Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. August 2006
Aktenzeichen: 21 W (pat) 332/03

(BPatG: Beschluss v. 01.08.2006, Az.: 21 W (pat) 332/03)

Tenor

Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten.

Bezeichnung:

"Mikroprozessorgesteuertes elektronisches Messgerät"

Patentansprüche 1 und 2, eingegangen am 20. Juli 2006, Beschreibung Spalten 1 bis 4, Zeile 50, gemäß Patentschrift mit Änderungen gemäß Eingabe vom 20. Juli 2006, Seiten 1 bis 3, 1 Blatt Zeichnungen Figur 2, gemäß Patentschrift.

Im Übrigen wird das Patent widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 5. Juli 1991 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent 41 22 371 mit der Bezeichnung "Mikroprozessorgesteuertes elektronisches Messgerät" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Erteilung ist am 15. Mai 2003 erfolgt.

Gegen das Patent ist am 12. August 2003 (eingegangen am 14. August 2003) Einspruch erhoben worden.

Zur Begründung ihres Einspruchs verweist die Einsprechende auf die Druckschriften D1 DE 34 10 082 A1;

D2 "Single chip MCU EEPROM programming using bootstrap techniques"; Electronic Engineering October 1988, Seite 75-80;

D3 DE 88 11 609 U1 (bereits im Prüfungsverfahren genannt);

D4 US 4,884,022 (bereits im Prüfungsverfahren genannt);

D5 DE 37 02 453 C2;

D6 WO 80/02881 A1 D7 US 4 382 279 sowie in ihrem weiteren Schriftsatz vom 11. März 2004 noch auf D8 DE 34 43 997 C2 D9 Datenblatt SPM-19, Selektiver Pegelmesser der Firma Wandel & Goltermann (6 Blatt mit Druckvermerk 25/6.86 auf dem letzten Blatt)

D10 Datenblatt DLM-4 Datenleitungsmessgerät der Firma Wandel & Goltermann (4 Blatt mit Druckvermerk auf dem letzten Blatt 25/1.86).

Die Einsprechende erachtet das elektronische Messgerät gemäß Anspruch 1 gegenüber D5 nicht neu, auf jeden Fall nicht erfinderisch gegenüber D1 und D3 oder gegenüber D2 und D3.

Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2006 hat die Patentinhaberin als Hilfsantrag einen neuen Anspruchssatz mit Ansprüchen 1 und 2 und angepasster Beschreibung eingereicht.

Die Einsprechende ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber dem Stand der Technik nicht neu und erfinderisch sei.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das erteilte Patent aufrechtzuerhalten, hilfsweise, auf der Grundlage der Patentansprüche 1 und 2 sowie der mit Schriftsatz vom 19. Juli 2006 eingereichten geänderten Unterlagen, im Übrigen gemäß Patentschrift und Figur 2.

Sie hält den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag für neu und erfinderisch. Ihrer Meinung nach werden bei bekannten Kraftfahrzeug-Steuerungsgeräten nur fahrzeugspezifische Kenndaten gespeichert; dies sei etwas völlig anderes als das Abspeichern eines umfangreichen Bedien-, Steuer- und Messprogramms für ein elektronisches Messgerät.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Der erteilte Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag - mit hinzugefügter Merkmalsgliederung - lautet:

M1 Elektronisches Messgerät, M2 dessen Bedien-, Steuer- und Messprogramm für M3 den geräteinternen Mikroprozessor M4 in mindestens einem geräteinternen Speicher abgespeichert ist, M5 der mittels des Mikroprozessors elektrisch lösch- und programmierbar ist, dadurch gekennzeichnet, M6 dass das in den Mikroprozessor einzuspeichernde neue Programm über eine außen am Gerät vorgesehene serielle Schnittstelle M7 mittels eines externen Rechners dem geräteinternen Mikroprozessor zuführbar ist.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag - mit hinzugefügter Merkmalsgliederung lautet:

M1 Elektronisches Messgerät, M2 dessen Bedien-, Steuer- und Messprogramm für M3 den geräteinternen Mikroprozessor M4 in mindestens einem geräteinternen Speicher abgespeichert ist, M5 der mittels des Mikroprozessors elektrisch lösch- und programmierbar ist, dadurch gekennzeichnet, M6 dass das in den Mikroprozessor einzuspeichernde neue Programm über eine außen am Gerät vorgesehene serielle Schnittstelle M7 mittels eines externen Rechners dem geräteinternen Mikroprozessor zuführbar ist, M8 wobei der seriellen Schnittstelle eine zusätzliche mit dem Mikroprozessor zusammenwirkende integrierte Hilfsschaltung (Gate-Array)

M9 mit einem Hilfsspeicher (RAM) zugeordnet ist M10 und vor der Eingabe des neuen Messgeräte-Programms dem Mikroprozessor über die integrierte Hilfsschaltung eine Initialisierungsanweisung zugeführt wird M11 und der Mikroprozessor nach seiner Aktivierung dann das für das Löschen und Programmieren des oder der Speicher erforderliche Hilfsprogramm in seinen Arbeitsspeicher übernimmt, aus dem dieses Hilfsprogramm anschließend dem Mikroprozessor für das Löschen und/oder Programmieren des oder der Speicher zur Verfügung steht.

II.

Die Zuständigkeit des technischen Beschwerdesenats des Patentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Januar 2005 eingelegt worden ist.

Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen tatsächlichen Umstände sind von der Einsprechenden innerhalb der gesetzlichen Frist im Einzelnen so dargelegt worden, dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen ziehen können.

Die Zulässigkeit des Einspruchs ist im Übrigen von der Patentinhaberin nicht bestritten worden.

Der Einspruch ist insofern begründet, als nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sich als nicht patentfähig erweist.

1. Die erteilten Patentansprüche gemäß Hauptantrag sind formal zulässig, denn sie ergeben sich aus den ursprünglichen, am Anmeldetag eingereichten Patentansprüchen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist zulässig, denn er ist aus einer Zusammenfassung der erteilten Ansprüche 1 und 3 hervorgegangen, beruhend auf dem Ausführungsbeispiel der Figur 2. Der Anspruch 2 beruht auf dem ursprünglichen Anspruch 4.

Im Übrigen war die Zulässigkeit der Patentansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag nicht strittig.

2. Der Einspruch hat insofern Erfolg, als der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag mangels erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstandes nicht rechtsbeständig ist.

2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist ein elektronisches Messgerät, dessen Bedien-, Steuer- und Messprogramm für den geräteinternen Mikroprozessor in mindestens einem geräteinternen Speicher abgespeichert ist, der mittels des Mikroprozessors elektrisch lösch- und programmierbar ist.

Dem Gegenstand des Patents liegt die Aufgabe zugrunde, ein mikroprozessorgesteuertes elektronisches Messgerät zu schaffen, bei dem auf einfache Weise auch vom Benutzer selbst das gerätespezifische Steuerprogramm geändert werden kann (vgl. PS Absatz [0004]).

Der hier zuständige Durchschnittsfachmann ist ein mit der Entwicklung von elektronischen Messgeräten befasster, berufserfahrener Diplom-Ingenieur der Fachrichtung elektrische Nachrichtentechnik, der u. a. über fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der elektronischen Mess- und Steuerungstechnik verfügt.

Der Fachmann vermag der D8, die ein Verfahren zur Speicherung von Informationen in einem programmierbaren flüchtigen Speicher der Datenverarbeitung sowie eine Datenverarbeitungseinrichtung beschreibt, weitgehend die Merkmale als bekannt zu entnehmen, für die im erteilten Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag für ein elektronisches Messgerät Schutz beansprucht wird.

Figur 1 zeigt das Blockschaltbild eines Fahrdatenrechners 10 in einem Kraftfahrzeug. Dieser ist mit Dateneingängen 17, 18 versehen, deren Eingangsleitungen an Sensoren, Überwachungsschalter oder Tastschalter zur Eingabe von Informationen angeschlossen sind (vgl. Sp. 6, Z. 39-46). Der Beschreibungseinleitung, Spalte 1, Zeilen 10 bis 12 folgend sollen Fahrdaten im Kraftfahrzeug, beispielsweise Motordrehzahl, Fahrgeschwindigkeit oder Kraftstoffverbrauch angezeigt werden. Dazu müssen die Sensoren die gemessenen Signale für den Fahrdatenrechner aufbereiten, damit dieser daraus die gewünschten Fahrdaten ermitteln kann. Somit erfüllt der Fahrdatenrechner mit den angeschlossenen Sensoren auch die Funktion eines elektronischen Messgerätes [Merkmal M1]. Der Fahrdatenrechner ist mit einem geräteinternen Mikrocomputer 11 [M3] mit einem Zwischenspeicher versehen. Zahlen, Tabellen und Korrekturzahlen werden in einem geräteintegrierten EEPROM 16 als weiterem Speicher als Daten abgespeichert [M4]. Das EEPROM, als nichtflüchtiger Speicher fest mit dem Mikroprozessor 11 verbunden, dient nicht nur dem Abspeichern von Daten, vielmehr soll dieser Speicher der in D8 angegebenen Aufgabe Rechnung tragend (vgl. Sp. 1, Z. 47-52) mit im Bedarfsfalle jederzeit zu ändernden Programmen - mittels des Mikroprozessors (vgl. Fig. 1) - programmierbar sein, wie es weiter aus Spalte 1, Zeile 56 bis Spalte 2, Zeile 7 hervorgeht [M5]. Die Zuführung von Daten, im Bedarfsfalle von Programmen, erfolgt von außen - über eine Steckvorrichtung 22 als Schnittstelle - unter Verwendung von vier Eingängen E1 bis E4 (vgl. Fig. 2; Sp. 3, Z. 45-50); aus Spalte 6, Zeilen 17 bis 22 geht hervor, dass die Zuführung von außen auch über eine einzige Eingangsleitung seriell, somit über eine serielle Schnittstelle erfolgen kann [M6]. Für die Zuführung von Programmen ist eine externe Programmiereinrichtung 23 vorgesehen, die auch aus einem computergesteuerten Eingabegerät 26 bestehen kann (vgl. Sp. 3, Z. 14-17). Somit ist das in den geräteinternen Mikroprozessor einzuspeichernde Programm ebenfalls mittels eines externen Rechners zuführbar [M7].

Sonach werden bei dem Steuergerät aus D8 entgegen der von der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung nicht nur einzelne spezielle, im geräteinternen Speicher abgespeicherte Daten ausgelesen oder auch geändert, vielmehr ist es auch möglich, mit Hilfe des externen rechnergesteuerten Eingabegerätes im Bedarfsfalle jederzeit auch im Gerät abgespeicherte Programme zu ändern.

Da in D8 die im Bedarfsfalle zu ändernden Programme nicht nur für verschiedene Fahrzeugtypen geeignet sein sollen, sondern auch neuen Fahrzeugmodellen gerecht werden sollen (vgl. Sp. 1, Z. 63 bis Sp. 2, Z. 7), ist davon auszugehen, dass diese Programme sowohl Bedien-, Steuer- als auch Messfunktionen einschließen [M2], wie sie im Anspruch 1 allgemein ohne nähere Präzisierung desselben angegeben sind.

Diese aus D8 für einen Fahrdatenrechner mit Messfunktion für ein Kraftfahrzeug bekannten Mittel und Maßnahmen [M1] bis [M7] auch bei einem allgemeinen elektronischen Messgerät vorzusehen, bietet sich für den Fachmann an. Dies gilt um so mehr, als die Gestaltung des Bedien-, Steuer- und Messprogramms im Einzelnen im Anspruch 1 bewußt dem Fachmann überlassen bleibt.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat daher wegen mangelnder Erfindungshöhe seines Gegenstandes keinen Bestand.

2.2 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag weist über die Merkmale [M1] bis [M7] hinausgehend in seinem kennzeichnenden Teil die weiteren Merkmale [M8] bis [M11] auf.

Diese sind auf Mittel und Maßnahmen gerichtet, die insbesondere die serielle Schnittstelle ausgestalten. Diese spezielle Gestaltung, integrierte Hilfsschaltung [118], Hilfsspeicher [119] und Initialisierungsanweisung [1110] betreffend, ist aus dem Stand der Technik weder bekannt, noch sind Anregungen und Hinweise dazu entnehmbar.

In D8 sind lediglich Eingangsports 17, 18 ohne nähere Angabe zu deren Gestaltung enthalten.

Die weiteren genannten Druckschriften, die in der mündlichen Verhandlung ohnehin keine Rolle gespielt haben, betreffen zwar U1. Messgeräte und Anordnungen, deren Blockschaltbilder Schnittstellen, auch serielle Schnittstellen aufweisen, jedoch ohne nähere Angaben zu deren Gestaltung.

Sonach steht der den Druckschriften D1 bis D7 sowie D9 und D10 entnehmbare Stand der Technik, weder für sich betrachtet noch in der Zusammenschau, der Patentfähigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag entgegen. Die Einsprechende hat hierzu in der mündlichen Verhandlung auch keine Einwände erhoben.

Der auf den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag rückbezogene einzige Unteranspruch 2 betrifft eine vorteilhafte, nicht selbstverständliche Ausgestaltung des elektronischen Messgerätes nach Anspruch 1. Er hat deshalb zusammen mit dem Patentanspruch 1 ebenfalls Bestand.






BPatG:
Beschluss v. 01.08.2006
Az: 21 W (pat) 332/03


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