Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. November 2003
Aktenzeichen: 25 W (pat) 230/02

(BPatG: Beschluss v. 20.11.2003, Az.: 25 W (pat) 230/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 20. November 2003 (Aktenzeichen 25 W (pat) 230/02) die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen. Die Widersprechende hatte Widerspruch gegen die Eintragung der Marke "Bezeichnungist" für pharmazeutische Erzeugnisse und Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke und Nahrungsergänzungsmittel eingelegt. Sie besaß bereits eine ältere Marke für diätetische Nährmittel. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hatte den Widerspruch abgelehnt, da keine Verwechslungsgefahr bestehe. Die Widersprechende legte Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und beantragte die Löschung der angegriffenen Marke. Das Bundespatentgericht kam jedoch zu dem Schluss, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bestehe. Es stellte eine geringe Ähnlichkeit der Waren fest und führte aus, dass die Marken sowohl optisch als auch klanglich ausreichend unterschiedlich seien. Zudem enthalte die Widerspruchsmarke den Begriff "Vita", der in der angegriffenen Marke nicht vorkomme. Die Beschwerde wurde somit zurückgewiesen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 20.11.2003, Az: 25 W (pat) 230/02


Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnungist am 12. April 2000 ua für die Waren "pharmazeutische Erzeugnisse und Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für die Gesundheitspflege, insbesondere Nahrungsergänzungsmittel mit Vitaminen und/oder Mineralien, Ballaststoffe, Vitaminpräparate für medizinische Zwecke (soweit in Klasse 5 enthalten), alle vorstehenden Waren insbesondere solche mit Vitamin F und/oder -Fettsäuren" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 11. Mai 2000.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 24. September 1958 für die Waren "Diätetische Nährmittel insbesondere Malzpräparate" eingetragenen Marke 717 964 Vitawin.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 24. Mai 2002 den Widerspruch mangels bestehender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Die Waren seien teilweise ähnlich, der Ähnlichkeitsgrad der Marken jedoch in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass Verwechslungsgefahr bestehe. Optisch seien die Marken bereits wegen des in der jüngeren Marke enthaltenen Bildelements des griechischen Buchstabens Omega hinreichend verschieden. Aber auch in klanglicher Hinsicht sei eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Der Verkehr werde ohne weiteres das Wortspiel in der angegriffenen Marke "VIT(A)MIN" erkennen und diese je nach Kenntnisstand mit "VIT-OMEGA-MIN" bzw "VIT-W-MIN" wiedergeben, so dass auch in klanglicher Hinsicht Verwechslungen mit der wie "VIT-W-MIN" gesprochenen Widerspruchsmarke auszuschließen seien. Einer Verwechslungsgefahr wirke auch entgegen, dass die Widerspruchsmarke mit dem Bestandteil "Vita" den Hinweis auf "Lebensfunktion, Lebenskraft" enthalte, der in der angegriffenen Marke keine Entsprechung finde.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Es bestehe teilweise eine hochgradige Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Waren, so dass die angegriffene Marke schon einen erheblichen Abstand einhalten müsse, um Verwechslungsgefahr vermeiden zu können. Der Ansicht der Markenstelle, dass die angegriffene Marke wie "VIT-OMEGA-MIN" ausgesprochen werde, könne nicht gefolgt werden. Diese werde vielmehr wie "VIT-WE-MIN" oder "VIT-oo-MIN" ausgesprochen, so dass wegen der fast identischen Wortanfänge und -endungen im Gegensatz zu den eher unbeachtlichen Abweichungen in der Wortmitte klangliche Verwechslungsgefahr bestehe. Wegen der für "Vitamin" stehenden Abkürzung "Vit" weise auch die angegriffenen Marke denselben Bedeutungsgehalt wie die Widerspruchsmarke auf, so dass die Marken auch keinen verwechslungsmindernden Sinngehalt aufwiesen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Eine Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Waren bestehe nur zu den Waren "diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke" und den beanspruchten Nahrungsergänzungsmitteln, wobei letztere nicht diätetischen Zwecken, sondern der Gesundheitspflege dienten und deshalb allenfalls entfernt ähnlich zu den für die Widerspruchsmarke geschützten Waren "diätetische Nährmittel, insbesondere Malzpräparate" seien. Deshalb erscheine ein kleiner Markenabstand zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr noch ausreichend. Klanglich wie auch im Schriftbild wiesen die Marken ausreichende Unterschiede auf, zumal die Verbraucher den Produkten, die der Gesundheit dienten, mit erhöhter Aufmerksamkeit begegneten und zudem davon auszugehen sei, dass auch der griechische Buchstabe "" erkannt und nicht wie ein verfremdetes "w" aufgenommen werde. Auch begrifflich werde der durchschnittliche Verbraucher in der Widerspruchsmarke das Wort "Vitamin" erkennen, während die jüngere Marke durch den fremdartig wirkenden Buchstaben "" aufgespalten sei und eben nicht den Begriffsbestandteil "Vita" enthalte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.

1) Der Senat unterstellt bei seiner Entscheidung eine noch durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, auch wenn diese nicht nur durch ihren Anfangsbestandteil "VITA" in bezug auf die hier maßgeblichen Waren, sondern insbesondere in ihrer Gesamtheit und dem nur durch den Buchstaben "W" verfremdenden Aussagegehalt einen deutlichen beschreibenden Gehalt im Sinne der Sachangabe "VITAMIN" erkennen lässt.

2) Ausgehend von der maßgeblichen Registerlage können sich die Marken auch auf identischen oder jedenfalls sehr ähnlichen Waren begegnen, wobei klarstellend darauf hinzuweisen ist, dass der im Zeitpunkt der Anmeldung und Eintragung der Widerspruchsmarke im Jahre 1958 verwendete Begriff des "diätetischen Nährmittels" nicht mit dem durch die erst am 20. Juni 1963 in Kraft getretene Diätverordnung bestimmten Begriff des "diätetischen Erzeugnisses" gleichzusetzen ist. Der Begriff des "diätetischen Nährmittels" kommt vielmehr eher dem heute als Nahrungsergänzungsmittel oder funktionellen Lebensmittel bezeichneten Lebensmittel gleich, welches im Gegensatz zum Lebensmittel des allgemeinen Verkehrs über den reinen Ernährungszweck hinaus allgemein positive physiologische Wirkungen auf die Körperfunktion entfaltet, ohne besonderen Ernährungserfordernissen bestimmter Verbrauchergruppen zu dienen, wie dies bei diätetischen Erzeugnissen nach der Begriffsbestimmung des § 1 DiätVO vorausgesetzt wird (vgl zum begrifflichen Wandel Schweikert Mitt 92, 51, 52; Holthöfer/Nüse/Franck, Deutsches Lebensmittelrecht Band II, März 1988, zu DiätVO Rdn 2-17; zum Begriff der Nahrungsergänzungsmittel und diätetischen Mittel vgl EG Richtlinie 2002/46 vom 10. Juni 2002 - Nahrungsergänzungsmittel sowie Hahn ZLR 2003, 417 zur Umsetzung durch den Entwurf der deutschen Nahrungsergänzungsmittelverordnung- NemV; Forstmann, GRUR 1997, 102, 103; Klein NJW 1998, 791 sowie zum Begriff funktioneller Lebensmittel Kiethke/Groeschke WRP 1999, 973). Dies bedarf jedoch vorliegend im Hinblick auf die nach der Registerlage maßgebliche Warenkonstellation keiner Vertiefung, da das Verzeichnis der angegriffenen Marke sowohl diätetische Erzeugnisse als Nahrungsergänzungsmittel aufweist und deshalb in jedem Fall Warenidentität oder jedenfalls ein Höchstmaß an Warenähnlichkeit zu berücksichtigen ist.

Als angesprochene Verkehrskreise sind Laien uneingeschränkt zu berücksichtigen (vgl auch BGH MarkenR 2002, 49, 51 - ASTRA/ESTRA-PUREN), wobei nach zwischenzeitlich gefestigter ständiger Rechtsprechung davon auszugehen ist, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl zum geänderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2002, 124, 127 - Warsteiner III - mit weiteren Hinweisen; EuGH MarkenR 2002 , 231, 236 - Philips/Remington) und der allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, sogar eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).

3) Wenn danach unter Berücksichtigung dieser Umstände zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG auch strenge Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen sind, so ist die Ähnlichkeit der Marken nach Auffassung des Senats dennoch in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen zu bejahen wäre.

a) Dies gilt auch hinsichtlich einer klanglichen Verwechslungsgefahr, auf welche die Widersprechende sich beruft und welche wegen der insoweit bestehenden Gemeinsamkeiten der Markenwörter im Gegensatz zu den deutlichen schriftbildlichen Unterschieden auch nur ernsthaft in Betracht gezogen werden kann. Hierbei ist für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr von einer Wiedergabe der Marken nach der registrierten Gestaltung auszugehen (zur st. Rspr. vgl BGH GRUR 2003, 332, 334 - Abschlussstück mwH), wobei in klanglicher Hinsicht unter Beachtung allgemeiner Phonetikregeln, der angesprochenen Verkehrskreise und der einschlägigen Waren/Dienstleistungen alle Aussprachemöglichkeiten einzubeziehen sind, die nach der Art der Wortbildung und den insoweit maßgeblichen allgemeinen Sprachgepflogenheiten der relevanten Verkehrskreise wahrscheinlich sind (vgl hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 197, 198).

aa) Der Senat unterstellt zugunsten der Widersprechenden, dass jedenfalls ein noch erheblicher Teil der hier im Vordergrund stehenden allgemeinen Verkehrskreise die angegriffene Marke wie "vitwemin" oder "vitomin" artikuliert. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Teile des angesprochenen Verkehrs, welche den Buchstaben "" kennen bzw erkennen, die angegriffene Marke insbesondere im Hinblick auf den in bezug auf die beanspruchten Waren naheliegenden Begriff """-Omega-Fettsäuren" wie "vitomegawin" artikulieren oder auch - was aber wegen der Vermengung unterschiedlicher alphabetischer Zeichen in einem Wort eher ungewöhnlich wäre - in geringem Umfang wie "vitomin". Andererseits werden wesentliche Teile des Verkehrs, die den Buchstaben "" nicht kennen, aber als nicht zum lateinischen Alphabet erkennen, von einer Benennung der angegriffenen Marke als einheitliches Wort absehen, zumal der Buchstabe "" in auffälliger und ungewöhnlicher Weise durch Gedankenstriche in das Markenwort eingebunden ist.

bb) Aber auch wenn man eine Aussprache der angegriffenen Marke in einer Weise und einem entscheidungserheblichen Umfang unterstellt, die wie "vitwemin" oder "vitomin" der wie "vitawin" gesprochenen Widerspruchsmarke am nächsten kommt, unterscheiden sich die Markenwörter im jeweiligen klanglichen Gesamteindruck noch hinreichend. So enthält die angegriffene Marke bei einer Aussprache wie "vitwemin" nicht nur einen unterschiedlichen Anlaut in der Endsilbe zu "vitawin", sondern insbesondere die Mittelsilbe der angegriffenen Marke weist einen völlig anderen Lautbestand auf, der in der Widerspruchsmarke keine klangliche Entsprechung findet. Dies gilt im Ergebnis auch für eine Aussprache der angegriffenen Marke wie "vitomin", da auch hier die vokalische Abweichung der Mittelsilbe verbunden mit der Abweichung des folgenden Anlauts noch eine hinreichende klangliche Differenzierung der Markenwörter ermöglicht und einer Verwechslungsgefahr hinreichend entgegenwirkt. Hier kommt hinzu, dass auch die sich gegenüberstehenden Anfangsbestandteile der Wörter "Vito" und "Vita", an welchen sich der Verkehr erfahrungsgemäß stärker orientiert als an den weiteren Markenbestandteilen, nicht nur klanglich abweichen, sondern dass auch "Vito" im Gegensatz zu "Vita" (für "Leben", "Vitamin", "vital") keinen entsprechenden Begriffsgehalt aufweist und sich auch nicht als eher kennzeichnungsschwacher sprechender Zeichenbestandteil darstellt. In ihrer Gesamtheit sorgen deshalb die aufgezeigten Unterschiede für eine noch ausreichende Differenzierung des jeweiligen klanglichen Gesamteindrucks der Wörter und gewährleisten ihr hinreichend sicheres Auseinanderhalten auch dann, wenn man berücksichtigt, dass die Verkehrsauffassung erfahrungsgemäß eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (st Rspr, vgl EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints).

b) Im Schriftbild weisen die Markenwörter wegen der markant abweichenden Kontur und der auffälligen Aufspaltung des Wortes durch den fremdartig wirkenden griechischen Buchstaben "" einen sehr deutlichen Abstand auf. Anhaltspunkte dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Marken gedanklich miteinander in Verbindung bringen und deshalb verwechseln, bestehen gleichfalls nicht, zumal die Marken mit Ausnahme einer klanglichen Nähe keine strukturellen Gemeinsamkeiten aufweisen, welche den Verkehr zu einer gemeinsamen betrieblichen Zuordnung der Marken veranlassen und eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr begründen könnte (vgl zu den Voraussetzungen BGH GRUR 2000, 608, 609 - ARD 1; BGH MarkenR 2001, 459, 464 Marlboro-Dach; BPatG GRUR 2002, 345, 346 - ASTROBOY/Astro; BPatG GRUR 2002, 438, 440 - WISCHMAX/Max).

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Bayer Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 20.11.2003
Az: 25 W (pat) 230/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/55c5550615cc/BPatG_Beschluss_vom_20-November-2003_Az_25-W-pat-230-02




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