Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. September 2009
Aktenzeichen: 7 W (pat) 63/09

(BPatG: Beschluss v. 30.09.2009, Az.: 7 W (pat) 63/09)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 31. Oktober 2007 veröffentlichte Erteilung des Patents 10 2007 009 705 mit der Bezeichnung "Bearbeitungsvorrichtung sowie Verfahren zur Herstellung und Bearbeitung von Formteilen unterschiedlicher dreidimensionaler Struktur", ist am 29. Januar 2008 Einspruch erhoben worden. Die Einsprechende hat insbesondere geltend gemacht, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei und zum Stand der Technik unter anderem folgende Druckschriften genannt:

EP 1 262 255 B1 (D1) DE-Buch: "Bosch-Kraftfahrtechnisches Taschenbuch", 24. Auflage, 2002, S. 366-367 (D3)

Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen und zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Deutschen Patentund Markenamt am 6. Februar 2009 beantragt, das angefochtene Patent, wie erteilt (Hauptantrag) in vollem Umfang, hilfsweise mit einem von 4 Hilfsanträgen beschränkt aufrecht zu erhalten.

Die Patentabteilung 14 des Deutschen Patentund Markenamts hat das Patent mit Beschluss vom 2. März 2009 mit der Begründung widerrufen, dass die Gegenstände der erteilten Patentansprüche sowie der Hilfsanträge I bis IV nicht patentfähig seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom 20. April 2009. Sie legt in der Beschwerdebegründung vom 7. Juli 2009 neue, nur noch auf eine "Bearbeitungsvorrichtung zur Herstellung und Bearbeitung von Formteilen unterschiedlicher dreidimensionaler Struktur" gerichtete Ansprüche 1 nach Hauptund Hilfsantrag vor und führt aus, dass die Bearbeitungsvorrichtung nach diesen Ansprüchen gegenüber dem Stand der Technik nach den Entgegenhaltungen D1 und D3 neu und erfinderisch sei.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, unter Aufhebung des Beschlusses der Patentabteilung 14 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 2. März 2009 das Patent 10 2007 009 705 mit dem Patentanspruch 1 laut Hauptantrag vom 7. Juli 2009 (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 7. Juli 2009, Bl. 21 GA) sowie der -noch anzupassenden -Beschreibung und den Zeichnungen laut erteiltem Patent beschränkt aufrecht zu erhalten.

Hilfsweise beantragt sie, unter Aufhebung des Beschlusses der Patentabteilung 14 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 2. März 2009 das Patent 10 2007 009 705 mit dem Patentanspruch 1 laut Hilfsantrag vom 7. Juli 2009 (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 7. Juli 2009, Bl. 22 bis 23 GA) sowie der -noch anzupassenden -Beschreibung und den Zeichnungen laut erteiltem Patent beschränkt aufrecht zu erhalten.

Die Einsprechende stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt aus, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 nach Hauptund Hilfsantrag gegenüber den Schriften D1 und D3 in Verbindung mit dem Wissen des Fachmanns nicht patentfähig sei.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag hat folgende Fassung:

Bearbeitungsvorrichtung zur Herstellung und Bearbeitung von Formteilen (1, 3) unterschiedlicher dreidimensionaler Struktur, insbesondere Karosserieteile eines Kraftfahrzeugs, mit einem Niederhalter (15), der zwischen einer Niederhalter-Form (16) und einem Niederhalter-Aufsatz (17) das Formteil (1) einspannt, und einem Bearbeitungswerkzeug (20) zum Umformen des eingespannten Formteils (1, 3), das zwei, auf gegenüberliegenden Seiten des Formteils (1) angeordnete Schieber (21, 23) aufweist, die zum Umformen des eingespannten Formteils (1) zueinander bewegbar sind, wobei der Niederhalter (15) und das Bearbeitungswerkzeug

(20) in Eingriff mit einem ersten Formteil (1) bringbar und der dreidimensionierten (lies: dreidimensionalen) Struktur des ersten Formteils (1) angepasst sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Niederhalter-Form (16), der Niederhalter-Aufsatz (17) sowie die beiden Schieber (21, 23) des Bearbeitungswerkzeugs (20) jeweils als voneinander separate, formteilabhängige erste Wechselteile (16, 17, 21, 23) ausgebildet sind, von denen jedes auf standardisierten, formteilunabhängigen Trägerkörpern (26) lösbar montiert ist, und dass bei einem Wechsel auf ein zweites Formteil (3) unterschiedlicher dreidimensionaler Struktur die formteilabhängigen ersten Wechselteile (16, 17, 21, 23) des Niederhalters und des Bearbeitungswerkzeugs (15, 20) voneinander unabhängig mit zweiten Wechselteilen (27, 28, 29, 30) austauschbar sind, die der dreidimensionalen Struktur des zweiten Formteils (3) angepasst sind.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hauptantrag durch die am Schluss angehängten zusätzlichen Merkmale:

..., wobei das Formteil (1, 3) derart großflächig im Niederhalter

(15) einspannbar ist, dass ein Randbereich (19) des Formteils (1, 3) vom Niederhalter (15) freigelegt ist und der freigelegte Randbereich (19) randseitig außerhalb des Niederhalters (15) zwischen den beiden Schiebern (21, 23) angeordnet ist.

Nach der Sp. 2, Abs. [0008] der Streitpatentschrift liegt, bezogen auf die Bearbeitungsvorrichtung der geltenden Ansprüche 1 nach Hauptund Hilfsantrag die Aufgabe vor, eine Bearbeitungsvorrichtung zur Herstellung und Bearbeitung von Formteilen unterschiedlicher dreidimensionaler Struktur bereitzustellen, bei der in einfacher und kostengünstiger Weise Formteile, etwa Karosserieteile, unterschiedlicher dreidimensionaler Struktur kostengünstig gefertigt werden können.

Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die fristund formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt weder in der Fassung gemäß Hauptantrag noch in der Fassung gemäß Hilfsantrag eine patentfähige Erfindung i. S. d. §§ 1 bis 5 PatG dar.

Die Patentansprüche 1 nach Hauptund Hilfsantrag sind zulässig. Sie gehen auch nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

Die offensichtlich gewerblich anwendbare Bearbeitungsvorrichtung gemäß Anspruch 1 nach Hauptund Hilfsantrag mag neu sein, beruht aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da sie sich für den Fachmann aus dem Stand der Technik in nahe liegender Weise ergibt.

Als Fachmann für die in Rede stehenden Bearbeitungsvorrichtungen ist ein Diplomingenieur des Maschinenbaus mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der spanlosen Blechbearbeitung und Kenntnissen des Umformwerkzeugbaus zugrundezulegen.

Zum Hauptantrag:

Aus der EP 1 262 255 B1 (D1) ist eine Bearbeitungsvorrichtung zur Herstellung und Bearbeitung von Formteilen unterschiedlicher dreidimensionaler Struktur bekannt, wobei durch die Angaben im Patentanspruch 1 der D1 auch beim Gegenstand dieser Druckschrift die Formteile bevorzugt als Karosserieteile eines Kraftfahrzeugs aufzufassen sind.

In Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag weist auch die Bearbeitungsvorrichtung der D1 einen Niederhalter auf, der zwischen einer Niederhalter-Form (Teilbereich außerhalb der Werkzeugfläche 13 der Matrize 10) und einem Niederhalter-Aufsatz (Blechhalter 11) das Formteil einspannt. Ferner ist auch beim Gegenstand der D1 ein Bearbeitungswerkzeug zum Umformen des eingespannten Formteils vorgesehen, das zwei, auf gegenüberliegenden Seiten des Formteils angeordnete Schieber (Stempel 9, Matrize 10 mit ihren Werkzeugflächen 12 und 13) aufweist, die zum Umformen des eingespannten Formteils zueinander bewegbar sind, wobei in weiterer Übereinstimmung mit dem Streitpatentgegenstand der Niederhalter und das Bearbeitungswerkzeug in Eingriff mit einem ersten Formteil bringbar und der dreidimensionierten (lies: dreidimensionalen) Struktur des ersten Formteils angepasst sind (Fig. 1 sowie Abs. [0007], [0015] und Patentanspruch 1).

Bei der Bearbeitungsvorrichtung der D1 sind der Niederhalter-Aufsatz (Blechhalter 11) sowie die beiden Schieber (Stempel 9 und Matrize 10) des Bearbeitungswerkzeugs jeweils als voneinander separate, formteilabhängige erste Wechselteile ausgebildet, von denen jedes auf standardisierten formteilunabhängigen Trägerkörpern, das sind beim Gegenstand der D1 die Grundträger 7 und 8, lösbar montiert sind. Damit stellt sich dann auch beim Gegenstand der D1 die Wirkung ein, dass bei einem Wechsel auf ein zweites Formteil unterschiedlicher dreidimensionaler Struktur die formteilabhängigen ersten Wechselteile des Niederhalters und des Bearbeitungswerkzeugs, das sind beim Gegenstand der D1 Stempel 9, Matrize 10 und Blechhalter 11, voneinander unabhängig mit zweiten Wechselteilen austauschbar sind, die der dreidimensionalen Struktur des zweiten Formteils angepasst sind (Abs. [0007], [0016]-[0018], Patentanspruch 1).

Beim Gegenstand der D1 ist im Unterschied zu dem des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag der Niederhalter derart ausgebildet, dass neben den Bearbeitungswerkzeugen (Stempel 9 und Matrize 10) nur der Niederhalter-Aufsatz (Blechhalter 11) nicht jedoch die Niederhalter-Form jeweils als voneinander separate, formteilabhängige Wechselteile ausgebildet sind, da bei der D1 die Niederhalterform zusammen mit dem Bearbeitungswerkzeug als Matrize 10 und damit nicht separat ausgebildet sind, während der Streitpatentgegenstand auch für diese Vorrichtungsteile eine separate Ausbildung vorsieht.

Dieses Unterschiedsmerkmal mag die Neuheit des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 des Hauptantrages begründen, er beruht damit aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. So offenbart bereits die D1 eine getrennte Ausbildung von Niederhalter-Aufsatz (Blechhalter 11) und des Bearbeitungswerkzeugs, dem Stempel 9 im Bereich des Unterwerkzeugs. Niederhalter und Bearbeitungswerkzeug sind dort als voneinander separate und formteilabhängige Wechselteile angeordnet, die auf einem formteilunabhängigen Träger montiert sind. Sie geben damit, wenn es bspw. aufgrund der Werkstückform notwendig oder sinnvoll ist, eine Anregung, in dieser Art auch beim Oberwerkzeug, also im Matrizenbereich, zu verfahren und eine vom Werkzeug separate Niederhalter-Form vorzusehen, zumal auch dort bereits ein formteilunabhängiger Träger, der Grundträger 8 vorgesehen ist.

Darüber hinaus ist eine solche separate Ausbildung dem Fachmann geläufig, was zudem mit dem "Bosch-Kraftfahrtechnisches Taschenbuch", S. 366-377 (D3) durch die Darstellung in der Skizze "Tiefziehen", mit der Variante b für eine zweifach wirkende Presse belegt ist. Dort ist beispielhaft eine Bearbeitungsvorrichtung aufgezeigt, bei der zur Herstellung und Bearbeitung von Formteilen unterschiedlicher dreidimensionaler Struktur der Niederhalter aus zwei voneinander separaten, formteilabhängigen Teilen, nämlich dem Blechhalter 2 und der Ziehmatrize 4 und das Werkzeug ebenfalls aus zwei voneinander separaten Teilen, nämlich aus dem Stempel 5 und dem Matrizeneinsatz 7 gebildet werden.

Deshalb stellt die im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag im Kennzeichenteil benannte Ausbildung des Niederhalters mit einer Niederhalter-Form und einem Niederhalter-Aufsatz sowie auch des Bearbeitungswerkzeuges mit zwei Schiebern als jeweils voneinander separate, formteilabhängige Wechselteile auf formteilunabhängigen Trägern eine im Griffbereich des Fachmanns liegende Maßnahme dar. Somit gelangt der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Patentanspruchs 1, so dass der Hauptantrag nicht zum Erfolg führt.

Zum Hilfsantrag Im Anspruch 1 des Hilfsantrags sind gegenüber dem Anspruch 1 nach Hauptantrag noch folgende Merkmale hinzugefügt:

1.

wobei das Formteil (1, 3) derart großflächig im Niederhalter (15) einspannbar ist, dass ein Randbereich (19) des Formteils (1, 3) vom Niederhalter (15) freigelegt ist und 2.

der freigelegte Randbereich (19) randseitig außerhalb des Niederhalters (15) zwischen den beiden Schiebern (21, 23) angeordnet ist.

Diese Merkmale sind jedoch durch die D3 zumindest nahegelegt: Dort wird

(S. 366, Skizze "Tiefziehen", b, unten rechts), wie vorstehend bereits erläutert, eine Bearbeitungsvorrichtung zur Herstellung und Bearbeitung von Formteilen unterschiedlicher dreidimensionaler Struktur abgebildet, deren innerer Bereich mit den beiden Schiebern (Stempel 5, Matrizeneinsatz 7) von dem außen angeordneten Niederhalter mit Blechhalter 3 und Ziehmatrize 4 umgeben ist. Durch die hier aufgezeigte allgemein anwendbare Lehre, den Bereich der Schieber vom Bereich des Niederhalters räumlich zu trennen, und das Formteil so großflächig im Niederhalter einzuspannen, dass im unmittelbaren Arbeitsbereich der Schieber kein Niederhalter angeordnet ist, liegt es auch im Griffbereich des Fachmanns, durch die einfache Umkehrung dieser in der D3 beispielhaft aufgezeigten Anordnung die Schieber in einem Randbereich des Formteils außerhalb des Formteils anzuordnen, bspw. wenn der Randbereich bearbeitet werden soll oder es die Form des Werkstücks erfordert.

Da eine Verbindung dieser einfach überschaubaren handwerklichen Maßnahmen mit den übrigen Maßnahmen des ebenfalls nicht patentfähigen Anspruchs 1 nach Hauptantrag nicht zu einer erfinderischen Kombination führt, kann der Anspruch 1 des Hilfsantrags ebenfalls nicht erfolgreich sein.

Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.

Vorsitzender Richter am Bundes-Schwarz Hilber Schlenk patentgericht Tödte ist wegen Eintritts in den Ruhestand an der Unterschrift gehindert.

Schwarz Hu






BPatG:
Beschluss v. 30.09.2009
Az: 7 W (pat) 63/09


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