Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Januar 2006
Aktenzeichen: 19 W (pat) 334/03

(BPatG: Beschluss v. 23.01.2006, Az.: 19 W (pat) 334/03)

Tenor

Das Patent 196 41 249 wird widerrufen.

Gründe

I.

Für die am 7. Oktober 1996 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung, für welche die Priorität in Japan vom 6. Oktober 1995 (Az. JP 7-260130) in Anspruch genommen ist, wurde die Erteilung des nachgesuchten Patents am 30. April 2003 veröffentlicht.

Das Patent betrifft einen Kondensator.

Gegen das Patent hat die A... GmbH & Co. KG, B...grund, in C..., Einspruch erhoben mit der Begründung, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 beruhe gegenüber dem im einzelnen angegebenen Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent 196 41 249 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent 196 41 249 auf Grundlage der Patentansprüche 1 und 2, eingegangen am 13. Februar 2004, im Übrigen wie Patentschrift aufrechtzuerhalten.

Der Patentanspruch 1 lautet:

"Kondensator mit einem Wickel aus zwei sich überlappenden metallisierten bandförmigen Schichten (3a, 3b), wobei jede der zwei metallisierten Schichten (3a, 3b) eine bandförmige Kunststoffschicht (4a, 4b), eine auf der Kunststoffschicht (4a, 4b) abgeschiedene Metallisierungsschicht (5a, 5b) aus Aluminium und eine längs eines Randes der Metallisierungsschicht (5a, 5b) ausgebildete bandförmige dickere Abscheidungsschicht (6a, 6b) aus Zink umfasst und wobei die erste der zwei bandförmigen dickeren Abscherdungsschichten (6a, 6b) auf einem ersten der zwei Seitenränder der ersten Metallisierungsschicht (5a, 5b) sich in Längsrichtung erstreckt und die andere der zwei bandförmigen dickeren Abscheidungsschichten (6a, 6b) sich auf dem gegenüberliegenden Seitenrand der zweiten Metallisierungsschicht (5a, 5b) in Längsrichtung erstreckt, dadurch gekennzeichnet, dass die Metallisierungsschicht (5a, 5b) durch in Querrichtung beabstandet angeordnete und sich in Längsrichtung erstreckende streifenförmige nichtmetallisierte Bereiche (7a1, 7a2, 7a3, 7b1, 7b2, 7b3) in mehrere bandförmige Bereiche unterteilt ist, wobei die streifenförmigen nichtmetallisierten Bereiche (7a1, 7a2, 7a3) auf der ersten metallisierten Schicht (3a) zwischen den streifenförmigen nichtmetallisierten Bereichen (7b1, 7b2, 7b3) der zweiten metallisierten Schicht (3b) derart angeordnet sind, dass die streifenförmigen nichtmetallisierten Bereiche (7a1, 7a2, 7a3, 7b1, 7b2, 7b3) in zur Querrichtung parallel verlaufenden Schnittebenen versetzt zueinander angeordnet sind, wobei der spezifische Widerstand der Aluminiumabscheidungsschicht (5a, 5b) auf einen Wert im Bereich zwischen 8 und 30 ½/Flächeneinheit und der spezifische Widerstand der Zinkabscheidungsschicht (6a, 6b) auf einen Wert im Bereich zwischen 1,5 und 7 ½/Flächeneinheit eingestellt ist."

Mit dem Gegenstand gemäß diesem Patentanspruch soll die Aufgabe gelöst werden, einen Kondensator gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 zu schaffen, der sowohl bezüglich seiner Selbstheilungsfähigkeit wie bezüglich seiner Spannungsfestigkeit verbessert ist (Abs. [0023] der PS).

Die Einsprechende hat dazu insbesondere vorgetragen, dass der Fachmann - ausgehend von dem aus der EP 0 611 179 A1 bekannten Kondensator - die Teilaufgabe "verbesserte Spannungsfestigkeit" schon im Rahmen seines Fachwissens durch eine innere Reihenschaltung mehrerer Teilkapazitäten löse. Auch sei solches bereits in dieser Druckschrift grundsätzlich beschrieben.

Der zur Lösung der Teilaufgabe einer verbesserten Selbstheilungsfähigkeit im Patentanspruch 1 angegebene Wertebereich des Widerstandes pro Flächeneinheit sei in der DE 28 26 481 A1 offenbart und dem Fachmann ebenso geläufig, wie der für den bandförmigen dickeren Abscheidungsbereich an den Seitenrändern angegebene Wertebereich.

Aufgrund der materialunabhängig grundsätzlich vergleichbaren physikalischen Vorgänge der Materialverdampfung- und zerstreuung beim Selbstheilungsvorgang komme es auch nicht darauf an, welches Material verdampft werde, sondern lediglich darauf, dass dieses ausreichend dünn aufgebracht sei.

Die Patentinhaberin verweist insbesondere darauf, dass weder aus der EP 0 611 179 A1 noch aus der DE 28 26 481 A1 der anspruchsgemäße Materialverbund bekannt sei.

Die DE 28 26 481 A1 betreffe im Übrigen keine Kondensatoren mit dem anspruchsgemäßen 2-Schicht-Aufbau; auch seien die Kondensatorbeläge nicht eben mit konstanter Schichtdicke wie beim Patentgegenstand. Deshalb gelange der Fachmann auch nicht in naheliegender Weise durch Kombination des aus diesen beiden Druckschriften Bekannten zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Zum Einspruchsverfahren Die Entscheidungsbefugnis über den zulässigen Einspruch liegt gemäß § 147 Abs. 3 PatG bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts. Dieser hatte aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung zu entscheiden (vgl. BPatGE 46, 134).

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.

Als für die Beurteilung der Lehre des Streitpatents und des Standes der Technik zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur (Univ.) der Elektrotechnik mit Berufserfahrungen in der Entwicklung und dem Einsatz von Kondensatoren mit metallisierten Schichten anzusehen.

2. Zur Patentfähigkeit Der Einspruch hat Erfolg, da sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

In Übereinstimmung mit dem geltenden Patentanspruch 1 entnimmt der Fachmann aus der EP 0 611 179 A1 einen Kondensator (Titel) mit einem Wickel aus zwei sich überlappenden metallisierten bandförmigen Schichten (Fig. 1 bis 3), wobei jede der zwei metallisierten Schichten eine bandförmige Kunststoffschicht 1, eine auf der Kunststoffschicht 1 abgeschiedene Metallisierungsschicht 2 aus Aluminium (Fig. 2 i. V. m. Sp. 2 Z. 37 bis 42 und Sp. 3 Z. 1 bis 5) und eine längs eines Randes der Metallisierungsschicht 2 ausgebildete bandförmige dickere Abscheidungsschicht 4 aus Zink umfasst (Fig. 2 i. V. m. Sp. 3 Z. 12 bis 20), und wobei die erste der zwei bandförmigen dickeren Abscheidungsschichten auf einem ersten der zwei Seitenränder der ersten Metallisierungsschicht 2 sich in Längsrichtung erstreckt und die andere der zwei bandförmigen dickeren Abscheidungsschichten sich auf dem gegenüberliegenden Seitenrand der zweiten Metallisierungsschicht in Längsrichtung erstreckt (Fig. 2) - Oberbegriff -

Bei dem in Figur 1 gezeigten Ausführungsbeispiel bedecken die Metallisierungsschichten 2 bis auf einen freien Randbereich 3 jeweils die gesamte Breite jeder Kunststoffschicht (Fig. 1 und 2). Der spezifische Widerstand der Aluminiumschichten ist auf einen Wert im Bereich von 2,5 ½ ±20 % eingestellt (Sp. 3 Z. 7), der spezifische Wert der Zinkabscheidungsschicht auf einen Wert im Bereich von 1 bis 2 ½ /Flächeneinheit (Sp. 3 Z. 19).

Der Kondensator gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 unterscheidet sich von dem bekannten demnacha) durch die in der ersten kennzeichnenden Merkmalsgruppe angegebene Unterteilung jeder Metallisierungsschicht in bandförmige metallisierte und nichtmetallisierte Bereiche und deren gegenseitigen Versatz in Querrichtung, b) durch einen spezifischen Widerstand von 8 bis 30 ½ /Flächeneinheit für die Aluminiumschicht undc) durch einen spezifischen Flächenwiderstand von 1,5 bis 7 ½ / Flächeneinheit für die Zinkschicht.

Diese Unterschiedsmerkmale können jedoch nicht patentbegründend sein.

Unterschiedsmerkmal a)

Es gehört zum Grundlagenwissen eines Elektroingenieurs, dass mit einer einzigen Dielektrikumsschicht nicht beliebig hohe Kondensatorspannungen erreichbar sind, und dass mit einer Reihenschaltung von Kondensatoren aufgrund der an diesen auftretenden Spannungsteilung insgesamt höhere Betriebsspannungen erreichbar sind.

Solches ist darüber hinaus auch in der gattungsbildenden EP 0 611 179 A1 beschrieben im Zusammenhang mit Figur 3.

Diese offenbart bereits den Kerngedanken der im Unterschiedsmerkmal a) angegebenen inneren Serienschaltung mehrerer Kondensatoren in einem einzigen Kondensatorwickel durch parallele streifenförmige und gegeneinander versetzte Metallisierungen. Denn bei der Ausführungsform gemäß Figur 3 ist die (obere, erste) Metallisierungsschicht durch einen sich in Längsrichtung erstreckenden streifenförmigen nichtmetallisierten Bereich in mehrere bandförmige Bereiche A, B unterteilt, wobei der (dort einzige) streifenförmige nichtmetallisierte Bereich auf der ersten metallisierten Schicht zwischen den streifenförmigen (dort randseitigen) nichtmetallisierten Bereichen der zweiten metallisierten Schicht derart angeordnet ist, dass die streifenförmigen nichtmetallisierten Bereiche in zur Querrichtung parallel verlaufenden Schnittebenen versetzt zueinander angeordnet sind (Sp. 3 Z. 27 bis 38). Dadurch entsteht eine Reihenschaltung zweier Teilkapazitäten mit einer insgesamt erhöhten Nennspannung des Kondensators (Sp. 3 Z. 39 bis 42).

Die bedarfsweise Reihenschaltung einer größeren Zahl von Teilkapazitäten zur Erzielung einer höheren Spannungsfestigkeit durch streifenförmige nichtmetallisierte Bereiche in beiden Metallisierungsschichten mit dem schon bekannten Querversatz liegt im Bereich üblichen fachmännischen Handelns und war überdies - wie die Einsprechende zutreffend dargelegt hat - dem Fachmann vor dem Prioritätstag Auch aus den Figuren 9 bis 11 der EP 0 225 822 B1 bekannt. Denn dort sind Wickelkondensatoren mit bis zu vier Teilkapazitäten offenbart, insbesondere ein Kondensator mit jeweils zwei bandförmigen Bereichen in jeder Metallisierungsschicht, deren dickere Randschichten auf gegenüberliegenden Seiten des Wickels liegen (Fig. 11).

Die im Unterschiedsmerkmal a) angegebene Ausbildung und Anordnung der Metallisierungsschichten beruht demnach auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

Unterschiedsmerkmal b)

Die Streitpatentschrift (Abs. [0021]) belegt, dass Kondensatoren mit Selbstheilungseffekt - und damit auch die zur Selbstheilung führenden grundlegenden physikalischen Zusammenhänge - der Fachwelt lange vor dem Prioritätstag des Streitpatents bekannt waren. Danach muss für jedes vorgesehene Metallisierungsmaterial die Schichtdicke - und damit der spezifische Flächenwiderstand jeder Metallisierungsschicht - innerhalb eines Wertebereichs eingestellt werden, der in der Umgebung einer Durchschlagsstelle eine sichere Verdampfung und Verteilung des Metalls zwischen den benachbarten Dielektrikumsschichten gewährleistet, damit der Kurzschlussstrom abgeschaltet wird.

Da weiterhin mit abnehmender Schichtdicke (für eine bessere Selbstheilung) auch die Strombelastbarkeit des Kondensators abnimmt, ist der Fachmann gezwungen, zur Lösung der Teilaufgabe "verbesserte Selbstheilungsfähigkeit" einen Kompromiss zu suchen.

Er wird deshalb bedarfsweise auch andere als die in EP 0 611 179 A1 angegebenen spezifischen Widerstände von 2,5 ½ /Flächeneinheit ± 20 % (Sp. 3 Z. 7) in Betracht ziehen.

Hinweise auf geeignete Werte findet er in der DE 28 26 481 A1, die für Metallisierungsschichten aus Aluminiumlegierungen (Anspr. 5) spezifische Widerstände im Bereich zwischen 50 ½ /Flächeneinheit und 1,67 ½ /Flächeneinheit (Anspr. 3 i. V. m. Anspr. 2 und S. 6 Abs. 3) offenbart.

Da die Physik des Selbstheilungsvorgangs bei Metallisierungen aus reinem Aluminium die gleiche ist, wird der Fachmann derartige Widerstandswerte auch für den aus der EP 0 611 179 A1 bekannten Kondensator in Betracht ziehen, und mit einigen gezielten Versuchen die geeigneten Werte ermitteln. Die Ergebnisse derartiger empirischer Versuche können aber regelmäßig nicht patentbegründend sein.

Die sich bei dem in der DE 28 26 481 A1 beschriebenen Kondensator über die Breite der Metallisierung ändernde Schichtdicke hält den Fachmann nicht davon ab, den gesamten dort offenbarten Dickenbereich (und damit Flächenwiderstands-Wertebereich) in Betracht zu ziehen. Denn der geltende Patentanspruch 1 ist nicht auf ebene Schichten beschränkt, wie sie in den Ausführungsbeispielen der Streitpatentschrift dargestellt sind.

Unterschiedsmerkmal c)

Die Ausführungen zum Unterschiedsmerkmal b) gelten ebenso für den anspruchsgemäßen Flächenwiderstand der Zinkabscheidungsschicht im Bereich zwischen 1,5 und 7 ½ /Flächeneinheit.

Denn es gehört zum Fachwissen des hier zuständigen Fachmanns, dass ein Dickrandaufbau für Wickelkondensatoren der gattungsgemäßen Art erforderlich ist, um für das Aufbringen ("Schoopen", vgl. EP 0 611 179 A1, Sp. 5 Z. 43 bis 45 und Sp. 9 Z. 1 und 2 und DE 28 26 481 A1 S. 6 Abs. 3) der Kontaktierungsmetallschicht (in der Streitpatentschrift, Spalte 1, Zeile 67 bis Spalte 2, Zeile 2 als "Metallikon" bezeichnet) eine größere Stromübergangsfläche in der Aluminiummetallisierung bereitzustellen.

Schon der in der EP 0 611 179 A1 (Sp. 3 Z 19) angegebene Wertebereich von 1 bis 2 ½ /Flächeneinheit für die Zinkabscheidungsschicht nimmt die Untergrenze des anspruchsgemäßen Wertebereichs von 1,5 bis 7 ½ /Flächeneinheit und die benachbarten Widerstandswerte vorweg.

Darüberhinaus sieht sich der Fachmann bei der Bemessung der Dicke dieser Schicht auch nicht an den dort angegebenen Wertebereich gebunden. Denn er muß einen Kompromiss finden zwischen einem möglichst niedrigen Flächenwiderstand (d. h. einer möglichst dicken Zinkabscheidungsschicht) und einer möglichst großen Kapazität (d. h. einer möglichst dünnen bandförmigen Kunststoffschicht).

Deshalb wird er bedarfsweise auch Werte oberhalb von 2 ½ /Flächeneinheit für den spezifischen Flächenwiderstand in Betracht ziehen, wie sie ebenfalls aus der DE 28 26 481 A1 bekannt sind. Denn dort ist für die Obergrenze des spezifischen Widerstandes des zu kontaktierenden dickeren Randes 9, 10 mit 10 ½ /Flächeneinheit angegeben (S. 6 Abs. 3).

Dass an dem jeweils dickeren Rand der aus DE 28 26 481 A1 bekannten Metallisierungen kein 2-Schicht-Aufbau vorliegt, kann den Fachmann - entgegen der Auffassung der Patentinhaberin - nicht davon abhalten, die Obergrenze der Zinkschicht-Dicke bei höheren Werten festzulegen. Denn schon die Festlegung der Dicke der Kunststoffbahn kann solche Werte erforderlich machen.

Dass die Unterschiedsmerkmale a), b) und c) funktionell zusammenwirkend einen Gesamterfolg herbeiführen, ist weder in der Streitpatentschrift angegeben noch sonst wie ersichtlich.

Der kennzeichnende Teil des geltenden Patentanspruchs 1 stellt sich deshalb dem Senat als Merkmalsaggregation dar, die jeweils unterschiedliche Probleme (Teilaufgaben) mit voneinander unabhängigen Mitteln löst.

Ohne den Patentanspruch 1 kann das Streitpatent auch im Umfang des geltenden Unteranspruchs 2 keinen Bestand haben, der lediglich eine vorteilhafte Ausführungsform des Kondensators gemäß Patentanspruch 1 ohne eigenen erfinderischen Gehalt beschreibt.






BPatG:
Beschluss v. 23.01.2006
Az: 19 W (pat) 334/03


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