Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. März 2006
Aktenzeichen: 34 W (pat) 320/03

(BPatG: Beschluss v. 28.03.2006, Az.: 34 W (pat) 320/03)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I Gegen das am 12. Januar 2001 angemeldete und am 21. November 2002 veröffentlichte Patent 101 01 512 mit der Bezeichnung

"Vorrichtung zur Wärmerückgewinnung aus Abluft"

der A... GmbH & Co. in B..., hat die C... AG in D..., am 21. Februar 2003 per Fax Einspruch erhoben.

Das Patent umfasst elf Patentansprüche. Der erteilte Anspruch 1 lautet:

Vorrichtung zur Wärmerückgewinnung aus Abluft mit einem Kühlmittelkreis, bei dem ein Wärmetauscher (10) Abluftwärme an das Kältemittel und ein anderer Wärmetauscher (18) Kältemittelwärme an ein Wärmeübertragungsmedium übertragen und bei dem ein Kompressor (16) das Kältemittel komprimiert und ein Gehäuse (26) zur Aufnahme von Vorrichtungselementen dient, dadurch gekennzeichnet, dass beide Wärmetauscher (10, 18), der Kompressor (16) und ein Drosselorgan (22) für das Kältemittel auf einem Einschub (24) montierbar sind, der schubladenartig in das Gehäuse (26) einschiebbar ist, welches zum Einbau in einen Lüftungsschacht (52) dient und dessen Seitenwände (36, 38) und dessen Stirnwand (40) seitliche Wandungen des Lüftungsschachts (52) bilden.

Ansprüche 2 bis 11 sind auf Patentanspruch 1 rückbezogen.

Die Einsprechende hat folgenden Stand der Technik genannt:

D1 DE 198 20 818 A1, D2 CH 459 509.

Neben den Druckschriften D1 und D2 war im Prüfungsverfahren u. a. die D3 DE 198 07 262 A1 berücksichtigt worden.

Die Einsprechende hat vorgetragen, der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sei nicht neu bzw. beruhe gegenüber dem von ihr genannten Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Merkmale der Unteransprüche seien aus dem Stand der Technik bekannt oder durch ihn nahe gelegt.

Die Einsprechende beantragt schriftlich, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten.

Die Patentinhaberin hat Zweifel an der Zulässigkeit des Einspruchs geäußert. Sie hat schriftsätzlich vorgetragen, aus dem ihr zugestellten Exemplar des Einspruchsschriftsatzes könne man nicht erkennen, dass der Einspruch rechtzeitig eingelegt und mit rechtsgültiger Unterschrift versehen sei.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nach ihrer Ansicht neu und durch den Stand der Technik nicht nahe gelegt.

Vom Senat wurden in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung die Druckschriften D7 DE 30 23 531 A1 und D8 DE 80 33 755 U1 ermittelt. Hiervon wurden die Verfahrensbeteiligten mit Bescheid vom 8. März 2006 in Kenntnis gesetzt.

Wegen Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II Der Einspruch ist zulässig. Er ist rechtzeitig per Fax eingelegt. Auch die in PatG § 59 Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebene Schriftform ist gewahrt. Der Einspruchsschriftsatz ist eigenhändig von Patentanwalt E... unterschrieben. An der Identität des Unterzeichners bestehen keine Zweifel, da dem Schriftzug der volle Name in Maschinenschrift beigefügt ist. Das spricht aber auch gegen eine Paraphe. Dieser Aufwand wäre unerklärlich, wenn der Anwalt das Schriftstück nur für den inneren Betrieb der Kanzlei mit der Abkürzung seines Namens hätte unterzeichnen wollen (BGH NJW 1997, 3380). Der Namenszug kann, wie hier, flüchtig geschrieben sein und braucht weder die einzelnen Buchstaben klar erkennen zu lassen noch im ganzen lesbar zu sein (BGH a. a. O.). Hier spricht alles dafür, dass die zu Beginn des Schriftgebildes steil nach oben verlaufenden Schriftzeichen für ein "K" stehen. Dem folgt dann noch eine längere, leicht gewellte und im Wesentlichen waagerecht verlaufende Linie, über der ein deutlich kürzerer, ebenfalls waagerechter Strich verläuft, der ersichtlich zusammen mit dem entsprechenden Abschnitt der unteren Linie für das "ö" steht. Da diese untere Linie noch weitergeht, spricht alles dafür, dass sie für den Rest des aus nur 6 Buchstaben bestehenden Namens stehen soll. Dieser individuell gestaltete Schriftzug steht somit für eine volle Unterschrift und nicht für eine bloße Paraphe.

Der Einspruch hat in der Sache Erfolg.

1. Anspruch 1, gegliedert im Wesentlichen gemäß Vorschlag der Patentinhaberin, lautet:

1 Vorrichtung zur Wärmerückgewinnung 2 aus Abluft mit 3 einem Kühlmittelkreis, 4 einem Wärmetauscher 10 5 zum Übertragen von Abluftwärme an das Kältemittel 6 und einem anderen Wärmetauscher 18 7 zum Übertragen von Kältemittelwärme an ein Wärmeübertragungsmedium, 8 mit einem Kompressor 16, 9 der das Kältemittel komprimiert, 10 und einem Gehäuse 26 11 zur Aufnahme von Vorrichtungselementen, gekennzeichnet durch 12 einen Einschub 24, 13 der schubladenartig in das Gehäuse 26 einschiebbar ist, 14 und ein Drosselorgan 22, 15 auf dem Einschub 24 sind beide Wärmetauscher 10, 18, der Kompressor 16 und das Drosselorgan 22 für das Kältemittel montierbar, 16 das Gehäuse dient zum Einbau in einen Lüftungsschacht 52, 17 die Seitenwände 36, 38 und die Stirnwand 40 des Gehäuses bilden seitliche Wandungen des Lüftungsschachts 52.

2. Die beanspruchte Vorrichtung mag neu und gewerblich anwendbar sein, sie beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Fachmann in vorliegender Sache ist ein Dipl.-Ing. (FH) des Maschinenbaus der Fachrichtung Klima- und Lüftungstechnik mit langjährigen Erfahrungen in der Konstruktion von Bauelementen im Bereich der Leitungssysteme von Klima- und Lüftungsanlagen und mit Erfahrungen im Einsatz von Wärmepumpen i. V. m. Lüftungssystemen.

Im angegriffenen Patent ist die D3, DE 198 07 262 A1, zur Bildung des Oberbegriffs herangezogen worden. Die Druckschrift zeigt eine Vorrichtung zur Energierückgewinnung in Gebäuderäumen, mit einem Wärmetauscher, welcher raumseitig anfallender warmer Abluft vor ihrer Ableitung aus dem Gebäude einen Teil ihrer Wärmeenergie entzieht. Davon ausgehend ist als Aufgabe genannt, s. Abs. [0008] der Patentschrift des angegriffenen Patents, die an sich bekannten Bauteile des primären Kältemittelkreislaufs so anzuordnen, dass diese in einen Lüftungsschacht integriert werden können und auch von ungeübten Kräften leicht montierbar sind.

Als Lösung wird eine Vorrichtung zur Wärmerückgewinnung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 angegeben.

Dem Gegenstand des angegriffenen Patents näher kommend als die Druckschrift D3 ist der Stand der Technik nach der deutschen Gebrauchsmusterschrift DE 80 33 755 U1 (D8). Diese zeigt eine Vorrichtung zur Wärmerückgewinnung aus Abluft mittels einer Wärmepumpe mit allen Merkmalen des Oberbegriffs. Ein Drosselorgan nach Merkmal 14 bzw. 15 ist in der Entgegenhaltung nicht explizit aufgeführt, doch liest der Fachmann ein solches als notwendigen Bestandteil einer Wärmepumpe ohne weiteres mit. Auch Merkmale 16 und 17 sind teilweise verwirklicht, denn das Gehäuse 1, das alle Vorrichtungselemente enthält, dient zum Einbau in einen Lüftungskanal (Mauerdurchbruch). Die Seitenwände und die Stirnwand des Gehäuses bilden seitliche Wandungen des Lüftungskanals, s. Fig. mit zugehöriger Beschreibung ab S. 4 Abs. 6 der Entgegenhaltung.

Wollte der Fachmann diese Vorrichtung im Sinne der gestellten Aufgabe weiter ausbilden, konnte er die einschlägige CH 459 509 (D2) in Betracht ziehen. Diese zeigt eine Vorrichtung zum Fördern oder Behandeln von Luft mit einem Gehäuse und mit einem Luftförder- oder -behandlungsorgan, s. Sp. 1 Abs. 2. Als Luftbehandlungsorgan ist beispielhaft ein Luftkühler genannt. Ein solcher Luftkühler entspricht einem Wärmetauscher eines Kühlmittelkreises zum Übertragen von Luftwärme an das Kältemittel, vgl. Merkmale 3 bis 5. Das Gehäuse (Rahmengestell 1 mit Verkleidungsplatten, s. Sp. 1 Z. 35 ff.) dient zur Aufnahme des Luftbehandlungsorgans, s. Merkmale 10 und 11. Das Luftbehandlungsorgan ist in dem Lüftungsschacht (vertikal verlaufender Luftkanal) einer Ventilations- oder Klimaanlage angeordnet, s. Fig. 1 i. V. m. Sp. 1 Abs. 3 und 5. Ein Einschub in der Form eines kasten- oder schubladenartigen Trägers 15 ist gegeben, s. Sp. 2 Z. 33, auf dem das Luftbehandlungsorgan montierbar ist. Der Einschub ist schubladenartig in das Gehäuse einschiebbar, vgl. Merkmale 12, 15 und 13. Das Gehäuse 1 ist zum Einbau in einen Lüftungsschacht vorgesehen, die Seitenwände und die Stirnwand bilden seitliche Wandungen des Lüftungsschachts, vgl. Merkmale 16 und 17.

Die Übertragung der Merkmale 12, 13, 16 und 17 auf die Vorrichtung nach der D8 zur Lösung der o. a. Aufgabe und zur Erzielung erkennbar besserer Wartungsmöglichkeiten war für den Fachmann nahe liegend. Merkmal 15, wonach beide Wärmetauscher, der Kompressor und ein Drosselorgan für das Kältemittel, also im Wesentlichen die gesamte Wärmepumpe, auf dem Einschub montierbar ist, konnte der Fachmann aus praktischen Erwägungen ebenfalls vorsehen, zumal schon in der D8 gezeigt ist, dass alle Vorrichtungselemente in einer Einheit in einem Gehäuse zusammengefasst sind.

Die Vorrichtung nach Anspruch 1 ergab sich somit für den Fachmann am Anmeldetag des Patents in nahe liegender Weise durch eine Zusammenschau der Schriften D8 und D2 unter Berücksichtigung seines vorauszusetzenden Fachwissens und -könnens.

3. Mit Anspruch 1 fallen auch die auf diesen rückbezogenen Ansprüche 2 bis 11, da über den Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents nur als Ganzes entschieden werden kann.






BPatG:
Beschluss v. 28.03.2006
Az: 34 W (pat) 320/03


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