Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. November 2008
Aktenzeichen: 30 W (pat) 7/08

(BPatG: Beschluss v. 24.11.2008, Az.: 30 W (pat) 7/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In der Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 24. November 2008 (Aktenzeichen 30 W (pat) 7/08) werden die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. August 2007 und vom 30. Oktober 2007 aufgehoben. Der Widerspruch gegen die Marke EU 899 997 wird abgelehnt.

Die Wortmarke "123soft" wurde am 22. Dezember 2004 für die Waren "Software, insbesondere für Betankungsanlagen" in das Markenregister eingetragen. Die Inhaberin der älteren Marke EU 899 997 für die Waren "Computersoftware; Druckereierzeugnisse in Bezug auf Computersoftware" hat dagegen Widerspruch erhoben. Die Markenstelle hat die angegriffene Marke aufgrund von Verwechslungsgefahr gelöscht, da bei Warenidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft kein ausreichender Markenabstand besteht.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat gegen diese Beschlüsse Beschwerde eingelegt. Sie argumentiert, dass die Zahlenfolge "1-2-3" der älteren Marke sehr kennzeichnungsschwach sei und dass der Bestandteil "soft" in der angegriffenen Marke eine erhebliche Bedeutung habe. Die angegriffene Marke bilde einen einheitlichen Gesamtbegriff.

Das Bundespatentgericht kommt zu dem Schluss, dass keine Gefahr von Verwechslungen zwischen den Marken besteht. Es wird festgestellt, dass die Zahl "123" in der angegriffenen Marke auch in Einzelziffern "eins, zwei, drei" verstanden werden kann. Durch die zusätzlichen Trennstriche zwischen den Ziffern entsteht jedoch ein anderer Sinngehalt, der darauf hinweist, dass es sich um Softwareanwendungen handelt, die schnell und einfach eingerichtet oder verwendet werden können.

Es wird weiterhin argumentiert, dass die angegriffene Marke in ihrer Gesamtheit ausreichend von der älteren Marke unterscheidbar ist. Auch wenn ein Teil des Verkehrs die Zahl "123" als Aneinanderreihung der Grundzahlen eins, zwei, drei versteht, führt dies nicht zu einer mittelbaren Verwechslungsgefahr. Zudem besteht keine Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.

Aufgrund dieser Argumente wird die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke als erfolgreich angesehen und die Beschlüsse der Markenstelle aufgehoben. Es wird keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken festgestellt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 24.11.2008, Az: 30 W (pat) 7/08


Tenor

Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 9. August 2007 und vom 30. Oktober 2007 aufgehoben. Der Widerspruch aus der Marke EU 899 997 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 24. Juli 2004 angemeldete Wortmarke 123softwurde am 22. Dezember 2004 unter der Nummer 304 42 856 für die Waren "Software, insbesondere für Betankungsanlagen"

in das Markenregister eingetragen.

Dagegen hat die Inhaberin der seit dem 7. April 2000 für die Waren

"Computersoftware; Druckereierzeugnisse in Bezug auf Computersoftware"

registrierten Marke EU 899 997 1-2-3 Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentund Markenamts hat die angegriffene Marke in zwei Beschlüssen -einer davon ist im Erinnerungsverfahren ergangen -wegen Verwechslungsgefahr gelöscht, da bei Warenidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der erforderliche deutliche Markenabstand nicht mehr eingehalten sei. Der Erstprüfer hat ausgeführt, die angegriffene Marke werde lediglich von der Zahlenkombination "123" geprägt, denn diese habe keine beschreibende Bedeutung, während der Markenteil "soft" vielfach als Synonym für Software verwendet werde und daher schutzunfähig sei. Die jüngere Marke bilde zudem keinen Gesamtbegriff. Die in der Widerspruchsmarke "1-2-3" enthaltenen Trennstriche würden jedenfalls bei mündlicher Wiedergabe nicht mitgesprochen, auch mit einer Aussprache der Zifferfolge in den Vergleichsmarken mit "einhundertdreiundzwanzig" sei nicht zu rechnen. Der Erinnerungsprüfer hat darüber hinaus ausgeführt, auch wenn das Element "1-2-3" als üblicher Hinweis auf einfach einzurichtende oder anzuwendende Programme beschreibenden Gehalt habe und kennzeichnungsschwach sei, so sei der weitere Bestandteil "soft" die unmittelbare und allgemein gebräuchliche Kürzelform der Gattungsbezeichnung "Software" und das angegriffene Zeichen sei genau für diese Warengattung eingetragen. Bei einer klanglichen Wiedergabe wirke das angegriffene Zeichen daher genau so wie die Bezeichnung der Gattung "Software" mit dem vorangestellten Widerspruchszeichen. Es bestehe daher eine hohe Gefahr, dass beide Zeichen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden.

Gegen diese Beschlüsse hat die Inhaberin der angegriffenen Marke Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die Ziffernfolge "1-2-3" der Widerspruchsmarke sei äußerst kennzeichnungsschwach, da diese Ziffernfolge für viele unterschiedliche Programme verwendet werde, um auf deren schnelle Einrichtung hinzuweisen. Dem Bestandteil "soft" in der angegriffenen Marke "123soft" komme daher erhebliche Bedeutung zu, "soft" sei auch nicht die übliche Abkürzung für Software, die angegriffene Marke bilde zudem einen einheitlichen Gesamtbegriff.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 9. August und vom 30. Oktober 2007 aufzuheben.

Die Widersprechende hat sich nicht in der Sache geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache Erfolg, da nach Auffassung des Senats nicht die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Marken gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st. Rspr. vgl. GRUR 2005, 513 -MEY/Ella May; WRP 2004, 1281 -Mustang; WRP 2004, 907 -Kleiner Feigling; WRP 2004, 1043 -NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

1. Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem eingeschränkten Schutzumfang der Widerspruchsmarke "1-2-3" aus.

Dabei ist bei reinen Zahlenkombinationen ohne jede graphische Ausgestaltung zunächst von der Erfahrung auszugehen, dass diese dem Verkehr regelmäßig eher nicht in kennzeichnender Funktion als Marke begegnen, sondern als Typen-, Mengen-, Größenoder Preisangaben usw. (vgl. BPatG 28 W (pat) 225/96 -442). Insbesondere für das Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung gilt, dass die ganz überwiegende Mehrzahl der angebotenen Produkte eine durch Zahlen ausgedrückte Typenbezeichnung aufweisen, wobei verschiedenste Ziffernfolgen in Gebrauch sind (vgl. BPatG 24 W (pat) 85/97 -9000).

Jedoch erscheint durch die Verwendung von Trennstrichen zwischen den einzelnen Ziffern die Ziffernfolge vorliegend nicht mehr als einheitliche Zahl "123", sondern als Aufzählung der Grundzahlen eins, zwei und drei. Durch diese spezielle Ausgestaltung wird die Widerspruchsmarke jedenfalls nicht als Mengen-, Größenoder Preisangabe bzw. Typenbezeichnung aufgefasst werden.

Eine solche Aufzählung der Grundzahlen eins, zwei, drei wird aber auch im übertragenen Sinne verwendet, um einen Start oder eine schnelle Erledigung zu umschreiben. So wird "1,2,3" in Zusammensetzungen im Sinne von "in leichten bzw. leicht handhabbaren Schritten zu erledigen" bzw. im Sinne von "im Handumdrehen zu bewältigen" verstanden, nämlich so schnell wie eben "1,2,3" abgezählt ist. So werden beispielsweise Zusammensetzungen verwendet wie "1,2,3 Erfolg", "1,2,3 auf den Tisch", um zu beschreiben, wie einfach oder schnell eine bestimmte Tätigkeit erledigt oder eine gewünschte Wirkung oder ein bestimmter Erfolg erzielt werden kann (vgl. 30 W (pat) 280/03 -1-2-3 Success/SAXES auf PAVIS PROMA CD-ROM). Auch im vorliegenden Fall ist der Ziffernfolge "1-2-3" in der vorliegenden Ausgestaltung auch in Alleinstellung ein entsprechender beschreibender Sinngehalt zu entnehmen. Nicht nur in Verbindung mit einem nachfolgenden weiteren Element, sondern auch in der Ausgestaltung mit Trennstrichen wird der Sinngehalt einer leichten und schnellen Einrichtung oder Anwendung (in nur drei Arbeitsschritten) hinreichend deutlich. Nach Feststellung des Senats wird diese Ziffernfolge "1-2-3" in diesem Sinne auch für Softwareanwendungen verwendet (vgl. z. B. "1-2-3: In drei Schritten zur eigenen Hochzeitszeitung unter www.123-hochzeitszeitung.de; 1-2-3 Fahrtenbuch unter Google.de; 1,2,3 -Einfach, schnell und leistungsstark -Online-Shops... unter www.pressebox.de;

1.

Schritt: Fotografieren, 2. Schritt: Gestalten, 3. Schritt: Bestaunen unter www.Photobook 123.de), so dass mit der Angabe "1-2-3" konkrete Eigenschaften von Softwareprodukten angesprochen werden können und die Widerspruchsmarke einer beschreibenden Angabe stark angenähert ist.

Der damit sehr eng bemessene Schutzumfang der Widerspruchsmarke beschränkt sich auf ihre die Eintragung noch rechtfertigende Eigenprägung (vgl. BGH GRUR 2003, 963, 965 AntiVir/AntiVirus).

2.

Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist von der Registerlage auszugehen. Bei den sich gegenüberstehenden Waren ist hinsichtlich der für die angegriffene Marke allein geschützten Software von identischen Waren auszugehen.

3.

Unter diesen Umständen sind insgesamt keine strengen Anforderungen mehr an den Markenabstand zu stellen, den die jüngere Marke in jeder Hinsicht einhält.

Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Dabei kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unterzieht (vgl. BGH a. a. O. NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die sich gegenüberstehenden Marken in ihrem Gesamteindruck ausreichende Unterschiede aufweisen.

a) In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Vergleichsmarken klar und unverwechselbar in allen für die Beurteilung des Gesamteindrucks wesentlichen Kriterien. Auch wenn die ältere Marke hinsichtlich der Einzelziffern des Zahlenelements nahezu identisch in der jüngeren Marke enthalten ist, bestehen auf Grund der zusätzlichen Trennstriche zwischen den ansonsten identischen Einzelziffern "1-2-3" und des weiteren Wortelements "-soft" sowohl klangliche wie schriftbildliche Unterschiede, die ausreichen, um auch für Durchschnittsverbraucher eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu verneinen. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden besteht nämlich keine Veranlassung, die in der angegriffenen Marke enthaltene Zahl "123" nicht als "einhundertdreiundzwanzig" auszusprechen. Eine Benennung in Einzelziffern "eins, zwei, drei" erscheint -da Trennstriche, Kommata oder sonstige Trennelemente fehlen -nicht nahe liegend.

b) Selbst unter Berücksichtigung eines Teils des Verkehrs, der die Zahl "123" in der angegriffenen Marke in Einzelziffern "1,2,3" benennt, kommt eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt, dass die Zahlenfolge "123" in der angegriffenen Marke allein kollisionsbegründend prägen würde, nicht in Betracht. Es handelt sich bei der angegriffenen Marke um eine Bezeichnung, die nur in ihrer Gesamtheit zu würdigen ist.

Zwar kommt bei mehrteiligen Marken eine Verwechslungsgefahr in Betracht, wenn Ähnlichkeiten in Einzelbestandteilen vorliegen, die die jeweilige Marke kollisionsbegründend prägen können. Dies ist der Fall, wenn der Bestandteil den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt, indem er eine selbständig kennzeichnende Funktion aufweist, und wenn die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. BGH GRUR 2000, 233, 234 -RAUSCH/ELFI RAUCH; GRUR 2002, 167, 169 -Bit/Bud; GRUR 2003, 880, 881 -City Plus;

a. a. O. -Mustang).

Diese Grundsätze lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf einheitlich zusammengeschriebene Markenwörter anwenden (vgl. BPatG GRUR 2002, 438, 440 -WISCHMAX/Max), wozu auch die angegriffene Marke zählt. Zwar sind als Kombinationsmarken im obengenannten Sinne nicht nur Marken zu verstehen, die mehrere getrennte Bestandteile aufweisen, sondern hierzu können auch zusammengefügte Marken zählen, die aus sonstigen Gründen (etwa aufgrund ihrer besonderen graphischen Gestaltung) sich als mehrgliedrig darstellen. Davon kann aber bei zusammengeschriebenen Wörtern in Normalschrift nicht ausgegangen werden, diese sind vielmehr nur in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. BGH GRUR 2003, 963 -AntiVir/AntiVirus).

Nichts anderes kann im vorliegenden Fall für die Zusammenschreibung einer Zahl und einem Wort gelten, da auch diese durch die Zusammenschreibung eine Einheit bilden. Bei der angegriffenen Marke ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, sie -abweichend von dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig ohne analysierende Betrachtungsweise aufnimmt (vgl. BGH GRUR 1999, 735, 736 -MONOFLAM/POLYFLAM; GRUR 2001, 1161, 1163 -CompuNet/ComNet; a. a. O. -Zwilling/Zweibrüder) -als mehrteilige Marke zu würdigen. Die Bezeichnung "123soft" wirkt im Hinblick auf die Zusammenschreibung in einem Wort als geschlossene Gesamtbezeichnung, in der keiner der beiden Markenbestandteile besonders in den Vordergrund oder in den Hintergrund tritt mit der Folge, dass eine gedankliche Zergliederung der angegriffenen Marke ausgeschlossen ist. Denn wenn man die Zahl "123" im Sinne von "eins, zwei, drei" versteht, sind die Einzelbestandteile in ihrem Sinngehalt aufeinander bezogen im Sinne einer in Einrichtung und Anwendung schnell und einfach zu handhabenden Software (wie unter 1. erörtert).

c) Entgegen der Ansicht der Widersprechenden besteht auch keine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt, dass der Bestandteil "-soft" der angegriffenen Marke als in den hier maßgeblichen Warenbereichen häufig verwendeter und damit verbrauchter Bestandteil für den Gesamteindruck völlig in den Hintergrund träte. Auch kennzeichnungsschwache oder sachbeschreibende Bestandteile bleiben bei der Feststellung des Gesamteindrucks eingliedriger Marken nicht außer Betracht, sondern tragen grundsätzlich zur Prägung des Gesamteindrucks bei (vgl. BGH GRUR 1996, 200, 2001 -Innovadiclophlont; a. a. O. -NEURO-VIBO-LEX/NEURO-FIBRAFLEX). Außerhalb des Bereichs von Arzneimitteln geht die Rspr. nicht von der sog Abspaltung einzelner sachbeschreibender Bestandteile eingliedriger Marken aus (vgl. BPatG GRUR, 122, 124 -BIONAPLUS; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. § 9 Rdn. 309 m. w. N.).

Die angegriffene Marke erscheint vielmehr in ihrer Kombination als geschlossener, einheitlicher Phantasiebegriff "123soft". Für den Teil des Verkehrs, der die angegriffene Marke mit "eins,zwei,drei soft" bezeichnet, wird die gesamtbegriffliche Einheit durch ihren sprechenden Gehalt noch deutlicher. Die angesprochenen Verkehrskreise haben somit keinen Grund, die angegriffene Marke "123soft" auf den Zahlenbestandteil zu verkürzen und diesen isoliert der Widerspruchsmarke "12-3" gegenüberzustellen. Die angegriffene Marke unterscheidet sich damit in ihrer Gesamtheit ausreichend von der Widerspruchsmarke.

4. Es besteht ebenfalls nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden können.

Die Annahme einer solchen mittelbaren Verwechslungsgefahr setzt voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen und insoweit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegen. Sie werten gleichwohl einen in beiden Marken identisch oder zumindest wesensgleich enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke, messen diesem Stammbestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion bei und sehen deshalb die übrigen abweichenden Markenteile nur noch als Kennzeichen für bestimmte Waren aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der älteren Marke an (vgl. BGH GRUR 2000, 886, 887 -Bayer/BeiChem; GRUR 2002, 542, 544 -BIG; GRUR 2002, 544, 547 -BANK 24).

In solchen Ausnahmefällen reichen aber bereits geringfügige Unterschiede aus, um den Gedanken an Serienmarken desselben Unternehmens nicht aufkommen zu lassen (vgl. BGH a. a. O. -Innovadiclophlont; BPatG Mitt. 1983, 58, 59 -Rollinos/Rolo). Hierbei kann auch ein abweichendes Schriftbild trotz Klangidentität die Wesensgleichheit ausschließen (vgl. BGH a. a. O. MEY/Ella Mey). Ausschlaggebend ist hierbei schließlich die Kennzeichnungskraft des fraglichen Bestandteils mit der Folge, dass bei geringer Kennzeichnungskraft des Stammbestandteils um so eher eine Wesensgleichheit zu verneinen ist (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 325). Die zu vergleichenden (abweichenden) Markenteile sprechen auch dann gegen eine mittelbare Verwechslungsgefahr, wenn sie sich mit dem gemeinsamen Bestandteil zu eigenen, in sich geschlossenen Gesamtbegriffen verbinden, die von der Vorstellung wegführen, es handele sich um Serienmarken eines Unternehmens (vgl. BGH GRUR 1998, 932, 934 -MEISTERBRAND; a. a. O. -POLYFLAM/MONOFLAM). Der für die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr erforderliche Hinweischarakter des gemeinsamen Stammbestandteils ist schließlich kennzeichnungsschwachen Markenteilen abzusprechen, so dass beschreibende Angaben bzw. daran angelehnte Bezeichnungen nicht als Stammbestandteile von Serienmarken in Betracht kommen (vgl. BGH GRUR 2003, 1040 -Kinder).

Im vorliegenden Fall erscheint schon fraglich, ob der mögliche Stammbestandteil "1-2-3" in der angegriffenen Marke tatsächlich wesensgleich vorhanden ist oder ob die Wesensgleichheit aufgrund der in der angegriffenen Marke fehlenden Trennstriche, die zudem einen abweichenden Sinngehalt bedingen, zu verneinen ist. Schon die geringe Kennzeichnungskraft der Zahlenfolge "1-2-3" spricht für eine fehlende Wesensgleichheit des Bestandteils "123" der angegriffenen Marke.

Jedenfalls führt eine gesamtbegriffliche Verbindung in der angegriffenen Marke zu dem Phantasiebegriff "123soft" und damit schon von der Vorstellung weg, das Markenelement "123" der angegriffenen Marke sei verwechselbarer Stammbestandteil einer Markenserie der Widersprechenden.

Auch wenn ein Teil des Verkehrs das Zahlenelement "123" als Aneinanderreihung der Grundzahlen eins, zwei, drei versteht, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung, da zum einen die gesamtbegriffliche Verbindung -im Sinne einer schnellen, im Handumdrehen arbeitenden Software -einer mittelbaren Verwechslungsgefahr entgegensteht, zum anderen sich der Bestandteil "123" aufgrund seiner Kennzeichnungsschwäche nicht als Stammbestandteil eignet.

5. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ergeben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte. Voraussetzung hierfür ist, dass die beiderseitigen Kennzeichnungen als unterschiedlich erkannt und als solche verschiedenen Unternehmen zugeordnet werden, aber gleichwohl aufgrund besonderer Umstände darauf geschlossen wird, dass zwischen diesen Unternehmen Beziehungen geschäftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art bestehen. Jedoch können schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente auch unter dem Gesichtspunkt einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne nicht kollisionsbegründend wirken (vgl. BGH GRUR 2000, 608, 610 ARD-1).

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.

Dr. Vogel von Falckenstein Paetzold Hartlieb Cl






BPatG:
Beschluss v. 24.11.2008
Az: 30 W (pat) 7/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/580348999af1/BPatG_Beschluss_vom_24-November-2008_Az_30-W-pat-7-08




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share