Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 22. November 2013
Aktenzeichen: 6 U 91/13

(OLG Köln: Urteil v. 22.11.2013, Az.: 6 U 91/13)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. April 2013 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 588/12 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)

I.

Die Parteien sind Anbieter augenärztlicher Leistungen. Der Kläger betreibt eine augenärztliche Praxis in F, die ihre Leistungen bundesweit anbietet, wobei die Patienten vor allem aus dem L Raum stammen. Er führt unter anderem Augenoperationen durch, teilweise ambulant, teilweise aber auch stationär in seiner Augenbelegabteilung.

Die Beklagte betreibt in C eine Augenklinik. Betreiberin der Klinik war zunächst die Augenklinik E GmbH. Im Frühjahr 2012 nahm diese einen Rechtsformwechsel in eine AG vor. Im Herbst 2012 verschmolz die österreichische V1 KPRA AG auf die Augenklinik E AG als aufnehmende Rechtsträgerin. Im Zuge der Verschmelzung nahm die Gesellschaft - die Beklagte - die Rechtsform der SE (Societas Europaea) an.

Die Augenklinik E GmbH bot einen kostenlosen Fahrdienst für diejenigen Patienten an, die sich einer Augenoperation unterziehen. Dazu wurden die Patienten an bestimmten Sammelstellen abgeholt und nach der Operation nach Hause gefahren. Der Kläger ließ die Augenklinik E GmbH wegen des Angebots des Fahrdienstes mit Schreiben vom 15. 11. 2011 abmahnen. Auf Antrag des Klägers untersagte ihr das Landgericht Köln mit einstweiliger Verfügung vom 12. 12. 2011 - 31 O 736/11 - das Angebot des kostenlosen Fahrdienstes. Widerspruch wurde zwar eingelegt, aber nicht begründet. Eine Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung blieb erfolglos.

Der Kläger hat behauptet, das Anbieten eines solchen Fahrdienstes sei nicht handelsüblich, die Unikliniken L, C und B böten einen solchen jedenfalls nicht an.

Der Kläger hat beantragt,

a) die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Patienten, die zur Diagnostik oder zur Operation die Augenklink der Beklagten in C aufsuchen müssen, ohne Berechnung von Kosten einen Fahrdienst anzubieten und/oder zur Verfügung zu stellen, bei dem Patienten abgeholt und zur Augenklinik der Beklagten gebracht werden sowie nach der Behandlung wieder nach Hause zurückgebracht werden.

b) an ihn 1.641,96 EUR Abmahnkosten nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vertreten, bei dem Fahrdienst handele es sich um eine handelsübliche und angemessene Nebenleistung im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG; zum Beleg hat sie eine Reihe von Internetausdrucken vorgelegt (Anlagen B1 - B27, Bl. 57 ff. d. A.). Der kostenlose Fahrdienst sei sogar gesetzlich vorgesehen, wie § 1 Nr. 4 e FrStllgVO zeige, nach dem kostenlose Fahrten zu Kliniken vom PBefG freigestellt sind. Die Kosten, umgerechnet auf die einzelnen Patienten, seien geringer als diejenigen für eine entsprechende Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Schließlich stelle das von dem Kläger erstrebte Verbot einen unzulässigen Eingriff in Art. 12 GG dar, da das Angebot nicht einmal zu einer mittelbaren Gesundheitsgefährdung der angesprochenen Patienten führe. Schließlich fehle es infolge der gesellschaftsrechtlichen Veränderungen an einer Wiederholungsgefahr, da sie gegenüber der Augenklinik E GmbH eine neue Rechtspersönlichkeit sei. Hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der Abmahnkosten hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt; lediglich hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruches hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Unterlassungsanspruch sei gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG in Verbindung mit § 7 HWG begründet. Es liege eine produktbezogene Werbung und nicht eine allgemeine Imagewerbung vor, da zwischen den Parteien unstreitig sei, dass die Beklagte den Fahrdienst in Bezug auf konkrete Operationen anbiete und dieser sich daher auf bestimmte Leistungen beziehe. Es liege auch keine handelsübliche Nebenleistung zu den Leistungen der Beklagten vor. Die Beklagte habe zwar eine Reihe von Ausdrucken aus dem Internet vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass in insgesamt 27 Fällen medizinische Einrichtungen kostenlose Fahrdienste anbieten würden. Zum einen handele es sich dabei um medizinische Einrichtungen der unterschiedlichsten Art; zum anderen folge angesichts der großen Zahl medizinischer Einrichtungen, dass selbst bundesweit 27 Angebote dieser Art nicht geeignet wären, die Handelsüblichkeit zu belegen. Die Werbebeschränkungen des HWG seien auch verfassungsrechtlich zulässig. Schließlich bestehe auch eine Wiederholungsgefahr, da im vorliegenden Fall durch die gesellschaftsrechtlichen Vorgänge auf Seiten der Beklagten keine Änderung im Bereich der Geschäftsleitung eingetreten sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte weiter das Ziel der Klageabweisung. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landgerichts, soweit es der Klage stattgegeben hat, aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts an das Landgericht Köln zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, soweit der Klage stattgegeben worden ist, unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der allgemein gefasste Antrag, der auf keine konkrete Verletzungsform Bezug nimmt, ist nicht zu unbestimmt. Zwar wird in ihm auch der Begriff des "Anbietens" aus dem Verbotstatbestand des § 7 Abs. 1 HWG wiederholt. Dieser Begriff ist jedoch hinreichend konkret und eindeutig, und zwischen den Parteien ist auch nicht im Streit, welches konkrete Verhalten der Beklagten von ihm erfasst sein soll, so dass unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken gegen die Bestimmtheit des Antrags bestehen (vgl. BGH, GRUR 2010, 749 Tz. 21 - Erinnerungswerbung im Internet). Streitig ist zwischen den Parteien insoweit nur, ob es sich bei diesem Angebot um eine produktbezogene Werbung im Sinn des § 7 Abs. 1 HWG handelt.

2. Der Antrag des Klägers ist aber, wie der Senat mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert hat, zu weit gefasst, da er auch Verhaltensweisen umfasst, die keinen Unterlassungsanspruch nach §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 7 Abs. 1 HWG auslösen.

a) Bei § 7 Abs. 1 HWG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinn des § 4 Nr. 11 UWG (BGH, GRUR 2006, 949 Tz. 25 - Kunden werben Kunden; GRUR 2009, 1082 Tz. 21 - DeguSmiles & more). Sie ist auch mit vorrangig anzuwendendem europäischem Recht vereinbar. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Verbot des § 7 Abs. 1 HWG in der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. 11. 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABlEG Nr. L 311 v. 28. 11. 2001, S. 67, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2008/29/EG (ABlEG Nr. L 81 v. 20. 3. 2008, S. 51) keine Entsprechung hat und dass nach der Rechtsprechung des EuGH mit der Richtlinie 2001/83/EG auf dem Gebiet der Arzneimittelwerbung eine vollständige Harmonisierung erfolgt ist (EuGH, GRUR 2008, 267 Tz. 39 u. 62 - Gintec; BGH, GRUR 2009, 1082 Tz. 23 - DeguSmiles & more). Der vorliegende Fall betrifft nicht Werbung für Arzneimittel im Sinn der genannten Richtlinien, sondern Werbung für sonstige Verfahren und Behandlungen im Sinn von § 1 Nr. 2 HWG, für die keine spezifischen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ergangen sind.

b) Allerdings unterfällt nicht jede Werbung für Verfahren und Behandlungen im Sinn von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG den Bestimmungen dieses Gesetzes. Einbezogen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes ist nur die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung), nicht hingegen die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Verfahren und Behandlungen für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt. Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes entscheidenden Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Verfahren und Behandlungen im Vordergrund steht (BGH, GRUR 2003, 353, 355 f. - Klinik mit Belegärzten m. w. N.).

Diese Grundsätze gelten auch für die in § 7 HWG geregelte Werbung mit Werbegaben:

"In den Geltungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes einbezogen ist allein die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung), nicht dagegen die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Produkte für das Ansehen und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt. Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes entscheidenden Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt danach maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht. Diese Grundsätze gelten insbesondere auch für die in § 7 HWG geregelte Werbung mit Werbegaben. Die Bestimmung des § 7 HWG ist daher nur dann anwendbar, wenn gewährte Werbegaben sich aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs als Werbung für konkrete Heilmittel darstellen" (BGH, GRUR 2009, 1082 Tz. 15 - DeguSmiles & more m. w. N., Hervorhebung nicht im Original; so schon BGH, GRUR 1990, 1041, 1042 - Fortbildungskassetten; ferner OLG Hamburg, GRUR-RR 2013, 482, 483 - Test unter Alltagsbedingungen; Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand: Juni 2009, § 7 HWG Rn. 17).

Wann der danach erforderliche Produktbezug vorliegt, wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte teilweise differenziert gesehen: Einerseits wird Produktbezug bereits angenommen, wenn sich die Werbemaßnahme auf das gesamte Sortiment eines Anbieters bezieht (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2005, 393 - Barrabatt für Hörgeräte; so auch für einen Sonderfall OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2008, 84, 86 - Ärztebroschüre); andererseits wird der Bezug zu einem bestimmten Produkt verlangt (OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 2005, 137, 138). In späteren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof eine auf das gesamte Sortiment einer Apotheke bezogene Werbung allerdings als "Imagewerbung" und nicht als produktbezogen bezeichnet (Urteile vom 9. 9. 2010; I ZR 37/08 - juris Tz. 21 - Einkaufsgutschein; I ZR 125/08 - juris Tz. 20 - Bonussystem; I ZR 25/09 - juris Tz. 22 - Bonus-Taler; vgl. Brixius, in: Bülow u. a., HWG, 4. Aufl. 2012, § 7 Rn. 14).

c) Im vorliegenden Fall möchte der Kläger der Beklagten, ohne Bezug auf eine konkrete Verletzungsform, nicht die Werbung mit dem Fahrdienst, sondern allgemein das Angebot oder Zurverfügungstellen eines Fahrdienstes untersagen lassen. Es erscheint dabei bereits bedenklich, dass der Kläger jegliches Angebot oder Zurverfügungstellen (worunter bereits die tatsächliche Durchführung verstanden werden kann) untersagen lassen möchte. Dies deckt sich zwar mit dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 HWG, in dem bereits das Angebot oder das Gewähren von Zuwendungen oder Werbegaben untersagt wird. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst die Vorschrift aber nur Zuwendungen und Werbegaben, die auch zum Zweck der Werbung eingesetzt werde. Es spricht daher aus Sicht des Senats vieles dafür, dass das rein tatsächliche Angebot der Beklagten, Patienten einen Fahrdienst zur Verfügung stellen, ohne ihn zu bewerben, bereits nicht unter § 7 Abs. 1 HWG fällt, selbst wenn dies im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs erfolgt. Um das Beispiel des Senats aus der mündlichen Verhandlung aufzugreifen: Wenn einem Patienten, der sich zur Behandlung in der Klinik der Beklagten entschlossen hat, im Anschluss an das Vorstellungsgespräch und nach Vereinbarung eines Behandlungstermins erstmals angeboten wird, dass er für den Behandlungstermin einen Fahrdienst in Anspruch nehmen kann, erscheint es fraglich, ob in diesem "Angebot" Werbung zu sehen ist. Auch der Umstand, dass das - nicht beworbene - Angebot im Wege der "Mundpropaganda" bekannt werden mag, stellt sich nicht als Werbung dar.

d) Auf jeden Fall erfasst der Antrag des Klägers aber nicht nur produktbezogene, sondern auch unternehmensbezogene Werbung. Die von der Rechtsprechung geforderte Beurteilung nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung ist im vorliegenden Fall nicht möglich, da sich der Kläger nicht auf eine konkrete Werbeaussage bezieht. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem des OLG Düsseldorf (GRUR-RR 2013, 130, 131 - Shuttle-Service), in dem eine Augenärztin mit dem Fahrdienst in Bezug auf konkrete Verfahren und Behandlungen geworben hatte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat dort allerdings weiter ausgeführt, die Werbung für ärztliche Leistungen wie Operationen unterscheide sich grundlegend von der Werbung für beispielsweise Medikamente. Während es bei Medikamenten grundsätzlich gleichgültig sei, in welcher Apotheke sie erworben würden, stehe einer ärztlichen Behandlung gerade die Person des Arztes im Vordergrund. Dies habe zur Folge, dass die Bewerbung einer ärztlichen Leistung in der Regel "produktbezogen" sei, da mit ihr das Angebot eines bestimmten Behandlers beworben werde. Diese Aussage, bei der es sich im Hinblick auf den konkreten, vom OLG Düsseldorf zu beurteilenden Fall um ein obiter dictum handelt, ist allerdings nur schwer zu vereinbaren mit den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dem Urteil vom 31. 10. 2002 (GRUR 2003, 353, 355 f. - Klinik mit Belegärzten), in dem er gerade im Hinblick auf die Werbung einer Klinik, wie sie auch im vorliegenden Fall gegeben ist, die Möglichkeit unternehmensbezogener Werbung erörtert hat. Zutreffend ist daher insoweit ein Urteil des OLG Rostock (vom 14. 3. 2012 - 2 U 22/10 - zitiert nach juris - Kliniktaxi), das ausgeführt hat, die Werbung für einen bestimmten Behandler stelle gerade eine nach der Rechtsprechung des BGH zulässige unternehmensbezogene Werbung dar, so dass die Werbung einer Klinik mit einem Fahrdienst gerade keine produktbezogene Werbung darstelle (a. a. O. Tz. 34). Ob dies auch dann zutrifft, wenn in der Werbung gleichzeitig das Leistungsspektrum der Klinik vorgestellt wird, wie es das OLG Rostock angenommen hat (vgl. dagegen wiederum BGH, GRUR 2003, 353, 355 f. - Klinik mit Belegärzten), kann im vorliegenden Fall nicht entschieden werden, da der Kläger gerade keine konkrete Werbemaßnahme zur Beurteilung gestellt hat.

Es ist daher möglich, dass eine Klinik unternehmensbezogene Werbung betreibt, die nicht unter § 7 Abs. 1 HWG fällt. Würde die Beklagte daher beispielsweise Werbung betreiben, in der sie das Angebot des kostenlosen Fahrdienstes alleine als Beleg für eine patienten- und serviceorientierte Grundeinstellung aufführt, ohne gleichzeitig konkrete Verfahren oder Operationen zu benennen, wäre dies zulässig.

Entgegen der Ansicht des Klägers genügt es daher nicht, dass er das Angebot des Fahrdienstes (nur) für Patienten, "die zur Diagnostik oder zur Operation die Augenklink der Beklagten aufsuchen müssen", beanstandet. Auch in dieser Form vernachlässigt der Antrag, dass nach der zitierten Rechtsprechung lediglich die produktbezogene Werbung mit Zugaben unzulässig ist. Anders, als der Kläger meint, wird dadurch auch nicht eine konkrete Gefährdung der unbeeinflussten Entscheidungsfindung des Verbrauchers zur Voraussetzung des § 7 Abs. 1 HWG. Der Kläger übersieht - so auch in dem Schriftsatz vom 6. 11. 2013 - dass die Vorschrift in der Auslegung, die sie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefunden hat, kein abstraktes Zuwendungsverbot, sondern ein Verbot der Werbung mit Zuwendungen ausspricht. Sie ist danach nur auf die produktbezogene Werbung anzuwenden, weil nur in diesen Fällen die Gefahr unsachlicher Einflussnahme - abstrakt - besteht. Bei unternehmensbezogener Werbung oder Verhaltensformen, die sich nicht als Werbung darstellen, fehlt es bereits an dieser abstrakten Gefährdung.

Bei den vorstehenden Überlegungen handelt es sich auch nicht um rein theoretische Erwägungen. Weder im vorliegenden Verfahren noch in dem vorausgegangenen Verfügungsverfahren konnte der Kläger eine konkrete Werbung der Beklagten beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin mit dem Fahrdienst vorlegen. In dem Verfügungsverfahren ist lediglich erwähnt worden, dass eine mit der Beklagten verbundene Gesellschaft mit dem Fahrdienst geworben habe, ohne dass dies näher konkretisiert worden ist (Bl. 3 d. A. 31 O 736/11 LG Köln). Bei dem dort vorgelegten Zeitungsausschnitt, in dem der Fahrdienst erwähnt wird (Bl. 14) handelt es sich nicht um Werbung, sondern um einen redaktionellen Beitrag. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist seitens des Klägers eingeräumt worden, dass ihm keine Werbemaßnahmen der Beklagten beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin mit Bezug auf den Fahrdienst bekannt geworden sind. Es lässt sich daher nicht von der Hand weisen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten bewusst auf Werbung mit diesem Angebot verzichtet hat.

Der Antrag des Klägers erfasst daher auch zulässige Verhaltensweisen und ist damit zu weit gefasst. Eine Reduzierung auf unzulässige Verhaltensweisen - die produktbezogene Werbung mit dem Fahrdienst - ist nicht möglich, da eine entsprechende Fassung zu unbestimmt wäre. Eine Reduzierung auf eine konkrete Verletzungsform scheidet aus, da der Kläger keine benannt hat. Die Klage ist in einem solchen Fall insgesamt abzuweisen (BGH, GRUR 2008, 886, 887 - Erbenermittler).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage, wann die Werbung einer Klinik mit Zuwendungen oder Werbegaben sich als produktbezogene Werbung im Sinn des § 7 Abs. 1 HWG darstellt, zugelassen.






OLG Köln:
Urteil v. 22.11.2013
Az: 6 U 91/13


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