Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 7. September 2004
Aktenzeichen: 1 U 11/04

(OLG Stuttgart: Urteil v. 07.09.2004, Az.: 1 U 11/04)

Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart - 7 O 122/03 -

aufgehoben

und die Klage abgewiesen.

II.

Die Anschlussberufung der Kläger wird zurückgewiesen.

III.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

IV.

Das Urteil ist für die Beklagten wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Streitwert in beiden Rechtszügen:bis 74.000,- Euro

(Streitwert der Berufung der Beklagten:bis 74.000,- Euro

Streitwert der Berufung der Kläger:0,- Euro)

Gründe

A.

Die Kläger nehmen die Beklagten als Vorstandsmitglieder der S AG nach Zeichnung einer Beteiligung als atypische stille Gesellschafter im März 2000 auf Schadenersatz nach den Grundsätzen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung sowie wegen Kapitalanlagebetrugs und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Anspruch.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11.11.2003 wird Bezug genommen.

Gegen dieses ihnen am 26.01.2004 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit am 02.02.2004 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie innerhalb der verlängerten Frist mit Schriftsatz vom 26.04.2004 begründet haben. Die Kläger haben gegen das landgerichtliche Urteil mit Schriftsatz vom 01.06.2004, der noch am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, innerhalb der Einlegungsfrist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO Berufung eingelegt und begründet.

Das Landgericht hat der Klage im Hauptanspruch stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Emissionsprospekt 13.3. vom 01.08.1999 (Anlage K 5) habe nicht auf alle wesentlichen Anlagerisiken hingewiesen. Es fehle die erforderliche Aufklärung über das Risiko, das sich aus Altverträgen wegen des Wegfalls der ratierlichen Auszahlung von Auseinandersetzungsguthaben ergeben habe; ferner habe die Pflicht bestanden, im Prospekt den Abschluss des Verlustübernahmevertrages mit dem Bankhaus P im Folgenden: Bankhaus P.) vom 22.09.1999 zu erwähnen. Diese Prospektfehler seien kausal für die Anlageentscheidung der Kläger gewesen, weshalb Rückabwicklung der Beteiligung verlangt werden könne. Die im Prospekt enthaltene Haftungsbeschränkung sei unwirksam. Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch. Unschädlich sei, dass die Gesellschaftsbeteiligung, hinsichtlich derer Rückabwicklung begehrt werde, zunächst unzutreffend mit der Nummer 6 2 und erst mit Schriftsatz vom 03.06.2003 mit der zutreffenden Nummer 6 1 bezeichnet worden sei, weil eine Klageänderung hierdurch nicht herbeigeführt worden sei.

Die Beklagten halten an ihrem erstinstanzlichen Vorbringen fest und ergänzen dieses dahin, dass die vom Landgericht festgestellten Prospektfehler nicht von erheblicher Bedeutung für die Anlageentscheidung der Kläger gewesen seien, weshalb ein Schadenersatzanspruch aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung ausscheide. Die Auseinandersetzung mit dem Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen (im Folgenden: BAKred) über die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens in Raten betreffe nur Altverträge, während das Beteiligungsangebot gegenüber den Kläger diese Möglichkeit nicht mehr vorgesehen habe. Die Untersagungsverfügung des BAKred vom 22.10.1999 habe für die Neuverträge auch keine spürbare indirekte Bedeutung erlangt, da die Liquidität der S AG durch die Umstellung nicht gefährdet worden sei. Bereits in der ursprünglichen Regelung habe es für den Anleger ein Wahlrecht bei Ablauf der Beteiligung zwischen Einmalzahlung und Auszahlung in Raten gegeben mit der Folge, das von vornherein mit entsprechenden Mittelabflüssen zum Auszahlungszeitpunkt zu rechnen gewesen sei; die S AG habe sich auf die zu leistenden Auszahlungen einstellen können.

Auch der Verlustübernahmevertrag mit dem Bankhaus P sei kein prospektpflichtiger Umstand, weil er aus damaliger Sicht keine besondere Risiken für die S AG beinhaltet habe. Unmittelbar sei nur das Unternehmenssegment II betroffen, nicht aber das Unternehmenssegment VII, so dass sich indirekte Auswirkungen nur aus dem allgemeinen Insolvenzrisiko ergaben, das sich jedoch gegenüber den schon vorher bestehenden Risiken aus der Beteiligung am Bankhaus P faktisch nicht erhöht habe. Die Beklagten seien nicht prospektverantwortlich, zumindest sei die im Prospekt enthaltene Haftungsbeschränkung auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nicht unwirksam. Darüber hinaus fehle es an einer Ursächlichkeit eventueller Prospektmängel für die Anlageentscheidung des Klägers, für die Kläger seien die Haftungsverhältnisse ebenso belanglos für die Anlageentscheidung gewesen wie abgeschlossene Verlustübernahmeverträge. Ein nach der Differenzhypothese zu bemessender Schaden sei nicht eingetreten, bei dessen Berechnung seien die übrigen Steuervorteile zu berücksichtigen, nicht hingegen Zinsen. Schließlich seien die Ansprüche aus Prospekthaftung auch verjährt, da die Verjährungsfrist bereits mit der Abgabe des Beitrittsangebotes am 14.03.2000 und nicht erst mit dessen Annahme am 20.03.2000 zu laufen begonnen habe. Erst nach Ablauf der Verjährungsfrist sei im Wege der Klageänderung Rückabwicklung der Beteiligung mit der Vertragsnummer 6 1 und die Freistellung von weiteren Zahlungsverpflichtungen aus der atypischen stillen Beteiligung begehrt worden.

Die Beklagten beantragen,

die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Kläger 26.530,92 Euro Zug um Zug gegen schriftliche Zustimmung zur Übertragung der Beteiligung an der S AG mit der Vertragsnummer 6 1, hilfsweise gegen Abtretung des Auseinandersetzungsguthabens, nebst Zinsen in Höhe von

6 % aus 21.474,26 Euro seit 02.05.2000 bis 01.06.2000,

6 % aus 22.394,59 Euro seit 02.06.2000 bis 01.07.2000,

6 % aus 23.314,92 Euro seit 02.07.2000 bis 01.08.2000,

6 % aus 24.235,25 Euro seit 02.08.2000 bis 01.09.2000,

6 % aus 25.155,58 Euro seit 02.09.2000 bis 01.10.2000,

6 % aus 26.075,91 Euro seit 02.10.2000 bis 01.11.2000,

6 % aus 26.996,24 Euro seit 02.11.2000 bis 01.12.2000 und

6 % aus 27.916,54 Euro seit 02.12.2000 bis Rechtshängigkeit

sowie 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des DÜG vom 09.06.1998 aus 26.530,92 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Kläger von weiteren Zahlungsverpflichtungen an die S AG in Höhe von 144.307,01 Euro und von einer möglichen Rückzahlungsverpflichtung der enthaltenen Entnahmen in Höhe 1.385,62 Euro aus dem Vertrag mit Vertragsnummer 6 1 freizustellen.

Die Beklagten beantragen:

Die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Die Kläger machen geltend, dass das Landgericht zu Unrecht keine Zinsen zugesprochen habe. Im Übrigen halten die Kläger die erstinstanzliche Entscheidung für richtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Anlagen verwiesen.B.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Schadensersatzansprüche der Kläger nach den Grundsätzen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung bestehen nicht. Zwar greifen die von den Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil vorgebrachten Einwendungen nicht durch (I. 1. bis. 6.). Es fehlt aber daran, dass die Anlageentscheidung der Kläger von Vertrauen auf die im Prospekt vermittelten Angaben getragen wurde, weswegen auch unterlassene Prospektergänzungen für die Entscheidung zur Investition nicht mitursächlich geworden sind. Der Anwendungsbereich der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung ist deshalb nicht eröffnet (I. 7.). Deliktische Ansprüche auf Schadensersatz scheiden ebenfalls aus (I. 8.). Aus den gleichen Gründen war die Anschlussberufung der Kläger zurückzuweisen (II.).I.

Zur Berufung der Beklagten:1.

Im Berufungsverfahren ist gemäß § 513 Abs. 2 ZPO nicht zu überprüfen, ob das Landgericht seine örtliche Zuständigkeit zu Recht bejaht hat (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2003 - XI ZR 474/02, NJW 2004, 1456).2.

Die Modifizierung der "Zug um Zug angebotenen Gegenleistung" gegen schriftliche Zustimmungserklärung der Kläger zur Übertragung der Beteiligung an der S AG ist zulässig und sachlich geboten, weil es sich bei dem Beteiligungsvertrag mit der S AG um einen Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne von § 292 Abs. 1 Ziffer 2 AktG (vgl. dazu Ziffer B II 2. des Prospekts, dort S. 16 rechte Spalte) handelt, hinsichtlich dessen Änderung es nach § 295 Abs. 1 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf (vgl. auch S. 16 des Prospektes rechte Spalte). Entsprechendes gilt nach § 19 des abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages (Anhang zur Anlage K 5). Die Parteien können daher die Übertragung der von den Klägern erworbenen Beteiligung nicht allein durch beiderseitige Vereinbarung wirksam vornehmen. Dies kann jedoch einem auf das negative Interesse gerichteten Schadenersatzanspruch der Kläger nicht entgegenstehen, weswegen es ausreichend ist, wenn die Kläger von ihrer Seite alles Erforderliche veranlassen, um den Rechtsübergang auf die Beklagten Zug um Zug gegen Rückzahlung der geleisteten Einlage zu bewerkstelligen. Hierfür genügt ihre schriftliche Zustimmung zur Übertragung.3.

Dem Landgericht ist zuzustimmen, dass zum Zeitpunkt der Beteiligung der Kläger im März 2000 der Emissionsprospekt 13.3 vom 01.08.1999 unzureichende Informationen vermittelte.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darf ein Anleger erwarten, dass er ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt erhält, er mithin von dem Prospekt über alle Umstände, die für seine Entscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können - insbesondere die Tatsachen, die den Vertragszweck vereiteln können - sachlich richtig und vollständig unterrichtet wird (BGHZ 79, 334, 337; BGHZ 84, 141, 144; BGHZ 116, 7, 12; BGHZ 123, 106, 109 und BGH NJW 2000, 3346). Ändern sich die Umstände nach der Herausgabe des Prospekts, so haben die Verantwortlichen den Prospekt zu berichtigen oder dem Anleger durch entsprechende Hinweise bei Abschluss des Vertrages Mitteilung über diese Umstände zu machen (BGH VersR 2004, 753; BGHZ 71, 284, 290 f.; BGHZ 123, 106, 110).

Von diesen Grundsätzen ausgehend waren die im Emissionsprospekt 13.3. vom 01.08.1999 (Anlage K 2) erteilten Risikohinweise ungenügend, da im Zeitpunkt der Erklärung des Beitritts der Kläger als stille Gesellschafter des Segments VII der S AG am 14.03.2000 und der Annahme des Beteiligungsangebots am 20.03.1999 durch den Abschluss des Verlustübernahmevertrages mit dem Bankhaus P vom 22.09.1999 und der Untersagungsverfügung des BAKred vom 22.10.1999 Veränderungen eingetreten waren, die nicht unerheblich auf die Risikobeurteilung der Beteiligung von Einfluss waren. Auf diese hätte hingewiesen werden müssen. Hierzu hatten die Beklagten ausreichend Zeit.

a) Gegenüber den Klägern hätte der Abschluss des Verlustübernahmevertrages mit dem Bankhaus P vom 22.09.1999 offengelegt werden müssen.

aa) Zwar ist den Beklagten zuzugestehen, dass bereits zuvor Risikoübernahmen bestanden und durch die direkte und mittelbare Beteiligung von zusammen 50,6 % der S AG am Bankhaus P (vgl. dazu S. 22 f des Gutachtens von Prof. Dr. A, Anlage B 15) dessen Verluste auch vorher jedenfalls partiell wirtschaftlich von der S AG zu tragen waren. Der Verlustübernahmevertrag, der sich nicht bei den Akten befindet, enthielt jedoch darüber hinaus unstreitig summenmäßig keinerlei Begrenzung nach oben. Dies bedeutete ein der Höhe nach nicht mehr eingrenzbares Risiko und geht daher über die zugunsten der Bank gestellten Sicherungsmittel hinaus.

bb) Bei der Bewertung der Veränderungen durch den Verlustübernahmevertrag in Abweichung vom Inhalt des Prospekts ist zu berücksichtigen, dass die Anlage nach dem Prospekt darauf gerichtet war, auch in Unternehmensgründungen und in der wirtschaftlichen Krise befindliche Unternehmen zu möglichst günstigen Konditionen zu investieren (Prospekt S. 103 linke Spalte und S. 116 rechte Spalte). Zur Absicherung der nicht unerheblichen Gefahr des Fehlschlags von einzelnen Investitionen sollten "die Kriterien der zukünftigen Investitionsobjekte nach Maßgabe u.a. der Veräußerbarkeit und der Ausgewogenheit (Risikostreuung) ausgewählt" werden (Prospekt S. 116 linke Spalte), wobei darauf hingewiesen wurde, dass "die in die Unternehmensbeteiligung investierten Mittel (...) teilweise oder vollständig als Folge von Insolvenzen wertberichtigt werden" müssten (Prospekt S. 117 linke Spalte). Mit den dargestellten Geschäftsabsichten lässt sich indessen nicht vereinbaren, wenn die S AG durch einen Verlustübernahmevertrag - wie vorliegend - ihr wirtschaftliches Schicksal mit demjenigen einer bestimmten Bank betraglich unbeschränkt verknüpfte. Diese Bindung steht nämlich im Krisenfall einer Trennung von der Bankbeteiligung entgegen, weswegen es sich auch aus diesem Grund um einen für die Risikobeurteilung erheblichen, für die Anlageentscheidung wichtigen Umstand handelt, der in den Emissionsprospekt hätte aufgenommen werden oder der zumindest Gegenstand eines gesonderten Hinweises hätte sein müssen.

cc) Es bestand die konkrete Gefahr, dass der fragliche Verlustübernahmevertrag sich merklich nachteilig auf die Liquiditätslage auswirken werde. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten hat das Bankhaus P das Geschäftsjahr 1999 bereits mit einem Verlust in Höhe von 13,9 Millionen DM abgeschlossen (S. 18 der Berufungsbegründung im Parallelverfahren 1 U 17/04, dort Bl. 989 der Akten). Die lange Laufzeit des Verlustübernahmevertrages bis 2003 beinhaltete das Risiko, dass eine weitere Verschlechterung der Verhältnisse zu einer nicht unerheblichen Vergrößerung des Verlustes bis hin zur Insolvenz führen konnte. Der tatsächliche Verlauf bestätigt dies, denn dem Bankhaus P wurde am 27.04.2001 die Lizenz entzogen.

dd) Der Verlustübernahmevertrag hat das für das Unternehmenssegment VII bestehende wirtschaftliche Risiko, in das die Kläger investiert haben, wesentlich erhöht. Die interne Teilung der S AG in Unternehmenssegmente berührte den einheitlichen Haftungsverband nicht. Vielmehr konnten wirtschaftliche Fehlentwicklungen im Unternehmenssegment II auch negative Auswirkungen auf stille Beteiligungen am Unternehmenssegment VII haben. Dass die Liquidität durch den Verlustübernahmevertrag erheblich nachteilig beeinflusst wurde, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die vereinbarten jährlichen Entnahmen der stillen Gesellschafter von 10 % ihrer Einlage, die im Zeichnungsschein vorgesehen war, auch aus eben diesem Grund im Jahr 2001 ausgesetzt wurden (vgl. dazu den Newsletter vom 07.08.2001, Anlage K 7).

An dem Faktum einer Risikosteigerung durch das Einstehenmüssen für Verluste der P Bank vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich die Ertragschancen, die sich aus der Absicherung des Bankhauses P ergaben, in anderen Unternehmenssegmenten erhöht haben, da hierzu nicht das Segment VII gehörte. Die aus der Absicherung und damit verbundenen finanziellen Stärkung des Bankhauses P erhofften künftigen Gewinne wären anderen Unternehmenssegmenten zugute gekommen; damit verschob sich das Verhältnis von Chancen und Risiken einseitig zu Lasten der Anleger im Segment VII.

b) Ein weiterer Prospektmangel ergibt sich daraus, dass der Prospekt vom 01.08.1999 die Auseinandersetzung der S AG mit dem BAKred über die Zulässigkeit der in früheren Versionen der Beteiligungsverträge vorgesehenen Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens in Raten nicht erwähnt. Die Beklagten waren wegen der damit verbundenen Gefährdung der Liquidität der S AG dazu verpflichtet, die Kläger auf die Änderung des Auszahlungsmodus von Auseinandersetzungsguthaben bei Altverträgen hinzuweisen.

aa) Zwar wurde auf das generelle Risiko, das sich mit einer frühzeitigen außerplanmäßigen Auszahlung von Auseinandersetzungsguthaben anderer Anleger verbindet, im Prospekt aufmerksam gemacht (dort S. 13 linke Spalte). Richtig ist auch, dass die durch das BAKred erzwungene Änderung der Auszahlungsweise bei Altverträgen, wonach sich Anleger nach Ablauf der Vertragsdauer von ihrer Anlage trennen können, eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Risikos darstellt, dass nicht genügend Investoren gefunden werden können, um geplante Investitionen durchführen zu können (Trennungsrisiko).

bb) Dennoch hat die Untersagungsverfügung vom 22.10.1999, in welcher der S AG vorgeschrieben wurde, auch bei Altverträgen das Auseinandersetzungsguthaben in einer Summe bei Fälligkeit auszuzahlen, für neue Anleger das Erfüllungsrisiko nicht unerheblich nachteilig verändert. Zwar verblieb für die S AG, weil Auseinandersetzungsguthaben bei Beteiligungen am Unternehmenssegment VII frühestens nach Ablauf des Geschäftsjahres 2007 fällig werden (vgl. S. 100 des Prospektes linke Spalte, S. 13 linke Spalte sowie S. 16 rechte Spalte), noch ein längerer Zeitraum, um sich auf die geänderte Vertragslage einzustellen. Dies ändert aber nichts an der Gefahr, dass der erhöhte Kapitalbedarf, der bereits absehbar nach Ablauf des Geschäftsjahres 2007 zur Erfüllung der fälligen Ansprüche auf Auszahlung von Auseinandersetzungsguthaben entstehen würde, potentielle Anleger davon abhalten werde, in das Unternehmenssegment VII der S AG zu investieren, denn die wirtschaftliche Entwicklung dieses Unternehmenssegments und der S AG insgesamt konnte bis zum Jahr 2007 nicht sicher vorhergesagt werden. Aus diesem Grunde musste bereits vor März 2000 damit gerechnet werden, dass das Trennungsrisiko möglicherweise zu einer für den Anleger ungünstigen Steigerung des Erfüllungsrisikos führen konnte.

cc) Es war zu befürchten, dass der in der Unternehmensplanung nicht vorgesehene Liquiditätsabfluss durch die erzwungene Einmalzahlung von Auseinandersetzungsguthaben für die S AG nur sehr schwer oder gar nicht verkraftbar sein werde und deshalb potentielle Neuanleger von einer Beteiligung an der S AG Abstand nehmen würden, mithin neuer Geldzufluss ausbliebe. Dieser mögliche Kumulierungseffekt führt nach Auffassung des Senats zu einer nicht unwesentlichen Risikoerhöhung mit der Folge, dass über die dafür maßgeblichen Umstände hätte aufgeklärt werden müssen.

c) Es kann dahinstehen, ob der weiter von den Klägern geltend gemachte Mangel, die finanziellen und persönlichen Verflechtungen zwischen der S AG und dem Bankhaus P seien nicht bzw. nicht ausreichend deutlich gemacht worden, durchgreiflich ist.4.

Das Landgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass die Beklagten als Prospektverantwortliche für die Prospektmängel einzustehen haben.

a) Für den Prospektinhalt müssen diejenigen einstehen, die für die Geschicke des Unternehmens und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind. Das sind namentlich die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management der Gesellschaft bilden oder sie beherrschen (BGHZ 71, 284, 287; Siol, DRiZ 2003, 204, 207) einschließlich der sogenannten "Hintermänner" (BGHZ 72, 382, 387; BGHZ 115, 213, 217 f; BGH VersR 2002, 105). Darüber hinaus haften auch diejenigen, die aufgrund ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder aufgrund ihrer Fachkunde eine Art Garantenstellung einnehmen und durch ihre Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung treten (BGH VersR 2004, 601; BGHZ 111, 314, 319 f; BGH VersR 1992, 878, 880).

b) Die Beklagte Ziffer 1 und 2 haben, wie aus S. 121 des Prospektes Nr. 13.3. hervorgeht, den Prospekt als Vorstandsmitglieder unterschrieben und dadurch die Verantwortung für dessen Richtigkeit und Vollständigkeit übernommen. Außerdem ergibt sich eine Verantwortlichkeit sämtlicher Beklagten aus der im Prospekt enthaltenen Erklärung (S. 120 linke Spalte 2. Absatz), wonach der Vorstand der S AG für den Inhalt des Prospektes die Verantwortung übernimmt und erklärt, dass seines Wissens die Angaben in dem Prospekt richtig und keine wesentlichen Umstände ausgelassen sind. Dabei ist unerheblich, dass die Beklagten Ziffer 3 und 4 den Prospekt nicht unterzeichnet haben, da aus S. 43 rechte Spalte des Prospektes ersichtlich ist, dass die vier Beklagten den Vorstand der S AG bilden.5.

Hinsichtlich der Beklagten liegt ein fahrlässiges Unterlassen vor, das für eine Schadenersatzverpflichtung nach den Grundsätzen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung ausreicht.

Fahrlässigkeit im Sinne von § 276 BGB setzt in diesem Zusammenhang nicht voraus, dass die massiven Probleme des Bankhauses P oder wirtschaftliche Schwierigkeiten wegen des Erfordernisses der Auszahlung von Abfindungsguthaben bei Altverträgen in einer Rate vorhersehbar waren. Den Beklagten ist vielmehr deswegen Fahrlässigkeit zur Last zu legen, weil sowohl die mit dem Verlustübernahmevertrag als auch die mit der erzwungenen Änderung des Auszahlungsmodus von Auseinandersetzungsguthaben bei Altverträgen jeweils verbundene Risikosteigerung für sie erkennbar war. Da die Beklagten die persönliche Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektes trugen, hatten sie sich die zu deren Beurteilung erforderlichen Rechtskenntnisse zu verschaffen, wobei die von ihnen hinzugezogenen Rechtsanwälte als ihre Erfüllungsgehilfen zu betrachten sind; denn hinsichtlich der Vorvertragspflicht, den Interessenten ein zutreffendes Bild von der Anlage zu vermitteln, haben die für den Prospekt Verantwortlichen gemäß § 278 BGB für diejenigen einzustehen, denen sie die Herstellung des Prospektes überlassen (vgl. BGH ZIP 1992, 1561 und BGHZ 84, 141, 144).

Soweit die Rechtsanwälte irrtümlich davon ausgegangen sein sollten, der Verlustübernahmevertrag vom 22.09.1999 sei nicht ergänzungspflichtig, hätten die Beklagten dies, wie grundsätzlich jeden anwaltlichen Irrtum in einer Frage des inländischen Rechts, als Fahrlässigkeit zu vertreten (vgl. Palandt / Heinrichs, 63. Aufl., RN 22 zu § 276 BGB), wobei diese Fahrlässigkeit die Beklagten nach § 278 BGB wie eigenes Verschulden trifft.6.

Die im Prospekt enthaltene Haftungsbeschränkung für unrichtige oder unvollständige Angaben oder für Verletzung eventuell bestehender Aufklärungs- oder Hinweispflichten gegenüber dem Anleger auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (vgl. S. 120 rechte Spalte und S. 121 linke Spalte) vermag die Beklagten nicht zu entlasten. Auch ein Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit steht zur Aufgabe des Prospektes, die potentiellen Anleger verlässlich, umfassend und wahrheitsgemäß informieren, in Widerspruch. Als Bestandteil des Prospektes ist er deshalb gemäß § 9 AGBG (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) unwirksam (BGH VersR 2002, 1251).7.

Ein Schadenersatzanspruch der Kläger scheitert im vorliegenden Fall aber - entgegen den Feststellungen des Landgerichts - daran, dass der Anwendungsbereich der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinn nicht eröffnet ist. Die spezifischen Voraussetzungen für einen Anspruch aus typisierter Prospekthaftung mit der für die Kläger günstigen Beweislastverteilung wegen der tatsächlichen Vermutung der Ursächlichkeit der vorwerfbaren Prospektmängel für die Anlageentscheidung liegen nicht vor, weil die Kläger nach eigenem Vorbringen nicht auf der Grundlage des Prospekts geworben wurden, mithin kein entsprechendes Vertrauen in die von den Beklagten zu verantwortenden Prospektangaben gesetzt haben.

a) Grundsätzlich ist bei einem auf der Grundlage des Prospekts geworbenen Anleger nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass eine in wesentlichen Punkten unterbliebene Aufklärung für den Beitritt ursächlich geworden ist (BGH WM 2004, 928; BGH WM 2004, 1132; BGH NJW 1992, 3296). Nur dann, wenn der Anleger bei zutreffender Aufklärung über das zusätzliche Risiko sich ebenfalls für die Anlage entschieden hätte, würde es am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden fehlen (BGHZ 123, 106; BGHZ 84, 141, 148; BGH ZIP 2000, 1296, 1298; BGH ZIP 2003, 1651; BGH ZIP 2004, 312). Die objektive Bedeutung der verschwiegenen Tatsache für die Werthaltigkeit des Anlageobjektes ist bei der Würdigung der Frage der Ursächlichkeit des Aufklärungsmangels für den Anlageentschluss mit zu berücksichtigen (BGHZ 123, 106).

b) Auf diese Rechtsprechung kann im vorliegenden Fall jedoch nur dann zurückgegriffen werden, wenn die Grundsätze über die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinn anwendbar sind. Die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung hat der BGH in "Weiterführung der Grundgedanken einer Vertrauenshaftung, wie sie für die Grundfälle eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen entwickelt worden ist, in einem bestimmten, vom Gesetzgeber als regelungsbedürftig nicht vorgesehenen, aber ausfüllungsbedürftigen Bereich" entwickelt (BGHZ 79, 337, 341). Die Regelungsbedürftigkeit hat er in dem Umstand gesehen, "dass im Interesse eines rechtlich gebotenen Kapitalanlegerschutzes auf eine wahrheitsgemäße und vollständige Aufklärung des Rechtsverkehrs über das Risiko möglicher Anlagen hingewirkt werden muss und dass zu diesem Zwecke für unzutreffende oder irreführende Prospektangaben nicht nur die unmittelbar am Vertragsschluss Beteiligten oder diejenigen, die einen auf ihre Person bezogenen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen haben, haftbar gemacht werden müssen, sondern auch die Personen, die zu der für die Herausgabe des Prospekts verantwortlichen eigentlichen Leistungsgruppe oder sonst zu den maßgeblichen Hintermännern des Anlageunternehmens gehören" (BGHZ 79, 337, 341). Zur Rechtfertigung seiner Rechtsprechung hat der BGH wiederholt darauf hingewiesen, dass Anleger - wie etwa die an der Zeichnung eines Kommanditanteils an einer Publikums-KG Interessierten - im Allgemeinen keine eigene Unterrichtungsmöglichkeit hätten und weitgehend darauf angewiesen seien, sich anhand des Emissionsprospektes über das zu finanzierende Vorhaben zu informieren. Da der Prospekt demgemäß im Regelfalle die Grundlage für den wirtschaftlich bedeutsamen und mit Risiken verbundenen Beteiligungsentschluss darstelle, müsse sich der potentielle Kapitalanleger grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben verlassen können (BGHZ 71, 284 ff; BGHZ 79, 337, 341). Im Zuge der fallweisen Konturierung der Prospekthaftung (zur rechtsdogmatischen Entwicklung vgl. Assmann, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl., § 7 RN 20 bis 23) hat sich die allgemeine und über die Besonderheit der Beteiligung an einer Publikums-KG hinausgreifende Formel herausgebildet, dass für die Vollständigkeit und Richtigkeit der in den Verkehr gebrachten Prospekte jeder einzustehen habe, der durch von ihm in Anspruch genommenes und ihm auch entgegengebrachtes Vertrauen auf den Willensentschluss des Kapitalanlegers Einfluss genommen habe (BGHZ 74, 103, 109; BGHZ 77, 172, 175). Den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen ist gemein, dass an ein typisiertes Vertrauen des Anlegers auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von den Prospektverantwortlichen gemachten Angaben angeknüpft wird (BGHZ 71, 284; 72, 382; 79, 337; 83, 222; 84, 141). Ein Schadenersatzanspruch aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung setzt danach voraus, dass die Prospektverantwortlichen ein an ihre Person geknüpftes Vertrauen enttäuscht haben (BHGZ 72, 382; BGHZ 71, 284). Rechtlich unerheblich ist dabei, ob die Personen, für die die Garantenstellung daraus erwächst, dass sie für die Geschicke der Gesellschaft und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind, sowie ihre Bedeutung und ihr Einfluss in dem Prospekt offenbart werden oder den Beitrittsinteressenten vor oder bei den Vertragsverhandlungen sonst bekannt geworden sind; als Anknüpfungspunkt genügt die Tatsache dieser Tätigkeit und Verantwortung (BGHZ 79, 337).

Sofern das typisierte Vertrauen des Anlegers auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von Prospektverantwortlichen gemachten Angaben die Haftungsgrundlage bildet, wird von der Prospekthaftung im engeren Sinne gesprochen; die Prospekthaftung im weiteren Sinn ist die Haftung für die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens einem bestimmten Verhandlungspartner gegenüber unter Verwendung von Prospekten, zum Beispiel durch Anlageberater oder Anlagevermittler (vgl. Siol, DRiZ 2003, 204).

c) Von diesen Grundsätzen ausgehend kann im zur Beurteilung stehenden Sachverhalt nicht festgestellt werden, dass ein Fall des typisierten Vertrauens vorliegt, welches Grundlage für eine Prospekthaftung der Beklagten im engeren Sinne sein könnte.

Aus dem schriftsätzlichen Vortrag der Kläger lässt sich eine Inanspruchnahme von typisiertem Vertrauen nicht entnehmen. Insbesondere haben die Kläger nicht vorgetragen, dass sie bei der Investitionsentscheidung auf die Richtigkeit und Vollständigkeit von im Prospekt enthaltenen Angaben vertraut hätten.

Wie die Anhörung des Klägers Ziffer 1 durch den Senat im Termin vom 29.06.2004 ergeben hat, wurde der streitgegenständliche Emissionsprospekt Nr. 13.3. den Klägern vor der Zeichnung der Beteiligung nicht übergeben. Die Kläger haben den Prospekt vielmehr erst nach dem Erwerb der atypischen stillen Beteiligung erhalten. Im Rahmen des ersten Gesprächskontaktes wurde den Klägern vom Vermittler ganz allgemein die G vorgestellt. Zentrales Gesprächsthema war hierbei die Finanzierung einer Eigentumswohnung. Bereits beim zweiten Besuch des Vermittlers etwa 14 Tage später haben die Kläger ihre Beitrittserklärung abgegeben. An diesem Tag sei, wie der Kläger Ziffer 1 dargelegt hat, nicht mehr viel verhandelt und nichts von Bedeutung neuerlich besprochen worden. Vom Vertreter habe er lediglich erfahren, dass ein Bankhaus hinter der G stehe, die Anlage sei eine ganz sichere Sache, es gebe viele Anleger und alle seien zufrieden; er selbst, der Vertreter, habe sich durch diese Tätigkeit ein großes Haus leisten können. Der Prospekt habe beim Gespräch mit dem Vermittler im Prinzip gar keine Rolle gespielt, beim ersten Kontakt sei der Prospekt als Schreibunterlage benutzt worden. Die in der Beitrittserklärung enthaltene Angabe, den Emissions-Prospekt zur S rente Nr. 13.3 der S AG erhalten zu haben, sei inhaltlich unzutreffend gewesen. Im Rahmen des ersten Besuches durch den Vermittler sei lediglich ein bisschen im Prospekt herumgeblättert worden nach dem Motto: "Das ist ja sowieso nicht so wichtig".

Danach haben die Kläger allein und ausschließlich ein persönliches Vertrauen dem Vermittler, der die streitgegenständliche Beteiligung an der S AG vertrieben hat, entgegengebracht. Der Prospekt und sein Inhalt haben für die Anlageentscheidung der Kläger keinerlei Bedeutung erlangt. Aus diesem Grunde konnten sie den Prospektverantwortlichen gar kein - wie es in Fällen dieser Art sonst in typischer Weise geschieht - entsprechendes Vertrauen entgegenbringen und die Beklagten konnten auch kein solches Vertrauen enttäuschen. Bei dieser Sachlage können die Kläger allein von den Verlautbarungen des Vermittlers enttäuscht sein, dessen Haftung hier nicht in Rede steht und für den die Beklagten auch nicht gemäß § 278 BGB einzustehen hätten, weil - wenn überhaupt - allein vertragliche Beziehungen zwischen dem Vermittler und der S AG, nicht aber den Vorstandsmitgliedern bestehen können.

d) Vorliegend hat die Kläger auch keine positive Anlagestimmung zum Erwerb der Beteiligung bewogen.

aa) Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein Anleger für den speziellen Bereich der Emissionsprospekthaftung nach dem Börsengesetz alter Fassung (§§ 45 ff. BörsG i.d.F. d. 2. Finanzmarktförderungsgesetzes - FMG - v. 26.07.1994, BGBl. I 1994, S. 1749) eine durch einen Emissionsprospekt erzeugte positive Anlagestimmung ohne Rücksicht auf eine individuelle Kenntnis des Prospekts nach Art einer "tatsächlichen Vermutung" für den Kausalzusammenhang zwischen Prospektfehlern und seinem Kaufentschluss in Anspruch nehmen (BGHZ 139, 225, 233 m.w.N.) Entgegen dem früheren Recht hat der Gesetzgeber durch § 46 Abs. 2 Nr. 1 BörsG n.F. (i.d.F. d. 3. FMG v. 24.03.1998, BGBl. I 1998, S. 29) die Darlegungs- und Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen fehlerhaftem Prospekt und Erwerb der Wertpapiere zugunsten des Erwerbers auf den Anspruchsgegner verlagert, gleichzeitig aber die Haftungsansprüche auf Erwerbsgeschäfte über Wertpapiere beschränkt, die innerhalb von sechs Monaten nach ihrer erstmaligen Einführung und Prospektveröffentlichung erworben wurden (§ 45 Abs. 1 Satz 1 BörsG).

bb) Ob die von der Rechtsprechung zur Prospekthaftung nach dem Börsengesetz alter Fassung entwickelten Grundsätze über den Anscheinsbeweis bei Vorliegen einer Anlagestimmung auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar sind, erscheint zweifelhaft, kann im Ergebnis aber dahinstehen. Denn dafür, dass eine entsprechende positive Anlagestimmung die Kläger zum Kauf veranlasst hätte, fehlt jeglicher Hinweis. Dass etwa aufgrund des Prospektes Nr. 13.3. der S AG vom 01.08.1999 bei anderen Personen eine positive Anlagestimmung hervorgerufen worden sei, die noch im März 2000 auf die Kläger ausgestrahlt habe, wird von den Klägern nicht vorgetragen. Hierfür hat auch die Anhörung des Klägers Ziffer 1 keinerlei Anhaltspunkte ergeben.8.

Deliktische Schadenersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB bzw. gemäß § 826 BGB stehen den Klägern nicht zur Seite. Ein bedingter Vorsatz der Beklagten lässt sich nicht feststellen. Die Frage, ob die Auseinandersetzung mit dem BAKred über die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens bei Altverträgen bzw. ob der Abschluss des Verlustübernahmevertrages mit dem Bankhaus P aufklärungspflichtige Risiken beinhalten, erfordert weitgehende rechtliche Überlegungen bei den Prospektverantwortlichen unter dem Gesichtspunkt, ob es sich um einen für die Entscheidung für den Erwerb der Unternehmensbeteiligung erheblichen Umstand handelt (normatives Tatbestandsmerkmal). Bei einem normativen Tatbestandsmerkmal ist ein strafrechtlicher Vorsatz nur dann gegeben, wenn die mit dem Begriff verbundene Wertung im Blick auf die dem Täter bekannten Tatsachen im Wesentlichen richtig nachvollzogen wird im Sinne einer Parallelwertung in der "Laiensphäre" (vgl. Schönke / Schröder, 26. Aufl., RN 43 zu § 15 StGB). Insofern ergeben sich Zweifel, die zu Lasten der Kläger gehen. Dabei ist entscheidend von Bedeutung, dass lediglich ein mittelbares Risiko im Raum stand und aufgrund der wirtschaftlichen Lage der S AG darauf vertraut werden konnte, dass in Zukunft keine Liquiditätsschwierigkeiten entstehen. Hinzu kommt, dass die Beklagten den Prospekt nicht selbst erstellt haben, sondern, worauf der Prospekt hinweist (S. 20 rechte Spalte), damit Rechtsanwälte und Steuerberater beauftragt waren, so dass sehr fraglich erscheint, dass die Beklagten persönlich in Kenntnis einer Aktualisierungs- bzw. Hinweispflicht und damit bewusst bestimmte prospektpflichtige Umstände verschwiegen haben.

Von daher ergeben sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB (vgl. dazu auch BGH, Urteile vom 19.07.2004, II ZR 217/03 und II ZR 218/03, NJW 2004, 2664 und 2668).II.

Zur Anschlussberufung der Beklagten:

In Ermangelung einer Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Schadensersatzansprüche war der Anschlussberufung der Kläger der Erfolg versagt.C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes hat ihre Grundlage in § 3 ZPO. Zwar entspricht der Streitwert des Feststellungsantrages üblicherweise dem bezifferten Schuldbetrag (BGH NJW-RR 1990, 958; BGH NJW 1974, 2128), vor allem, wenn die noch offene Verbindlichkeit stets bezifferbar war und - wie vorliegend - im Berufungsverfahren auch konkret beziffert wurde. Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass der Kläger gemäß § 21 des Gesellschaftsvertrages (Anhang zur Anlage K 5) nach vier Jahren jederzeit Erlass der restlichen Einlageverpflichtung verlangen kann - unter Zahlung eines Ausgleichsbetrages in Höhe von 15 % der ausstehenden Einlage und des gesamten Agios gemäß § 17 des Gesellschaftsvertrages. Dies rechtfertigt die Herabsetzung des Streitwertes auf den Betrag, den 48 Monatsraten ergeben (48 x 1.840 DM = 88.320 DM = 45.157,30 Euro). Unter Einbeziehung der gewährten Entnahmen in Höhe von 1.385,62 Euro errechnet sich ein Streitwert des Freistellungsantrages bis 47.000 Euro. Zusammen mit dem Antrag Ziffer 1 errechnet sich ein Streitwert bis 74.000,- Euro.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO. Eine grundsätzliche Bedeutung ist der vorliegenden Rechtssache nicht beizumessen. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Abweichendes wird von den Klägern auch nicht geltend gemacht.






OLG Stuttgart:
Urteil v. 07.09.2004
Az: 1 U 11/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/4f57cc7c8065/OLG-Stuttgart_Urteil_vom_7-September-2004_Az_1-U-11-04




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