Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Dezember 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 158/00

(BPatG: Beschluss v. 20.12.2001, Az.: 25 W (pat) 158/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Magal-ISIS ist am 30. März 1994 zur Eintragung für "Pharmazeutische Erzeugnisse, Arzneimittel" in das Markenregister angemeldet worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 30. September 1994.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 5. Februar 1993 zur Eintragung angemeldeten und am 8. Juli 1998 für "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich rezeptpflichtige Magen-Darm-Präparate" eingetragenen Marke 2 104 961 Megal.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluss eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Ausgehend von möglicher Warenidentität, einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und deshalb strengen Anforderungen an den Markenabstand, welche wegen des auf Seiten der Widerspruchsmarke angesprochenen Fachverkehrs etwas zu mildern seien, halte die angegriffene Marke einen ausreichenden Markenabstand ein. Dem grundsätzlich maßgeblichen Gesamteindruck nach könne eine Ähnlichkeit der Marken schon wegen des in der angegriffenen Marke enthaltenen Bestandteil "ISIS" ausgeschlossen werde, der in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung finde. Ein allein kollisionsbegründende Stellung von "Magal" scheide aus, da es sich um eine Verkürzung der Wirkstoffbezeichnung (INN) "Magaldrat" handele. Dieser Bestandteil der jüngeren Marke sei deshalb eher von unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft und könne deshalb gegenüber der reinen Phantasiebezeichnung "ISIS" keine das Gesamtzeichen überwiegend prägende Kraft besitzen, auch wenn es sich hierbei um das Firmenschlagwort der Widersprechenden handele. Diesem komme vielmehr im Kollisionsfalle neben einem kennzeichnungsschwachen Markenbestandteil nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts eine entscheidende Bedeutung zu.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Eine Verwechslungsgefahr sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass die jüngere Marke zusätzlich ein Firmenschlagwort aufweise, welches gegenüber der mit der Widerspruchsmarke nahezu identischen Produktbezeichnung in der Hintergrund trete. Der Verkehr unterscheide nämlich meist nicht nach dem Herstellernamen, sondern nach der Produktkennzeichnung. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Verkehr wisse, dass der Hersteller eine ganze Produktpalette unter unterschiedlichen Kennzeichnungen anbiete.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage können sich die gegenüberstehenden Marken wegen der weiten Oberbegriffe "Pharmazeutische Erzeugnisse" und "Arzneimittel" im Warenverzeichnis der jüngeren Marke auf identischen Waren, nämlich Arzneimitteln zur Behandlung von Magen-Darm Erkrankungen begegnen. Jedoch wirkt sich zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke kollisionsmindernd die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke festgeschriebene Rezeptpflicht aus. Denn als maßgebende Verkehrskreise stehen bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln Fachleute, insbesondere Ärzte und Apotheker, deutlich im Vordergrund (BGH GRUR 1993, 118, 119 - Corvaton / Corvasal; GRUR 1995, 50, 52 - Indorektal / Indohexal), was in gewissem Umfang auch bei nur einseitiger Rezeptpflicht gelten muss (vgl hierzu BGH MarkenR 1999, 154, 156 - Cefallone). Diese sind aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln sehr sorgfältig und unterliegen daher Markenverwechslungen weniger als Endverbraucher (vgl hierzu auch BGH MarkenR 2000, 138, 139 - Ketof / ETOP; BPatG Pharma Recht 2000, 217, 219 - Taxanil), was nicht nur der klanglichen, sondern auch der hier im Vordergrund stehenden schriftlichen Verwechslungsgefahr deutlich verwechslungsmindernd entgegenwirkt (vgl BPatGE 44, 33 - ORBENIN). Wenngleich hierdurch weder Markenbenennungen durch weniger geschulte medizinische Hilfskräfte oder durch Laien ausgeschlossen werden können (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin), so sind diese doch deutlich reduziert. Im übrigen ist auch bei Laien grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).

Selbst wenn danach unter Berücksichtigung dieser Umstände zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG noch strenge Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen sind, so ist die Ähnlichkeit der Marken nach Auffassung des Senats dennoch in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen zu bejahen wäre.

Eine Verwechslungsgefahr kann vorliegend von vornherein nur dann in Betracht gezogen werden, wenn für die Beurteilung der Ähnlichkeit der angegriffenen Marke "Magal-ISIS" mit der Widerspruchsmarke "Megal" dem Firmenbestandteil "ISIS" nur eine untergeordnete und dem Wortbestandteil "Magal" eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukommt. Hieran fehlt es nach Auffassung des Senats.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann - abweichend von dem Grundsatz, dass zur Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr einander gegenüberstehenden Bezeichnungen auf den Gesamteindruck der jeweiligen Marke abzustellen ist - unter Umständen einem einzelnen Bestandteil einer Marke eine die Gesamtmarke prägende Kennzeichnungskraft beizumessen und deshalb bei einer Übereinstimmung einer anderen Kennzeichnung mit der so geprägten Marke die Verwechslungsgefahr zu bejahen sein (vgl BGH MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH / ELFI RAUCH mwN). In diesem Zusammenhang entspricht es auch ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Beurteilung der Bedeutung eines Herstellernamens in mehrgliedrigen Kombinationszeichen, insbesondere auch für den Bereich der Arzneimittelkennzeichnungen, dass die zusammen mit dem produktbezogenen Sortennamen verwendete Herstellerangabe häufig in den Hintergrund tritt, weil der Verkehr auch auf dem Gebiet der pharmazeutischen Mittel die Waren meist nicht nach dem Namen des Herstellers unterscheide, sondern seine Aufmerksamkeit mehr auf die sonstigen Merkmale zeichenmäßiger Kennzeichnung richte (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin / Nitrangin Isis; LORA DI RECOARO, MarkenR 1999, 161, 163 mwN; vgl auch Jaeger, MarkenR 1999, 217 ff). Jedoch hat der Bundesgerichtshof stets gleichzeitig betont, dass es verfehlt wäre, insoweit von einem Regelsatz auszugehen und es vielmehr der Beurteilung des Einzelfalles vorbehalten bleibe, ob aus der Sicht des Verkehrs die Herstellerangabe im Gesamtzeichen in den Hintergrund trete oder nicht (vgl BGH MarkenR 1999, 161, 162 - LORA DI RECOARO; GRUR 1998, 927, 929 - COMPO-SANA; GRUR 1997, 897, 899 - IONOFIL). Maßgeblich hierfür ist neben der Bekanntheit oder Erkennbarkeit der Herstellerangabe die Kennzeichnungskraft der Produktbezeichnung und damit die Eignung zur Prägung des Gesamteindrucks (BGH Nitrangin aaO; BGH GRUR 1996, 404, 405 - Blendax Pep; vgl auch BPatG GRUR 1998, 821, 823 - Tumarol / DURADOL Mundipharma).

Auch wenn der Senat es im Hinblick auf die nach dem Erwägungsgrund 10 zur MarkenRL insbesondere zu berücksichtigende Herkunftsfunktion einer Marke, die in der jüngsten Rechtsprechung des EuGH zur Warenähnlichkeit (WRP 1998, 1165, 1166 - Canon; MarkenR 2001, 403, 405 Tz 23 und 24 - Bravo) sowie des BGH (zB MarkenR 1999, 61, 63 - LIBERO; MarkenR 2001, 29, 30 - SWISS ARMY) besonders herausgestellt wird, für bedenklich hält, von einem derartigen Regel- Ausnahmeverhältnis bei der Beurteilung von Herstellerangaben in Verbindung mit weiteren, produktidentifizierenden Bezeichnungen auszugehen, da gerade Firmenschlagworte sich regelmäßig in hohem Maße dazu eignen, den beteiligten Verkehrskreisen den Aspekt der "Ursprungsidentität" der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu vermitteln und Markeninhaber auch gegen eine auf dem Firmenschlagwort beruhende irrtümlich fehlerhafte betriebliche Zuordnung zu schützen sind (vgl hierzu ausführlich Kliems, Reduzierter Schutz für Unternehmenskennzeichen in kollidierenden Marken€ GRUR 2001, 635 ff), bedarf dies vorliegend keiner Vertiefung. Denn entgegen der Ansicht der Widersprechenden ist vorliegend auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht davon auszugehen, dass der auf die Firmenkennzeichnung "Alpharma-Isis" hinweisende Bestandteil "ISIS" in der angegriffenen Marke in den Hintergrund tritt und "Magal" als eigentliche Produktbezeichnung den Gesamteindruck der angegriffenen Marke prägt.

Wie in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt ist, lehnt sich "Magal" erkennbar an die Wirkstoffbezeichnung (INN) "Magaldrat" an, eines vielfach für Magen-Darm Arzneimittel verwendeten Wirkstoffs, und besitzt deshalb nur eine verringerte Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis oder Produktkennzeichnung. Hieraus folgt, dass - anders als in der BGH-Entscheidung "Nitrangin / Nitrangin Isis", wo dem Markenbestandteil "Nitrangin" wegen der Zusammenziehung von zwei verschiedenen Fachausdrücken eine normale Kennzeichnungskraft zuerkannt wurde (vgl GRUR 1998, 815, 816) - nicht von einer normalen Kennzeichnungskraft des Bestandteils "Magal" auszugehen ist, sondern eher von einer gewissen Kennzeichnungsschwäche, die einer alleinigen Prägung des Gesamteindrucks entgegensteht (vgl hierzu auch BPatG GRUR 1982, 105 - paracet von ct / PARA-CET Woelm mit Hinweis auf BGH GRUR 1965, 183 - derma; COMPO - SANA, aaO, 928 re Sp, 929 li Sp, zur Frage alleiniger Prägung vgl auch BGH MarkenR 2000, 20, 21 und 22 - RAUSCH / ELFI RAUCH).

Dies belegt auch die Registerlage, nach der für die Klasse 5 neben "Magaldrat"-Drittmarken eine andere Marke mit dem identischen Bestandteil "Magal" und unterschiedlichem Herstellerhinweis (Magal-Azu) und weitere "Maga"-Marken eingetragen sind, sowie das aus dem Arzneimittelverzeichnis "Rote Liste" unter der Hauptgruppe "Magen-Darm-Mittel" ersichtliche Marktangebot weiterer "Maga"-Marken bzw "Magaldrat"-Marken. Schon deshalb werden jedenfalls die vorliegend im Vordergrund stehenden Fachleute, aber auch interessierte Laien in dem Bestandteil "Magal" eher keinen selbständigen betrieblichen Herkunftshinweis sehen und ausschließlich diesen zur Unterscheidung heranziehen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke eine große Anzahl von Marken besitzt, in denen dem "ISIS" ein glatter oder deutlich erkennbarer Sachhinweis vorangestellt ist, so dass auch bei der konkret angegriffenen Marke um so leichter der Eindruck entstehen kann, es handle sich wiederum um einen unmittelbaren oder leicht abgewandelten Sach(Wirkstoff)hinweis (anders als in der oben schon genannten BGH-Entscheidung "Nitrangin / Nitrangin Isis"), der zur Abgrenzung von entsprechenden Produkten anderer Unternehmen eines weiteren Unterscheidungsmerkmals bedarf. Hinzu kommt, dass "Isis" nur ein Bestandteil einer in der Vergangenheit mehrfach geänderten, zusammengesetzten Unternehmensbezeichnung ist (ISIS Puren, ISIS Pharma, Alpharma-Isis) und es deshalb auch nahe liegt, den Bestandteil "ISIS" in der jüngeren Marke als Stammbestandteilteil einer Markenserie der Inhaberin der angegriffenen Marke zu sehen, so dass dieser für den maßgeblichen Gesamteindruck um so weniger vernachlässigt werden darf. Aber auch bei fehlenden Fachkenntnissen haben Verbraucher keinen Anlass, sich ausschließlich oder hauptsächlich an diesem Markenbestandteil zu orientieren. Diese werden vielmehr in der Regel in "ISIS" eine zusätzliche Unterscheidungshilfe sehen, die in einer für das Gesamtzeichen jedenfalls mitbestimmenden Art eingesetzt ist (vgl dazu BGH GRUR 1996, 406 f - JUWEL; PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 25 W (pat) 061/97 lovasta von ct ­ ROWASA; PAVIS PROMA, Knoll, BPatG 25 W (pat) 137/99 Propafen-ISIS # POSTAFENE), zumal bei Laien auch nicht ohne weiteres davon auszugehen ist, dass ihnen "ISIS" als Firmenschlagwort geläufig ist.

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Brandt Engels Fa






BPatG:
Beschluss v. 20.12.2001
Az: 25 W (pat) 158/00


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