Bundespatentgericht:
Urteil vom 4. Oktober 2007
Aktenzeichen: 2 Ni 69/05

(BPatG: Urteil v. 04.10.2007, Az.: 2 Ni 69/05)

Tenor

I. Das Streitpatent wird im Umfang der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten verteidigten Fassung der Patentansprüche 1 bis 5 und 9, soweit dieser auf die Patentansprüche 1 bis 5 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogen ist, für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1. Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 15. November 1993 angemeldeten deutschen Patents 43 38 963 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Sanitäres Wasserbecken". Das Streitpatent umfasst 12 Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Sanitäres Wasserbecken, insbesondere für Badezwecke, bestehend aus einem mehrschichtigen Wannenkörper, der eine Außenschale (1) und eine den Innenraum (3) des Wasserbeckens bildende Innenschale (2) aus thermoplastisch verformbarem Material aufweist, wobei zwischen Außenschale (1) und Innenschale (2) ein Zwischenraum (7) ausgebildet ist, in dem ein die Außenschale (1) und die Innenschale (2) miteinander verbindendes Füllmaterial vorgesehen ist, wobei das Füllmaterial zum Ausgleich der unterschiedlichen Form von Außenschale (1) einerseits und Innenschale (2) andererseits eine ungleichmäßige Wandstärke aufweist und die durch das Füllmaterial gebildete Zwischenwand aus einem Material mit dauerelastischen Eigenschaften besteht".

Wegen des Wortlauts der mittelbar oder unmittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 12 wird auf die Streitpatentschrift DE 43 38 963 B4 verwiesen.

Die Klägerin hat sich zunächst gegen die Patentansprüche 1 bis 8 und 12 gewandt und geltend gemacht, Patentanspruch 1 des Streitpatents sei insofern unzulässig erweitert, als dessen Merkmal, wonach in dem Zwischenraum zwischen Außenschale (1) und Innenschale (2) ein die Außenschale (1) und die Innenschale (2) miteinander verbindendes Füllmaterial vorgesehen ist, über den Inhalt des ursprünglichen Patentanspruchs 1 und der übrigen ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinausgehe, wonach besagter Zwischenraum mit einem durch chemische Reaktion aushärtbaren Füllmaterial ausgefüllt ist (Offenlegungsschrift DE 43 38 963 A1). Ferner hat sie die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht neu sei bzw. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Zur Begründung bezieht sie sich auf folgende Druckschriften:

- Streitpatentschrift DE 43 38 963 B4 (Anlage 1)

- dazugehörige Offenlegungsschrift DE 43 38 963 A1 (Anlage 2) und - Schutzrechtsauskunft des elektronischen Informationssystems DPINFO des Deutschen Patent- und Markenamts (Anlage 3),

- Merkmalsanalyse des Patentanspruchs 1 des Streitpatents (Anlage 4),

- Auszug aus dem "Taschenbuch der Physik" , Herausgegeben von Prof. Dr. Horst Stöcker, 2. Auflage, Verlag Harri Deutsch, Frankfurt am Main, 1994, Titelseite mit Impressum und Seiten 552 bis 553 (Anlage 5),

- US-Patentschrift 4 289 717 (Anlage 6),

- DE 26 18 070 A1 (Anlage 7),

- Auszug aus dem Buch Leppkes, Reinhard "Polyurethane - Werkstoff mit vielen Gesichtern", Verlag Moderne Industrie AG, Landsberg/Lech, 1993, Titelseite mit Impressum, Inhaltsverzeichnis und Seiten 32 bis 49 und 58 bis 63 (Anlage 8)

sowie - Fachartikel F. Orth, G.W. Ehrenstein "Werkstoffauswahl bei dynamischer Belastung" in "Kunststoffe", Bd. 79 (1989), Nr. 8, Seiten 727 bis 731 (Anlage 9).

In der mündlichen Verhandlung verteidigt die Beklagte ihr Patent, soweit es angegriffen worden ist, mit folgenden Patentansprüchen in beschränkter Fassung:

"1. Sanitäres Wasserbecken, insbesondere für Badezwecke, bestehend aus einem mehrschichtigen Wannenkörper, der eine Außenschale (1) aus Metall und eine den Innenraum (3) des Wasserbeckens bildende Innenschale (2) aus thermoplastisch verformbaren Material aufweist und die den Innenraum (3) der Wanne bildenden Wandungen (4) der Innenschale (2) an vorgesehenen Stellen Aus- und/oder Einbuchtungen (5) aufweisen, wodurch zwischen den sich gegenüberliegenden Wandungen der Außenschale (1) und der Innenschale (2) ein unregelmäßiger Zwischenraum ausgebildet ist, in dem ein die Außenschale (1) mit der Innenschale (2) miteinander verbindendes Füllmaterial vorgesehen ist, wobei das Füllmaterial zum Ausgleich der unterschiedlichen Form von Außenschale (1) einerseits und Innenschale (2) andererseits eine ungleichmäßige Wandstärke aufweist und die durch das Füllmaterial gebildete Zwischenwand aus einem Material besteht, das durch chemische Reaktion aushärtbar ist und dauerelastische Eigenschaften aufweist, wobei das Füllmaterial die Außenschale (1) mit der Innenschale (2) kraftschlüssig, jedoch dauerelastisch verbindet und infolge seiner dauerelastischen Eigenschaften unterschiedliche Materialausdehnungen der Außenschale (1) und der Innenschale (2) aufnimmt.

2. Sanitäres Wasserbecken nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Innenschale (2) in ihrem oberen Bereich einen umlaufenden Rand (9) aufweist, der die obere Kante (10) der Außenschale (1) überdeckt.

3. Sanitäres Wasserbecken nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die durch das Füllmaterial gebildete Zwischenwand aus einem Polymerisat besteht.

4. Sanitäres Wasserbecken nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die durch das Füllmaterial gebildete Zwischenwand aus einem Material mit zellartiger Struktur besteht.

5. Sanitäres Wasserbecken nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Außenschale (1) innen-/oder außenseitig mit Verstärkungsmitteln (15), vorzugsweise Wülsten, Rippen, Nuten oder Sicken, versehen ist.

9. Sanitäres Wasserbecken nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass das Füllmaterial eine sich zwischen Außenschale (1) und Innenschale (2) sich durchgehend erstreckende Zwischenwand bildet."

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des geänderten Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik, maßgeblich gegenüber den Anlagen 6 und 7, weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Sie beantragt, das Streitpatent im Umfang der verteidigten Patentansprüche 1 bis 5 und 9, soweit dieser auf die Patentansprüche 1 bis 5 mittelbar oder unmittelbar rückbezogen ist, für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in der verteidigten Fassung richtet, und des weiteren Vollstreckungsschutz.

Sie begründet die Änderungen des Patentanspruchs 1 und trägt vor, dass der verteidigte neue Patentanspruch 1 patentfähig sei.

Gründe

Die zulässige Klage hat Erfolg, denn dem Streitpatent steht, soweit es noch verteidigt wird, der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gemäß § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG entgegen.

Das Streitpatent ist ohne Sachprüfung schon insoweit für nichtig zu erklären, als die angegriffenen erteilten Patentansprüche 1 bis 8 und 12 über die von der Beklagten in zulässiger Weise nur noch beschränkt verteidigte Fassung hinausgehen (vgl. Schulte, Patentgesetz, 7. Aufl., § 81 Rdn. 132 m. w. N.). Die weitergehende Klage hat Erfolg, weil der mit ihr angegriffene Patentgegenstand in der von der Beklagten beschränkt verteidigten Fassung nicht patentfähig ist.

I.

Gegen die Zulässigkeit der beschränkt verteidigten Patentansprüche 1 bis 5 und 9 bestehen - auch seitens der Klägerin - keine Bedenken.

Der beschränkt verteidigte Patentanspruch 1 findet inhaltlich eine ausreichende Stütze in den erteilten Patentansprüchen 1 und 4 i. V. m. den Abschnitten [0006]), [0019]), [0027]) und [0028]) der Patentschrift. Mit der Aufnahme der Merkmale des erteilten Patentanspruchs 4 in den beschränkt verteidigten Patentanspruch 1 ist eine unzulässige Erweiterung des erteilten Patentanspruchs 1 ausgeräumt worden. Durch die aus der Beschreibung in den beschränkt verteidigten Patentanspruch 1 aufgenommenen Merkmale wird die weiter gefasste Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 auf eine engere Lehre eingeschränkt, wobei diese Merkmale an den genannten Stellen der Beschreibung der Patentschrift erkennbar als zu der beanspruchten Erfindung gehörend offenbart sind (vgl. hierzu BGH GRUR 1991, 307, amtlicher Leitsatz - "Bodenwalze"). Zudem sind diese Merkmale auch in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als erfindungswesentlich offenbart (vgl. die ursprüngliche Beschreibung, Seite 2, Zeilen 6 bis 14 und Seite 3, Zeilen 15 bis 19).

Die beschränkt verteidigten Patentansprüche 2 bis 5 und 9 stimmen inhaltlich - in dieser Reihenfolge - mit den angegriffenen erteilten Patentansprüchen 2, 5, 6, 8 und 12 überein.

II.

1) Nach den Angaben in der Streitpatentschrift (vgl. Abschnitt [0001]) geht die Erfindung von sanitären Wasserbecken aus, wie sie als einschichtige Stahlblech-, Metall- oder Kunststoff-Gusswannen oder als mehrschichtige Badewannen aus tiefgezogenem Acryl mit GFK (Glas-Faser verstärkter Kunststoff) verstärkter Rückwand bekannt sind. Badewannen aus Stahlblech hätten jedoch den Nachteil (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0002]), dass die Verformbarkeit des Ausgangsmaterials bestimmten Grenzen unterliege, die durch die erforderliche Materialstärke, die Verformbarkeit des Materials und die verfügbaren Herstellungsmaschinen bestimmt seien. Weitere Nachteile dieser Wannen seien in ihrem hohen Gewicht und darin zu sehen, dass metallene Wannenwände - auch mit Emaileüberzug - stark wärmeleitend seien, weshalb sie bei Hautkontakt ein starkes Kälteempfinden hervorriefen. Auch sei die Oberfläche aus Emaile stoßempfindlich und nicht nachbesserungsfähig. Zudem müsse bei diesen und anderen bekannten Wannen bei Reparaturen oftmals die gesamte Wanne ausgetauscht werden, wobei an den Wanneneinfassungen Beschädigungen entstünden und beschädigte Wannen nur durch Ersatzwannen mit kleineren Abmessungen ersetzt werden könnten, die weniger Komfort und Stabilität aufwiesen. Wannen aus gegossenem Metall hätten ein hohes Gewicht und seien sehr aufwendig in der Herstellung (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0003]). Wannen mit tiefgezogener Acryl-Innenschale mit GFK-verstärkter Außenschale, wie sie aus Anlage A7 bekannt seien, hätten den Nachteil, dass GFK-Material nicht recyclebar sei und relativ dickwandige Innenschalen vorgesehen werden müssten (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0004]). Insbesondere entstünden bei der Verarbeitung der verwendeten Harze Umweltbelastungen durch schadstoffreiche Gase und Dämpfe. Ein weiterer Nachteil bekannter Wannen bestünde außerdem darin, dass die Wannenkörper keine Wärmeisolierung aufwiesen, für diese also Zusatzmaßnahmen erforderlich seien.

2) Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, die bei bekannten Wasserbecken vorhandenen Nachteile, wozu nicht zuletzt die geringe Verformbarkeit von metallenen Wannen zählt, zu überwinden und ein neues verbessertes Wasserbecken zu gestalten, d.h. ein an sich bekanntes formstabiles sanitäres Wasserbecken derart zu gestalten, dass dieses mit geringen Material- und Herstellungskosten, insbesondere mit geringen Herstell-Werkzeugkosten produzierbar und die Formgebung individuellen Wünschen leicht anpassbar ist (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 1. Mai 2006, Seite 5, Abschnitt "Aufgabe des Streitpatents (Problemstellung)").

3) Zur Lösung dieser Aufgabe ist im beschränkt verteidigten - einteiligen - Patentanspruch 1 des Streitpatents ein sanitäres Wasserbecken mit folgenden Merkmalen vorgeschlagen (Merkmalsanalyse):

1. Sanitäres Wasserbecken, insbesondere für Badezwecke, 1.1 bestehend aus einem mehrschichtigen Wannenkörper, 1.1.1 der eine Außenschale (1) aufweist, 1.1.1.1 die aus Metall besteht, 1.1.2 der ferner eine Innenschale (2) aufweist, 1.1.2.1 die den Innenraum (3) des Wasserbeckens bildet, 1.1.2.2 die aus thermoplastisch verformbarem Material besteht 1.1.2.3 und deren den Innenraum (3) der Wanne bildende Wandungen (4) an vorgesehenen Stellen Aus- und/oder Einbuchtungen (5) aufweisen, 1.1.3 wodurch zwischen den sich gegenüberliegenden Wandungen der Außenschale (1) und der Innenschale (2) ein unregelmäßiger Zwischenraum ausgebildet ist, 1.1.3.1 in dem ein die Außenschale (1) und die Innenschale (2) miteinander verbindendes Füllmaterial vorgesehen ist, 1.1.3.1.1 wobei das Füllmaterial zum Ausgleich der unterschiedlichen Form von Außenschale (1) einerseits und Innenschale (2) andererseits eine ungleichmäßige Wandstärke aufweist, 1.1.3.1.2 wobei die durch das Füllmaterial gebildete Zwischenwand aus einem Material besteht, 1.1.3.1.2.1 das durch chemische Reaktion aushärtbar ist 1.1.3.1.2.2 und dauerelastische Eigenschaften aufweist, 1.1.3.1.3 und wobei das Füllmaterial die Außenschale (1) mit der Innenschale (2) kraftschlüssig, jedoch dauerelastisch verbindet 1.1.3.1.4 und infolge seiner dauerelastischen Eigenschaften unterschiedliche Materialausdehnungen der Außenschale (1) und der Innenschale (2) aufnimmt.

Nach den Angaben der Beklagten (vgl. Schriftsatz vom 1. Mai 2006, Seiten 2 und 3, Abschnitt III.A.) hat die den Merkmalen 1.1.2.2 und 1.1.2.3 der vorstehenden Merkmalsanalyse entsprechende Anordnung von Aus- und/oder Einbuchtungen an den die Wanneninnenseite bildenden Wandungen der thermoplastisch leicht verformbaren Innenschale zur Folge, dass die an sich stabile und nur bedingt verformbare Außenschale (1) nur geringfügigen Verformungen unterzogen werden muss. Dadurch würden bei einer beispielsweise aus Stahlblech bestehenden Außenschale (1) Material- und Herstellkosten gespart, insbesondere fielen geringere Herstell-Werkzeugkosten an, und es könne bei der Herstellung der Stahlblechwannen und beim Zusammenfügen des Verbundes mit größeren Toleranzen produziert werden, ohne dass bei der Innenschale (2) Nachteile im Aussehen in Kauf genommen werden müssten. Die Form der Aus- und Einbuchtungen sei vielseitig und relativ leicht gestaltbar.

Die Aus- und Einbuchtungen seien zudem für die Haltbarkeit des Wasserbeckens von Bedeutung. Bei im Wesentlichen glattflächigen Wandungen der Innenschale führten die - unterschiedlichen - Materialausdehnungen von Innenschale und Außenschale sehr rasch zur Separation der einzelnen Schalen. Durch die Aus- und Einbuchtungen an der Wandung der Innenschale ergäben sich gegenüber glatten Wandungen größere Haftflächen für das dauerelastische Material der Zwischenschicht-Füllung. Auch bildeten sich aufgrund der Aus- und Einbuchtungen der Innenschale in der dauerelastischen Zwischenschicht-Füllung elastische Pufferzonen aus, die gegenüber glatten Wandungen weitaus größere elastische Beanspruchungen zuließen und bereits bei Wandstärken der Innenschale von nur wenigen Millimetern wesentlich zur dauerhaften Stabilität des Wannenkörpers beitrügen. Des weiteren hätten die Aus- und Einbuchtungen der Innenschale den Vorteil, dass die unterschiedlichen Materialausdehnungen von Innenschale und Außenschale von der Zwischenschicht-Füllung besser aufgenommen werden könnten (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 1. Mai 2006, Seite 5, Abschnitt "Lösung und Anweisung zum technischen Handeln").

III.

1) Der Streitpunkt der Neuheit der Erfindung kann unerörtert bleiben, denn die Klage hat jedenfalls deshalb Erfolg, weil der Gegenstand des beschränkt verteidigten Patentanspruchs 1 nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Stand der Technik nach den Anlagen 6 und 7 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns beruht (vgl. BGH GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 - "Elastische Bandage"), der hier als ein mit der Entwicklung und Herstellung von Wannen befasster, berufserfahrener Maschinenbau-Ingenieur mit Fachhochschulabschluss zu definieren ist, der auch über die erforderlichen Kenntnisse auf dem Gebiet der Kunststofftechnik verfügt.

Die Anlage 6 offenbart sanitäre Wasserbecken für Badezwecke, die - in der Terminologie der Streitpatentschrift - folgende Merkmale des beschränkt verteidigten Patentanspruchs 1 aufweisen:

- Sanitäres Wasserbecken, insbesondere für Badezwecke (bathroom articles, such as bathtubs, vgl. Spalte 1, Zeile 15),

- bestehend aus einem mehrschichtigen Wannenkörper, der eine Außenschale (base B) und eine den Innenraum des Wasserbeckens (center receptacle portion 80) bildende Innenschale (skin S) aufweist (vgl. die Figuren 7 und 8 mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 8, Absatz 3),

- wobei eine der Schalen Einbuchtungen (stiffening ribs 32) aufweist (vgl. Fig. 8 i. V. m. den Figuren 4 und 7 nebst den dazugehörigen Erläuterungen in Spalte 4, Zeilen 17 bis 19), wodurch zwischen den sich gegenüberliegenden Wandungen der Außenschale (B) und der Innenschale (S) ein unregelmäßiger Zwischenraum (cavity 70, vgl. Fig. 5 i. V. m. Spalte 7, Zeilen 22 bis 26) gebildet ist, in dem ein die Außenschale (B) und die Innenschale (S) miteinander verbindendes Füllmaterial (foam F) vorgesehen ist (vgl. Fig. 8 i. V. m. Spalte 8, Zeilen 15 bis 21),

- wobei das Füllmaterial (F) zum Ausgleich der unterschiedlichen Form von Außenschale (B) einerseits und Innenschale (S) andererseits eine ungleichmäßige Wandstärke aufweist (vgl. Fig. 8 i. V. m. den Figuren 4 und 7 nebst Spalte 4, Zeilen 17 bis 19) und die durch das Füllmaterial (F) gebildete Zwischenwand aus einem Material besteht, das durch chemische Reaktion aushärtbar ist (vgl. Spalte 7, Zeilen 31 bis 46) und dauerelastische Eigenschaften aufweist (vgl. Spalte 6, Zeilen 38 bis 44 bzw. Spalte 7, Zeilen 31 bis 34),

- wobei das Füllmaterial (F) die Außenschale (B) und die Innenschale (S) kraftschlüssig (vgl. Spalte 7, Zeilen 44 bis 46) jedoch dauerelastisch ver- bindet und infolge seiner elastischen Eigenschaften unterschiedliche Materialdehnungen der Außenschale (B) und der Innenschale (S) aufnimmt.

Dazu ist zu bemerken, dass der in Anlage 6 als Haut (skin S) bezeichnete Bestandteil der Wannenkörpers aus einer auf eine Form (40) aufgesprühten Vinylschicht (vinyl layer V) und einer darauf aufgesprühten Polyurethanschicht (polyurethane layer U) besteht (vgl. die Figuren 3 und 4 mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 4, Zeile 31 bis Spalte 6, Zeile 13). Da die die Haut (S) bildenden Schichten (V und U) zusammen eine Dicke zwischen 3,2 und 4,8 mm aufweisen (between 1/8 inch and 3/16 inch, vgl. Spalte 5, Zeilen 48 bis 50, wobei 1 inch = 25,4 mm), handelt es sich bei dieser Haut (S) also um eine Innenschale im Sinne des Streitpatents (vgl. hierzu auch den Schriftsatz der Beklagten vom 1. Mai 2006, Seite 3, Zeilen 9 bis 12, wonach die Innenschale eine Wandstärke von nur wenigen Millimetern aufweisen kann, bzw. die Anlage 7, Anspruch 1 i. V. m. Seite 6, letzter Absatz, wo eine Innenschale aus Kunststoff mit einer Stärke von etwa 4 mm offenbart ist). Dass das Füllmaterial (F) dauerelastische Eigenschaften aufweist und daher Außenschale (B) und Innenschale (S) dauerelastisch verbindet und infolge seiner elastischen Eigenschaften unterschiedliche Materialdehnungen von Außenschale (B) und Innenschale (S) aufnimmt, ergibt sich für den Fachmann daraus, dass als Füllmaterial (F) ein elastischer zelliger Polyurethanschaum vorgesehen ist (flexible cellular polyurethane foam, vgl. Spalte 6, Zeilen 38 bis 44 und Spalte 7, Zeilen 31 bis 34). Ausweislich Anlage 8 weist zelliger Polyurethanschaum nämlich derart gute dauerelastische Eigenschaften auf, dass aus ihm sogar Zusatzfedern für die Kraftfahrzeugfederung herstellbar sind (vgl. Abschnitt "PUR-Gießelastomere" auf den Seiten 62 und 63). Ersichtlich aus diesem Grund sieht auch der erteilte Unteranspruch 6 des Streitpatents ein Füllmaterial mit zellartiger Struktur vor. Des weiteren ist unter einer kraftschlüssigen Verbindung im Sinne des Streitpatents beispielsweise ein Verkleben zu verstehen (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0023]). Folglich verbindet gemäß Anlage 6 das Füllmaterial (F) die Außenschale (B) mit der Innenschale (S) auch bereits kraftschlüssig (the foam F bonds to the interior surfaces of the base B and to the interior surface of the polyurethane skin foam layer U of the skin S; vgl. Anlage 6, Spalte 7, Zeilen 44 bis 46). Andererseits wird die Innenschale (S) jedoch - wie dargelegt - durch Aufsprühen hergestellt, ersichtlich weil sie nicht aus thermoplastisch verformbarem Material besteht. Zudem ist die Außenschale (base B) aus glasfaserverstärktem Polyester-Kunstharz gebildet (polyester resin and reinforcing fibreglass fabric, vgl. Spalte 3, Zeilen 32 bis 36). Auch ist die Unregelmäßigkeit des Zwischenraums (cavity 70) zwischen Außenschale (B) und Innenschale (S) im Wesentlichen auf Einbuchtungen (stiffening ribs 32) der Außenschale (B) zurückzuführen.

Demnach unterscheidet sich der Gegenstand des beschränkt verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents von dem Stand der Technik nach Anlage 6 allenfalls noch dadurch, dass bei ihm:

- die Außenschale (1) aus Metall besteht,

- die Innenschale (2) aus thermoplastisch verformbarem Material gebildet ist - und die Aus- und/oder Einbuchtungen (5) an der Innenschale (2) vorgesehen sind.

Die Anlage 7, von der die Erfindung - wie dargelegt - ausgeht, offenbart indessen eine Badewanne, deren mehrschichtiger Wannenkörper aus einer Außenschale (2), einer Innenschale (1) und einer Zwischenwand aus einem Füllstoff (4) aus eingeschäumtem Kunststoffschaum besteht (vgl. die Ansprüche 1 und 4 i. V. m. der Zeichnung nebst zugehöriger Beschreibung auf Seite 6, letzter Absatz), wobei für die Außenschale (2) auch bereits Metall (vgl. Seite 4, letzter Absatz) und für die Innenschale (1) ein hochwertiger Kunststoff vorgesehen ist (vgl. Anspruch 1 i. V. m. Seite 6, letzter Absatz, Zeile 1), bei dem es sich ersichtlich um Acrylglas (vgl. Seite 3, Absätze 2 und 3), d. h. ein thermoplastisch verformbares Material im Sinne des Streitpatents (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0004]), handelt.

Aufgrund dieses Vorbilds bietet es sich dem Fachmann an, bei dem sanitären Wasserbecken nach Anlage 6 ebenfalls eine Außenschale aus Metall und eine Innenschale aus thermoplastisch verformbarem Material zu verwenden. Denn gemäß Anlage 6 werden beim Aufsprühen der dortigen Außenschale (B) und der Innenschale (S) organische Dämpfe freigesetzt (vgl. Spalte 3, Zeilen 60 bis 68 bzw. Spalte 5, Zeilen 1 bis 27), die umweltbelastend sind (vgl. zu Letzterem auch die Streitpatentschrift, Abschnitt [0004]). Für die Außenschale wird der Fachmann dabei selbstredend Stahlblech - wegen seiner bekannt guten Formbeständigkeit und Festigkeit - bevorzugen, das jedoch wegen seiner beschränkten Verformbarkeit (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0002]) nur unter großem Aufwand die Ausbildungen der Aus- und/oder Einbuchtungen (stiffening ribs 32) in der Außenschale zuließe. Da derartige Aus- und/oder Einbuchtungen der Außenschale ausweislich Anlage 7 aber in Verbindung mit der Innenschale und dem Füllstoff einen sehr stabilen Verbund nach Art einer Sandwichkonstruktion ergeben (vgl. Seite 4, letzter Absatz bis Seite 5, Absatz 1), kommt für den Fachmann ein Verzicht auf die Aus- und/oder Einbuchtungen nicht in Frage, vielmehr wird er sie stattdessen an der relativ leicht verformbaren Innenschale aus thermoplastisch verformbarem Material vorsehen, zumal die Innenschale (S) des sanitären Wasserbeckens nach Anlage 6 ohnehin bereits mit einer Ausbuchtung auf einer der Stirnseiten und mit einer weiteren Ausbuchtung im Bereich der bodenseitigen Ausflussöffnung (drain 44F) versehen ist (vgl. die Figuren 3, 4 und 7). Damit gelangt der Fachmann jedoch ohne erfinderisches Zutun bereits zum Gegenstand des beschränkt verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents.

Der beschränkt verteidigte Patentanspruch 1 des Streitpatents ist daher nicht rechtsbeständig.

2) Die auf den verteidigten Patentanspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen beschränkt verteidigten Patentansprüche 2 bis 5 und 9 sind echte Unteransprüche, für die die Beklagte keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt geltend gemacht hat. Diese Unteransprüche fallen deshalb mit dem Hauptanspruch (Benkard, PatG, 10. Aufl. § 22, Rdn. 23; BGH, GRUR 1991, 120 "Elastische Bandage", 122, li. Sp.), zumal deren Merkmale nichts Patentbegründendes enthalten.

a) So ist das Merkmal des beschränkt verteidigten Unteranspruchs 2, wonach die Innenschale in ihrem oberen Bereich einen umlaufenden Rand aufweist, der die obere Kante der Außenschale überdeckt, auch bereits aus der nächstkommenden Anlage 6 bekannt (vgl. die dortige Fig. 8 mit der Fig. 1 der Streitpatentschrift).

Der beschränkt verteidigte Unteranspruch 2 ist daher in seiner Rückbeziehung auf den Patentanspruch 1 nicht rechtsbeständig.

b) Da das laut Anlage 6 als Füllstoff verwendete Polyurethan zweifelsohne ein Polymerisat ist, gehört zum Stand der Technik nach Anlage 6 ferner auch das auf eine Zwischenwand aus einem Füllstoff aus einem Polymerisat gerichtete Merkmal des beschränkt verteidigten Unteranspruchs 3.

Der beschränkt verteidigte Unteranspruch 3 ist daher in seiner Rückbeziehung auf die beschränkt verteidigten Patentansprüche 1 und 2 nicht rechtsbeständig.

c) Aus Anlage 6 ist zudem auch das Merkmal des beschränkt verteidigten Unteranspruchs 4 bekannt, wonach die durch das Füllmaterial gebildete Zwischenwand aus einem Material mit zellartiger Struktur besteht (cellular foam, vgl. Spalte 6, Zeile 43 und Spalte 7, Zeilen 31 und 32).

Der beschränkt verteidigte Unteranspruch 4 ist daher in seiner Rückbeziehung auf die beschränkt verteidigten Patentansprüche 1 bis 3 nicht rechtsbeständig.

d) Dass die Außenschale - insoweit entsprechend dem beschränkt verteidigten Unteranspruch 5 - innen- oder außenseitig mit Verstärkungsmitteln, vorzugsweise Rippen, versehen ist, ist auch schon aus Anlage 6 bekannt (stiffening ribs (32), vgl. Fig. 2 i. V. m. Spalte 4, Zeile 7).

Der beschränkt verteidigte Unteranspruch 5 ist daher in seiner Rückbeziehung auf die beschränkt verteidigten Unteransprüche 1 bis 4 nicht rechtsbeständig.

e) Das Merkmal des beschränkt verteidigten Unteranspruchs 9, wonach das Füllmaterial eine sich zwischen Außenschale und Innenschale durchgehend erstreckende Zwischenwand bildet, ist schließlich ebenfalls aus Anlage 6 bekannt (vgl. Spalte 7, vorletzter Absatz i. V. m. Fig. 8).

Der beschränkt verteidigte Unteranspruch 9 ist daher in seiner Rückbeziehung auf die beschränkt verteidigten Patentansprüche 1 bis 5 ebenfalls nicht rechtsbeständig.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

Der Beklagten und Kostenschuldnerin war nicht gemäß § 712 ZPO zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheit oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden, da sie die diesbezüglichen tatsächlichen Voraussetzungen nicht glaubhaft gemacht hat (§ 714 Abs. 2 ZPO). Ein allgemeiner Hinweis auf eventuelle finanzielle Engpässe reicht hierfür nicht aus.

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BPatG:
Urteil v. 04.10.2007
Az: 2 Ni 69/05


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