und den daraus folgenden Anforderungen an den Zeichenabstand bestehe zwischen den Vergleichszeichen ein ausreichender Abstand. Hinreichende Unterschiede lägen bereits im Gesamteindruck vor. Auch wenn man bei der älteren Wort-Bild-Marke von einer Benennung mit dem Wort- bzw Buchstabenteil "ad" ausgehe, könne eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden. Dies gelte sowohl bei einer Aussprache der Widerspruchsmarke als einheitliches Wort als auch bei einer buchstabengetreuen Aussprache, denn angesichts der Kürze der beiden Wortfolgen würden die Abweichungen leichter bemerkt werden. Im Beschlußtenor wurde die Widerspruchsmarke richtig dargestellt, ihre Registernummer allerdings mit "399 61 767" angegeben.

Gegen den Beschluß wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Der Markenstelle sei zwar bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit beizutreten, bei der Anwendung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigenden Grundsätze sei ihr jedoch ein Irrtum unterlaufen. Die angegriffene Marke werde nicht als Wort, sondern als Buchstabenfolge "A-DE-WE" ausgesprochen. Dasselbe gelte aber auch für die Widerspruchsmarke. Diese werde entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht wie "ad" artikuliert, sondern wie "ade". Komme bei der Aussprache "ad" der Buchstabe "d" nur schwach zur Geltung, so erhalte die Widerspruchsmarke bei der Aussprache "ade" eine wesentlich freundlichere Note. "ade" und "A-DE-WE" aber seien klanglich sehr ähnlich. Angesichts der Identität des Vokals "E" bei "DE" und "WE" trete der letztgenannte Konsonant "W" in den Hintergrund, was angesichts der vorhandenen Warengleichheit und -ähnlichkeit lautlich eine erhöhte Verwechslungsgefahr begründe.

Demgegenüber vertritt der Markeninhaber die Auffassung, daß eine Verwechslungsgefahr keinesfalls bestehe. In optischer Hinsicht stünden sich eine Wort- und eine Wort-Bild-Marke gegenüber. Auch in phonetischer Hinsicht bestünden ausreichende Unterschiede, denn die Widerspruchsmarke bestehe nur aus zwei Buchstaben, die zudem klein geschrieben seien, während die jüngere Marke aus drei Großbuchstaben bestehe. Gerade aber durch die Aussprache des dritten Buchstabens ergäben sich deutliche klangliche Unterschiede. Dabei könne sogar dahingestellt bleiben, ob die Widerspruchsmarke tatsächlich als Folge von Einzelbuchstaben oder als Wort gesprochen werde. Bei Begriffen, die nicht als Wörter, sondern als Buchstaben gesprochen würden, sei nämlich im klanglichen Bereich die Unterscheidbarkeit zwischen solchen aus zwei und solchen aus drei Buchstaben am größten. Außerdem handle es sich bei dem Buchstaben "W" nicht lediglich um einen schwachen Schlußkonsonanten. Rein vorsorglich werde noch darauf hingewiesen, daß es auch noch an der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen fehle.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig (§ 165 Abs 4 iVm § 66 MarkenG). In der Sache konnte sie aber keinen Erfolg haben, denn zwischen den Vergleichszeichen besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Insbesondere kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/ TISSERAND).

Im Umfang der Waren "Fahrzeuge" besteht Warenidentität, hinsichtlich der Waren "Technische Öle, Fette und Schmiermittel, technische Brennstoffe einschließlich Kraftstoffe; Einzelteile für Motoren (ausgenommen für Motoren von Landfahrzeugen); Fahrzeuge, Kupplungs- und Antriebsvorrichtungen für Fahrzeuge" auf seiten der Widerspruchsmarke dürfte eine Ähnlichkeit im weiteren Sinne zu den Dienstleistungen "Reparatur von Fahrzeugen; Vermietung von Fahrzeugen" der angegriffenen Marke zu bejahen sein. Dies braucht jedoch nicht im einzelnen festgestellt zu werden, denn auch unter Zugutehalten einer mittleren Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie einer teilweisen Warenidentität und (im übrigen) Warenähnlichkeit halten die Vergleichszeichen in jeder Hinsicht einen noch ausreichenden Abstand voneinander ein.

Bei der kombinierten Widerspruchsmarke ist in der Regel von einer Benennung mit der Buchstabenfolge "ad" auszugehen, denn der Bildbestandteil hat keinen das Zeichen ausschließlich beherrschenden Charakter (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdnr 194). Auch dann ist jedoch nicht mit klanglichen Verwechslungen in rechtserheblichem Umfang zu rechnen. Wird die Buchstabenfolge "ad" als einheitliches Wort ausgesprochen, dann sind die Unterschiede zu dem als Folge von Einzelbuchstaben artikulierten jüngeren Zeichen "ADW" augenfällig. Dann stehen sich nämlich ein kurz und hart gesprochenes Einzelwort ("ad") und die Lautfolge "A-DE-WE" gegenüber. Bei einer klanglichen Gegenüberstellung der Vergleichsmarken ist nämlich zu berücksichtigen, daß die jüngere Marke nicht als reine Konsonantenfolge wiedergegeben wird, sondern daß die jeweiligen Konsonanten zur besseren Aussprechbarkeit und Verständlichkeit mit einem jeweils angehängten Vokal gesprochen dh "vokalisiert" werden, wie dies dem Verkehr von der üblichen Aussprache einzelner Konsonanten her geläufig ist. Damit aber erscheint die jüngere Marke wie ein dreisilbiges Wort, dem die lediglich einsilbige Widerspruchsmarke gegenübersteht.

Auch bei einer Aussprache der Widerspruchsmarke als eine Folge von Einzelbuchstaben ist keine Verwechslungsgefahr zu befürchten. Dann nämlich stehen sich die dreisilbige angegriffene Marke "A-DE-WE" und das zweisilbige Widerspruchszeichen "ade" gegenüber. Zwar stimmt dann die Widerspruchsmarke in klanglicher Hinsicht mit dem Anfang der jüngeren überein, sie unterscheiden sich jedoch in der Lautfolge "-WE". Angesichts der Kürze der Vergleichszeichen ist dieser Unterschied trotz seiner Stellung am Wortende so beachtlich, daß insgesamt auch im Umfang der identischen Waren keine Verwechslungsgefahr besteht. Dies gilt um so mehr, als die Betonung der jüngeren Marke regelmäßig am Wortende liegen wird, wie die übliche Aussprache ähnlich gebildeter Buchstabenfolgen wie "BGB" (BE-GE-BE), "SPD" (ES-PE-DE), "KKW" (KA-KA-WE) oder "AKG" (A-KA-GE) zeigt. Hinzu kommt, daß nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher im Auge hat (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdnr 82), stärker die unterscheidenden und dominanten Elemente zu berücksichtigen sind (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdnr 86).

Auch schriftbildliche Verwechslungen sind nicht ersichtlich, da sich die Vergleichszeichen in ihrem Gesamteindruck ausreichend unterscheiden. Dies gilt auch dann, wenn die Zeichen jeweils in ihrem Buchstabenverlauf einander gegenübergestellt werden, da sich angesichts der Kürze der Buchstabenfolgen die Unterschiede im Verhältnis deutlich bemerkbar machen. Anhaltspunkte für begriffliche oder sonstige Verwechslungen sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Damit mußte der Beschwerde der Widersprechenden der Erfolg versagt bleiben.

Der Antrag des Inhabers der angegriffenen Marke, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen (§ 71 Abs 1 MarkenG), konnte keinen Erfolg haben. Grundsätzlich hat jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst zu tragen. Ein Abweichen von diesem Grundsatz erfordert das Vorliegen besonderer Umstände. Solche von der Norm abweichenden Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt oder dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 71 Rdnr 16 ff). Ein solcher Fall liegt nicht vor. Vielmehr kann es der beschwerdeführenden Widersprechenden nicht verwehrt werden, eine von der Vorinstanz getroffene Entscheidung im Rahmen des rechtlich Zulässigen überprüfen zu lassen. Dabei liegt eine Situation, die die Aussichtslosigkeit dieses Begehrs von vornherein eindeutig macht, nicht vor, da zumindest einige rechtliche Gesichtspunkte die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht von vornherein abwegig machen. Im übrigen hat auch der Markeninhaber selbst keine Begründung seines Antrags auf Kostenauferlegung gegeben.

Im Zusammenhang mit der eingelegten Beschwerde war (in entsprechender Anwendung von § 80 Abs 1 MarkenG) der angefochtene Beschluß insoweit zu berichtigen, als die Registernummer der Widerspruchsmarke im Tenor unzutreffend wiedergegeben worden ist.

Albert Reker Eder Fa Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/26W(pat)58-02.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 19.02.2003
Az: 26 W (pat) 58/02


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