Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 14. März 2000
Aktenzeichen: 27 U 102/99

(OLG Hamm: Urteil v. 14.03.2000, Az.: 27 U 102/99)

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird - unter Zurück-weisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 25. Mai 1999 verkündete Urteil der II. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld so abgeändert:

Die Beschlußverfügung des Landgerichts Bielefeld vom 21. April 1999 zu Ziffer 1 wird unter Aufrechterhaltung der Ordnungsmittelandrohung zu Ziffer 4 bestätigt. Im übrigen wird die Beschlußverfügung (zu Ziffer 2 und 3) aufgehoben und der auf ihren Erlaß gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller aufer-legt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Antragsteller ist ebenso wie die Firma T S GmbH & Co.KG (künftig nur noch: T ) zu gleichen Teilen (je 50 %) Gesellschafter der Antragsgegnerin, die als ausschließliche Lizenznehmerin der J! F GmbH (H) gegen gestaffelte Umsatzbeteiligung als Lizenzgebühr Damenoberbekleidung mit der Marke "J!" herstellt und vertreibt. Durch Beschlußverfügung des Landgerichts vom 21. April 1999 erwirkte der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin unter Androhung der zulässigen Ordnungsmittel folgende Anordnungen:

Der Antragsgegnerin wird es untersagt, einen in der Gesellschafterversammlung am 19. April 1999 gefaßten Beschluß auf Einziehung des Geschäftsanteils des Antragstellers an der Antragsgegnerin durchzuführen; der Antragsgegnerin wird es untersagt, den bestehenden Lizenzvertrag zwischen der Antragsgegnerin und der J! F GmbH vom 28. Juni 1991 abzuändern, insbesondere durch Vergabe einer Unterlizenz an die J! F GmbH, solange die dafür nach § 13 V g der Satzung erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung nicht vorliegt; der Antragsgegnerin wird geboten, den Antragsteller bis zur Entscheidung des Schiedsgerichts über die Berechtigung der ab 19. April 1999 beschlossenen Einziehung des Geschäftsanteils als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten zu behandeln.

Dem Einziehungsbeschluß lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Lizenzvertrag vom 28. Juni 1991 zwischen der Antragsgegnerin und der J! F GmbH mit einer 20-jährigen Laufzeit bis zum 31.03.2012 sah ein Recht zur fristlosen Kündigung durch die Lizenzgeberin für den Fall vor, daß die Antragsgegnerin ab 1995 nicht einen jährlichen Jahresumsatz von 20 Mio. DM mit der Lizenzware erreicht. Nachdem die Antragsgegnerin schon zu Zeiten der Geschäftsführung durch den Antragsteller (bis 18. November 1997) in die Verlustzone geraten war, kamen deren Gesellschafter in einer Gesellschafterversammlung am 28. September 1998 überein, mit der Lizenzgeberin bzw. mit deren Hauptgesellschafterin, der W AG, über eine Beteiligung an der Antragsgegnerin zu verhandeln. Ein Verhandlungserfolg blieb indes aus.

Unterdessen nahm der Geschäftsführer der Antragsgegnerin, der in Personalunion auch Geschäftsführer der Komplementärin der T war, Gespräche mit der Lizenzgeberin über die Einräumung von Unterlizenzen auf. Ein insoweit erstellter und dem Antragsteller Anfang Februar 1999 zugeleiteter Vertragsentwurf sah ein Recht der Lizenzgeberin zur Vergabe von Unterlizenzen für Waren der Damenoberbekleidung - Blusen ausgenommen - an Dritte vor gegen Zahlung einer Unterlizenzgebühr von 250.000,00 DM/Jahr zuzüglich gestaffelter Umsatzbeteiligung an der Lizenzware zwischen 0,5 und 1 %. In einer Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin am 19. März 1999, in der die Änderung des Lizenzvertrages als Tagesordnungspunkt Gegenstand der Erörterung gewesen war, lehnte der Antragsteller auch ein nachgebessertes Angebot der Lizenzgeberin, eine Umsatzlizenz von 2 % zu zahlen, ab, weil er eine solche von 3 % für durchsetzbar und angemessen hielt und zudem eine feste Jahreslizenzgebühr von 850.000,00 DM forderte. Eine eigene Beteiligung an für den Fall der Ablehnung dieser Forderungen durch die Lizenzgeberin notwendigen Investitionen für die Belebung der eigenen Herstellung lehnte er ab. Darauf lud der Geschäftsführer der Antragsgegnerin auf Verlangen T mit Schreiben vom 23. März 1999 zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 7. April 1999 mit der Tagesordnung

1. Einziehung des Geschäftsanteils des Mitgesellschafters

Günter Bläser gem. § 7 II 4.

2. Auftrag an die Geschäftsführung zur Durchführung eines

Beschlusses zur Einziehung.

Am 7. April war die Gesellschafterversammlung mangels Teilnahme des Antragstellers, der urlaubsabwesend war, nicht beschlußfähig. Darauf berief der Geschäftsführer der Antragsgegnerin mit Schreiben vom selben Tage eine Versammlung auf den 19. April 1999 ein, zu der der Antragsteller wiederum nicht erschien. Gleichwohl wurde die Einziehung seines Geschäftsanteils mit den Stimmen der T beschlossen und die Geschäftsführung mit der Durchführung des Beschlusses beauftragt. Ein dem Antragsteller am 20. April gezahltes Abfindungsguthaben führte dieser an die Antragsgegnerin zurück.

Der Antragsteller hat den Einziehungsbeschluß für nichtig, zumindest für anfechtbar gehalten, weil sein Teilnahmerecht an der maßgeblichen Gesellschafterversammlung in seiner Urlaubsabwesenheit bewußt vereitelt worden sei. Zudem sei die Einladungsfrist zur Versammlung nicht gewahrt gewesen. In der Sache hat er geltend gemacht, ein Grund zur Einziehung seines Geschäftsanteils habe nicht vorgelegen, vielmehr habe die Antragsgegnerin nur einen Vorwand gesucht, ihn nach mehrfach erfolglosen Versuchen nun endgültig hinauszudrängen. Sein Verhalten in der Gesellschafterversammlung am 19. März gebe keinen sachlichen Grund zur Beanstandung ab, weil er sich angesichts unzureichender Informationen über die geführten Lizenzgespräche und die im Zusammenhang damit beabsichtigte Aufgabe eigener Herstellung von Lizenzware, die dem Vertragszweck entgegenstehe, ohne spezifizierte Planung eines solchen Vorhabens, das zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führe, dazu nicht habe erklären können. Außerdem sei auch der Abänderungsvertragsentwurf mit der Lizenzgeberin inhaltlich mangelhaft, weil der Antragsgegnerin kein Recht verbleibe, auf die Auswahl von Unterlizenznehmern Einfluß zu nehmen. Schließlich sei das ganze Konzept nicht schlüssig, weil unklar bleibe, warum die Antragsgegnerin nicht selbst die Gewinne erwirtschaften könne, die der Unterlizenzvertrag abwerfen solle.

Mit ihrem gegen die Beschlußverfügung eingelegten Widerspruch hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, die Anordnungen zu Ziffer 1 und 2 seien schon deshalb ins Leere gegangen, weil die Einziehung des Geschäftsanteils mit der Zahlung der Abfindung bereits abgewickelt gewesen sei und am 21. April vor Zustellung des Beschlusses Lizenzvereinbarungen mit der Lizenzgeberin und einem weiteren Dritten zustande gekommen seien. Sie hat den Gesellschafterbeschluß als wirksam verteidigt und als Einziehungsgrund mangelnde Kooperationsbereitschaft des Antragstellers aus eigennützigen Motiven wirtschaftlich zu ihren Lasten betont. Die Ausschließung des Antragstellers sei zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen und zur Abwendung andernfalls drohenden Schadens mit Blick auf eine desolate Lage der Antragsgegnerin unerläßlich gewesen.

Das Landgericht hat die Beschlußverfügung durch Urteil vom 25. Mai 1999 bestätigt aus im wesentlichen diesen Gründen: Der Gesellschafterbeschluß könne ungeachtet etwaiger formeller Mängel aus materiellrechtlichen Gründen keinen Bestand haben und werde auf die Anfechtungsklage des Antragstellers wahrscheinlich aufgehoben. Die in der Satzung (§ 7 II) geregelten Voraussetzungen der Einziehung von Geschäftsanteilen hätten nicht vorgelegen. Das Verhalten des Antragstellers, insbesondere die Ablehnung des Unterlizenzvertragsangebotes, in der Gesellschafterversammlung am 19. März 1999 habe keinen wichtigen Grund zum Ausschluß des Antragstellers abgegeben, der wiederum die Einziehung seines Geschäftsanteils begründen könne. Nach § 8 der Satzung sei dergleichen nur bei schwerwiegenden Verstößen gegen den Inhalt des Gesellschaftsvertrages oder bei Unzumutbarkeit weiterer Mitgliedschaft anzunehmen. Angesichts des dem Gesellschafter zustehenden Ermessensspielraumes in bezug auf wirtschaftliche Entscheidungen sei ein bestimmtes Abstimmungsverhalten nur ausnahmsweise und auch nur dann als Pflichtverletzung zu qualifizieren, wenn nur eine einzige sachliche sinnvolle Lösung in Frage komme und also sich das Ermessen auf Null reduziere. Dergleichen sei zumal im Eilverfahren nicht zu klären. Daß das diskutierte Vertragsangebot nicht die einzige und praktisch zwingende Lösung gewesen sei, werde schon durch die modifizierte und so nicht vorgesehen gewesene Unterlizenzvergabe indiziert. Außerdem sei eine Beschlußfassung in besagter Gesellschafterversammlung überhaupt nicht Gegenstand der Tagesordnung gewesen, so daß nicht einmal ein Abstimmungsverhalten des Antragstellers, sondern nur dessen Meinungsäußerung zur Überprüfung stehe. Eine solche könne aber erst recht keine Pflichtwidrigkeit begründen. Die getroffenen Anordnungen seien zur Abwendung wesentlicher Nachteile des Antragstellers geboten.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin. Sie erhebt die Einrede der Schiedsvereinbarung und reklamiert das Eilverfahren als unzulässig. Formelle Mängel der Beschlußfassung schließt sie aus. Insoweit vertieft sie ihren erstinstanzlich eingenommenen Standpunkt. Sie wirft dem Antragsteller als schwere, die Einziehung seines Geschäftsanteils begründende Pflichtverletzung vor, sich aus Eigennutz der Änderung des Lizenzvertrages verschlossen und sich über Skrupel aus der einseitigen wirtschaftlichen Belastung der T hinweggesetzt zu haben. Schwer wiege, daß er persönlich die Hauptlizenzgeberin während der Verhandlungen angegangen und einen Abschluß unter Berufung auf seine Gesellschafterrechte im Innenverhältnis gestört habe. Die vorgeschlagene Abänderung des Lizenzvertrages sei die einzig wirtschaftlich sinnvolle Lösung der Probleme gewesen. Keineswegs seien die Anordnungen zur Abwehr wesentlicher Nachteile erforderlich.

Die Antragsgegnerin beantragt,

abändernd die einstweilige Verfügung vom 21. April 1999 aufzuheben.

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung seines erstinstanzlich dargestellten Standpunktes. Er rügt, daß die Antragsgegnerin ohne seine Mitwirkung den operativen Bereich der Gesellschaft zurückgeführt und den Vertrieb von Lizenzware durch eigene Mitarbeiter eingestellt habe. Dazu gehöre, daß die Antragsgegnerin den Personalbestand um 18 Mitarbeiter zurückgeführt habe, ohne ihn nur annähernd an dieser Maßnahme zu beteiligen. Schließlich beruft er sich darauf, daß seine Anfechtungsklage gegen den in Rede stehenden Gesellschafterbeschluß erstinstanzlich in der Hauptsache erfolgreich gewesen sei.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist im wesentlichen begründet.

Der Antragsteller kann im Wege der einstweiligen Verfügung nach Maßgabe der nachstehenden Erörterungen zu II, 2 verlangen, zu untersagen, den am 19. April 1999 gefaßten Beschluß auf Einziehung seines Geschäftsanteils an der Antragsgegnerin durchzuführen. Insoweit sind ein streitiges Rechtsverhältnis, ein möglicher Anspruch des Antragstellers und ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht (vgl. die nachstehenden Ausführungen, und zu unten III). Im übrigen ist die Beschlußverfügung aufzuheben und der auf ihren Erlaß gerichtete Antrag zurückzuweisen.

I.

Der vom Antragsteller begehrten Eilregelung steht nicht schon die Einrede des Schiedsvertrages seitens der Antragsgegnerin entgegen. Abgesehen von Zulässigkeitsbedenken insoweit aus § 529 Abs. 1 Satz 2 ZPO, weil die Einrede im ersten Rechtszug nicht vorgebracht und deren Verspätung nicht genügend entschuldigt worden ist, schließt die Schiedsgerichtsvereinbarung die Zuständigkeit staatlicher Gerichte jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutz sachlich nicht aus. Ungeachtet der Frage der Schiedsfähigkeit von Beschlußmängelstreitigkeiten bei einer GmbH, die in der Rechtsprechung verneint wird, weil eine gesetzliche Regelung zur Rechtskraft von stattgebenden Entscheidungen wie sie sich in §§ 248 Abs. 1, 249 Abs. 1 AktG im Aktienrecht findet, im 10. Buch der ZPO über schiedsgerichtliches Verfahren fehlt (BGH NJW 1979, 2567; 1996, 1753; OLG Celle GmbHR 1999, 551), ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Zuständigkeit staatlicher Gerichte zumindest deshalb begründet, weil das bis zum 31. Dezember 1997 geltende Recht der ZPO zum Schiedsverfahren eine Befugnis der Schiedsgerichte zu Eilmaßnahmen nicht vorsah (vgl. Hartmann/Albers, ZPO. 56. Aufl., § 1034 Rdn. 8 m.w.N.) und weil nach neuem Recht gemäß § 1033 ZPO die staatliche Zuständigkeit im einstweiligen Rechtsschutz nicht ausgeschlossen werden kann.

2.

Daß die aufgehobene Beschlußverfügung in Wirklichkeit ins Leere gegangen wäre, weil sie durch die spätere Entwicklung überholt worden wäre, so daß an ihrer Aufrechterhaltung kein Interesse mehr hätte bestehen können, kann man nicht sagen. Die Einziehung des Geschäftsanteils des Antragstellers ist mit der Beschlußfassung nicht schon erledigt, zumal eine Eintragung im Handelsregister noch nicht stattgefunden hat und die finanzielle Auseinandersetzung mit dem Antragsteller noch aussteht. Auch der Abschluß von Lizenzverträgen seitens der Antragsgegnerin am 21. April macht die Eilregelung nicht gegenstandslos, weil mangels Vorlage der insoweit abgeschlossenen Verträge offenbleibt, ob nicht noch weitere Vertragsänderungen ins Haus stehen. Außerdem steht trotz § 37 Abs. 2 GmbHG die Wirksamkeit der abgeschlossenen Lizenzverträge in Frage, wenn - was bei summarischer Prüfung nicht abschließend zu beantworten ist - die Geschäftsführung der Antragsgegnerin dabei ihre Vertretungsmacht überschritten hätte, was bei Kenntnis der Lizenznehmerin auch Außenwirkung haben kann (vgl. Baumbach/Zöller, GmbHG, 16. Aufl., § 37 Rdn. 25 ff). Ob mit den getroffenen Regelungen die Hauptsache unzulässig vorweggenommen wäre, braucht nicht entschieden zu werden, weil der Regelungsbedarf aus anderen Gründen zu verneinen ist.

II.

Eine wie hier nach § 940 ZPO begehrte Eilregelung setzt die Notwendigkeit der Abwendung wesentlicher Nachteile des Antragstellers voraus (vgl. dazu nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 940 Rdn. 4; Baumbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 940 Rdn. 6). Dabei geht der Senat mit der herrschenden Meinung davon aus, daß einstweiliger Rechtsschutz auf der Voll-

zugsebene anfechtbarer Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist (vgl. OLG Koblenz GmbHR 1986, 430, OLG Nürnberg GmbHR 1993, 588; Damm ZHR 154(1990), 437; Baumbach/Hueck/Zöllner, a.a.O. Anhang zu § 47 Rdn. 93 c). Allerdings hat mit Blick auf die unvermeidlich verbleibenden Erkenntnislücken des summarischen Verfahrens auch eine folgenorientierte Interessenabwägung stattzufinden, in der sich die Betroffenheit des Antragsgegners durch Erlaß und des Antragstellers bei Versagung der Eilmaßnahme gegenüberstehen (Damm a.a.O. Seite 422; OLG Stuttgart NJW 1987, 2449; OLG Koblenz NJW 1986, 1692).

1.

Unter Anwendung der zuvor dargelegten Grundsätze haben die Verfügungen zu Ziffern 2 und 3 keinen Bestand. Im vorliegenden Fall steht auf Seiten des Antragstellers die Wahrnehmung seines Mitgliedschaftsrechts auf dem Spiel, u.a. mit der Möglichkeit unmittelbarer Einflußnahme auf geschäftliche Maßnahmen der Antragsgegnerin, die den Abschluß und die Änderung des Lizenz- und Unterlizenzvertrages zum Gegenstand haben (§ 13 V g der Satzung). Dagegen hemmte die Beschlußverfügung zunächst die Umsetzung eines oben im Tatbestand näher dargestellten wirtschaftlichen Konzepts der Antragsgegnerin dahin, ihre geschäftlichen Akzente von der Produktion von Lizenzware auf Lizenz- und Handelsgeschäfte zu verlegen, was der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf, aber angesichts einer Pattsituation und der ablehnenden Haltung des Antragstellers einstweilen nicht zu erlangen wäre. Dabei fällt ins Gewicht, daß bei Ablehnung der Umstrukturierung der Antragsgegnerin eine erfolgreiche Produktion von Lizenzware finanzielle Investitionen erforderte, die die Mitgesellschafterin T mit ca. 10 Mio. DM beziffert hat, für die der Antragsteller indes das Beteiligungsrisiko ablehnt unter Berufung auf eine Vereinbarung vom 18. November 1997, wonach die T das alleinige Verlustrisiko der Antragsgegnerin zu tragen hat. Fehlt aber die Bereitschaft des paritätischen Mitgesellschafters, das Risiko der Aufrechterhaltung des kostenintensiven Produktionsbetriebes mitzutragen, ohne daß eine einseitige Investitionspflicht des anderen Mitgesellschafters besteht, dann führt eine Pattsituation bei der mit gleichberechtigten Gesellschaftern versehenen Zweimann-GmbH zu einstweiligen Stagnationen mit der Gefahr eines wirtschaftlichen Desasters des Unternehmens, zumal sich die Antragsgegnerin mit steigenden Verlusten von zuletzt 6 Mio. DM per 30. April 1999 im Abwärtstrend befindet. Eine auf Überwindung eines solchen Konfliktes gerichtete Geschäftstrategie erscheint dem Interesse der Gesellschafter und erst recht der Gesellschaft dienlicher als eine Blockade eines Fortführungskonzepts bis zur endgültigen, zeitlich nicht absehbaren Entscheidung über die Wirksamkeit des angefochtenen Gesellschafterbeschlusses. Zudem hat die Antragsgegnerin ihre Produktion und Entwicklung mit dem Ziel der wirtschaftlichen Gesundung inzwischen eingestellt unter Reduzierung ihrer Belegschaft von 22 auf noch 4 Beschäftigte, nachdem anderweitige Unterlizenzen vergeben worden sind. Angesichts der vom Antragsteller eingenommenen Gegenposition erscheint eine konstruktive Geschäftspolitik der Antragsgegnerin kaum durchführbar, die bei der inzwischen veränderten tatsächlichen und wirtschaftlichen Lage schwerlich zur Ausgangssituation zurückführen kann, weil das ohne Schaden auch im Ansehen und ohne ganz erhebliche finanzielle Investitionen nicht möglich erscheint. Auch würde die Beschlußverfügung der Geschäftsführung zeitlich unabwägbar die notwendige wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit vorenthalten, so daß ohne eine gesicherte zukunftsorientierte Geschäftspolitik Lösungsansätze zur Krisenbewältigung chancenlos bleiben müssen. Der Antragsteller hat nämlich nicht zu erkennen gegeben, seine grundsätzliche Position mit Blick auf die veränderten Umstände neu überdenken zu wollen. Bei dieser Sachlage hält der Senat bei Abwägung der Interessenlagen die den Antragsteller belastenden und ihm womöglich noch drohenden Nachteile infolge des ihn aus der Antragsgegnerin ausschließenden Gesellschafterbeschlusses für nicht so schwerwiegend, als daß sie gegenüber einer existenzdrohenden Lähmung der Geschäftstätigkeit der Antragsgegnerin einstweiligen Rechtsschutz beanspruchen könnten. Vielmehr muß sich der Antragsteller auf die Möglichkeit späteren Schadensersatzes verweisen lassen. Die Interessen der Antragsgegnerin wären nur dann nicht zu schonen gewesen, wenn der angefochtene Gesellschafterbeschluß greifbar rechtswidrig wäre. Davon kann indes keine Rede sein (vgl. dazu unter III).

2.

Soweit der Antragsteller allerdings die Durchführung des Gesellschafterbeschlusses unterbinden will, steht dem ein übergeordnetes Interesse der Antragsgegnerin nicht entgegen, weil die vorläufige Sicherung der Rechtsposition des Antragstellers die Geschäftsfortführung nicht maßgeblich einschränkt oder erschwert. Dabei geht es dem Antragsteller nach Maßgabe seiner Erläuterung seines Interesses an der Beschlußverfügung zu Ziffer 1 in der Berufungsverhandlung ausschließlich darum, die Eintragung seines Ausschlusses im Handelsregister und die finanzielle Abwicklung seiner aus dem Ausschluß folgenden gesellschaftsrechtlichen Position einstweilen zu verhindern. Ein darauf beschränktes Regelungsbedürfnis zugunsten des Antragstellers ist nicht zu verneinen, weil die tatsächliche Durchsetzung der Ausschließung des Antragstellers wirklich droht. Die Antragsgegnerin hat nämlich durch die umgehende Zahlung eines Abfindungsentgeltes an den Antragsteller deutlich gemacht, ihrem Gesellschafterbeschluß so schnell wie möglich auch tatsächlich Geltung verschaffen zu wollen. Umstände und Gesichtspunkte, die die entsprechenden Befürchtungen des Antragstellers hätten zerstreuen können, sind auch mangels entsprechenden Vortrages nicht erkennbar. Dem folgend hält der Senat die inhaltlich so umschriebene Beschlußverfügung zu Ziffer 1 aufrecht.

III.

Die so bestätigte Regelungsverfügung zu Ziffer 1 wäre nur dann nicht zu erlassen gewesen, wenn eine erfolgreiche Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses nicht wirklich in Frage käme (vgl. dazu OLG Koblenz, GmbHR 1986, 430). Das kann aber bei summarischer Prüfung im vorliegenden Eilverfahren nicht angenommen werden.

In formeller Hinsicht steht der vom Antragsteller erhobene Vorwurf im Raum, sein Teilnahmerecht an der Gesellschafterversammlung vom 19. April 1999 bewußt vereitelt zu haben. Zwar bestehen keine Bedenken gegen die Einhaltung der Ladungsfrist, weil die nach § 11 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages geltende und insoweit unbedenkliche zweiwöchige Ladungsfrist erst am 18. April endete. Der gegenteiligen, auf § 193 BGB gestützten Auffassung des Antragstellers vermag sich der Senat nicht anzuschließen, weil diese Bestimmung die Abgabe von Willenserklärungen betrifft und die Wahrung einer Überlegungsfrist zur Herbeiführung rechtsgestaltender Wirkung schützt. Dem steht die Ladungsfrist zu einer Gesellschafterversammlung nicht gleich, weil sie dem Teilnehmer in erster Linie Gelegenheit geben soll, sich auf den Termin einzurichten (vgl. dazu Baumbach/Hueck a.a.O. § 51 Rdn. 18; Palandt, BGB; 58. Aufl., § 193 Rdn 3). Daß die Ladung den Antragsteller gleichwohl nicht fristgerecht erreicht hat, lag zunächst in dessen Sphäre. Er hätte während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit den Zugang postalischer Sendungen sicherstellen müssen, zumal er angesichts der kritischen Phase der Auseinandersetzung der Gesellschafter der Antragsgegnerin mit Schriftverkehr hätte rechnen müssen (vgl. dazu OLG München, DB 1994, 320). Andererseits übersieht der Senat nicht, daß die anwaltlichen Rechtsvertreter des Antragstellers, die in der jüngsten Vergangenheit von jeweils anstehenden Gesellschafterversammlungen in Kenntnis gesetzt worden waren und regelmäßig daran auch teilgenommen hatten, gerade in diesem Fall weder eine Ladung erhalten haben noch anderweit von dem Termin unterrichtet worden sind. Wollte man aus der praktischen Handhabe eine Pflicht der Antragsgegnerin ableiten, von dieser Praxis nicht ohne Not und unangekündigt abzuweichen, stellte sich die Frage eines entsprechenden Vertrauensschutzes auf seiten des Antragstellers, in den die Antragsgegnerin womöglich treuwidrig eingegriffen haben könnte. Indes ist bei summarischer Prüfung jedenfalls treuwidriges Verhalten auf seiten der Antragsgegnerin nicht zu begründen. Auffällig ist zwar, daß der anwaltliche Bevollmächtigte des Antragstellers entgegen der Übung nicht von dem Termin der Gesellschafterversammlung unterrichtet worden ist, eine Strategie offenbarte dieser Umstand aber erst, wenn die Antragsgegnerin sicher davon hätte ausgehen können, daß der Antragsteller auf andere Weise keine Kenntnis davon erhalten würde. Einer solchen Feststellung fehlt die Grundlage, weil es keinen Anhalt dafür gibt, daß auf seiten der Antragsgegnerin die Art der Betreuung postalischer Zugänge während der Urlaubsabwesenheit des Antragstellers bekannt gewesen wäre. Hinzu kommt, daß eine treuwidrige Verhinderung einer Kenntnisnahme des Antragstellers von der Ladung die Gewißheit über Zeit und Dauer seiner Urlaubsabwesenheit auf Seiten der Antragsgegnerin vorausgesetzt hätte. Darüber kann sich der Senat angesichts sich widersprechender eidesstattlicher Versicherung des Antragstellers vom 20. April und des anwaltlichen Vertreters G vom 20. Mai 1999 keine Klarheit verschaffen, zumal kein sachlicher Grund dafür zu erkennen ist, warum der Versicherung des Antragstellers der Vorzug zu geben wäre.

So gesehen ist zwar ein formeller Mangel des Gesellschafterbeschlusses nicht glaubhaft gemacht, aber auch nicht schon endgültig auszuschließen.

Erst recht ist bei summarischer Prüfung eine brauchbare Klärung unmöglich, ob die Ausschließung des Antragstellers rechtlicher Kontrolle letztlich standhält. Insoweit käme es nämlich auf die tatsächliche Untersuchung dahin an, ob der Antragsteller den Ermessensspielraum, der ihm als Gesellschafter der Antragsgegnerin im Rahmen anstehender wirtschaftlicher Entscheidungen grundsätzlich fraglos zusteht, entgegen gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht mißbraucht hat. Das läßt sich erst beurteilen, wenn die in der konkreten Situation gegebenen wirtschaftlichen Alternativen auf seiten der Antragsgegnerin ausgeleuchtet sind und Gewißheit besteht, ob das damals bevorzugte wirtschaftliche Konzept als sinnvoll gelten mußte und der Antragsteller dies unter den damaligen Umständen auch hätte erkennen müssen, so daß sich dessen Ablehnung als eigennützig und unvertretbar erwiese. Wertet man den bisherigen Darlegungs- und Beweisstand ist festzustellen: Zwar ist ein möglicher Anspruch des Antragstellers als glaubhaft gemacht anzusehen; denn der Ausschluß eines Gesellschafters ist äußerstes Mittel der Konfliktlösung. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin jedoch gewichtige Umstände vorgetragen, daß der Antragsteller angesichts bedrohlicher wirtschaftlicher Gefahren sich nicht in den Grenzen der ihm obliegenden Treuepflicht bewegt.

Der Mangel der Aufklärbarkeit geht im Eilverfahren nicht zu Lasten der Antragsgegnerin, selbst wenn sie im Anfechtungsprozeß insoweit die Beweislast tragen mag, weil der Beschluß erst im Falle des Erfolges der Anfechtungsklage durch die Gestaltungswirkung des Urteils hinfällig wird. Allein der Gesichtspunkt, ein Mißbrauch gesellschaftsrechtlicher Befugnisse des Antragstellers sei zu verneinen, weil am 19. März 1999 eine Beschlußfassung über die Umstrukturierung der Antragsgegnerin nicht angestanden habe und lediglich diskutiert worden sei, so daß der Antragsteller seinen Standpunkt schadlos habe vertreten können, begründet nicht schon die Rechtswidrigkeit des Beschlusses. Wäre dem Antragsteller sachwidrige Blockadepolitik vorzuwerfen, dann könnte die Antragsgegnerin kaum darauf verwiesen werden, deren Umsetzung erst in der Stimmabgabe zur Beschlußfassung abwarten zu müssen. Daß der Gesellschafterbeschluß aus anderen Gründen greifbar gesetzwidrig und deshalb anfechtbar wäre, ist bei summarischer Prüfung nicht zu erkennen.

Im Ergebnis begründet die gegebene Sachlage allein ein Verbot zugunsten des Antragstellers, die Durchführung seines Ausschlusses aus der Antragsgegnerin zurückzustellen, dagegen aber nicht solche Maßnahmen, die der Antragsgegnerin - wenn auch vorübergehend - so aber doch über längere Zeit geschäftliche Fesseln anlegen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92 Abs. 2, 708 Nr. 10 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 14.03.2000
Az: 27 U 102/99


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