Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 28. Januar 2010
Aktenzeichen: 37 O 1/10 [Kart]

(LG Düsseldorf: Urteil v. 28.01.2010, Az.: 37 O 1/10 [Kart])

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurück gewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Zwangsvollstreckung der Antragsgegnerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu Gunsten der Antragsgegnerin aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet.

Tatbestand

Die Antragstellerin ist ein von der Bundesnetzagentur lizenzierter Briefdienstleister. Sie ist eine Konzerntochter der Ux GmbH, die ihrerseits zum niederländischen U-Konzern gehört. Ein regionaler Schwerpunkt der Tätigkeit der Antragstellerin liegt in Nordrhein-Westfalen. Der Umsatz, den die Antragstellerin mit Briefdienstleistungen im Jahr 2008 erzielte, beläuft sich auf ca. € 55 Mio. Insgesamt erzielte die U Post im Jahr 2008 in Deutschland einen Umsatz in Höhe von rd. € 122 Mio. Sie ist damit einer der größten Anbieter von Briefdienstleistungen in Deutschland außerhalb des Konzerns der E AG. In Nordrhein-Westfalen ist die Antragstellerin der größte alternative Anbieter von Briefdienstleistungen, gefolgt von der X GmbH (nachfolgend: X Post) sowie der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin ist ebenfalls ein lizenzierter Briefdienstleister im Bereich der Erbringung von Briefdienstleistungen. Ihr Zustellgebiet ist bisher auf den Raum E - dort auf den Zustellbereich beginnend mit den Postleitzahlen "40" - beschränkt. Seit dem Jahr 2003 ist die Antragsgegnerin eine 100%ige Tochter der E AG. Die Antragsgegnerin erzielte im Jahr 2007 einen Umsatz in Höhe von € 3 Mio und machte im selben Jahr einen Verlust in Höhe von ca. € 1,6 Mio. Der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag der Antragsgegnerin belief sich auf ca. € 2,2 Mio. Die E AG, gab zugunsten der Antragsgegnerin für deren bis zum 31. Dezember 2008 entstehende Verbindlichkeiten eine Patronatserklärung bis zu einem Betrag von € 2 Mio ab. Zusätzlich erklärte die E den Rangrücktritt für ihre der Antragsgegnerin gewährten Darlehen. Die E AG Beteiligungen Holding GmbH, Bonn, hat als herrschendes Unternehmen mit der Antragsgegnerin seit dem 13. Oktober 2008 einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag geschlossen, der gemäß § 302 AktG die Übernahme sämtlicher Verluste durch das beherrschende Unternehmen beinhaltet.

Die E Beteiligungen Holding GmbH gehört zu 100 % der E AG, die auf dem Markt für Briefdienstleistungen in Deutschland einen Marktanteil von knapp unter 90% inne hat. Allein mit dem Briefgeschäft hat die E AG im Jahre 2008 Umsätze in Höhe von € 14,4 Mrd und einen Gewinn in Höhe von € 2,25 Mrd erwirtschaftet. Der Briefbereich der E AG trägt etwa 25% zum Konzernumsatz bei, hingegen beträgt der Beitrag dieser Sparte zum Gesamtergebnis des Konzerns 85%.

Die XX Post ist eine 100%ige Tochter der XX Mediengruppe. Sie bietet Briefdienstleistungen mit dem regionalen Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen an. Das Zustellgebiet der XX Post umfasst im Wesentlichen das Ruhrgebiet, zuzüglich der Postleitzahlgebiete im Raum E, die auch von der Antragsgegnerin abgedeckt werden. Für die Zustellung der von ihr generierten Briefsendungen bediente sich die XX Post bisher der ebenfalls zum XX - Konzern gehörenden XX Logistik Brief GmbH & Co. KG (nachfolgend XX Logistik). Der Umsatz der XX Post belief sich im Jahr 2006 auf € 26,4 Mio. Für das Geschäftsjahr 2009 erwartet die Gesellschaft eine Verfehlung des Umsatzzieles um ca. 25% und ein negatives Ergebnis von rund € 7 Mio. Die XX Post kündigte den Vertrag mit der XX Logistik, die deshalb ihren Zustellbetrieb zum 31. Januar 2010 einstellt und die Arbeitsverträge ihrer in der Briefzustellung tätigen Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt gekündigt hat.

Die XX Post und die Antragsgegnerin beabsichtigen, künftig dergestalt zusammen zu arbeiten, dass die Antragsgegnerin ab Anfang Februar 2010 die Briefzustellleistungen als Dienstleister für die XX Post erbringt, die in der Vergangenheit von der XX Logistik erbracht wurden.

Über diese Zusammenarbeit verhält sich der von der XX Post und der Antragsgegnerin am 8. Dezember 2009 vereinbarte Letter of Intent (LoI). Danach wird die XX Post ihren (End-)Kunden weiterhin Briefdienstleistungen anbieten und der Antragsgegnerin die von ihr, der XX Post, generierten Briefzustellmengen sortiert "auf Bezirk" zur Verfügung stellen. Die daran anschließende Zustellleistung erbringt die Antragsgegnerin. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den als Anlage AG4 in Kopie zur Akte gereichten LoI verwiesen.

Unbestritten sucht die Antragsgegnerin seit Anfang Dezember u. a. mit Hilfe von Stellenanzeigen, die auch in Zeitungen der XX - Gruppe erscheinen, Briefzusteller für den Einsatz im Ruhrgebiet.

Die Antragstellerin hat zunächst behauptet, die Antragsgegnerin werde zum 31. Januar 2010 in Abstimmung mit der XX Post deren Zustellgeschäft im Ruhrgebiet unter Einschluss der Kunden und der Zusteller übernehmen.

Nachdem die Antragsgegnerin zu der Antragsbegründung Stellung genommen und auf die konkrete Ausgestaltung der beabsichtigten Zusammenarbeit mit der XX Post unter Vorlage des LoI hingewiesen hat, vertritt die Antragstellerin die Auffassung, es sei nicht glaubhaft, dass die Antragsgegnerin über die Zusteller hinaus keine Vermögensgegenstände der XX - Mediengruppe übernehme. Der Aufbau einer gut funktionierenden Zustellstruktur erfordere einen hohen personellen und materiellen Aufwand. Neben der Einstellung der erforderlichen Mitarbeiter müssten die für die Zustellung notwendigen Gebietspläne, Zustell- und Laufpläne erstellt werden. Außerdem müsse die erforderliche Infrastruktur angeschafft werden. Vor deren Beschaffung müssten Mengenangaben erfolgen, die wiederum auf das erwartete Volumen Bezug nähmen. Dies erfordere eine eingehende Abstimmung mit der XX Post hinsichtlich der erwarten Sendungsströme nach Ursprungs- und Zielgebieten. Nach ihrer Erfahrung sei der Aufbau einer solchen Struktur in der Zeit von Anfang Dezember 2009 bis Ende Januar 2010 aus eigener Kraft und ohne Rückgriff auf bereits bestehende Strukturen nicht zu leisten. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin neben der Anwerbung von Zustellern auch Betriebsmittel der XX Logistik übernommen habe. Schon die Übernahme von Arbeitskräften könne eine Übertragung von Vermögensgegenständen i.S.d. § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB darstellen. Dies müsse umso mehr in einem personalintensiven Geschäft wie der Briefzustellung gelten, wo die Personalkosten bei ca. 70 % lägen.

Das Verhalten der XX - Mediengruppe und der Antragsgegnerin stelle auch eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung im Sinne des § 1 GWB dar. Die XX Logistik scheide aus dem Markt für Briefzustellungen aus und beschränke sich damit im größtmöglichen Ausmaß in ihrer wettbewerblichen Handlungsfreiheit. Im Ergebnis werde damit zugleich eine wettbewerbsbeschränkende Marktaufteilung zwischen der XX - Mediengruppe und der Antragsgegnerin vorgenommen. Während die Antragsgegnerin im Markt der Zustelldienstleistungen expandiere, beschränke sich die XX - Mediengruppe durch die XX Post künftig auf die Vermittlung von Postdienstleistungen. Damit greife die XX - Mediengruppe nicht mehr in den Markt für Zustelldienstleistungen ein, sondern überlasse diesen ganz der Antragsgegnerin. Schließlich sei die Vereinbarung auch deswegen wettbewerbsbeschränkend, weil durch sie andere Wettbewerber vom Markt ferngehalten würden.

Würde sich die XX Logistik nicht aus dem Markt zurückziehen, hätte diese in absehbarer Zeit ihre Preise anheben müssen, da das Briefzustellgeschäft der XX seit langem defizitär gewesen sei. In einem solchen Fall wären die Kunden der XX Post auch für Wettbewerber, so auch für die Antragstellerin, zu erreichen gewesen. Dieser Preiswettbewerb werde durch die direkte Übergabe an die Antragsgegnerin vermieden.

Auch die nicht kostendeckenden Preise der Antragsgegnerin verhinderten einen effektiven Wettbewerb um die Sendungsmengen der XX Logistik. Wirtschaftlich mache diese Vereinbarung mit der Antragsgegnerin für die XX Post nur Sinn, wenn die Antragsgegnerin von der XX Post ein niedrigeres Entgelt erhalte, als dasjenige, welches die XX Post bisher der XX Logistik gezahlt habe. Da die Briefzustellung für die XX Logistik ein massives Verlustgeschäft gewesen sei, sei es ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin als Subunternehmerin der XX Post jemals profitabel arbeiten werde. Zweck der nicht kostendeckenden Preise der Antragsgegnerin könne nur die Verdrängung der Wettbewerber sein. Nach dem Marktaustritt der XX Logistik sei die Antragstellerin der einzige verbliebene größere Wettbewerber der E AG im räumlichen Markt des Ruhrgebiets. Zweck der Kampfpreise der Antragsgegnerin sei allein die Verdrängung der Antragstellerin vom Zustellmarkt im Ruhrgebiet.

Der LoI beinhalte zudem eine unzulässige Ausschließlichkeitsbindung. Außerdem müsse bezweifelt werden, dass die XX Post ihrerseits weiterhin wirkliche Verkaufsbemühungen entfalte. Denn ihre Verkaufsmannschaft habe sich seit der Ankündung der Zusammenarbeit mit der Antragsgegnerin stark reduziert. Dies sei auch erklärlich, weil die XX Post kein eigenes Produkt mehr zu verkaufen habe.

Die Vereinbarung zwischen der XX Post und der Antragsgegnerin sei auch deswegen wettbewerbsbeschränkend, weil durch sie unter Umgehung der §§ 28 ff. PostG ein diskriminierungsfreier Zugang zu Teilleistungsverträgen der DPAG verhindert werde.

Die Antragstellerin hat beantragt, der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,

a)

Verträge für die Zustellung von Briefen in dem in Anlage AST 1 beschriebenen Zustellgebiet mit Ausnahme der mit "40..." beginnenden Postleitzahlen abzuschließen, solange nicht die Übernahme des Geschäfts der XX Post Service GmbH gemäß § 39 Abs. 1 GWB beim Bundeskartellamt angemeldet worden ist und das Bundeskartellamt entweder mitgeteilt hat, dass der Zusammenschluss nicht untersagt wird, oder innerhalb der Prüfungsfristen des § 40 GWB keine Entscheidung trifft;

b)

Verträge für die Zustellung von Briefen in dem in Anlage AST 1 beschriebenen Zustellgebiet mit Ausnahme der mit "40..." beginnenden Postleitzahlen zu Preisen gemäß der als Anlage AST 2 vorgelegten Preisliste oder niedriger abzuschließen.

Mit der Maßgabe, dass der Antrag die sogenannten Hybridzustellungen der XX Post nicht umfassen soll, beantragt die Antragstellerin nunmehr (vgl. das Protokoll vom 21. Januar 2010, dort S. 2 und 7),

der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, mit der XX Post Service GmbH Verträge über die Zustellung von Briefen, in dem in Anlage AST1 beschriebenen Zustellgebiet, mit Ausnahme aller mit "40” beginnenden Postleitzahlen abzuschließen, in denen die Antragsgegnerin sich verpflichtet, sämtliche Beförderungs- und Zustellleistungen von Briefen für die XX Post Service GmbH zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin behauptet, nachdem die XX - Gruppe beschlossen habe, die Zustellung von Briefsendungen an ein konzernfremdes Unternehmen zu vergeben, habe die XX Post die E AG um ein Angebot für die Zustellung von Briefsendungen im Ruhrgebiet gebeten. Ein solches Angebot sei daraufhin von der Antragsgegnerin abgegeben worden.

Die Antragsgegnerin werde für die Zustellung keine Betriebsausstattung der XX Logistik nutzen oder übernehmen. Insbesondere würden der Antragsgegnerin die Kundendaten der XX Post nicht zugänglich gemacht.

Nach Vereinbarung der Zusammenarbeit mit der XX Post habe die Antragsgegnerin begonnen, ab dem 5. Dezember 2009 - nicht nur in Zeitungen der XX - Gruppe - um Arbeitskräfte zu werben. Dazu habe sie auch die örtliche Arbeitsagentur eingeschaltet. Sie habe ca. 1.100 Bewerbungen erhalten und plane ca. 500 Zusteller einzustellen. Davon würden voraussichtlich weniger als die Hälfte ehemalige XX - Beschäftige sein. Bei den ehemaligen Beschäftigten der XX - Logistik, die für sie tätig werden sollten, handele es sich um Zusteller, die einfache Tätigkeiten ausführen sollten und innerhalb von zwei Wochen angelernt werden könnten. Betriebslenkende Kräfte der ehemaligen XX - Logistik werde sie nicht einstellen.

Gründe

I.

Der Antrag der Antragstellerin ist unbegründet, da sie die Voraussetzungen für das Bestehen eines sicherbaren Verfügungsanspruchs (§§ 935, 940 ZPO) nicht dargelegt bzw. glaubhaft gemacht hat.

Dabei kann dahin stehen, ob es einen denkbaren Gesichtspunkt gibt, unter dem die Vereinbarung der Antragsgegnerin mit der XX Post gegen kartellrechtliche Vorschriften verstößt. Die Antragstellerin kann das von ihr angestrebte Rechtsschutzziel nur erreichen, wenn und soweit die zu ihren Gunsten in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen, also insbesondere § 33 Abs. 1 GWB, eine entsprechende Rechtsfolge vorsehen. Das ist indes nicht der Fall.

Die Argumentation der Antragstellerin geht davon aus, dass die E AG auf den in Betracht kommenden Märkten eine marktbeherrschende Position hat und dass die Antragsgegnerin als 100%ige Tochter der E AG ihr Verhalten deshalb kartellrechtlich an denselben Maßstäben messen lassen muss, wie die E AG selbst.

Diese beiden Prämissen zieht die Antragsgegnerin nicht in Zweifel.

1.

Ein Verfügungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich nicht aus § 33 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 1 GWB.

a)

Ein Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch der Antragstellerin gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 GWB wegen des Ausscheidens der XX Logistik aus "dem Markt" scheidet aus, weil die Antragstellerin durch dieses Ausscheiden wenn es - was allerdings nicht glaubhaft gemacht ist - auf einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung mit der Antragsgegnerin beruhen würde, auf dem insoweit sachlich und räumlich relevanten Markt weder als Wettbewerberin noch als Nachfragerin (auf der Marktgegenseite) der in der Vergangenheit von der XX Logistik und in Zukunft von der Antragsgegnerin für die XX Post erbrachten Leistungen auftritt.

Gegenstand des nach dem Bedarfsmarktkonzept abzugrenzenden sachlich und räumlich relevanten Marktes ist das Erbringen von "Teilleistungen" bei der Briefbeförderung und Zustellung in der Beförderungskette vom Endkunden (Absender) zum Zustellungsempfänger (Adressaten) für andere Postdienstleister im Ruhrgebiet. Die Antragstellerin trägt nicht vor, dass sie selbst derartige Leistungen erbringt oder nachfragt oder den Zutritt zu diesem Markt anstrebt,

b)

Ein Verfügungsanspruch zugunsten der Antragstellerin lässt sich auch nicht mit der Begründung bejahen, die XX Post werde durch den vorgelegten LoI bzw. den auf dessen Grundlage noch abzuschließenden Dienstleistungvertrag verpflichtet, die zuvor durch die XX Logistik zugestellten Sendungsmengen an die Antragsgegnerin und damit ein Konzernunternehmen der E AG zu übergeben.

In diesem Zusammenhang kann für die Entscheidung dahin stehen, ob die XX Post verpflichtet ist, die in Rede stehenden Sendungsmengen ausschließlich der Antragsgegnerin zur Zustellung zu übergeben. Selbst wenn eine derartige Bindung und damit eine Beschränkung der Handlungsfreiheit der XX Post zu bejahen wäre, wäre die Antragstellerin hierdurch aus den unter a) genannten Gründen nicht betroffen. Denn sie konkurriert nicht mit der Antragsgegnerin um derartige Aufträge, zumindest trägt sie das nicht vor.

c)

Ein Verfügungsanspruch der Antragstellerin lässt sich ebensowenig damit begründen, die Handlungsfreiheit der XX Post werde durch die - der Antragstellerin und dem Gericht unbekannte - Preisvereinbarung mit der Antragsgegnerin beschränkt.

aa)

Faktisch mag der XX Post durch die mit der Antragsgegnerin vereinbarten Entgelte ein Mindestpreisniveau vorgegeben werden, welches sie im Verhältnis zu ihren Endkunden nicht unterschreiten kann, ohne unprofitabel zu arbeiten. Es ist indes nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin als Mitbewerberin mit der XX Post um die Erbringung von Postdienstleistungen für Endkunden im Ruhrgebiet konkurriert, im Sinne des § 33 Abs. 1 GWB von der behaupteten Einschränkung der Handlungsfreiheit der XX Post betroffen ist. Nach der Legaldefinition des § 33 Abs. 1 S. 3 GWB ist betroffen, "wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist". Von der Antragstellerin wird nicht dargelegt, mit welcher Begründung eine solche ihr nachteilige Beeinträchtigung bejaht werden könnte, wenn die XX Post daran gehindert wird, ein bestimmtes Preisniveau zu unterschreiten. Eine solche Begrenzung der Handlungsfreiheit der XX Post könnte sich im Preiswettbewerb nur zum Vorteil der Antragstellerin auswirken.

bb)

Eine Beschränkung der Handlungsfreiheit der XX Post ist zudem sicher nicht darin zu sehen, dass diese durch die Vereinbarung mit der Antragsgegnerin in die Lage versetzt wird, auf dem Endkundenmarkt im Ruhrgebiet auch künftig als Wettbewerber der Antragstellerin aufzutreten.

Auch sonst ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die XX Post durch die Vereinbarung mit der Antragsgegnerin bei der Gestaltung ihres Marktauftritts in einer die Antragstellerin beeinträchtigenden Weise in ihrer Handlungsfreiheit beschränkt wird.

2.

Auch aus § 33 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 1, Abs. 4, 20 Abs. 1 GWB) ergibt sich kein Verfügungsanspruch zugunsten der Antragstellerin.

Die Antragstellerin versucht, sein Bestehen mit der Behauptung zu begründen, die Antragsgegnerin erbringe ihre Leistungen für die XX Post zu nicht kostendeckenden Preisen. Allerdings hat die Antragstellerin ihre Behauptung nicht glaubhaft gemacht (vgl. §§ 920 Abs. 2, 936 ZPO). Sie kennt weder die zwischen der XX Post und der Antragsgegnerin vereinbarten Preise, noch verfügt sie über konkrete Kenntnisse darüber, welche Kosten die Antragsgegnerin zur Erfüllung des Subunternehmervertrages mit der XX Post aufwenden muss. Dass die Antragsgegnerin ihre Leistungen zu nicht kostendeckenden Preisen erbringen wird, schließt sie daraus, dass schon die XX - Logistik defizitär gearbeitet hat. Das mag plausibel sein, bleibt aber letztlich eine Vermutung. Der Antragstellerin kommt insoweit auch keine Beweiserleichterung zugute (arg. § 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zur Durchführung der in der Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln - "Kartellverfahrensordnung"). Glaubhaft gemacht im Sinne § 294 ZPO ist eine Tatsachenbehauptung, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie wahr ist (vgl. Zöller - Greger, ZPO - Kommentar, 27. Aufl., § 294 ZPO, RN 6). Auch wenn der damit geforderte Grad an Wahrscheinlichkeit keine für jeden Einzelfall gleichermaßen exakt bestimmbare Größe darstellt, liegt es auf der Hand, dass der auf einer bloßen Schlussfolgerung beruhende Vortrag der Antragstellerin angesichts der weitreichenden Folgen der von ihr begehrten Untersagungsverfügung nicht ausreicht, um der Kammer im Entscheidungsfall den erforderlichen Grad an Gewissheit zu vermitteln.

Ob eine Leistungserbringung der Antragsgegnerin zu "Kampfpreisen", die sich auf den Endkundenmarkt im Ruhrgebiet über den Marktauftritt der XX Post nur mittelbar auswirken könnte, überhaupt geeignet ist, Ansprüche der Antragstellerin zu begründen, muss nach alledem nicht entschieden werden.

3.

Auch aus §§ 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 41 GWB lässt sich ein Verfügungsanspruch der Antragstellerin nicht herleiten.

Ob ein Verstoß gegen § 41 GWB überhaupt geeignet ist, einen Anspruch aus § 33 Abs. 1 GWB zu begründen, bedarf in diesem Zusammenhang keiner abschließenden Erörterung. Denn die Antragstellerin hat schon nicht glaubhaft gemacht, dass die Zusammenarbeit der XX Post und der Antragsgegnerin die Voraussetzungen eines der Zusammenschusstatbestände des § 37 GWB erfüllt. Ein Zusammenschluss liegt danach unter anderem - die übrigen Zusammenschlusstatbestände kommen nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ersichtlich nicht zur Anwendung - dann vor, wenn ein Unternehmen das Vermögen eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil erwirbt (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB) oder bei jeder sonstigen Verbindung von Unternehmen, auf Grund deren ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen wettbewerblich erheblichen Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können (§ 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB).

a)

Da der Tatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB eine gesellschaftsrechtlich vermittelte oder in gleichwertiger Weise abgesicherte Unternehmensverbindung voraussetzt und die Antragstellerin nichts vorträgt, was den Schluss auf eine solche Vereinbarung zulässt, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB nicht zu bejahen.

b)

Dass die Antragsgegnerin wesentliche Vermögensgegenstände der XX Logistik erworben habe (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB), trägt die Antragstellerin zwar vor, glaubhaft gemacht wird aber auch dieser Sachvortrag von ihr nicht. Insbesondere ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin aufgrund entsprechender Abrede in nennenswertem Umfang Personal der XX Logistik übernimmt. Auch der Erwerb von technischer Betriebsausrüstung oder für den Betrieb wesentlichen Kenntnissen der XX Logistik durch die Antragsgegnerin ist nicht glaubhaft gemacht. Auch insoweit stützt sich die Antragstellerin letztlich auf Vermutungen, die nicht geeignet sind, ihren Sachvortrag als hinreichend wahrscheinlich bei der Entscheidungsfindung zugrunde zu legen.

4.

Einen Verstoß gegen § 28 PostG vermag das Gericht aufgrund des Sachvortrags der Antragstellerin ebenfalls nicht zu bejahen, so dass schon deshalb ein darauf gestützter Verfügungsanspruch der Antragstellerin ausscheidet. Die Vorschrift lautet:

"§ 28 Angebot von Teilleistungen

(1) Ist ein Lizenznehmer auf einem Markt für lizenzpflichtige Postdienstleistungen marktbeherrschend, so hat er, soweit dies nachgefragt wird, auf diesem Markt Teile der von ihm erbrachten Beförderungsleistungen gesondert anzubieten, sofern ihm dies wirtschaftlich zumutbar ist. Gegenüber einem anderen Anbieter von Postdienstleistungen besteht die Verpflichtung nach Satz 1 nur dann, wenn das nachfragende Unternehmen nicht marktbeherrschend ist und wenn ansonsten Wettbewerb auf demselben oder einem anderen Markt unverhältnismäßig behindert würde. Der Lizenznehmer darf die Teilleistung verweigern, wenn hierdurch die Funktionsfähigkeit seiner Einrichtungen oder die Betriebssicherheit gefährdet würde oder im Einzelfall die vorhandenen Kapazitäten für die nachgefragte Leistung erschöpft sind.

(2) Die Entgelte für die nach Absatz 1 anzubietenden Teilleistungen bedürfen der Genehmigung nach den §§ 19 und 20, wenn die Teilleistungen von dem nach Absatz 1 verpflichteten Lizenznehmer in seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen werden. Entgelte für Angebote, die nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, unterliegen der Überprüfung nach § 25. Bei der Genehmigung der Entgelte nach Satz 1 oder der Überprüfung der Entgelte nach Satz 2 müssen die anteiligen Kosten der gesamten Beförderungskette angemessen berücksichtigt werden.

(3) Bietet ein Lizenznehmer nach Absatz 1 Teile der von ihm erbrachten Beförderungsleistung gesondert an, ohne dazu nach Absatz 1 verpflichtet zu sein, gilt Absatz 2 entsprechend."

Dass die Antragsgegnerin gegen § 28 Abs. 1 PostG verstoßen hat oder dass die Erstbegehungsgefahr eines solchen Verstoßes besteht, ist dem Vortrag der Antragstellerin nicht zu entnehmen.

Dass die zwischen der Antragsgegnerin und der XX Post vereinbarten Entgelte im Sinne des § 28 Abs. 2 S. 1 PostG genehmigungspflichtig sind, lässt sich dem Vortrag der Antragstellerin ebenfalls nicht entnehmen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es sich um in Allgemeine Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin aufgenommene Entgelte handelt.

Die Entgelte mögen der Überprüfung nach § 25 PostG unterliegen (vgl. § 28 Abs. 2 S. 2 PostG), der es der Regulierungsbehörde in seinem Absatz 2 erlaubt, eine Anpassung der Entgelte zu fordern, wenn sie nicht den Maßstäben des § 20 Abs. 2 PostG entsprechen. Dass dies der Fall ist, vermag das Gericht nicht zu bejahen. Denn nach § 20 Abs. 2 PostG dürfen Entgelte

1.

keine Aufschläge enthalten, die der Anbieter nur auf Grund seiner marktbeherrschenden Stellung durchsetzen kann,

2.

keine Abschläge enthalten, die die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf einem Markt für Postdienstleistungen in missbräuchlicher Weise beeinträchtigen,

3.

einzelnen Nachfragern keine Vorteile gegenüber anderen Nachfragern gleichartiger Postdienstleistungen einräumen.

Konkreter Sachvortrag der Antragstellerin hierzu fehlt, darüber hinaus hat sie - wie ausgeführt - ihre Behauptung, die Antragsgegnerin arbeite zu nicht kostendeckenden Preisen, nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 28.01.2010
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