Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Februar 2009
Aktenzeichen: 15 W (pat) 334/05

(BPatG: Beschluss v. 19.02.2009, Az.: 15 W (pat) 334/05)

Tenor

Das Patent wird beschränkt aufrecht erhalten auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2009, Beschreibung Seiten 1, 2 und 4, sowie Figuren, jeweils gemäß Patentschrift, Beschreibung Seite 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2009.

Gründe

I.

Auf die am 21. Februar 1996 beim Deutschen Patentund Markenamt unter dem Aktenzeichen 196 06 291.8 eingereichte Patentanmeldung ist ein Patent mit der Bezeichnung "Kokillenrohr" erteilt worden. Veröffentlichungstag der Patenterteilung in Form der DE 196 06 291 B4 ist der 10. Februar 2005.

Das Patent umfasst in seiner erteilten Fassung 8 Ansprüche, die folgenden Wortlaut haben:

"1. Kokillenrohr zum Stranggießen von Metallen, das einen an einander gegenüberliegenden Stirnenden (3, 4) offenen Formhohlraum (2) besitzt, dessen Querschnitt am eingießseitigen Stirnende (3) größer als am strangaustrittsseitigen Stirnende (4) bemessen ist und dessen Seitenflächen (5, 6) durch bogenförmig gekrümmte Eckbereiche (7, 8) verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Eckbereiche (8) von einem knapp unterhalb des Gießspiegels (9) liegenden Höhenbereich des Formhohlraums (2) aus in Richtung zum strangaustrittsseitigen Stirnende (4) des Formhohlraums (2) einen sich verkleinernden Radius (R, R2, R3) mit konstant bleibendem oder sich veränderndem Mittelpunkt oder einen sich stärker krümmenden Kurvenverlauf aufweisen.

2.

Kokillenrohr nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Formhohlraum (2) einen polygonalen Querschnitt aufweist.

3.

Kokillenrohr nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Formhohlraum (2) einen I-förmigen Querschnitt besitzt.

4.

Kokillenrohr nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Konizität des Formhohlraums (2) linear ausgeführt ist.

5.

Kokillenrohr nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Konizität mehrfach linear ausgeführt ist.

6.

Kokillenrohr nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Konizität des Formhohlraums (2) parabolisch ausgeführt ist.

7.

Kokillenrohr nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Mittenachse des Formhohlraums (2) gerade ausgebildet ist.

8.

Kokillenrohr nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Mittenachse des Formhohlraums (2) in Gießrichtung gebogen ist."

Gegen die Erteilung des Patents haben die V...GmbH in L..., Österreich, Einsprechende 1, und die E... K.G. in S..., Einsprechende 2, am 9. Mai 2005 bzw. am 10. Mai 2005 Einspruch eingelegt.

Bei ihrer Begründung stützen sich die Einsprechenden auf die bereits im Erteilungsverfahren in Betracht gezogenen Entgegenhaltungen E1 EP0498296A2 E2 DE3204339A1 E3 JP 01075146 A, in: Patent Abstracts of Japan.

Zudem bezieht sich die Einsprechende 1 auf die von ihr in der mündlichen Verhandlung vorgelegen Entgegenhaltungen E4 Zusammenfassung von JP 1075146 (A), esp@cenet E5 JP 64-75146 (A)

sowie auf die in dem auf die mündliche Verhandlung folgenden schriftlichen Verfahren eingereichten Entgegenhaltungen E6 DE-OS 15 08 922 E7 JP 46-21094 bzw. deren englischsprachige Übersetzung.

Darüber hinaus ist von der Patentinhaberin selbst der Prospekt

"Kokillen für Strangguß", Ausgabe 1190.015.04.04 der KM-kabelmetall Aktiengesellschaft, Osnabrück (im Folgenden E8)

zur druckschriftlichen Belegung des in der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift angegebenen Standes der Technik eingereicht worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2009 reicht der Vertreter der Patentinhaberin -zunächst als "Hilfsantrag" bezeichnet -neue Patentansprüche 1 bis 8 ein, die folgenden Wortlaut haben:

"1. Kokillenrohr zum Stranggießen von Metallen, das einen an einander gegenüberliegenden Stirnenden (3, 4) offenen Formhohlraum (2) besitzt, dessen Querschnitt am eingießseitigen Stirnende (3) größer als am strangaustrittsseitigen Stirnende (4) bemessen ist und dessen Seitenflächen (5, 6) durch bogenförmig gekrümmte Eckbereiche (7, 8) verbunden sind, wobei die Eckbereiche (8) von einem knapp unterhalb des Gießspiegels (9) liegenden Höhenbereich des Formhohlraums (2) aus in Richtung zum strangaustrittsseitigen Stirnende (4) des Formhohlraums (2) einen sich verkleinernden Radius (R, R2, R3) mit sich veränderndem Mittelpunkt oder einen sich stärker krümmenden Kurvenverlauf aufweisen, wobei durch den sich verkleinernden Radius (R, R2, R3) oder den sich stärker krümmenden Kurvenverlauf bewusst ein Spalt zwischen einer Strangschale eines Gießstrangs und den Eckbereichen (8) des Formhohlraums (2) zur Reduzierung der Wärmeabfuhr erzeugt wird, und wobei ein Diagonalmaß des Formhohlraums konstant bleibt.

2.

Kokillenrohr nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Formhohlraum (2) einen polygonalen Querschnitt aufweist.

3.

Kokillenrohr nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Formhohlraum (2) einen I-förmigen Querschnitt besitzt.

4.

Kokillenrohr nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Konizität des Formhohlraums (2) linear ausgeführt ist.

5.

Kokillenrohr nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Konizität mehrfach linear ausgeführt ist.

6.

Kokillenrohr nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Konizität des Formhohlraums (2) parabolisch ausgeführt ist.

7.

Kokillenrohr nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Mittenachse des Formhohlraums (2) gerade ausgebildet ist.

8.

Kokillenrohr nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Mittenachse des Formhohlraums (2) in Gießrichtung gebogen ist."

Nach Auffassung des Vertreters der Patentinhaberin sei das Kokillenrohr gemäß dem neuen Patentanspruch 1 patentfähig. Außerdem werde durch Vorlage einer geänderten Beschreibungsseite 3 eine offensichtliche Unrichtigkeit im Absatz [0027] berichtigt. Richtig gestellt müsse es dort heißen, dass das Diagonalmaß der Strangschale -und nicht dasjenige des Formhohlraums -durch den Schrumpf abnehme. Konstant bleibe selbstverständlich das Diagonalmaß des Formhohlraums.

Der Vertreter der Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1, 2 und 4, sowie Figuren, jeweils gemäß Patentschrift, Beschreibung Seite 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Die Vertreter der Einsprechenden stellen den Antrag, das Patent vollumfänglich zu widerrufen.

In der mündlichen Verhandlung machen sie fehlende Ausführbarkeit geltend, denn, wie allein schon aus dem von der Patentinhaberin selbst eingereichten Prospekt (E8) auf S. 2 hervorgehe, gebe es viele Einflussmöglichkeiten auf das Schrumpfverhalten des Stranges, u. a. die Gießgeschwindigkeit, Stahlzusammensetzung und Kokillengeometrie, worüber im Streitpatent nichts ausgesagt sei. Aufgrund sehr unterschiedlicher Gießbedingungen könne der durch das Schrumpfen des Stranges beim Abkühlen entstehende Spalt zwischen Strang und Formhohlraum sehr klein sein und insbesondere unterhalb der Fertigungstoleranz liegen, so dass man bei der streitigen Kokille unter Umständen überhaupt nicht sehen könne, ob ein Spalt entsteht. Im Übrigen sei die Darstellung im Absatz [0005] der Streitpatentschrift widersprüchlich, denn dort sei beschrieben, dass die angestrebte Spaltbildung zwischen Strang und Formhohlraum das Strangschalenwachstum nachteilig beeinflusse. Außerdem sei infolge des verspäteten Vorbringens der Patentinhaberin das Eintreten ins schriftliche Verfahren oder ein neuer Termin für die mündliche Verhandlung notwendig. Im Übrigen seien die neuen Merkmale nicht zur Erfindung gehörend offenbart, so dass der neue Patentanspruch 1 unzulässig sei.

Die Parteien erklären übereinstimmend ihr Einverständnis mit dem Übergang in das schriftliche Verfahren.

In ihren Schriftsätzen vom 7. April 2009 (Einsprechende 1) und vom 25. März sowie 25. Mai 2009 (Einsprechende 2) legen die Einsprechenden ihre Auffassung dar, wonach insbesondere die Merkmale, dass durch den sich verkleinernden Radius (R, R2, R3) oder den sich stärker krümmenden Kurvenverlauf bewusst ein Spalt zwischen einer Strangschale eines Gießstrangs und den Eckbereichen (8) des Formhohlraums (2) zur Reduzierung der Wärmeabfuhr erzeugt werde und dass ein Diagonalmaß des Formhohlraums konstant bleibe, zu keiner klaren technischen Lehre führten, was auch anhand des Standes der Technik gemäß den von der Einsprechenden 1 im schriftlichen Verfahren eingereichten Entgegenhaltungen (E6, E7) deutlich werde. Darüber hinaus mangele es, abgesehen von der nach wie vor bestrittenen Zulässigkeit des neuen Anspruchs 1, an der Neuheit bzw. erfinderischen Tätigkeit gegenüber der E1.

Im schriftlichen Verfahren beantragen die Einsprechenden deshalb weiterhin, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hält im Schriftsatz vom 14. Mai 2009 ihren Antrag aufrecht, das Patent mit den geänderten Patentansprüchen und den in der mündlichen Verhandlung überreichten geänderten Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten.

Sie führt aus, der Patentanspruch 1 gebe keine Detailanweisungen für alle theoretisch möglichen Fälle, sondern er beschreibe die Erfindung objektiv und präzise, ohne dass es zu einer unbilligen Einschränkung der Erfindung, beispielsweise auf eine bestimmte Legierung, komme. Der Fachmann könne die Erfindung ohne unzumutbaren Aufwand nacharbeiten, beispielsweise indem von Zeit zu Zeit das Verschleißbild der Kokille kontrolliert werde. Der E6 entnehme der Fachmann lediglich, allzu große Spalten in den Ecken zu verhindern. Eine Anregung, bewusst einen Spalt zwischen Strangschale eines Gießstranges und Eckbereichen eines Formhohlraumes zu erzeugen, erhalte er daraus dagegen nicht. Hinsichtlich des Diagonalmaßes gehe daraus lediglich hervor, dass die Unterschiede in den Diagonalmaßen größer werden, wenn die Kokille verschleißt. Von einer gezielten Einstellung des Spaltes durch einen sich verkleinernden oder stärker krümmenden Kurvenverlauf in den Eckbereichen des Formhohlraumes werde dort jedoch nichts aufgezeigt. Schließlich sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auch gegenüber der E1 nicht nur neu, sondern auch erfinderisch.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1.

Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind (BGH, GRUR 2007, 859 -Informationsübermittlungsverfahren I und BGH, GRUR 2007, 862 -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH, GRUR 2009, 184 -Ventilsteuerung).

2.

Die rechtzeitig und formgerecht eingelegten Einsprüche sind zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit nach § 21 Abs. 1 PatG rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe ohne eigene Ermittlungen ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).

3.

Die Widerrufsgründe betreffen nur einen Teil des Patents, denn die Kokille zum Stranggießen von Metallen gemäß dem geltenden Patentanspruch 1, der gegenüber dem erteilten Patentanspruch eingeschränkt ist, ist patentfähig. Das Patent war deshalb beschränkt aufrecht zu erhalten (§ 61 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 3 PatG).

a. Mit Gliederungspunkten versehen lautet der geltende Patentanspruch 1 -in Übereinstimmung mit der von der Einsprechenden 2 in ihrem Schriftsatz vom 25. März 2009 eingereichten, zutreffenden Merkmalsanalyse -folgendermaßen:

1.1 Kokillenrohr zum Stranggießen von Metallen, das einen an einander gegenüberliegenden Stirnenden (3, 4) offenen Formhohlraum (2) besitzt, 1.2 dessen Querschnitt am eingießseitigen Stirnende (3) größer als am strangaustrittsseitigen Stirnende (4) bemessen ist und 1.3 dessen Seitenflächen (5, 6) durch bogenförmig gekrümmte Eckbereiche (7, 8) verbunden sind, 1.4 wobei die Eckbereiche (8) von einem knapp unterhalb des Gießspiegels (9) liegenden Höhenbereich des Formhohlraums (2) aus in Richtung zum strangaustrittsseitigen Stirnende (4) des Formhohlraums (2) einen sich verkleinernden Radius (R, R2, R3) mit sich veränderndem Mittelpunkt oder einen sich stärker krümmenden Kurvenverlauf aufweisen, 1.5 wobei durch den sich verkleinernden Radius (R, R2, R3) oder den sich stärker krümmenden Kurvenverlauf bewusst ein Spalt zwischen einer Strangschale eines Gießstrangs und den Eckbereichen (8) des Formhohlraums (2) zur Reduzierung der Wärmeabfuhr erzeugt wird, 1.6 und wobei ein Diagonalmaß des Formhohlraums konstant bleibt.

b.

Als zuständiger Fachmann ist ein in der Entwicklung von Kokillenrohren zum Stranggießen von Metallen tätiger Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau anzusehen, der im Rahmen einer mehrjährigen beruflichen Tätigkeit insbesondere über vertiefte Kenntnisse und breite Erfahrung auf dem Gebiet der Gießereitechnik verfügt.

c.

Der Gegenstand des Patents geht über den Inhalt der Anmeldung in der am Anmeldetag eingereichten Fassung nicht hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).

Insbesondere sind die geltenden Patentansprüche 1 bis 8 formal zulässig, denn diese Ansprüche finden ihre Grundlage sowohl im Streitpatent als auch in den Ursprungsunterlagen. So geht der Patentanspruch 1 auf den Anspruch 1 (Merkmale 1.1 bis 1.4) und Absätze [0012] und [0027] der Streitpatentschrift zurück (Merkmale 1.5 und 1.6). In den ursprünglichen Unterlagen findet sich die Grundlage der Patentansprüche 1 bis 8 in den identischen Ansprüchen 1 bis 8 i. V .m. der Beschreibung, die Seiten 2 und 3 übergreifender Absatz und S. 5 Abs. 3. Die Änderung im Absatz [0027] auf S. 3 der Streitpatentschrift betrifft die Berichtigung einer offensichtlichen Unrichtigkeit. Insbesondere ist dem Fachmann nach Auffassung des Senats aus dem Gesamtzusammenhang des Inhalts der Streitpatentschrift klar, dass sich gemäß den Ausführungen im Absatz [0027] bei einem konstant bleibendem Diagonalmaß des Formhohlraumes und bei einem gleich bleibenden Radius der Strangschale, wie in diesem Absatz in Zn. 3 bis 5 angegeben, in den Eckbereichen nur dann ein Spalt entsteht, wenn das Diagonalmaß der Strangschale durch den Schrumpf abnimmt. Dass hier korrekterweise nichts anderes als die Strangschale bzw. der Strang gemeint sein kann, ergibt sich im Übrigen auch aus dem Absatz [0002] der Streitpatentschrift, wo ausgeführt ist, dass aufgrund der Erstarrung des Stahls sich die Querschnittsgeometrie des Stranges durch Schrumpfung verändert. Da insoweit sämtliche, im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale als zur Erfindung gehörend offenbart sind, sind insbesondere die Änderungen i. V. m. der beschränkten Verteidigung des Streitpatents zulässig (Schulte, PatG, 8. Auflage, § 21 Rdn. 113).

d. Das Streitpatent beschreibt die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG).

Gemäß den in den Gliederungspunkten 1.1 bis 1.4 angegebenen Merkmalen betrifft das Streitpatent ein Kokillenrohr zum Stranggießen von Metallen, das einen an einander gegenüberliegenden Stirnenden offenen Formhohlraum besitzt, dessen Querschnitt am eingießseitigen Stirnende größer als am strangaustrittseitigen Stirnende bemessen ist. Derartige Kokillenrohre zählen zum Arbeitsgebiet des Fachmanns, an den sich die in diesem Streitpatent offenbarte Lehre richtet, wie beispielsweise anhand der für den fachlichen Ausgangspunkt dieses Falles in Frage kommenden Entgegenhaltung EP 0 498 296 A2 (E1), siehe dort insbesondere Zusammenfassung und Figuren 1 und 2 i. V. m. Sp. 1 Zn. 4 bis 20, Sp. 3 Zn. 2 bis 29 und Sp. 4 Z. 56 bis Sp. 6 Z. 1 sowie Anspruch 1, nachgewiesen ist. Wie anhand des Anspruchs 1 der E1 belegt ist, weiß der Fachmann, dass eine Kokille (3) zum Stranggießen von Metallen einen beidseitig offenen Formhohlraum (6, 35, 60, 70) aufweist, was nichts anderes bedeutet als ein Kokillenrohr zum Stranggießen von Metallen, das einen an einander gegenüberliegenden Stirnenden offenen Formhohlraum besitzt, wie im Gliederungspunkt 1.1 angegeben. Anhand des in Figur 1 der E1 dargestellten Kokillenrohres ist dem Fachmann auch klar, dass bei einer Kokille mit Ausbauchung bzw. Konizität das Lichtmaß (20) an der Eingießseite (4) größer ist als das Lichtmaß (21) auf der Strangaustrittsseite (5), d. h., dass der Querschnitt am eingießseitigen Stirnende größer als am strangausgangsseitigen Stirnende bemessen ist (1.2). Auch für die Verbindung der Seitenflächen des Kokillenrohres durch bogenförmig gekrümmte Eckbereiche (1.3) hat er in der E1, dort u. a. anhand der Figur 2, ein geometrisches Vorbild für bogenförmig gekrümmte Eckbereiche, die dort mit den Bezugszeichen 8, 8', 8 und 8' gekennzeichnet sind. Aufgrund seines Wissens und Könnens weiß der Fachmann zudem auch, was unter einem konstant bleibendem Diagonalmaß des Formhohlraums an sich gemeint ist, nämlich beispielsweise der aus der Figur 5 in der E1 ersichtliche Sachverhalt, wonach sich das lichte Maß entlang der Diagonalen 59 über die gesamte Länge des Kokillenrohres nicht ändert. Dies ist im vorliegenden Fall auch nicht streitig.

Das, was von den Einsprechenden dagegen bestritten wird, ist die Ausführbarkeit der in den Gliederungspunkten 1.4 und 1.5 i. V .m.1.6 angegebenen Merkmale, wonach die Eckbereiche (8) von einem knapp unterhalb des Gießspiegels (9) liegenden Höhenbereich des Formhohlraums (2) aus in Richtung zum strangaustrittsseitigen Stirnende (4) des Formhohlraums (2) einen sich verkleinernden Radius (R, R2, R3) mit sich veränderndem Mittelpunkt oder einen sich stärker krümmenden Kurvenverlauf aufweisen (Gliederungspunkt 1.4), wobei durch den sich verkleinernden Radius (R, R2, R3) oder den sich stärker krümmenden Kurvenverlauf bewusst ein Spalt zwischen einer Strangschale eines Gießstrangs und den Eckbereichen (8) des Formhohlraum (2) zur Reduzierung der Wärmeabfuhr erzeugt wird (1.5), und wobei ein Diagonalmaß des Formhohlraums konstant bleibt (1.6).

Entgegen der Auffassung der Einsprechenden lässt die in der Streitpatentschrift dargestellte Lehre den Fachmann bei der Ausführung dieser Merkmale jedoch nicht im Unklaren. So erfährt er aus der Streitpatentschrift aus dem Absatz [0012], dass in Höhe des Gießspiegels "zunächst in bekannter Weise aufgrund der Kühlung des Kokillenrohrs, das heißt durch hohe Wärmeabfuhr die Bildung der Strangschale" beginnt, was für den Fachmann nichts anderes bedeutet, als dass oberhalb des in der Figur 2 mit dem Bezugszeichen 9 gekennzeichneten "Gießspiegels" der am oberen Stirnende (3) in das Kokillenrohr (1) eingefüllte Stahl flüssig ist (vgl. [0024], während in Höhe des Gießspiegels (9) der flüssige Stahl durch Kühlung des Kokillenrohrs in den Randbereichen der Schmelze erstarrt, wodurch bekanntlich die sogenannte Strangschale (10) gebildet wird ([0002], [0027]). Die Strangschale erstarrt dabei im Eckbereich (8) des Formhohlraums (2) mit einem Radius (R1), der der bogenförmigen Krümmung dieses Eckbereiches (8) bzw. dessen Radius R in diesem gießspiegelnahen Höhenbereich (C) ([0023], ([0026]) entspricht. Diese erste Phase der Erstarrung der Strangschale, die durch den Radius R1 gleich R gekennzeichnet ist, ist in Figur 3 zeichnerisch dargestellt. Wie der Fachmann weiß, schrumpft der Gießstrang aufgrund der Erstarrung des Stahls ([0002]), weshalb, wie ihm ebenfalls geläufig ist, unterhalb des aus der Figur 2 ersichtlichen und im Absatz [0022] erläuterten Höhenbereichs A eine dementsprechende Konizität der Seitenflächen (6) der Kokille beginnt, die sich über den anschließenden Höhenbereich (B) bis zum unteren, d. h., strangaustrittsseitigen Stirnende (4) erstreckt, und die einer Spaltbildung zwischen Strangschale und Kokillenwand entgegenwirken soll (vgl. z. B. E1 Sp. 1 Zn. 4 bis 20). Nun erfährt der Fachmann aus dem Absatz [0004] der Streitpatentschrift -und auch das gehört zu seinem Wissen und seiner Erfahrung -, dass bei den bislang bekannten Kokillenrohren in den zwei Seitenflächen jeweils verbindenden, über die gesamte Länge des Formhohlraums gleich bleibenden Eckbereichen -des Kokillenrohrs bei Abkühlung des Stahls eine höhere Wärmeabfuhr als an den Seitenflächen erfolgt und folglich auch die diesen Eckbereichen des Formhohlraumes gegenüberliegenden Eckbereiche des Stranges im Vergleich zu den Seitenflächen einer stärkeren Schrumpfung unterliegen, was zu nachteiligen Spannungen in den Kanten des Stranges -und damit zu Oberflächenund Gefügefehlern -führen kann. Wie das Streitpatent dieses Problem in den Griff bekommt, erschließt sich aus dem Absatz [0012] der Streitpatentschrift: Um das überproportionale Schrumpfen der Eckbereiche des Stranges zu vermeiden und über den gesamten Querschnitt des Stranges eine in der Dicke gleichmäßig anwachsende Strangschale zu erzielen, wird dafür Sorge getragen, dass in den Eckbereichen ein Wärmeübergang erfolgt, der dem Wärmeübergang im Bereich der Seitenflächen entspricht. Im Einzelnen wird dieses Ziel nach der im Streitpatent dargelegten Lehre dadurch erreicht, "dass mit einer Veränderung der Geometrie der Eckbereiche des Formhohlraums hier bewusst ein Spalt zwischen der Strangschale und der Eckwandung des Formhohlraums erzeugt wird." Wie des Weiteren dort beschrieben ist, führt dieser "bewusst" erzeugte Spalt zwangsläufig zu einem geringeren Wärmeübergang -in den Eckbereichen -mit dem Ergebnis, dass in jedem Längenabschnitt des Formhohlraums die Strangschale gleichmäßig wächst. Dass die Angabe "bewusst", wie sie auch in dem im Gliederungspunkt 1.5 des streitigen Patentanspruchs 1 verwendet wird, nicht im Sinne einer nichttechnischen Lehre, die sich allein menschlicher Verstandestätigkeit bedienen würde, zu sehen ist, sondern ausschließlich im Sinne gezielter technischer Maßnahmen aufzufassen ist, erfährt der Fachmann anhand des in den Figuren 3 bis 6 dargestellten und in den Absätzen [0025] bis [0030] beschriebenen, folgenden Sachverhalt: Nachdem, wie oben bereits hinsichtlich der Figur 3 ausgeführt, die Strangschale in Höhe des Gießspiegels (9) mit einem Eckradius R1 erstarrt ist, der dem dortigen Eckradius R des Formhohlraumes entspricht, nimmt unterhalb des Gießspiegels (9) der Radius der Eckbereiche (8) des Formhohlraumes bei konstant bleibendem Diagonalmaß des Formhohlraumes (Merkmal 1.6) ab, was durch die Angabe des Radius "R2" in Figur 4 bzw. "R3" in Figur 5 hervorgehoben wird. Da die im Außenbereich bereits erstarrte Strangschale ihren Radius R1 beibehält und das Diagonalmaß des Stranges infolge der fortschreitenden Schrumpfung abnimmt ([0027]), erkennt der Fachmann sofort, dass in den Eckbereichen (8) ein Spalt zwischen Formhohlraum und Strangschale entsteht, der die Wärmeabfuhr in den Eckbereichen zwangsläufig reduziert und diese auf die Seitenflächen 6 verteilt. Aus dem Absatz [0028] der Streitpatentschrift erhält der Fachmann auch noch die Information, dass sich im weiteren Verlauf des Formhohlraumes 2, also beim Voranschreiten des Gießstranges von dem eingießseitigen Stirnende des Kokillenrohres zu dessen strangaustrittseitigen Stirnende, dieser Spalt sich vergrößert, da der Radius R3 der Eckbereiche 8 fortlaufend kleiner wird, was für den Fachmann nichts anderes bedeutet, als dass die Wärmeabfuhr in diesen Eckbereichen zielgemäß weiter verringert wird (vgl. Merkmal 1.5). Wie er die Verkleinerung des Radius der Eckbereiche mit sich veränderndem Mittelpunkt bei konstant bleibendem Diagonalmaß des Formhohlraumes -also das Merkmal 1.4 i. V. m. 1.6 -verwirklichen kann, erfährt der Fachmann schließlich aus dem letzten Halbsatz des die Seiten 3 und 4 im Absatz [0028] übergreifenden Satzes: "...das heißt bei gleichbleibendem Diagonalmaß wandert der Mittelpunkt des Radius R3 nach außen". In Verbindung mit den Figuren 2 und 6 wird dem Fachmann ohne Weiteres klar, dass er sich diesen Sachverhalt insgesamt als eine ihm geläufige Hohlkehlung vorzustellen hat, wie er sie beispielweise aus der Figur 4 i. V. m. Sp. 6 Zn. 19 bis 39 der E1 kennt, wobei er im Unterschied zu dieser mit dem Bezugszeichen 48 gekennzeichneten Hohlkehlung, deren Krümmungsmittelpunkt auf der Diagonalen 49 zwar auch nach außen wandert, was zwangsläufig ein zunehmendes Diagonalmaß bewirkt, dafür sorgen wird, dass die Schnittpunkte der Krümmungsbogen der Eckbereiche stets in senkrechter Projektion bezüglich der Stirnenden liegen, so dass das Diagonalmaß des Formhohlraumes insgesamt konstant bleibt. Sogar für die Alternative "oder einen sich stärker krümmenden Kurvenverlauf" zum kreisförmig gekrümmten Eckbereich findet sich in der Streitpatentschrift eine Anweisung, nämlich im Absatz [0013], wo darauf Bezug genommen wird, dass die Eckbereiche nach vorgegebenen Kurven, wie z. B. Ellipsen oder Parabeln, verlaufen können. Somit besteht kein Zweifel daran, dass der Fachmann die in der Streitpatentschrift dargestellte Lehre des im Patentanspruch 1 festgelegten Kokillenrohes aufgrund seines Wissens und Könnens ohne Weiteres ausführen kann.

Bei dieser Sachlage kann auch der Einwand der Einsprechenden, die Darstellung im Absatz [0005] der Streitpatentschrift sei insoweit widersprüchlich, als dort beschrieben werde, dass die angestrebte Spaltbildung zwischen Strang und Formhohlraum das Strangschalenwachstum nachteilig beeinflusse, zu keiner anderen Feststellung führen. Denn es ist unschädlich, wenn für die konkret offenbarte Lehre eine unzutreffende theoretische Begründung über Ursachen und Wirkungen gegeben wird, solange, wie vorliegend, der Gegenstand der patentierten Erfindung dargestellt ist (vgl. Schulte PatG, 8. Auflage, § 34 Rdn. 346). Im Übrigen betreffen die Ausführungen im Absatz [0005] der Streitpatentschrift ohnehin lediglich den Stand der Technik.

e. Das im Patentanspruch 1 angegebene Kokillenrohr ist patentfähig (PatG §§ 1 bis 5). Insbesondere ist dieser gewerblich anwendbare Gegenstand gegenüber dem Stand der Technik neu und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Das beanspruchte Kokillenrohr ist neu, denn aus keiner der in Betracht zu ziehenden Entgegenhaltungen ist es bekannt, zur Erzielung einer gleichmäßigen Temperaturverteilung über den Querschnitt eines Gießstranges die Eckbereiche von einem knapp unterhalb des Gießspiegels liegenden Höhenbereich des Formhohlraumes aus in Richtung zum strangaustrittsseitigen Stirnende einen sich verkleinernden Radius mit sich veränderndem Mittelpunkt -oder alternativ einen sich stärker krümmenden Kurvenverlauf -bei konstant bleibendem Diagonalmaß (1.6) vorzusehen, wobei durch den sich verkleinernden Radius -oder den sich stärker krümmenden Kurvenverlauf -gezielt ein Spalt zwischen Strangschale und den Eckbereichen des Formhohlraumes erzeugt wird, der die Wärmeabfuhr in diesen Bereichen verringert. Weitere Einzelheiten hierzu ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Entgegenhaltung EP 0 498 296 A2 (E1) konnte dem zuständigen Fachmann für die Lösung der dem Streitpatent zugrundeliegenden Aufgabe keine Anregung zur einer Lehre vermitteln, wie sie insgesamt im Patenanspruch 1 für ein Kokillenrohr angegeben ist. Aus dieser Entgegenhaltung E1 sind unstreitig die Merkmale 1.1 bis 1.3 bekannt, wie sich aus der dortigen Figur 1 i. V. m. Sp. 4 Z. 34 bis Sp. 5 Z. 39, ergibt. Insbesondere ist dort von einer "Rohrkokille" die Rede (Sp. 4 Zn. 37/38), die eine Eingießseite ("Pfeil 4") und eine Strangaustrittsseite ("Pfeil 5") sowie einen Formhohlraum 6 (Sp. 5 Zn. 3 bis 6) aufweist, so dass das im Gliederungspunkt 1.1 angegebene Merkmal erfüllt ist. Außerdem sind "Querschnittsvergrößerungen in der Form von Ausbauchungen 9" beschrieben (Sp. 5 Zn. 6 bis 10), und "... Lichtmass 20 ... auf der Eingiessseite 4 ... ist gegenüber einem Lichtmass 21 ... auf der Strangaustrittsseite 5 um 5 -15 % größer" (Sp. 5 Zn. 31 bis 36). Dieser Sachverhalt beschreibt nichts anderes, als dass der Querschnitt des Formhohlraumes am eingießseitigen Stirnende größer bemessen ist als am strangaustrittsseitigen Stirnende (vgl. Gliederungspunkt 1.3). Wie zudem aus den Figuren 1 bis 4 (Bezugszeichen 38 bzw. 48) ersichtlich ist, sind die Seitenflächen (9) des Kokillenrohres durch bogenförmig gekrümmte Eckbereiche (8, 8', 8, 8') verbunden, so dass auch das im Gliederungspunkt 1.3 angegebene Merkmal in der E1 verwirklicht ist.

Darüber hinaus zeigt in der E1 die Figur 4 i. V. m. Sp. 6 Zn. 19 bis 39 auch noch eine Hohlkehle 48 entlang der Diagonallinie 49, die in Stranglaufrichtung einen negativen Konus aufweist, so dass somit im Eckbereich in Stranglaufrichtung eine Formhohlraumerweiterung vorgesehen ist (Sp. 6 Zn. 20 bis 25). Das bedeutet insoweit -unbestreitbar -nichts anderes, als dass die Eckbereiche in Richtung zum strangaustrittsseitigen Stirnende des Formhohlraumes einen Radius mit einem entlang der Diagonale 59 nach außen wandernden, somit einen sich verändernden Mittelpunkt oder einen sich dementsprechend krümmenden Kurvenverlauf aufweisen. Bis auf die ausdrückliche Angabe eines sich verkleinernden Radius oder einen sich stärker krümmenden Kurvenverlauf sowie eines von einem knapp unterhalb des Gießspiegels liegenden Höhenbereich des Formhohlraums entspricht dieser Sachverhalt dem im Gliederungspunkt 1.4 angegebenen Merkmal. Schließlich geht aus der E1 auch noch das im Gliederungspunkt 1.6 angegebene Merkmal hervor, wonach ein Diagonalmaß des Formhohlraums konstant bleibt. Denn in Sp. 6 Zn. 46 bis 50 ist zu dem in Figur 5 dargestellten Ausführungsbeispiel erläutert, dass entlang der Hohlkehle (58) in Stranglaufrichtung keine Konizität vorgesehen, was sich dadurch ausdrückt, dass in einem Schnitt entlang der Diagonale (59) die Hohlkehle (58) im wesentlichen parallel zur Längsmittelachse der Kokille verläuft.

Nicht ausdrücklich erwähnt ist in der E1, dass die Eckbereiche von einem knapp unterhalb des Gießspiegels liegenden Höhenbereich des Formhohlraumes aus in Richtung zum strangaustrittseitigen Stirnende des Formhohlraumes einen sich verkleinernden Radius oder einen sich stärker krümmenden Kurvenverlauf aufweisen (Merkmal 1.4) und dass durch den sich verkleinernden Radius oder den sich stärker krümmenden Kurvenverlauf bewusst ein Spalt zwischen einer Strangschale eines Gießstrangs und den Eckbereichen des Formhohlraums zur Reduzierung der Wärmeabfuhr konstant bleibt (Merkmal 1.5).

An dieser Stelle vertreten die Einsprechenden die Auffassung, dass sich diese Merkmale ohne Weiteres, zumindest jedoch in naheliegender Weise, aus dem in der Entgegenhaltung E1 beschriebenen Stand der Technik ergäben. Insbesondere sei es evident, dass in den Eckbereichen die strangaustrittsseitig angeordnete Höhenkurve (33), (43) stärker gekrümmt sei bzw. einen kleineren Eckenradius aufweise, als es bei der eingießseitigen Kurve (30), (40) der Fall sei. Dieser Sachverhalt sei den Figuren 3 und 4 eindeutig zu entnehmen.

Der Senat kann dieser Auffassung jedoch nicht folgen.

Zwar ist davon auszugehen, dass der zuständige Fachmann aufgrund seines Wissens und Könnens die besondere Ausgestaltung der Eckbereiche zur Lösung der sich ihm gestellten Aufgabe in einem Kokillenbereich von einem knapp unterhalb des Gießspiegels liegenden Höhenbereich des Formhohlraumes aus in Richtung zum strangaustrittsseitigen Stirnende des Formhohlraumes vornehmen wird, wie es im Merkmal 1.4 angegeben ist. Der Senat sieht aber keinen Hinweis, der den Fachmann dazu veranlassen könnte, einen sich in Richtung zum strangaustrittsseitigen Stirnende des Formhohlraumes verkleinernden Radius oder einen sich stärker krümmenden Kurvenverlauf vorzusehen, um damit bewusst einen Spalt zwischen einer Strangschale eines Gießstranges und den Eckbereichen des Formhohlraumes zur Reduzierung der Wärmeabfuhr zu erzeugen.

Im Hinblick auf den knapp unterhalb des Gießspiegels liegenden Höhenbereich des Formhohlraumes ist in der E1 in Sp. 6 Zn. 2/3 i. V .m. Zn. 19/20 davon die Rede, dass die in den Figuren 3 und 4 dargestellten Höhenkurven 30 bis 33 der Hohlkehle 38 bzw. Höhenkurven 40 bis 43 der Hohlkehle 48 eine Ecke eines ausgebauchten Formhohlraumes 35 betreffen, somit den in Figur 1 mit dem Bezugszeichen 12 gekennzeichneten, oberen Bereich des Kokillenrohres. In Sp. 3 Zn. 20 bis 29 ist ausgeführt, dass eine Variationsmöglichkeit in der Wahl der Länge bzw. Teillänge des Formhohlraumes mit ausgebauchten Seitenwänden besteht. Dabei ist es grundsätzlich möglich, dass sich das Maß der Ausbauchung über die gesamte Formhohlraumlänge reduziert, es sind aber auch nur Teillängen denkbar. Dies ist nicht anders aufzufassen, als dass sich der Kokillenabschnitt, in dem die Eckbereiche jeweils eine Hohlkehle aufweisen, grundsätzlich über den gesamten Bereich -vom eintrittsseitigen Ende bis zum austrittsseitigen Ende der Kokille erstrecken kann. Nun mag der Fachmann dabei in Erwägung ziehen, die Eckbereiche erst unterhalb des Kokillenbereiches, in dem die Schmelze üblicherweise noch keine Strangschale ausgebildet hat -somit unterhalb des Gießspiegels -mit Hohlkehlen auszustatten, da oberhalb des Gießspiegels die dort noch flüssige Schmelze auch in diese Eckbereiche hineinlaufen würde, was den je nach Anwendungsziel angestrebte Querschnitt des Stahlstranges nachteilig beeinflussen und den Weitertransport des Stranges in der Kokille infolge Verklemmung behindern würde. Somit könnte der Fachmann ohne Weiteres auch noch auf den im Gliederungspunkt 1.4 angegebenen Höhenbereich kommen.

Der Fachmann erfährt aus der E1 in Sp. 6 Zn. 19 bis 25 auch noch, dass durch den negativen Konus der Hohlkehle (48) in der in Figur 4 dargestellten Ausführungsform im Eckbereich in Stranglaufrichtung eine Formhohlraumerweiterung entsteht, die bei -unterhalb des Gießspiegels -erstarrender bzw. erstarrter Strangschale zwangsläufig zu einem Spalt zwischen Strangschale und Eckbereich des Formhohlraumes führt, und es ist ihm klar, dass dieser Spalt aufgrund einer dort geringeren Wärmeleitfähigkeit die Kühlung im Kantenbereich beeinflusst. Im Übrigen wird in Sp. 6 Zn. 31 bis 39 der E1 bereits darauf hingewiesen, dass durch die geometrische Ausbildung des Eckbereiches die Kühlung im Kantenbereich des Stranges gesteuert werden kann.

Was nun das Merkmal eines sich verkleinernden Radius oder einen sich stärker krümmenden Kurvenverlauf in den Eckbereichen nach dem Gliederungspunkt 1.4 -und i. V. damit 1.5 -bei konstantem Diagonalmaß des Formhohlraumes gemäß

1.6 angeht, ist indes kein richtungweisender Hinweis ersichtlich. Abgesehen davon, dass zu den Übergangskurven (30 bis 33, 40 bis 43, 50 bis 53), die benachbarte Seitenwände des Formhohlraumes in deren Eckbereichen (8, 8', 8, 8') verbinden, in der gesamten Beschreibung und in den Ansprüchen der E1 nichts beschrieben ist, reichen die zeichnerischen Darstellungen in den Figuren 3 und 4, und übrigens auch Figur 5, nicht aus, um daraus einen sich verkleinernden Radius oder einen sich stärker krümmenden Kurvenverlauf als zur dort beschriebenen Erfindung gehörend offenbart ansehen zu können. Zwar mag in der Figur 3 die -sich über den gesamten Querschnitt des Formhohlraumes erstreckende -eingießseitige Höhenkurve 30 stärker gekrümmt erscheinen als die strangaustrittsseitige Kurve 33 -Gleiches gilt im Übrigen für die Kurven 40 und 43 in der Figur 4 -. Es lässt sich aber keinesfalls zweifelsfrei erkennen, dass die unterschiedlichen Krümmungen der Höhenkurven insgesamt durch den Radius bzw. die Krümmung der Höhenkurven in den durch die Hohlkehlen (38, 48, 58) gekennzeichneten Eckbereich bestimmt werden. Vielmehr geht aus Sp. 6 Zn. 51 bis 56 hervor, dass sich bei abnehmender Bogenhöhe der Ausbauchung, somit in Richtung zum strangaustrittsseitigen Stirnende des Formhohlraumes, die jedem Kreisbogen zugehörige Sehne verlängert. Dieser Sachverhalt erklärt zwar die unterschiedlichen Krümmungen der eingießseitigen und strangaustrittsseitigen Höhenkurven in der zeichnerischen Darstellung der Figuren 3, 4 und 5, was nichts anderes ausdrückt, als die Konizität der Kokille (vgl. E1 Sp. 5 Zn. 40 bis 56). Ein sich verkleinernder Radius ist dadurch aber ausgeschlossen, denn ein kleiner werdender Radius würde in jedem Fall zwangsläufig eine sich verkürzende Kreisbogensehne zur Folge haben.

Erst recht ergibt sich somit keine Anregung zu einem sich verkleinernden Radius oder eines sich stärker krümmenden Kurvenverlaufs bei konstantem Diagonalmaß des Formhohlraumes. Ein konstantes Diagonalmaß ist zwar anhand des in Figur 5 dargestellten Ausführungsbeispiels verwirklicht. Insbesondere ist in Sp. 6 Zn. 46 bis 50 ausdrücklich beschrieben, dass in diesem Beispiel entlang der Hohlkehle (58) in Stranglaufrichtung keine Konizität vorgesehen ist und infolgedessen die Hohlkehle (58) in einem Schnitt entlang der Diagonale (59) im Wesentlichen parallel zur Längsmittelachse der Kokille verläuft. In der zeichnerischen Darstellung der Figur 5 erscheint der Eckbereich aber stets mit konstantem Radius kreisförmig gebogen.

Da ein Hinweis in Richtung auf einen sich verkleinernden Radius fehlt, könnte somit auch die von der Einsprechenden 2 in ihrem Schriftsatz vom 25. März 2009 vorgebrachte Verknüpfung einer positiven Konizität -der Kokille -und einer negativen Konizität der Hohlkehle in dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 i. S. einer neutralen Konizität (vgl. E1 Sp. 3 Zn. 50 bis 54) -somit konstantem Diagonalmaß nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 führen.

Auch die übrigen Entgegenhaltungen können keinen Anstoß in Richtung der durch sämtliche, im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale festgelegten Kokille geben. Insbesondere ist dort ebenfalls nirgends ein Hinweis dahingehend zu finden, bei konstant gehaltenem Diagonalmaß des Formhohlraumes dessen Eckbereiche von einem knapp unterhalb des Gießspiegels liegenden Höhenbereich aus in Richtung zum strangaustrittseitigen Stirnende des Formhohlraumes mit einem sich verkleinernden Radius mit sich veränderndem Mittelpunkt oder einem sich stärker krümmenden Kurvenverlauf auszugestalten, um damit in den Eckbereichen einen Wärmeübergang zu erzielen, der dem Wärmeübergang im Bereich der Seitenflächen entspricht (vgl. Streitpatentschrift Absatz [00012] auf S. 3 Zn. 1 bis 4), so dass sich der zugrundeliegenden Aufgabe gemäß eine bessere Strangqualität bei höherer Gießleistung erzielen lässt.

So zeigt die DE 32 04 339 A1 (E2) im Hinblick auf den Gegenstand des streitigen Patentanspruchs 1 eine Stranggusskokille zum Gießen von Trägerrohlingen mit beispielsweise I-förmigem Querschnitt (Anspruch 1 und Figur 5 i. V. m. S. 3 (handschriftliche Nummerierung) Zn. 10 bis 13 und S. 9 Zn. 15 bis 25) -dessen Seitenflächen durch -offensichtlich bogenförmig -gekrümmte Ecken und Hohlkehlenteile (9) verbunden sind (Figur 6 i. V. m. S. 11 Z. 34 bis S. 12 Z. 21). Wie im Anspruch 1 angegeben, weisen die Hohlkehlenteile (9) der Kokille eine sich ändernde Krümmung auf, die in der Gießrichtung entsprechend der Größe der freien Schrumpfung der verfestigten Schale des Stranges sukzessiv abnimmt. Weitere Einzelheiten hierzu sind in dem genannten, die Seiten 11 und 12 übergreifenden Beschreibungsabsatz ausgeführt. So stellt die durchgezogene Linie (7) einen Teiloder Viertelquerschnitt einer Stranggusskokille an ihrem oberen Teil -somit am eingießseitigen Stirnende -und die Form eines -zu gießenden -Trägerrohlings 2 an dem oberen Teil der Stranggusskokille dar. Die gestrichelte Linie (8) bezeichnet dagegen die Form des Trägerrohlings an einem unteren Teil der Stranggusskokille oder einem in der Nähe des unteren Endes dieser Kokille -somit dem strangaustrittsseitigen Stirnende -. Wie aus Figur 6 deutlich wird, hat der gekrümmte Hohlkehlenteil (9) des Trägerrohlings (2) anfänglich die innere Form der Stranggusskokille an ihrem eingießseitigen Teil. Wie die Beschreibung an dieser Stelle fortfährt, wird die Form des gekrümmten Hohlkehlenteiles (9) der Stranggusskokille in einer solchen Weise deformiert, dass der Trägerrohling heftig gegen die innere Wand der Kokille gedrängt wird, wodurch die verformende Spannung, die infolge der auf die Strangschale von der Innenseite der Kokille aufgebrachten Zugspannung gebildet wird, auf einem hinsichtlich der Rissbildung tolerierbaren Niveau gehalten werden kann (die Seiten 10 und 11 übergreifender Absatz). Somit ist die abnehmende Krümmung der Hohlkehlenteile des dargestellten Kokillenrohres eines wesentlichen Merkmals der in der E1 beschriebenen Lehre, die infolgedessen keinen Raum für eine Anregung in gegensätzlicher Richtung eines sich stärker krümmenden Kurvenverlaufs bzw. verkleinernden Krümmungsradius der Eckbereiche lässt.

Das japanischen Patentdokumente mit der Veröffentlichungsnummern JP 1075146 A (E3), das im Erteilungsverfahren in Form der Zusammenfassung aus "Patent Abstracts of Japan" in Betracht gezogen worden ist (vgl. die von der Einsprechenden 1 in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Zusammenfassung von JP 1075146 (A) aus esp@cenet (E4) ), zeigt lediglich ein Kokillenrohr, das zur Verhinderung vertikaler Oberflächenrisse und zur Beschleunigung des Gießverfahrens in Gießrichtung auf der inneren Oberfläche seines oberen Teils Rillen (16) aufweist, die sich zum unteren Ende des Kokillenrohrs verengen ("... providing the grooves ... along the casting direction on the inner face of the upper part of a mold, gradually making the groove shallow towards the lower part of the mold") und die Innenoberfläche dieses unteren -strangaustrittsseitigen -Kokillenendes in einer im Wesentlichen vollständig runden Gestalt lassen ("... forming the lower end inner face of the mold in about complete roundness shape"). Die Entgegenhaltung JP 64 75146 (A) (E5) unterscheidet sich angesichts der Figuren 1 bis 4 von dem vorgenannten Stand der Technik offensichtlich dadurch, dass in Figur 3 (B) ein Spalt zwischen Rille (16) und Strangschale (14) erkennbar ist, der mit der aus Figur 4 ersichtlichen Schrumpfung des Giesstranges (12) einher geht. Aus diesem Stand der Technik ist von den Einsprechenden im Übrigen nichts gegen den Streitgegenstand geltend gemacht worden. In beiden japanischen Patentdokumenten ist jedenfalls weder ein konischer Formhohlraum erkennbar, noch findet sich ein Hinweis auf ein konstantes Diagonalmaß.

Die Entgegenhaltung DE-OS 15 08 922 (E6) beschäftigt sich -wie das Streitpatent -zwar auch mit der Spaltbildung zwischen Gießstrang und Formhohlraum beim Schrumpfen des Gießstranges durch Abkühlung (S. 1 unterer Abs. Z. 1 bis 7). Wie die Figuren 1 bis 3 zeigen, geht es dort aber ausschließlich um die Zentrierung des Gießstranges mit seiner Strangschale (2) und dem noch flüssigen Kern (3) in einer Kokille (1) mit runden Ecken (4), (5), (6) und (7) mittels Kokillenwänden mit längs verlaufenden Erhöhungen (10) bzw. Vertiefungen (11).

Die japanische Patentveröffentlichung JP 46-21094 bzw. deren englischsprachige Übersetzung (E7) betrifft lediglich ein Kokillenrohr zum Stranggießen von Metallen, bei der die mit runden Eckbereichen verbundenen Seitenflächen nach außen -in den Formhohlraum -vorspringende Ausbuchtungen aufweisen, die thermische Spannungen und Verformungen der Kokille verhindern sollen (Figur 3 i. V. m. Übersetzung S. 4, unterer Absatz, dort Zn. 11 bis 29, und Anspruch 1).

Der von der Patentinhaberin selbst vorgelegte Prospekt "Kokillen für Strangguß" (E8), dessen Inhalt von den Parteien ausschließlich im Hinblick auf die Frage der Ausführbarkeit der streitpatentlichen Lehre erörtert worden ist, gibt zwar auf Seite 2 in der rechten Spalte an, dass der Eckenradius einer Kokille in starkem Maße das Schalenwachstum über den Umfang des Stranges beeinflusst. Insbesondere ist dort ausgeführt, dass die bisher üblichen, relativ großen Radien die Neigung zur Längsrissbildung im Kantenbereich des Stranges verstärken, weshalb die Tendenz besteht, die Kantenradien zu verkleinern. Schließlich sind in dem eingerahmten Abschnitt in der genannten Textspalte angestrebte Richtwerte der Eckenradien für verschiedene Formatblöcke angegeben. Was die Ausgestaltung der Eckbereiche eines Kokillenrohres insgesamt angeht, ist mit diesen Angaben der Inhalt der E8 jedoch bereits erschöpft.

Da die in den im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen somit Angaben und Hinweise in Richtung der Erzielung einer gleichmäßigen Temperaturverteilung über den Querschnitt des Stranges durch Ausgestaltung der Eckbereiche eines Kokillenrohres von einem knapp unterhalb des Gießspiegels liegenden Höhenbereich des Formhohlraumes aus in Richtung zum strangaustrittsseitigen Stirnende des Formhohlraumes mit einem sich verkleinernden Radius oder einen sich stärker krümmenden Kurvenverlauf bei gleichzeitiger Konstanthaltung des Diagonalmaßes des Formhohlraumes nicht nachgewiesen werden konnten, führt auch eine zusammenschauende Betrachtung dieses Standes der Technik insgesamt zu keinem anderen Ergebnis.

f. In Verbindung mit dem Patentanspruch 1 haben auch die auf diesen Anspruch rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 Bestand, da diese Ansprüche vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsformen der im Anspruch 1 angegebenen Kokille beschreiben.

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BPatG:
Beschluss v. 19.02.2009
Az: 15 W (pat) 334/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/4f4dca732ec4/BPatG_Beschluss_vom_19-Februar-2009_Az_15-W-pat-334-05




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