Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 22. September 2015
Aktenzeichen: X ZB 11/14

(BGH: Beschluss v. 22.09.2015, Az.: X ZB 11/14)

Tenor

Dem Rechtsbeschwerdeführer wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Senats (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts vom 12. Dezember 2013 gewährt.

Auf die Rechtsbeschwerde wird der vorbezeichnete Beschluss aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Gründe

I. Der Anmelder und spätere Patentinhaber meldete am 8. August 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Erfindung mit der Bezeichnung "Fondue-Einrichtung" an und benannte sich als Erfinder. Die Erteilung des Patents 10 2006 036 945 wurde am 10. Juni 2010 veröffentlicht. Die Patentansprüche 1 und 9 von insgesamt 10 Patentansprüchen haben folgenden Wortlaut:

"1. Fondue-Einrichtung mit mindestens einem Topf (2), mit mindestens einem Heizgerät (3) zur Erhitzung eines Fondue-Mediums und mit einer Steuerung (4) des Heizgerätes derart, dass verschiedene Fondue-Medien jeweils auf eine ihnen entsprechende Betriebstemperatur einregelbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass in der Steuerung (4) die Betriebstemperaturen für verschiedene Fondue-Medien fest vorgegeben und wählbar sind.

9. Fondue-Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Fondue-Einrichtung an einem Tisch (1) angeordnet ist, wobei der Topf (2) in diesen einsetzbar ist und das Heizgerät (3) die Mittel zur Erkennung (7) der Erkennungsmerkmale, die Steuerung (4) und Teile der Abzugsvorrichtung (6) unter der Tischplatte (9) angeordnet sind."

Der Einsprechende hat geltend gemacht, der wesentliche Inhalt des Patents beruhe auf einer widerrechtlichen Entnahme seiner Erfindung. Hilfsweise hat er geltend gemacht, der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig, nicht in einer für den Fachmann ausführbaren Weise offenbart und gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.

Die Patentabteilung hat auf den Einspruch das Patent mit Beschluss vom 24. April 2012 wegen widerrechtlicher Entnahme widerrufen. Hiergegen hat der Patentinhaber Beschwerde eingelegt. Während des Beschwerdeverfahrens ist das Patent wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr mit Wirkung vom 1. März 2013 erloschen. Das Patentgericht hat auf die Beschwerde den Beschluss der Patentabteilung aufgehoben und das Einspruchsbeschwerdeverfahren für erledigt erklärt.

Der Senat hat dem Einsprechenden Verfahrenskostenhilfe zur Durchführung einer - vom Patentgericht nicht zugelassenen - Rechtsbeschwerde bewilligt, die dieser unter Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Ziel der Zurückweisung der Beschwerde und Wiederherstellung des Beschlusses der Patentabteilung eingelegt hat. Der Patentinhaber tritt der Rechtsbeschwerde entgegen.

II. Dem Einsprechenden ist gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 PatG in Verbindung mit § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde zu gewähren. Er war bis zur Mitteilung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe am 8. August 2014 ohne sein Verschulden an der Einlegung der Rechtsbeschwerde gehindert. Er hat danach innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung beantragt und die Rechtsbeschwerde eingelegt.

Hinsichtlich der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde bedarf es hingegen keiner Wiedereinsetzung. Diese Frist war zum Zeitpunkt der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags noch nicht abgelaufen. Gemäß § 102 Abs. 3 Satz 2 PatG hat diese Frist erst mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde am 20. August 2014 begonnen (vgl. zu § 85 Abs. 3 Satz 3 MarkenG: BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - I ZB 83/08, GRUR 2009, 427 - ATOZ II; Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., § 102 Rn. 11).

III. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, denn mit ihr wird der Beschwerdegrund der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG) geltend gemacht. Sie ist auch im Übrigen zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1. Das Patentgericht hat seine - in BPatGE 54, 222 veröffentlichte - Entscheidung wie folgt begründet:

a) Die Beschwerde des Patentinhabers sei zulässig. Er sei durch den Widerruf des Patents nicht nur formell beschwert, weil der Widerruf das Patent im Gegensatz zur Nichtzahlung der Jahresgebühr rückwirkend vollständig aufhebe. Der Patentinhaber könne sich auch auf ein Rechtsschutzbedürfnis berufen, weil der Widerruf des Patents wegen widerrechtlicher Entnahme ein Nachanmelderecht des Einsprechenden entstehen lassen würde, das zu der Erteilung eines seine eigene wirtschaftliche Freiheit einschränkenden Patents führen könnte.

b) Der Einspruch sei insgesamt von Anfang an unzulässig, weil der Einsprechende nicht der Verletzte gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 PatG und somit nicht der Andere im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG sei, dem die Erfindung widerrechtlich entnommen worden sei. Der Einsprechende und der Patentinhaber seien zur Zeit der Anmeldung beide aufgrund einer zwischen ihnen vereinbarten Zusammenarbeit Mitbesitzer der fertigen Erfindung gewesen. Dabei könne offen bleiben, welche erfinderischen Beiträge die Beteiligten hierfür geleistet hätten. Bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts hätten die Beteiligten mit der Vereinbarung ihrer Zusammenarbeit im Jahr 2004 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, auch wenn sie dies nur konkludent und nicht bewusst vollzogen hätten sowie eine genaue vertragliche Bestimmung der Beteiligungsverhältnisse gefehlt habe. Die Parteien hätten jedenfalls eine Zusammenarbeit vereinbart, die darauf angelegt gewesen sei, ein Fondue-Restaurant zu eröffnen, die dafür notwendigen besonderen Gerätschaften zu entwickeln und herzustellen sowie ein dabei angestrebtes Patent zu verwerten, wobei der spätere Patentinhaber als Investor die Kosten übernommen und der Einsprechende seine Ideen hierfür eingebracht habe. Es habe zwar Streit über die Beteiligungsverhältnisse gegeben. Die Zusammenarbeit sei aber erst nach der Patentanmeldung im August 2007 beendet worden.

Die Beiträge der Beteiligten als Gesellschafter und die während der Zusammenarbeit erworbenen Gegenstände seien gemäß § 718 Abs. 1 BGB ihr gemeinschaftliches Vermögen geworden. Soweit einer der Beteiligten nicht Erfinder gewesen sei, habe er somit jedenfalls rechtsgeschäftlich das gemeinschaftliche Recht auf das Patent - als Rechtsnachfolger im Sinne des § 6 Abs. 1 PatG - erworben.

2. Die Rechtsbeschwerde rügt unter anderem, aus dem unstreitigen Sachverhalt habe sich kein Mitbesitz beider Beteiligter an der Erfindung ergeben. Ein Mitbesitz sei zu keiner Zeit diskutiert worden.

3. Diese Rüge ist begründet.

a) Gemäß § 139 Abs. 2 ZPO, der nach § 99 Abs. 1 PatG für das Beschwerdeverfahren vor dem Patentgericht zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2010 - Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 Rn. 22 - Walzenformgebungsmaschine) muss das Gericht die Parteien auf einen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt hinweisen, den sie erkennbar übersehen, insbesondere im Verfahren noch nicht zur Sprache gebracht haben, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben, wenn die Entscheidung auf diesen Gesichtspunkt gestützt werden soll. Das Ausbleiben eines solchen Hinweises stellt regelmäßig eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, wenn die Entscheidung gleichwohl auf einen solchen Gesichtspunkt gestützt wird (vgl. statt vieler: BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 - VII ZR 210/07, BauR 2008, 1662 Rn. 10 ff.).

b) So liegt der Fall hier. Das Patentgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, die Beteiligten hätten mit ihrer Zusammenarbeit einen Gesellschaftsvertrag geschlossen, demzufolge das Recht auf ein Patent gemeinsames Vermögen beider Beteiligter geworden sei. Eine solche Rechtsnachfolge in das aus dem Recht an der Erfindung folgende Recht auf das Patent ist weder von den Beteiligten noch in der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung des Patentamts angesprochen worden. Ohne einen Hinweis auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt musste der anwaltlich vertretene Einsprechende nicht damit rechnen, dass die Beschwerdeentscheidung darauf gestützt werden könnte.

c) Die angefochtene Entscheidung beruht auch auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Nach einem entsprechenden Hinweis zu dem vom Patentgericht in Betracht gezogenen Gesichtspunkt eines Gesellschaftsvertrags, aufgrund dessen der Patentinhaber und der Einsprechende als Gesellschafter verpflichtet gewesen wären, ihre Rechte auf das Patent in die Gesellschaft einzubringen, und diese Verpflichtung vollzogen hätten, hätte das Gericht den weiteren vom Einsprechenden vorgetragenen Sachverhalt in seine Entscheidung einbeziehen müssen. Hierbei hätte es insbesondere zu der Frage, ob ein Gesellschaftsvertrag geschlossen wurde, und - für den Fall eines solchen Vertragsschlusses - zur Auslegung dieses Vertrags den Vortrag des Einsprechenden berücksichtigen müssen, wonach der Patentinhaber erfolglos versucht habe, eine Abtretung des Rechtes auf ein Patent vom Einsprechenden zu erhalten, beide Beteiligten mithin nicht davon ausgegangen seien, dass dieses Recht Vermögen einer von ihnen gebildeten Gesellschaft geworden sei.

Zudem wäre im Hinblick auf einen solchen Vortrag zu beachten gewesen, dass - unterstellt, ein Gesellschaftsvertrag wurde geschlossen - gemäß §§ 705, 706 BGB die Beitragspflichten eines Gesellschafters in Bezug auf die Leistung gegenständlicher Beiträge deutlich Inhalt des Gesellschaftsvertrags oder einer dazu erklärten Beitrittserklärung geworden sein müssen (vgl. Staudinger/Habermeier, BGB, Bearb. 2003, § 706 Rn. 11; MünchKomm.BGB/Schäfer, BGB, 6. Aufl., § 706 Rn. 7). Dabei kann ein Gesellschaftsvertrag auch ohne eine Pflicht zur Leistung von gegenständlichen Beiträgen geschlossen werden; typisches Zeichen einer Innengesellschaft ist vielmehr, dass kein Gesellschaftsvermögen gebildet wird (vgl. Staudinger/Habermeier, aaO, § 705 Rn. 58; MünchKomm.BGB/Ulmer/Schäfer, aaO, § 705 Rn. 275 jeweils mwN), auch nicht durch die Leistung von gegenständlichen Beiträgen seitens der Gesellschafter.

Eine im Ergebnis andere Entscheidung des Patentgerichts ist deshalb im Hinblick auf den weiteren Sachvortrag der Beteiligten und der hierfür maßgeblichen Rechtsgrundsätze nicht auszuschließen.

IV. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

Das Patentgericht wird zunächst zu prüfen haben, wer die Erfindung gemacht hat oder zumindest einen schöpferischen Beitrag zu der Erfindung erbracht hat.

Sollte sich erneut die Frage stellen, ob das Recht eines Beteiligten oder beider Beteiligten auf das Patent in eine Gesellschaft eingebracht worden ist, wird das Patentgericht zu bedenken haben, dass die von ihm angenommene Gründung einer Gesellschaft zum Zwecke der Eröffnung eines Fondue-Restaurants und der Verwertung des Patents in diesem Zusammenhang nicht ohne weiteres darauf schließen lässt, dass das Recht oder die Rechte auf das Patent in das Gesellschaftsvermögen eingebracht worden sind. Vielmehr gilt, dass der Inhaber eines Schutzrechts oder einer Schutzrechtsanmeldung oder eines Urheberrechts sein Recht im Zweifel nur insoweit übertragen will, als dies zur Erreichung des Zwecks der getroffenen Vereinbarung erforderlich ist (BGH, Urteil vom 27. September 1995 - I ZR 215/93, BGHZ 131, 8, 12 - Pauschale Rechtseinräumung; Urteil vom 11. April 2000 - X ZR 185/97, GRUR 2000, 788, 789 - Gleichstromsteuerschaltung). Lässt sich kein abweichender Parteiwille feststellen, spricht deshalb eine gewollte gemeinsame Nutzung der Erfindung nur für die Einräumung eines Nutzungsrechts der Gesellschaft.

Gegebenenfalls wird das Patentgericht ferner, sollte es zu der Feststellung gelangen, dass die Beteiligten Miterfinder waren oder das Recht auf das Patent ihnen aus anderen Gründen als Gemeinschaft zusteht, zu prüfen haben, ob dies, insbesondere in der gegebenen Konstellation eines durch Nichtzahlung der Jahresgebühr erloschenen Patents, den Einspruch eines Berechtigten wegen widerrechtlicher Entnahme ausschließt (s. dazu einerseits RGZ 117, 47, 50 f.; Benkard/Melullis, PatG, 11. Aufl., § 6 Rn. 57; Busse/Keukenschrijver, aaO, § 21 Rn. 51, sowie BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - X ZB 43/08, GRUR 2011, 509 Rn. 12, 17 - Schweißheizung; andererseits Henke, Die Erfindungsgemeinschaft, S. 118 ff., Rn. 480 ff.).

Meier-Beck Grabinski Bacher Hoffmann Kober-Dehm Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 12.12.2013 - 11 W(pat) 5/13 -






BGH:
Beschluss v. 22.09.2015
Az: X ZB 11/14


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