Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 15. Februar 2012
Aktenzeichen: 8 W 13/12

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 15.02.2012, Az.: 8 W 13/12)

Bei Erledigungserklärung der Hauptsache beider Parteien fällt keine Einigungsgebühr an. Auch keine entsprechende Gebühr nach Nr. 1003, 1000 VV RVG, da es an einer vertraglichen Einigung fehlt.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Landgericht Stuttgart vorn 29.11.2011 - über die Teilabhilfe mit Beschlusses vom 9.1.2012 hinaus abgeändert:

Aufgrund des Beschlusses des Landgerichts stuttgart vorn 27.10.2011 sind von der Beklagten an die Klägerin Kosten in Höhe von 1017,80.-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten Ober dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 7.11.2011 zu erstatten.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten im Beschwerdeverfahren trägt die Klägerin.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 735,80 €.

Gründe

1.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, hat das Landgericht. mit Beschluss vom 27.10.2011 gem. § 91 a ZPO die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 7.11.2011 hat die Klägerin beantragt, gegen den Beklagten Kosten in Höhe von 2170,80 € festzusetzen: 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 735,80 €, 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 679,20 €, 1,3 Einigungsgebühr, Berufung/Revision nach Nr. 1004, 1000 VV RVG in Höhe von 735,80 €, Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20 €.

Der Beklagte ist dem Antrag hinsichtlich der Termins - und der Einigungsgebühr entgegengetreten.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.11.2011 wurden die vom Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 1753,60 € festgesetzt, in denen 262 € Gerichtskosten enthalten sind. Abgesetzt wurde die Terminsgebühr in Höhe von 679,20 €, da diese nach Ansicht des Rechtspflegers nicht entstanden ist.

Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 9.12.,2011 zugestellten Beschluss legte der Beklagte am 22.12.2011 sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, die Einigungsgebühr gemäß Nr. 1004, 1000 VV RVG in Höhe von 735,80 € von dem Erstattungsbetrag abzusetzen.

Dem Klägervertreter wurde die sofortige Beschwerde zusammen mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.11.2011 zur Stellungnahme formlos übersandt. Darauf beantragte der Klägervertreter, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen. Außerdem vertrat er die Ansicht, dass sowohl eine Terminsgebühr als auch eine Vergleichsgebühr angefallen seien. Nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses hat der Klägervertreter klargestellt, dass die Klägerin keine Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss einlegt, soweit dort die Terminsgebühr abgesetzt worden ist.

Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel des Beklagten insoweit abgeholfen, als sie statt der im Kostenfestsetzungsbeschluss enthaltenen 1,3 Einigungsgebühr nach Nr. 1004, 1000 VV RVG in Höhe von 735,80 € eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003, 1000 VV RVG in Höhe von 566 € in Ansatz gebracht hat.

Darüber hinaus hat die Rechtspflegerin dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2.

Das zulässige Rechtsmittel des Beklagten ist auch in der Sache erfolgreich.

Eine Einigungsgebühr, auch eine solche nach Nr. 1003, 1000 VV RVG, ist im vorliegenden Fall nicht angefallen.

Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG entsteht die Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, soweit dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist. Die Einigungsgebühr sollte die frühere Vergleichsgebühr des §§ 23 BRAGO ersetzen und gleichzeitig inhaltlich erweitern. Sie sollte jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren (vgl. BGH NJW-RR 2007, 359 = AGS 2007,57 = JurBüro 2007, 73).

Im vorliegenden Fall fehlt es an einer solchen vertraglichen Einigung. Vielmehr haben die Parteien ihre Erledigungserklärungen "ohne Anerkennung einer Rechtspfficht und ohne jegliches Präjudiz" bzw. "unter Beibehaltung ihrer Rechtsstandpunkte" abgegeben.

Die Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache stellt jedoch eine bloße Prozesshandlung dar. Selbst wenn beide Parteien eine solche Erklärung übereinstimmend abgeben, wird dadurch lediglich die Rechtshängigkeit des bisher streitigen Anspruchs beendet. Damit geben die Parteien allein zu erkennen, dass sie an einer Sachentscheidung durch das Gericht nicht mehr interessiert sind. Nur wenn die Parteien darüber hinaus eine materiell-rechtliche Regelung treffen, die durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen mit Rechtsbindungswillen - gegebenenfalls auch durch schlüssiges Verhalten - zu Stande kommt, fällt eine Einigungsgebühr an (OLG Stuttgart FamRZ 2009, 145; OLG Köln JurBüro 2011, 526; MDR 2006, 539; OLG Nürnberg MDR 2011, 455; Hartmann, Kostengesetze 41. Aufl. Nr. 1000 VV RVG Rn. 27; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 19. Aufl., VV 1000 Rn. 128, jeweils m. W. N.).

Die Einigungsgebühr war deshalb insgesamt abzusetzen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO. Gerichtskosten sind nicht entstanden (GKG KV Nr. 1812).






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Beschluss v. 15.02.2012
Az: 8 W 13/12


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