Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juni 2006
Aktenzeichen: 19 W (pat) 341/03

(BPatG: Beschluss v. 28.06.2006, Az.: 19 W (pat) 341/03)

Tenor

Das Patent 199 48 106 wird widerrufen.

Gründe

I Für die am 27. September 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung ist die Erteilung des Patents am 24. Juli 2003 veröffentlicht worden. Das Patent hat die Bezeichnung

"Positionsmesssystem".

Gegen das Patent hat die Fa. A... GmbH Einspruch erhoben. Zur Begrün- dung hat sie behauptet, der Gegenstand des Patents sei nicht neu bzw. beruhe auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Positionsmesssystem mit einer Positionsmesseinrichtung, insbesondere einem Drehgeber, mit der elektrische Ausgangssignale in Form von Daten gewonnen werden, und mit einer eine Anpasselektronik aufweisenden Schnittstelleneinheit zur Anbindung der Positionsmesseinrichtung an einen Datenbus, die über Verbindungsmittel lösbar an der Positionsmesseinrichtung befestigt und die separat hiervon mit der Positionsmesseinrichtung elektrisch verbindbar ist, um die durch die Positionsmesseinrichtung gewonnenen Daten an den Datenbus anzupassen und über den Datenbus an eine Auswerteeinheit weiterzugeben, dadurch gekennzeichnet, dass die Verbindungsmittel (17, 18) derart als Bajonettverschluss oder als Gewinde ausgebildet sind, dass die Verbindung zwischen der Positionsmesseinrichtung (2) und der Schnittstelleneinheit (3) durch eine eine rotatorische Bewegung um eine Achse (B) der Positionsmesseinrichtung (2) umfassende Relativbewegung der Schnittstelleneinheit (2) bezüglich der Positionsmesseinrichtung (2) herstellbar und wieder lösbar ist und dass die elektrische Verbindung der Schnittstelleneinheit (3) mit der Positionsmesseinrichtung (2) über einen flexiblen Leiter erfolgt."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag lautet, wobei die gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag zusätzlichen Textteile kursiv geschrieben sind:

"Positionsmesssystem mit einer Positionsmesseinrichtung, insbesondere einem Drehgeber, mit der elektrische Ausgangssignale in Form von Daten gewonnen werden, und mit einer eine Anpasselektronik aufweisenden Schnittstelleneinheit zur Anbindung der Positionsmesseinrichtung an einen Datenbus, die über Verbindungsmittel lösbar an einem Gehäuse der Positionsmesseinrichtung befestigt und die separat hiervon mit der Positionsmesseinrichtung elektrisch verbindbar ist, um die durch die Positionsmesseinrichtung gewonnenen Daten an den Datenbus anzupassen und über den Datenbus an eine Auswerteeinheit weiterzugeben, dadurch gekennzeichnet, dass die Verbindungsmittel (17, 18) derart als Bajonettverschluss oder als Gewinde ausgebildet sind, dass die Verbindung zwischen dem Gehäuse der Positionsmesseinrichtung (2) und der Schnittstelleneinheit (3) durch eine eine rotatorische Bewegung um eine Achse (B) der Positionsmesseinrichtung (2) umfassende Relativbewegung der Schnittstelleneinheit (2) bezüglich der Positionsmesseinrichtung (2) herstellbar und wieder lösbar ist und dass die elektrische Verbindung der Schnittstelleneinheit (3) mit der Positionsmesseinrichtung (2) über einen flexiblen Leiter erfolgt, wobeia) der Bajonettverschluss eine Rastnase (17) und eine der Rastnase (17) zugeordnete Rastöffnung (18) aufweist, von denen eine am Gehäuse der Positionsmesseinrichtung (2) und die andere an der Schnittstelleneinheit (3) angeordnet ist, b) an der Rastöffnung (18) mindestens eine Formschräge (19, 20) ausgebildet ist, die derart in Wirkverbindung mit der Rastnase (17) bringbar ist, dass bei der Herstellung der lösbaren Verbindung zwischen Schnittstelleneinheit (3) und dem Gehäuse der Positionsmesseinrichtung (2) die Schnittstelleneinheit (3) relativ in Richtung der Positionsmesseinrichtung bewegt wird, undc) ein als O-Ring ausgebildetes Federelement (8) vorgesehen ist, der am äußeren Rand des Gehäuses der Positionsmesseinrichtung (2) in einer Nut angeordnet ist, um die Rastnase (17) in der Rastöffnung (18) des Bajonettverschlusses zu verrasten."

Es soll die Aufgabe gelöst werden, ein Positionsmesssystem anzugeben, das eine einfache lösbare Verbindung zwischen der Positionsmesseinrichtung und der Schnittstelleneinheit zur Verfügung stellt (Absatz 0005 der jeweiligen Beschreibung).

Die Einsprechende ist der Ansicht, dass sich das Positionsmesssystem des Patentanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag für den Fachmann aufgrund seiner Fachkenntnisse aus dem Stand der Technik ergibt.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

- Patentansprüche 1 bis 17, Beschreibung und Zeichnung sämtlich überreicht in der Sitzung vom 28. Juni 2006, hilfsweise:

- Patentansprüche 1 bis 9, Beschreibung und Zeichnung sämtlich übergeben in der Sitzung vom 28. Juni 2006.

Die Patentinhaberin ist der Meinung, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag sei gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu und auch erfinderisch.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Gemäß PatG § 147 Abs. 3 liegt die Entscheidungsbefugnis bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat). Dieser hatte - wie in der Entscheidung in der Einspruchssache 19 W (pat) 701/02 (m. w. N.; vgl. BPatGE 46, 134) ausführlich dargelegt ist - aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.

Der Einspruch ist zulässig und hat Erfolg, da das Positionsmeßsystem des Patentanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit durch den Fachmann beruht.

Als Fachmann für die Entwicklung von Positionsmeßsystemen wird ein auf diesem Gebiet erfahrener Diplomphysiker beauftragt werden. Wenn es jedoch um das Gehäuse bzw die mechanische Verbindung zweier Gehäuseteile für diese Positionsmesssysteme geht, wird sich dieser an einen Facharbeiter (Konstrukteur) oder Maschinenbauer mit Fachhochschulabschluss wenden.

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag Wie die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist aus den FRABA-Produktinformationen (insbesondere einem von der Patentinhaberin mit Eingabe vom 10. Februar 2003 einereichten 3-seitige Internetausdruck) zum Anmeldezeitpunkt ein Positionsmesssystem bekannt gewesen mit einer Positionsmesseinrichtung, mit der elektrische Ausgangssignale in Form von Daten gewonnen werden, und mit einer eine Anpasselektronik aufweisenden Schnittstelleneinheit zur Anbindung der Positionsmesseinrichtung an einen Datenbus, die über Verbindungsmittel lösbar an einem Gehäuse der Positionsmesseinrichtung befestigt und die separat hiervon mit der Positionsmesseinrichtung elektrisch verbindbar ist, um die durch die Positionsmesseinrichtung gewonnenen Daten an den Datenbus anzupassen und über den Datenbus an eine Auswerteeinheit weiterzugeben (vgl. Oberbegriff).

Die anspruchsgemäße Positionsmesseinrichtung unterscheidet sich demnach von dieser bekannten durch die Merkmale im Kennzeichen.

Ausgehend von der bekannten Positionsmesseinrichtung mit einer Positionsmesseinrichtung, wie sie aus der FRABA Produktinformation a. a. O. bekannt ist, stellt sich dem Fachmann die Aufgabe, eine einfache lösbare Verbindung zwischen der Positionsmesseinrichtung und der Schnittstelleneinheit zur Verfügung zu stellen, in der Praxis von selbst. Denn er wird immer bestrebt sein, die lösbaren Verbindungen zwischen zwei Teilen einer Messeinrichtung für den Praxisgebrauch möglichst einfach und zuverlässig zu gestalten. Hierbei erkennt der Fachmann bei der bekannten Positionsmesseinrichtung ohne weiteres, dass es sich hier einerseits um eine elektrische Verbindung zwischen der Messwertaufnahme (Positionsmesseinrichtung) und der Anpasselektronik in der Schnittstelleneinheit und andererseits um eine mechanische Verbindung von zwei Gehäuseteilen handelt.

Aufgrund seiner Fachkenntnis kennt der Fachmann aus dem Zusammenbau von elektronischen Komponenten, z. B. bei Computern, starre und flexible Steckverbindungen zwischen den einzelnen Bauteilen, z. B. Steckkarten im Motherboard als starre Verbindung oder Flachbänder zwischen Festplatten oder Laptoptastaturen und dem Motherboard als flexible Verbindung. Da flexible Verbindungen keine genaue gegenseitige Ausrichtung der zu verbindenden Baumgruppen erfordern, ist es für den Fachmann naheliegend, statt der starren elektrischen Verbindung beim bekannten Positionsmesssystem als elektrische Verbindung der Schnittstelleneinheit mit der Positionsmesseinrichtung einen flexiblen Leiter einzusetzen, wie es im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 angegeben ist.

Zuverlässige mechanische Verbindungen zwischen mechanischen Bauteilen, die auf einfache Weise wieder lösbar sind, sind dem Fachmann oder dem hier zugezogenen Fachmann geläufig: insbesondere sind dies bei rotationssymmetrisch gestalteten Bauteilen, wie dem bekannten Positionsmesssystem, die Renkverbindungen (Bajonettverschlüsse) und die Schraubverbindungen. Insbesondere aus W. Krause: "Konstruktions-Elemente der Feinmechaniktechnik", 2. Aufl. Carl Hanser Verlag, München, Wien, 1993, S. 290, Kap. 4.4.6, sind ihm Renkverbindungen und ihre unterschiedlichen konstruktiven Ausgestaltungen bekannt.

Für den Fachmann ist es demnach aufgrund seines Fachwissens naheliegend, die Verbindungsmittel zwischen Positionsmesseinrichtung und Schnittstelleneinheit des bekannten Positoinsmesssystem als Bajonettverschluss oder als Gewinde derart auszubilden, dass die Verbindung zwischen dem Gehäuse der Positionsmesseinrichtung und der Schnittstelleneinheit durch eine eine rotatorische Bewegung um eine Achse der Positionsmesseinrichtung umfassende Relativbewegung der Schnittstelleneinheit bezüglich der Positionsmesseinrichtung herstellbar und wieder lösbar ist.

Im Fall eines Bajonettverschlusses wird der Fachmann - wie bei Bajonettverschlüssen üblich (vgl. "Konstruktions-Elemente der Feinmechanik" a. a. O. Kap. 4.4.6) - eine Rastnase und eine der Rastnase zugeordnete Rastöffnung vorsehen, von denen eine am Gehäuse der Positionsmesseinrichtung und die andere an der Schnittstelleneinheit angeordnet ist, an der Rastöffnung mindestens eine Formschräge ausbilden, die derart in Wirkverbindung mit der Rastnase bringbar ist, dass bei der Herstellung der lösbaren Verbindung zwischen Schnittstelleneinheit und dem Gehäuse der Positionsmesseinrichtung die Schnittstelleneinheit relativ in Richtung der Positionsmesseinrichtung bewegt wird, und ein Federelement vorsehen, um die Rastnase in der Rastöffnung des Bajonettverschlusses zu verrasten, wie es im Einzelnen im Patentanspruch 1 angegeben ist.

Da die Gehäuseteile rotationssymmetrisch sind, wird der Fachmann am Umfang des Gehäuses mehrere Bajonettverschlüsse vorsehen, wobei die dann notwendigen Federelemente möglichst gleichmäßige Federkraft entwickeln müssen. Der Fachmann wird hierzu aufgrund seines Fachwissens an eine Feder oder einen gummielastischen O-Ring denken, die/den er am äußeren Rand des Gehäuses der Positionsmesseinrichtung in einer Nut anordnet.

Man würde die Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns unterschätzen, würde man ihm solches Handeln nicht zutrauen. Die Positionsmesseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag ist demnach nicht erfinderisch.

Da die Positionsmesseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag nicht patentfähig ist, ist dieser Patentanspruch damit nicht gewährbar.

Patentanspruch 1 nach Hauptantrag Da die Positionsmesseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag von der Positionsmesseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag voll umfasst wird, ist diese ebenfalls nicht patentfähig und dieser Patentanspruch somit nicht gewährbar ist.

Die auf den Patentanspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag direkt oder indirekt rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 17 bzw. 2 bis 9 teilen deren Schicksal.

Das Patent war demnach zu widerrufen.

Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob die im Patentanspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 vorgenommenen Änderungen zulässig sind.






BPatG:
Beschluss v. 28.06.2006
Az: 19 W (pat) 341/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5655c455ba7c/BPatG_Beschluss_vom_28-Juni-2006_Az_19-W-pat-341-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share