Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Oktober 2007
Aktenzeichen: 27 W (pat) 73/07

(BPatG: Beschluss v. 16.10.2007, Az.: 27 W (pat) 73/07)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 30. September 2005 angemeldete und am 22. November 2005 unter der Nr. 305 57 947 für die Waren

"Schneiderhandwerkzeuge, nämlich Nahttrenner, Scheren, Nadeleinfädler; Maßbänder, Magnete; Flusenrollen, Wollkämme, Fusselbürsten; Garne für textile Zwecke und Nähfäden; Hosenträger, vorgefertigte Kleidertaschen; Markierbänder für Wäsche, Nähmaschinennadeln, Nähnadeln, Sticknadeln, Stecknadeln, Sicherheitsnadeln, Babysicherheitsnadeln, elastische und unelastische Bänder und Litzen, Nähsets, aufbügelbare Bänder, Druckknöpfe, Haken und Ösen als Bundverschlüsse, Fingerhüte, Knöpfe, Wäscheknöpfe, Maschen-Haltenadeln, Haken und Ösen als Bekleidungsverschlüsse, Nadeldosen (nicht aus Edelmetall), Handarbeits- und Bastelnadeln, Ziernieten für Kleidungsstücke, Ösen für Kleidungsstücke, Hakenband für Miederwaren, Trägerbandpolster, Trägerhalter"

in das Markenregister eingetragene Wort-/Bildmarkeist aus der prioritätsälteren deutschen Wortmarke 763 073 (angemeldet am 18. Oktober 1961)

DRIMA Widerspruch erhoben worden. Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für

"Garne und Zwirne".

Der Widerspruch richtet sich gegen alle Waren der angegriffenen Marke und wird auf alle Waren der Widerspruchsmarke gestützt.

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 26 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 15. Dezember 2006 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Die Marken hielten auch unter Berücksichtigung teilweiser Warenidentität einen ausreichenden Abstand ein. Der Verkehr werde die jüngere Marke mit "Prima SEWING" und nicht lediglich mit "Prima" benennen. "Prima" sei dem Verkehr als Superlativ im Sinne von "bestens" bekannt und geläufig, so dass er in den Wortbestandteilen "Prima SEWING" einen in sich geschlossenen Gesamtbegriff sehen werde.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die die Marken für verwechselbar hält. Die sich gegenüberstehenden Waren seien teilweise identisch, teilweise hochgradig ähnlich. Der angegriffene Beschluss gehe völlig darüber hinweg, dass der Bestandteil "SEWING" der angegriffenen jüngeren Marke den rein beschreibenden englischsprachigen Bestandteil "sewing", also "nähen" enthalte. Dieses Wort der englischen Umgangssprache sei auch deutschen Benutzern gut bekannt, da derartige Produkte vielfach mehrsprachig bedruckt seien. In Hotels lägen sehr häufig sog. "sewing kids" kostenlos in den Hotelzimmern aus, um Reisenden bei der Reparatur kleinerer Schäden an Kleidung, Waschzeug oder dergleichen behilflich zu sein. Den angesprochenen Verkehrsteilnehmern stünden somit die Ausdrücke "drima sewing" und "prima sewing" oder eben "prima" und "drima" gegenüber. Im Amtsverfahren hat die Widersprechende eine Verwechslungsgefahr im Wesentlichen mit einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einer Prägung der jüngeren Marke durch den Wortbestandteil "Prima" begründet.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat sich im Beschwerdeverfahren schriftlich nicht zur Sache eingelassen, in der mündlichen Verhandlung hat sie eine Verwechslungsgefahr verneint. Im Amtsverfahren hat die Markeninhaberin eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestritten. Die angegriffene Marke werde entgegen der Auffassung der Widersprechenden auch nicht von dem Wortbestandteil "Prima" geprägt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet, weil die einander gegenüberstehenden Marken keiner Gefahr der Verwechslung im Verkehr nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unterliegen.

Nach diesen Bestimmungen ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs u. a. zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2006, 60, 61 - coccodrillo m. w. Nachw.).

a) Die zur Warenklasse 23 gehörenden "Garne" sind in beiden Warenverzeichnissen identisch enthalten. Die übrigen Waren der jüngeren Marke sind zu den Widerspruchswaren "Garne und Zwirne" aufgrund gemeinsamer Verwendung teilweise durchschnittlich, teilweise nur entfernt ähnlich.

b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält der Senat für durchschnittlich. Allein das Alter der Widerspruchsmarke begründet noch keine erhöhte Kennzeichnungskraft. Für die von der Markeninhaberin bestrittene Behauptung der Widersprechenden, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei aufgrund vielfacher Benutzung überdurchschnittlich, fehlt jeglicher Sachvortrag.

c) Auch den bei Warenidentität erforderlichen weiten Abstand hält die jüngere Marke ein. Schriftbildlich scheitert eine Verwechslungsgefahr bereits an der besonderen graphischen Ausgestaltung der als Wort-/Bildmarke angemeldeten jüngeren Marke.

Auch eine klangliche Verwechslungsgefahr liegt nicht vor. Diese wäre selbst dann zu verneinen, wenn man - wie die Widersprechende - von einer Prägung der jüngeren Marke durch den Bestandteil "Prima" ausgehen sollte. Der klangliche Unterschied am Wortanfang der jüngeren Marke durch den deutlich wahrnehmbaren Sprenglaut "P" zu dem eher weich gesprochenen "D" der Widerspruchsmarke ist nicht zu überhören. Erfahrungsgemäß fallen Abweichungen am Wortanfang eher auf als bei den übrigen Markenteilen (Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rdn. 131). Hinzu kommt, dass Abweichungen bei den kurzen Wörtern "Prima" und "DRIMA" deutlicher auffallen als Abweichungen von längeren Markenwörtern (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 135).

Letztlich ist die Frage, ob die Bestandteile "Prima" und "DRIMA" für sich betrachtet klanglich verwechselbar sind, jedoch nicht entscheidend, weil die jüngere Marke entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht von dem für sich betrachtet schutzunfähigen Wortbestandteil "Prima" geprägt wird. Das Wort "prima" ist dem Verkehr als Superlativ im Sinne von "erstklassig, von bester Qualität, hervorragend, ausgezeichnet, großartig" bekannt (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006). Derart kennzeichnungsschwache Bestandteile sind nicht geeignet, den Gesamteindruck einer Marke zu prägen (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 276) oder eine selbständig kennzeichnende und damit verwechslungsfähige Stellung einzunehmen.

Dafür spricht auch der gesamtbegriffliche Charakter der Wortbestandteile "Prima SEWING". Jene Verkehrskreise, die in der Lage sind, das englischsprachige Wort "sewing" mit "Näharbeit" zu übersetzen (vgl. Duden-Oxford-Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005), werden in der jüngeren Marke einen Gesamtbegriff im Sinne von "prima Näharbeit" erkennen, bei dem sie keinen Anlass haben, den zweiten Wortbestandteil wegzulassen. Für diejenigen, die mangels Englischkenntnisse die Bedeutung des Wortes "sewing" nicht verstehen, besteht erst recht kein Grund, dieses Wortelement zu vernachlässigen.

d) Eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheitert abgesehen von der aufgezeigten gesamtbegrifflichen Bedeutung von "Prima SEWING" bereits daran, dass die gemeinsame Buchstabenfolge "rima" in beiden Marken nicht eigenständig hervortritt, sondern durch die unterschiedlichen Anfangsbuchstaben jeweils in ein neues Wort eingebunden ist.

Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (§ 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

Dr. Albrecht Dr. van Raden Kruppabr/Me






BPatG:
Beschluss v. 16.10.2007
Az: 27 W (pat) 73/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/52b4a4c99f48/BPatG_Beschluss_vom_16-Oktober-2007_Az_27-W-pat-73-07




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share