Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Oktober 2002
Aktenzeichen: 24 W (pat) 204/01

(BPatG: Beschluss v. 01.10.2002, Az.: 24 W (pat) 204/01)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der aus der IR-Marke 487 167 Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Juli 2001 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der IR-Marke 487 167 zurückgewiesen worden ist.

Wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 487 167 wird die Löschung der Marke 399 12 064 angeordnet.

2. Die Beschwerde der aus den Marken 161 499 und IR R 435 891 Widersprechenden ist zur Zeit gegenstandslos.

Gründe

I.

Die Wortmarke 399 12 064 Nina by Mysteriaist für die Waren

"Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer."

am 1. Juni 1999 eingetragen und am 1. Juli 1999 veröffentlicht worden.

Dagegen ist ausder Wortmarke 161 499 Le Mystèreder international registrierten Wortmarke R 435 891 MYSTERE DE ROCHAS sowie aus der für die Waren

"Cl 3 : Savons, parfumerie, huiles essentielles, cosmetiques, lotions pour les cheveux, dentifrices"

international registrierten Wortbildmarke 487 167 siehe Abb. 1 am Ende Widerspruch erhoben worden.

Mit Beschluß vom 17. Juli 2001 hat die Markenstelle für Klasse 3, besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes, die Widersprüche aus den drei Marken wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen (§§ 43 Abs. 2 S 2, 9 Abs. 1 Abs. 2 MarkenG).

Bezüglich des Widerspruchs aus der IR-Marke 487 167 wird zur Begründung ausgeführt, daß trotz der hohen Anforderungen, die angesichts identischer oder sehr ähnlicher Waren und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke an den einzuhaltenden Markenabstand zu stellen seien, die Marken im maßgeblichen Gesamteindruck keine für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr hinreichende Ähnlichkeit aufwiesen. Der Gesamteindruck der jüngeren Marke werde dabei auch nicht allein durch den Bestandteil "Nina" geprägt. Dieser individualisiere erst den nachgestellten Wortbestandteil "Mysteria". Die angegriffene Marke werde als untrennbare gesamtbegriffliche Einheit gesehen. Bei der Form "by Mysteria" handle es sich auch nicht um einen zu vernachlässigenden Firmenbestandteil, da die Firma der Inhaberin der angegriffenen Marke H... GmbH heiße, sondern um einen Hinweis auf deren Serie von "Mysteria"-Marken. Selbst wenn von einer Prägung der Widerspruchsmarke durch "Nina" ausgegangen würde, käme daher eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken nicht in Betracht.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der aus den Marken 161 499 und IR R 435 891 Widersprechenden sowie der aus der IR-Marke 487 167 Widersprechenden.

Die aus der IR-Marke 487 167 Widersprechende trägt im wesentlichen vor, zwischen den Marken bestehe angesichts identischer Waren Verwechslungsgefahr aufgrund des in beiden Marken enthaltenen, den Gesamteindruck sowohl der angegriffenen wie der Widerspruchsmarke prägenden Wortes "Nina". In der Widerspruchsmarke sei nach ständiger Rechtsprechung die durch das vorangestellte "de" (= von) sowie als weltbekannter Firmenname erkennbare Herstellerangabe "NINA RICCI" gegenüber der weiteren Kennzeichnung des Einzelprodukts zu vernachlässigen. Nichts anderes gelte für die angegriffene Marke. Durch die Verwendung der Präposition "by" sei diese nicht als einheitliche Kombinationsmarke aufzufassen.. Zu berücksichtigen sei im übrigen, daß es sich bei "Nina de NINA RICCI" um eine seit vielen Jahren benutzte und beworbene Marke mit erheblicher Verkehrsbekanntheit handle.

Beide Widersprechenden beantragen (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt in bezug auf die Beschwerde der aus den Marken 161 499 und IR R 435 891 Widersprechenden, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Zu der Beschwerde der aus der Marke IR 487 167 Widersprechenden hat sich die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde der aus der IR-Marke 487 167 Widersprechenden ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht zwischen der Widerspruchsmarke IR 487 167 und der angegriffenen Marke Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Abs. 2 MarkenG, weswegen die angegriffene Marke zu löschen ist (§ 43 Abs. 2 S 1 MarkenG).

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinn des § 9 Abs. 1 Abs. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (stRspr; vgl ua EuGH GRUR 1998, 387, 389 "Sabèl/Puma"; GRUR 1998, 922, 923 "CANON"; BGH GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND").

Beide Marken genießen Schutz für identische Waren, was bereits einen deutlichen Abstand der Marken zum Ausschluß einer relevanten Verwechslungsgefahr erfordert.

Ob die der Widerspruchsmarke von Haus aus zukommende normale Kennzeichnungskraft aufgrund langjähriger guter Benutzung eine Steigerung erfahren hat, wie von der Widersprechenden vorgetragen, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da auch bei Zugrundelegung eines - nur - durchschnittlichen Schutzumfanges, die vorhandene Ähnlichkeit der jüngeren Marke mit der älteren Marke die Gefahr beachtlicher Verwechslungen begründet.

Hinsichtlich der Beurteilung der Ähnlichkeit ist stets auf den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Marken abzustellen, den diese hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Hierbei kommt es maßgebend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren wirken (EuGH GRUR 1998, 387, 389 "Sabèl/Puma"; BGH GRUR 2002, 342, 343 "ASTRA/ESTRA-PUREN"). Zwar unterscheiden sich die Marken in ihrer Gesamtheit betrachtet durch ihre jeweils abweichenden Bestandteile "by Mysteria" und "de NINA RICCI" ausreichend voneinander. Der genannte Grundsatz schließt jedoch die Erkenntnis ein, daß einem einzelnen Bestandteil eines Zeichens auch eine besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft beigemessen werden kann und deshalb bei Übereinstimmung einer Bezeichnung mit dem so geprägten Zeichen die Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (BGH Mitt 1996, 166 "Blendax Pep"; GRUR 1997, 897, 898 "IONOFIL"; MarkenR 2000, 20, 21 "RAUSCH/ELFI RAUCH"). Eine solch prägende Bedeutung für den Gesamteindruck kommt dem übereinstimmenden Markenwort "Nina" sowohl in der älteren wie in der jüngeren Marke zu.

Die Widerspruchsmarke setzt sich aus dem für Parfüm- und Kosmetikprodukte von Haus aus normal kennzeichnungskräftigen Vornamen "Nina", der französischen Präposition "de" und dem Firmenschlagwort "NINA RICCI" der Widersprechenden zusammen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, daß eine bloße Herstellerangabe als Bestandteil einer Marke im allgemeinen weitgehend in den Hintergrund tritt, weil der Verkehr die Waren, sofern es sich nicht um den Warenbereich der Bekleidung handelt, meist nicht nach den Namen des Herstellers unterscheidet, sondern seine Aufmerksamkeit auf die sonstigen Merkmale zeichenmäßiger Kennzeichnung richtet (ua BGH Mitt 1996, 166, 167 "Blendax Pep"; Mitt 1996, 167, 168 "JUWEL", GRUR 1997, 897, 898 "IONOFIL"). Ob in der Sicht des Verkehrs die Herstellerangabe in den Hintergrund tritt, bleibt dabei der Beurteilung des Einzelfalls vorbehalten und hängt insbesondere auch davon ab, ob die Herstellerangabe als solche dem Verkehr bekannt ist oder nicht (BGH, Abs. "IONOFIL"). Davon, daß das Firmenschlagwort "NINA RICCI" den beteiligten inländischen Verkehrskreisen als solches bekannt ist, kann im Hinblick auf das gerichtsbekannte seit vielen Jahren mit seinen Parfümerie-Produkten auf dem deutschen Markt vertretene Unternehmen der Widersprechenden ausgegangen werden. Der Bestandteil "NINA RICCI" tritt daher als eine dem Verkehr bekannte Herstellerangabe im Gesamteindruck der Widerspruchsmarke hinter dem das Einzelprodukt individualisierenden Kennzeichen "Nina" zurück. Diese Wertung wird dem Verkehr zudem durch die dem Bestandteil "NINA RICCI" vorangestellte französische Präposition "de" nahegelegt, welche in ihrer dem deutschen Publikum ohne weiteres verständlichen Bedeutung "von" den Markenbestandteil "de NINA RICCI" Abs. "von NINA RICCI" auch begrifflich als Herstellerhinweis charakterisiert. Das darüber hinaus optisch durch seine Platzierung, Größe und besondere Schriftzuggestaltung hervorgehobenen Markenwort "Nina" nimmt damit eine den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke prägende, selbständig kollisionsbegründende Stellung ein.

Prägende Bedeutung besitzt das Markenwort "Nina" aber auch im Gesamteindruck der angegriffenen Marke, weil dem weiteren Bestandteil "by Mysteria" lediglich die Wirkung einer gegenüber einem individuellen Produktkennzeichen zurücktretenden Herstellerangabe zukommt. Zwar ist hier das Markenwort "Mysteria" tatsächlich keine Herstellerangabe, sondern ein willkürlich gewählter Fantasiebegriff. Daß ein Markenbestandteil als Herstellerangabe hinter einer weiteren Produktkennzeichnung zurücktritt, ist jedoch nicht ausschließlich auf die Fälle einer im Verkehr bekannten Herstellerangaben beschränkt, sondern kann grundsätzlich auch dann angenommen werden, wenn sich eine Angabe aus sonstigen Gründen als Herstellerangabe erkennen läßt (vgl BGH GRUR 1997, 897, 898 f "IONOFIL"). Sonstige Gründe sind vorliegend in der besonderen Abs. der Markenbildung aufgrund des dem Bestandteil "Mysteria" vorangestellten Wortes "by" zu sehen. Die englische Präposition "by", der ua die Bedeutung "von" zukommt (vgl Collins Großwörterbuch, Englisch-Deutsch, Ausg 1997, S 982, Abs. painting by Picasso = Gemälde von Picasso) wird auch im inländischen Geschäftsverkehr nicht selten in Verbindung mit einem (Firmen-) Namen als Kurzform für "made, produced, created by" zum Hinweis auf einen bestimmten Hersteller gebraucht. Ferner ist zu berücksichtigen, daß Hersteller von Parfümerien und kosmetischen Erzeugnissen meist ein breitgefächertes Produktsortiment haben und Zweitkennzeichnungen mit Produkt- und Herstellermarke häufig anzutreffen sind, insbesondere auch in der Form, daß auf die Herkunft aus einem Unternehmen bzw von einem bestimmten Hersteller mit Zusätzen wie "von", (franz) "de", (ital) "di" oder auch (engl) "by" hingewiesen wird (vgl Abs. unter www.usashop.ch das Produktverzeichnis "Parfumes" eines Online-Shops, in dem fast durchgängig auf die Hersteller der einzelnen Parfums unter Verwendung des Zusatzes "by" hingewiesen wird, Abs. "Cool Water by Davidoff", "Ck One by Calvin Klein", "Curve by Liz Claiborne", "Eternity by Calvin Klein", "Grey Flannel by Geoffrey Beene", "Opium by Yves St Laurent" usw). Auch wenn ein Unternehmen mit dem Namen "Mysteria" dem Verkehr nicht bekannt ist, muß daher damit gerechnet werden, daß gleichwohl beachtliche Teile der angesprochenen Verkehrsteilnehmer den Markenbestandteil "Mysteria" wegen des vorangestellten "by" als Herstellerangabe auffassen und ihre Aufmerksamkeit dann - unter Vernachlässigung der vermeintlichen Herstellerangabe - auf die Einzelprodukt-Kennzeichnung "Nina" richten und sich allein hieran orientieren werden.

Angesichts der klanglichen und begrifflichen Identität des jeweiligen, die Vergleichsmarken prägenden Bestandteils "Nina" ist daher im Ergebnis eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu bejahen.

2. Im Hinblick auf die in Ziffer I. des Beschluß-Tenors angeordnete Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 487 167 ist festzustellen, daß die Beschwerde der aus den Marken 161 499 und IR R 435 891 Widersprechenden derzeit (dh vorbehaltlich einer Eintragungsbewilligungsklage) gegenstandslos ist.

3. Es besteht kein Anlaß, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG). Insbesondere sind keine Gründe erkennbar oder vorgetragen, die den Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke rechtfertigen würden, die Kosten des Beschwerdeverfahrens abweichend von dem Grundsatz der eigenen Kostentragung aus Billigkeitsgründen der aus den Marken 161 499 und IR R 435 891 Widersprechenden zu überbürden.

Ströbele Guth Kirschneck Bb Abb. 1






BPatG:
Beschluss v. 01.10.2002
Az: 24 W (pat) 204/01


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