Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 13. August 2002
Aktenzeichen: 4 O 318/01

(LG Düsseldorf: Urteil v. 13.08.2002, Az.: 4 O 318/01)

Tenor

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

Formteile zur Wärme- und/oder Schallisolierung von Rohrleitungselementen wie Rohrleitungsbögen, -winkeln und -abzweigungen, bestehend aus zumindest zwei entsprechend der Form der Rohrleitungselemente aneinander befestigten und die Rohrleitungselemente umschließenden Abschnitten, die eine Dämmschicht aus Schaumstoff und eine mit dem Schaumstoff verbundene Schicht aus einem Material von höherer Reißfestigkeit aufweisen, wobei die Abschnitte aneinander mittels einem oder mehrerer, die Verbindungsstelle zwischen den aneinander-gefügten Abschnitten überbrückender Kopplungselemente befestigt sind,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen als Kopplungselemente metallische Heftklammern, die linienförmig entlang den Verbindungsstellen zwischen den Abschnitten angebracht sind, verwendet werden und bei denen sich die Kopplungselemente mit einer Schicht aus einem Material von höherer Reißfestigkeit in Halteeingriff befinden;

2.

der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 13. Oktober 1995 begangen haben, und zwar unter Angabe

a)

der Herstellungsmengen und -zeiten, der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b)

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c)

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d)

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e)

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter I. 1. bezeichneten, seit dem 13. Oktober 1995 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 255.645,94 EUR vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 20. Oktober 1992 angemeldeten und u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents xxxxxxx (Klagepatent, Anlage K 1), dessen Anmeldung am 12. Mai 1993 veröffentlicht und dessen Erteilung am 13.September 1995 bekannt gemacht wurde. Das Klagepatent betrifft ein Formteil zur Wärme- oder Schallisolierung von Rohrleitungselementen. Der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Formteil zur Wärme- und/oder Schallisolierung von Rohrleitungselementen sowie Rohrleitungsbögen, -winkeln und -abzweigungen, bestehend aus zumindesten zwei entsprechend der Form der Rohrleitungselemente aneinander befestigten und die Rohrleitungselemente umschließenden Abschnitten, die eine Dämmschicht aus Schaumstoff und eine mit dem Schaumstoff verbundene Schicht aus einem Material von höherer Reißfestigkeit aufweisen, wobei die Abschnitte (2, 3, 12, 13, 14) aneinander mittels einem oder mehrerer, die Verbindungsstelle (8) zwischen den aneinandergefügten Abschnitten (2, 3, 12, 13, 14) überbrückender Kopplungselemente befestigt sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Kopplungselemente eine Nähverbindung bilden und sich mit der Schicht (5) aus einem Material von höherer Reißfestigkeit in Halteeingriff befinden."

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift) veranschaulichen den Erfindungsgegenstand anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Die ursprüngliche Anmeldung des Klagepatents (Anlage B 1) bezog sich in Patentanspruch 1, in der Patentschreibung und in den Unteransprüchen 6 bis 8 nicht nur auf Nähverbindungen, sondern auch auf "Heftklammer oder Nietverbindungen oder dgl.". Auf den Bescheid des Europäischen Patentamts vom 10. August 1994 (Anlage B 2) reichte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Oktober 1994 (Anlage B 3) die jetzigen Ansprüche ein und erklärte, damit den neuen Patentanspruch 1 gegen die entgegengehaltene xxxxxxxx (Anlage K 3) abgegrenzt und im kennzeichnenden Teil auf eine Nähverbindung beschränkt sowie die Textstellen und Unteransprüche, die eine Heft- oder Klammerverbindung betreffen, gestrichen zu haben.

Die Beklagten stellen her und vertreiben Formteile, die zur Wärmedämmung oder Schallisolierung für Rohrleitungselemente dienen und aus einer inneren Schaumstoffschicht und einer äußeren, größere Reißfestigkeit aufweisenden Materialschicht bestehen. Die Klägerin hat als Anlage K 7 ein Musterstück eines entsprechenden Formteils zur Akte gereicht, welches für die Isolierung einer in einem 90 Grad-Winkel angesetzten Rohrleitungsabzweigung verwendet werden kann. Das Formteil ist der Form eines Rohrleitungselements angepaßt und besteht aus mehreren Abschnitten. Entlang der linienförmigen Verbindungsstellen sind die Formteilabschnitte mittels Heftklammern verbunden, die mit kurzem Abstand hintereinander angesetzt sind, jeweils beide Materialschichten der Formteilabschnitte durchdringen und aneinander heften.

Die Klägerin ist der Ansicht, das von den Beklagten vertriebene Formteil mache von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß, zumindest aber mit äquivalenten Mitteln Gebrauch. Sie nimmt die Beklagten deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin macht geltend:

Eine erfindungsgemäße Nähverbindung könne, wie sich u.a. im Umkehrschluß aus Unteranspruch 4 des Klagepatents ergebe, auch mittels Heftklammern realisiert werden, wenn diese - wie es vorliegend der Fall sei - linienförmig und eng zueinanderliegend angeordnet seien. Zumindest sei eine derartige Anordnung einer Heftklammerverbindung eine gegenüber einer Nähverbindung äquivalente Maßnahme. Mit der Neuformulierung des Patentanspruchs 1 und der Anpassung der Patentbeschreibung habe sie, die Klägerin, lediglich den Einwänden des Prüfers Rechnung getragen und den Gegenstand der Erfindung gegenüber dem Stand der Technik genauer abgegrenzt. Eine Begrenzung des Schutzbereichs allein auf Nähverbindungen unter Ausschluß von äquivalent wirkenden Heftklammerverbindungen sei nicht erfolgt.

Die Klägerin beantragt,

sinngemäß wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie machen geltend:

Entgegen der Ansicht der Klägerin könne eine Heftklammerverbindung nicht mit einer Nähverbindung gleichgesetzt werden. Unabhängig davon dürfe der Schutzbereich des Klagepatents weder seinem Wortsinn nach noch unter Äquivalenzgesichtspunkten auf eine Heftklammerverbindung erstreckt werden bzw. sei der Klägerin die Durchsetzung hierauf bezogener Ansprüche nach Treu und Glauben verwehrt, da sie im Erteilungsverfahren mit Schreiben vom 19. Oktober 1994 rechtsverbindlich erklärt habe, den Schutzumfang des Patentanspruchs 1 auf eine Nähverbindung zu beschränken, und Heftklammerverbindungen vom Patentschutz ausdrücklich ausgenommen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffenen Formteile machen von der technischen Lehre des Klagepatents - zumindest in äquivalenter Weise - Gebrauch. Die Beklagten sind der Klägerin daher im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, Rechnungslegung und zum Schadensersatz verpflichtet.

I.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung betrifft ein Formteil zur Wärme- und/oder Schallisolierung von Rohrleitungselementen.

Nach den Darlegungen der Klagepatentschrift ist es bekannt, derartige Formteile mittels eines einseitig angeordneten Langschlitzes über die entsprechenden Rohrleitungsbögen, -winkel oder -abzweigungen zu stülpen. Dadurch wird eine lückenlose Isolierung möglich, ohne die Rohrleitungen - wie es ebenfalls bekannt ist - umständlich umwickeln zu müssen. Die Formteile bestehen aus mehreren Abschnitten, die miteinander verbunden werden. Von Interesse ist insoweit, die einzelnen Formteilabschnitte - insbesondere bei Winkeln und Abzweigungen der Rohrleitungen - in möglichst effektiver Weise zu verbinden. Das Vorsehen einer Klebeverbindung oder die aus der xxxxxxxxx (Anlage K 2) bekannte Überdeckung zweier Isolierungsabschnitte mit einem gürtelartigen Band sieht die Klagepatentschrift insoweit als unzureichend an, da diese Maßnahmen bei hoher mechanischer Beanspruchung eine dauerhafte Verbindung der Formteilabschnitte nicht gewährleisten. An der xxxxxxxxx (Anlage K 3), die eine Verbindung mittels Haken und Haltebauteilen vorsieht, kritisiert die Patentbeschreibung, dass aufgrund der geringen Anzahl an vorgesehen Verbindungspunkten eine besonders sichere Isolierung ebenfalls nicht geschaffen wird. Außerdem ist in jener Druckschrift auch nicht die Verbindung der jeweiligen Stirnseiten der Isolierungsabschnitte offenbart. Letzteres gilt auch für die xxxxxxxx (Anlage K 5) und xxxxxxxx (Anlage K 6).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, ein Formteil zu schaffen, welches auch bei hoher Beanspruchung eine sichere und reißfeste Verbindung der einzelnen Formteilabschnitte gewährleistet. Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patentanspruch 1 die Kombination folgender Merkmale vor:

Formteil zur Wärme- und/oder Schallisolierung von Rohrleitungselementen wie Rohrleitungsbögen, -winkeln und -abzweigungen:

1.

Das Formteil besteht aus zumindesten zwei entsprechend der Form der Rohrleitungselemente aneinander befestigten und die Rohrleitungselemente umschließenden Abschnitten (2, 3, 12, 13, 14).

2.1

Die Abschnitte weisen eine Dämmschicht aus Schaumstoff und

2.2

eine mit dem Schaumstoff verbundene Schicht aus einem Material (5) von höherer Reißfestigkeit auf.

3.

Die Abschnitte sind aneinander mittels einem oder mehrerer die Verbindungsstelle (8) zwischen den aneinander gefügten Abschnitten überbrückender Kopplungselemente befestigt.

4.

Die Kopplungselemente bilden eine Nähverbindung.

5.

Die Kopplungselemente befinden sich mit der Schicht (5) aus einem Material von höherer Reißfestigkeit in Halteeingriff.

Den weiteren Ausführungen der Klagepatentschrift zufolge wird durch die Nähverbindung eine sichere und dauerhafte Verbindung der einzelnen Abschnitte erzielt, wobei die mit der Schaumszoffschicht verbundene Schicht aus Material von höherer Reißfestigkeit verhindert, dass das Material an den Stellen, an denen die Kopplungselemente eingreifen, ausreißt. Die Nähverbindung kann auf einfache Weise mittels eines in Form eines Zick-Zack-Stiches über die Schnittstellen der Formteilabschnitte geführten Fadens erzielt werden. Es können aber auch parallel zur Schnittstelle laufende Nähte verwendet werden. Der auf Patentanspruch 1 zurückbezogene Unteranspruch 4 des Klagepatents sieht insoweit vor, dass das Kopplungselement aus einem insbesondere in der Form eines Zick-Zack-Stiches über die Verbindungsstelle geführten Faden besteht, mit dem die Abschnitte aneinandergenäht sind.

II.

Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents zumindest mit äquivalenten Mitteln Gebrauch. Mit Ausnahme von Merkmal 4 steht zwischen den Parteien die Verwirklichung der weiteren Merkmale des Patentanspruchs 1 - mit Recht - außer Streit.

Merkmal 4 besagt, dass die Kopplungselemente eine Nähverbindung bilden. Die Nähverbindung gewährleistet - gemeinsam mit der reißfesteren Materialaußenschicht - eine sichere und dauerhafte Verbindung der einzelnen Abschnitte des Formteils (vgl. Spalte 1 Zeilen 8 - 17 der Klagepatentschrift). Mit dieser Art der Verbindung grenzt sich das Klagepatent unter anderem vom vorbekannten Stand der Technik gemäß der xxxxxxxxx (Anlage K 2) und der xxxxxxxxxxx (Anlage K 3) ab, bei dem zum einen eine Pressverbindung mittels eines gürtelartigen Bandes hergestellt und zum anderen eine Verbindung von Abschnitten durch Haken und Haltebauteilen an einigen wenigen Punkten vorgeschlagen wird. Demgegenüber zeichnet sich eine Nähverbindung - wie der Fachmann erkennt - dadurch aus, dass der Nähfaden über die gesamte Länge der Verbindungsstellen eine feste, kontinuierliche Verbindung zwischen den Abschnitten der Formteile herstellt, wie es bei den bekannten Nähtechniken, etwa Zick-Zack-Naht oder Parallelnaht (vgl. Spalte 2 Zeilen 37 bis 43, Spalte 4 Zeilen 23 bis 27) der Fall ist, so dass auch bei hoher Beanspruchung der Isolierungsabschnitte eine sichere Verbindung gewährleistet ist.

Ob bei der Verwendung von Heftklammern zur Verbindung zweier Abschnitte noch im Wortsinn des Patentanspruchs 1 von einer Nähverbindung gesprochen werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil es sich bei der von den Beklagten gewählten konkreten Verwendung der Heftklammern zur Verbindung der Abschnitte zumindest um eine äquivalente Maßnahme gegenüber einer Nähverbindung mit einem Nähfaden handelt.

Da die Heftklammern jeweils linienförmig hintereinander entlang des gesamten Verbindungsabschnittes gesetzt sind, sind die Abschnitte der Formteile - was zwischen den Parteien auch unstreitig ist - ebenso sicher und dauerhaft verbunden wie bei einer durchgehenden Nähverbindung. Dass die Heftklammern zur Ausbildung einer nachteiligen Wärmebrücke führen, ist von den Beklagten nicht behauptet worden und wäre im übrigen auch unschädlich, da das Klagepatent die Vermeidung von Wärmebrücken nicht als Vorteil der Verwendung einer Nähverbindung benennt.

Für den Fachmann war die Verwendung des beanstandeten Austauschmittels auch naheliegend. Das Klagepatent stellt dem Fachmann die Wahl der Nähtechnik frei. Entscheidend bei der Wahl ist allein, dass eine hinreichend stabile und dauerhafte Verbindung der Abschnitte erzielt wird. Dass Heftklammern grundsätzlich anstelle von Nähten verwendet werden können, um hierzu geeignete Materialien miteinander zu verbinden, gehört zum allgemeinen Wissen des Fachmanns der sich mit Nähtechniken befaßt. Ihm ist auch ohne weiteres klar, dass eine durchgehende Nähverbindung durch die unmittelbar hintereinander erfolgende Anordnung von Heftklammern ersetzt werden kann. Im übrigen ist kein Grund ersichtlich, weshalb beim vorliegenden Material, das keine besonderen ästhetischen Ansprüche zu erfüllen oder einen bestimmten Tragekomfort zu gewährleisten hat, eine Heftklammerverbindung vom Fachmann nicht als ausreichend angesehen werden sollte, um die Abschnitte des Formteils zu verbinden. Indiziell spricht hierfür auch, dass in der ursprünglichen Patentanmeldung die Verwendung von Heftklammern vorgesehen war.

III.

Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, aus dem im Erteilungsverfahren eingereichten Schriftsatz der Klägerin vom 19. Oktober 1994 (Anlage B 3) folge wegen der darin enthaltenen Beschränkung auf eine Nähverbindung, dass der Schutzbereich des Klagepatents nicht - auch nicht im Wege der Äquivalenz - auf Ausführungsformen erstreckt werden dürfe, bei denen Heftklammern zur Verbindung der Formteilabschnitte eingesetzt werden. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob für die wirksame Beschränkung bzw. den Verzicht auf Teile des Schutzumfangs im europäischen Patenterteilungsverfahren überhaupt eine rechtliche Grundlage vorhanden ist oder ob auch diesbezüglich uneingeschränkt der Grundsatz gilt, dass es für die Bestimmung des Schutzbereichs eines europäischen Patents nicht auf Vorgänge im Erteilungsverfahren ankommt (vgl. dazu BGH, Mitt. 2002, 228, 231 - Kunststoffrohrteil). Denn selbst wenn man die Möglichkeit einer rechtswirksamen Beschränkung oder eines Verzichts für gegeben erachtet, ist vorliegend entgegen der Ansicht der Beklagten die Äußerung der Klägerin, Patentanspruch 1 im kennzeichnenden Teil auf eine Nähverbindung zu "beschränken" sowie Textstellen und Unteransprüche zu streichen, die Heft- oder Klammerverbindungen oder dergleichen betreffen, nicht dahingehend zu verstehen, dass sämtliche denkbaren Varianten von Heftklammerverbindungen dem Schutzbereich des Klagepatents auch unter Äquivalenzgesichtspunkten nicht unterfallen sollen.

Die Beschränkung auf den Begriff der Nähverbindung stellt klar, dass nach der technischen Lehre des Klagepatents eine kontinuierlich fortlaufende und nicht lediglich punktuelle Verbindung der Abschnitte des Formteils, wie es die Klagepatentschrift an der xxxxxxxxxxx (Anlage K 3) kritisiert, erwünscht ist. Heft- oder Klammerverbindungen erfassen nämlich ohne weiteres auch solche punktuelle Verbindungen. Die in der ursprünglichen Anmeldung formulierte Wendung "oder dgl." umfaßt dabei - wie der Prüfer ebenfalls mit Recht beanstandet hat (vgl. Anlage B 2) - sogar eine reine Pressverbindung, wie sie in der xxxxxxxxxx offenbar ist. Die infolge der mißverständlichen bzw. zu weit gehenden Formulierung des Schutzbegehrens vom Prüfer gerügten Auslegungsmöglichkeiten der vorbezeichneten Art wollte die Klägerin ersichtlich mit der Beschränkung auf den Begriff Nähverbindung ausschließen. Nichts ist jedoch dafür ersichtlich und läßt die Annahme gerechtfertigt erscheinen, die Klägerin habe neben der gegenüber dem Stand der Technik erfolgten Präzisierung der Anspruchsfassung und Patentbeschreibung auch den Äquivalenzbereich des Klagepatents dahingehend einschränken wollen, dass Heftklammerverbindungen, die in Wirkung und Funktion einer Nähverbindung entsprechen, nicht dem Schutzbereich des Klagepatents unterfallen sollen.

IV.

Aufgrund des festgestellten Verletzungstatbestandes sind die Beklagten der Klägerin im zuerkannten Umfang gemäß Artikel 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung und, da sie zumindest fahrlässig gehandelt haben, gemäß Artikel 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 Satz 2 PatG zum Schadensersatz verpflichtet. Das für die Schadensersatzhaftung erforderliche Verschulden der Beklagten entfällt nicht im Hinblick auf die Erklärungen der Klägerin im Erteilungsverfahren. Denn bei Beachtung der im geschäftlichen Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten die Beklagten jedenfalls bei Einholung verständigen Rechtsrats erkennen können, dass die Erklärungen der Klägerin im Patenterteilungsverfahren in Abgrenzung zum Stand der Technik erfolgten und nicht dazu dienten, sämtliche denkbaren Varianten von Heftklammerverbindungen aus dem Schutzbereich des Klagepatents auszuschließen. Die Schadenshöhe ist derzeit ungewiß. Die Klägerin hat deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass die Schadensersatzhaftung der Beklagten zunächst dem Grunde nach gemäß

§ 256 Abs. 1 ZPO festgestellt wird. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Anspruch auf Schadenersatz zu beziffern, haben die Beklagten im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (§§ 242, 259 BGB).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Sicherheitsleistung folgen aus §§ 709 Satz 1, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 500.000,00 DM.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 13.08.2002
Az: 4 O 318/01


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