Anwaltsgerichtshof Celle:
Urteil vom 11. Mai 2011
Aktenzeichen: AGH 3/10 (I 1)

(AGH Celle: Urteil v. 11.05.2011, Az.: AGH 3/10 (I 1))

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I. Der Kläger erhebt Klage gegen die Rechtsanwaltskammer wegen eines von dieser erlassenen Bescheides vom 01. Februar 2010. Dieser Bescheid ist dem Kläger am 02.02.2010 zugestellt worden, die Klage ist mit Schriftsatz vom 01.03.2010 erhoben worden, eingegangen am gleichen Tag per Fax beim Anwaltsgerichtshof, also rechtzeitig.

Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die im Bescheid vom 01.02.2010 enthaltene mißbilligende Belehrung des Beklagten gemäß § 73 Abs. 2 BRAGO und beantragt die Aufhebung des Bescheides.

Es handelt sich um eine öffentlich rechtliche Streitigkeit nach § 112 a ff BRAO. Obwohl der Anwaltsgerichtshof in solchen Fällen einem Oberverwaltungsgericht gleich steht (§ 112 c Abs. 1) und für Verfahren vor dem OVG Anwaltszwang gilt (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO), kann der Rechtsanwalt im vorliegenden Fall sich selbst vertreten (§ 67 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

Einer mündlichen Verhandlung bedarf es nicht, weil die Beteiligten ausdrücklich auf sie verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

II. Der Kläger hat in einem zivilrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht M. bzw. dem OLG N. Frau R. K. gegen Frau Dr. S. vertreten. Hintergrund ist eine Auseinandersetzung über Werklohn bzw. Gewährleistungsansprüche im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben.

Mit Schreiben vom 04.09.2009 wendet sich RA H., der Frau Dr. S. in dem Zivilverfahren vertritt, an die Beklagte und rügt, daß der Kläger wegen einer bestehenden Interessenkollision an der Vertretung der Frau K. gehindert sei. Er fügt seinem Schreiben die Ablichtung eines Schriftsatzes vom 18.09.1996 bei. In diesem Schriftsatz, gerichtet an die C.bank AG in H., zeigt eine überörtliche Anwaltssozietät H. - M. die Interessenvertretung der Frau Dr. S. an. Mitglied dieser Anwaltssozietät war der Kläger bis zum 31.12.1998. Unterzeichnet ist der Schriftsatz von Rechtsanwalt T. P. Inhaltlich ist der Schriftsatz gerichtet auf Zahlung von 150.000,00 DM wegen gutachterlich belegter Mängel Zug um Zug gegen Aushändigung der Bürgschaftsurkunde. Diese Bürgschaftsurkunde ist erstellt worden für Frau K. im Zusammenhang mit dem strittigen Bauvorhaben, das Gegenstand des Verfahrens vor dem LG M. bzw. OLG N. ist und in dem der Kläger nunmehr Frau K. vertritt.

Die Beschwerdeführerin - Frau Dr. S. - rügt, dass der Kläger, der zunächst sie vertreten habe, im Laufe des Zivilverfahrens als Prozeßbevollmächtigter der Frau K. auftritt und seit diesem Zeitpunkt die Behauptung seiner Mandantin vertritt,

die Bauleistung sei mangelfrei.

Obwohl der Kläger durch Schriftsatz vom 13.03.2009 auf die Interessenkollision aufmerksam gemacht worden ist, habe er gleichwohl den Verhandlungstermin vor dem OLG N. wahrgenommen. Er habe auch in derselben Rechtssache noch für seine Mandantin Klage gegen die Beschwerdeführerin im Juli 2009 vor dem LG H. auf Herausgabe der Bürgschaft eingereicht und letztendlich erst am 17.02.2010 das Mandat niedergelegt und dies dem OLG N. mitgeteilt.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 01.02.2010 entschieden, daß der Kläger mit der Vertretung von Frau K. gegen Frau Dr. S. gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 43 a Abs. 4 BRAO in Verbindung mit § 3 BORA verstoßen hat.

Der Kläger wendet sich gegen diesen Bescheid mit der Klage und führt u. a. im Einzelnen auf:

1. RA P. sei niemals Mitglied der überörtlichen Anwaltssozietät gewesen, sondern lediglich angestellter Rechtsanwalt.

2. Er, der Kläger sei selbst zum 01.01.1999 aus der Sozietät ausgeschieden.

3. Vor der Erteilung des Mandates durch Frau Dr. S. sei ihm auch mangels Aufnahme in die Mandatsliste der überörtlichen Sozietät nichts bekannt gewesen. Der Kläger habe vielmehr seit 1993 bereits Frau K. in der Angelegenheit gegen Frau Dr. S. vertreten.

4. Dennoch habe Herr Rechtsanwalt S., der ebenfalls Mitglied der überörtlichen Sozietät war, die Interessen von Frau Dr. S. in der Angelegenheit gegen Frau K. vertreten, obwohl ihm die Tätigkeit des Klägers für Frau K. bekannt gewesen sei.

Die Einwendungen sind nicht berechtigt, so daß der Klage der Erfolg zu versagen ist.

§ 3 I BORA bestimmt, daß der Rechtsanwalt nicht tätig werden darf, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat. Dieses Verbot gilt gemäß § 3 II BORA für alle mit dem Rechtsanwalt in der Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft, gleich welcher Rechts- oder Organisationsform verbundenen Rechtsanwälte. Damit kommt es auf den Status des RA P. nicht an.

Auch die Tatsache des Austritts aus der Sozietät ist gemäß § 3 III BORA unerheblich.

Der Zeitpunkt der Kenntnis des Klägers von der Interessenkollision ist nur insoweit von Bedeutung, als er nach § 3 IV BORA unverzüglich seinen Mandanten davon zu unterrichten und alle Mandate in derselben Rechtssache zu beenden hat, sobald er von der Kollision erfährt. Diese Kenntnis hat der Kläger durch den Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 13.03.2009, gerichtet an das OLG N. erfahren.

Dennoch hat er noch im Juli 2009 in derselben Rechtssache Klage für seine Mandantin gegen die Beschwerdeführerin vor dem LG H. auf Herausgabe der Bürgschaft eingereicht und letztendlich erst am 17.02.2010 das Mandat niedergelegt und dies dem OLG N. mitgeteilt. Dies war ersichtlich zu spät.

Schließlich ist es unerheblich, ob durch die Tätigkeit von Rechtsanwalt P. bzw. möglicherweise des Kollegen RA S. ebenfalls ein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen vorliegt.

Die Klage ist daher zulässig, aber unbegründet und war mit der Kostenfolge des § 154 I VwGO abzuweisen.






AGH Celle:
Urteil v. 11.05.2011
Az: AGH 3/10 (I 1)


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