Kammergericht:
Beschluss vom 13. Oktober 2005
Aktenzeichen: 1 W 195/05

(KG: Beschluss v. 13.10.2005, Az.: 1 W 195/05)

1. Die Ausschlussfrist des § 1836 Abs. 2 S. 4 in der bis zum 30. Juni 2005 maßgeblichen Fassung des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1580) gilt auch für Nachlasspfleger.

2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Stundensatzhöhe von Betreuern bemittelter Betreuer (vgl. BGB, Beschluss vom 31. August 2000 - XII ZB 217/99 - BGHZ 145, 104) ist auf berufsmäßig tätige Nachlasspfleger bemittelter Nachlässe nicht uneingeschränkt zu übertragen. Die Stundensätze des § 1 BVormVG enthalten insoweit lediglich Mindestsätze , die nur bei einfacher Nachlassabwicklung zu gewähren sind (Anschluss an OLG Dresden, Beschluss vom 19. März 2002 - 7 W 1944/01 -, NJW 2002, 3480).

3. Kann ein zum Nachlasspfleger bestellter Rechtsanwalt den überwiegenden Teil seiner Tätigkeit nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, während sich die darüber hinausgehende Nachlassabwicklung im Wesentlichen auf die Fertigung von Berichten an das Nachlassgericht beschränkt, liegt ein einfacher Fall vor. Durch die anwaltlichen Gebühren werden der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand sowie die Schwierigkeiten der hierauf bezogenen Tätigkeit abgedeckt.

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Verfahrenswert wird auf 1.085,70 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die sofortige weitere Beschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Landgericht statthaft, §§ 75 S. 1, 56g Abs. 7 und 5 S. 2 FGG. Sie ist auch zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 29 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und Abs. 4, 22 Abs. 1 FGG.

II. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 56g Abs. 5 S. 2, 27 Abs. 1 FGG.

Gemäß §§ 75 S. 1, 56g Abs. 7 und Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FGG in Verbindung mit § 1962 BGB setzt das Nachlassgericht auf Antrag eine dem Nachlasspfleger zu bewilligende Vergütung fest. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich die Vergütung des Nachlasspflegers nach den in § 1836 BGB in der hier bis zum 30. Juni 2005 maßgeblichen Fassung des (Ersten) Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1998 (BGBl. I, S. 1580) enthaltenen Regelungen über die Vergütung eines Vormunds richtet (Senat, Beschluss vom 17. September 2002 - 1 W 7298/99).

41. Zu Recht hat das Landgericht den Vergütungsantrag für den Zeitraum vom 8. November 1999 bis zum 17. Oktober 2000 zurückgewiesen. Auch § 1836 Abs. 2 S. 4 BGB a.F. findet auf die Vergütung des Nachlasspflegers Anwendung (Senat, Beschlüsse vom 2. August 2005 - 1 W 433/03; vom 9. August 2005 - 1 W 434/03 und vom 16. August 2005 - 1 W 461/03 -). Danach erlischt der Vergütungsanspruch, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Vormundschaftsgericht geltend gemacht wird.

a) Die Auffassung des Beschwerdeführers, § 1836 Abs. 2 S. 4 BGB a.F. sei auf Nachlasspfleger nicht anwendbar, weil der Gesetzgeber mit dem (Ersten) Betreuungsrechtsänderungsgesetz ausschließlich das Betreuungsrecht, insbesondere die dortigen Vergütungsfragen habe regeln wollen, findet in den Gesetzesmaterialien keine Bestätigung. Dagegen spricht die durch das damalige Reformgesetz unverändert gebliebene Gesetzessystematik. Der Gesetzgeber hat nach wie vor die maßgeblichen Regelungen über Aufwendungsersatz und Vergütung von Berufsbetreuern nicht im Betreuungsrecht, sondern im Vormundschaftsrecht getroffen, das über § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB sinngemäß anzuwenden ist. Hätte der Gesetzgeber ausschließlich das Betreuervergütungsrecht neu regeln wollen, dann wäre es nahe liegend gewesen, abschließende Sondervorschriften im Betreuungsrecht selbst zu treffen. Gerade dies hatte der Gesetzgeber aber nicht im Sinn. Ihm ging es vielmehr ausdrücklich darum, die Vergütung von Vormündern und Betreuern weiterhin einheitlich zu regeln (BT-Drs. 13/7158, S. 14 li. Sp.). Dass der Gesetzgeber dabei die Auswirkungen auf das Pflegschaftsrecht übersehen hätte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Durch das (Erste) Betreuungsrechtsänderungsgesetz wurde § 56g FGG eingefügt, in dem die Verfahrensregelungen für vormundschaftsrechtliche Entscheidungen in Aufwendungsersatz-, Vergütungs- und Regressfragen getroffen werden. Nach § 56g Abs. 7 FGG sind diese Regelungen ausdrücklich auch auf Pflegschaften anzuwenden. Der Gesetzgeber verfolgte damit das Ziel, auch im Verfahrensrecht einen Gleichlauf zwischen Vormundschaft und Pflegschaft zu schaffen, weil sich materiell-rechtlich Aufwendungsersatz und Vergütung über § 1915 Abs. 1 BGB nach §§ 1835 ff BGB richten (BT-Drs. 13/7158, S. 36, li. Sp.). Das gilt insbesondere auch für die Nachlasspflegschaft, wie sich aus § 75 S. 1 FGG ergibt (BayObLG, NJW-RR 2000, 1392, 1393).

Auch Sinn und Zweck von § 1836 Abs. 2 S. 4 BGB a.F. sprechen nicht gegen seine entsprechende Anwendung auf die Nachlasspflegschaft. Die Vorschrift ist vor allem im Interesse der Staatskasse geschaffen worden (BT-Drs. 13/7158, S. 23, re. Sp.). Der Vormund soll zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche angehalten werden, um zu verhindern, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, die die Leistungsfähigkeit des Mündels überfordert, dessen Mittellosigkeit begründet und damit eine Eintrittspflicht der Staatskasse auslöst, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme des Mündels nicht begründet gewesen wäre (BT-Drs. 13/7158, S. 27, li. Sp.). Außerdem soll die Vergütung innerhalb eines überschaubaren Zeitraums geltend gemacht werden, um die Abrechnung besser nachvollziehen zu können (MüKo/Wagenitz, a.a.O., § 1836, Rdn. 57). Diese Gründe sind grundsätzlich auch auf die Tätigkeit von Nachlasspflegern übertragbar. Bei einem vergleichbaren Verhalten des Nachlasspflegers besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse begründet werden. Allerdings ist die dem Nachlasspfleger festgesetzte Vergütung eine Nachlassverbindlichkeit für die der Erbe haftet (Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 1967, Rdn. 6; Soergel/Stein, a.a.O., § 1960, Rdn. 55) und Nachlasspflegschaften werden in der Regel nur dann angeordnet, wenn der Nachlass gewisse Vermögenswerte aufweist. Ausgeschlossen ist es aber nicht, dass ein die Vergütung deckender Aktivnachlass nicht oder nicht mehr vorhanden ist (vgl. BayObLG, NJW-RR 2000, 1392, 1394). Dann findet § 1836a BGB a.F. über §§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1 BGB ebenso wie bei einem mittellosen Mündel Anwendung, wodurch für den Berufsnachlasspfleger ein Anspruch auf Vergütung gegen die Staatskasse begründet wird (Soergel/Stein, a.a.O., § 1960, Rdn. 41; Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 1960, Rdn. 26; Jochum/Pohl, a.a.O., Rdn. 691; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rdn. 751). Hat also ein Nachlasspfleger bei einer langjährigen Pflegschaft Vergütungsanträge nicht gestellt, kann durchaus ein Fall der Mittellosigkeit auftreten, für den bei zeitnaher (regelmäßiger) Antragstellung die Staatskasse nicht hätte aufkommen müssen. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, ein Nachlasspfleger könne dann im Widerspruch zu seiner Aufgabe der Nachlasssicherung gehalten sein, allein aus Gründen der Vergütungserlangung ein Nachlassgrundstück zu verkaufen. Dies spricht nicht gegen die entsprechende Anwendbarkeit der Ausschlussfrist. Es gehört auch zu seinen Aufgaben, dafür zu sorgen, dass vorhandene Vermögenswerte bei Bedarf für die Abgeltung seines Vergütungsanspruchs zur Verfügung stehen (BayObLG, NJW-RR 2000, 1392, 1395). Die Veräußerung eines nicht mehr wirtschaftlich zu nutzenden Grundstücks ist jedenfalls nicht ausgeschlossen (Jochum/Pohl, a.a.O., Rdn. 236; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rdn. 372).

Die entsprechende Anwendung der die Ausschlussfrist anordnenden Bestimmungen, §§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1 S. 1, 1836 Abs. 2 S. 4 a.F. BGB, beschränkt sich auch nicht auf den Fall, dass bei Mittellosigkeit des Nachlasses die Staatskasse in Anspruch genommen wird (so aber Firsching/Graf, a.a.O., Rdn. 4.670). Zwar ist die Ausschlussfrist - wie erwähnt - im (Ersten) Betreuungsrechtsänderungsgesetz eingeführt worden, um die zu erwartenden Belastungen der Staatskasse in Grenzen zu halten. Sie gilt aber auch zum Schutze des ausreichend bemittelten Mündels, um die Abrechnung überschaubar zu halten. Diese allen gesetzlich geregelten Fällen gemeinsame Zielrichtung trägt die entsprechende Anwendung auf die Nachlasspflegervergütung auch bei einem hinreichend vermögenden Nachlass.

b) Das Landgericht hat auch das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 2 S. 4 a.F. BGB zutreffend bejaht. Der Beschwerdeführer hat die Vergütung seiner Tätigkeiten zwischen dem 8. November 1999 und dem 17. Oktober 2000 nicht binnen 15 Monaten geltend gemacht. Bei Eingang seines Vergütungsantrags bei dem Nachlassgericht am 16. Oktober 2002 war diese Frist abgelaufen, §§ 17 Abs. 1 FGG, 188 Abs. 2 BGB. Der Anspruch des Nachlasspflegers entsteht jeweils mit der einzelnen durchgeführten Tätigkeit, mithin tageweise (OLG Koblenz, FamRZ 2002, 1355; MüKo/Wagenitz, BGB, 4. Aufl., § 1836, Rdn. 59; Dodegge/Roth, Betreuungsrecht, Vergütung F, Rdn. 108; Soergel/Zimmermann, a.a.O., § 1836, Rdn. 29; ders., Die Nachlasspflegschaft, Rdn. 756; ders. ZEV 1999, 329, 331).

Nicht maßgeblich war es vorliegend, dass das Amtsgericht die berufsmäßige Führung der Nachlasspflegschaft durch den Beschwerdeführer nicht ausdrücklich festgestellt hat. Zwar ist diese Feststellung des Gerichts für die Entstehung des Vergütungsanspruchs grundsätzlich erforderlich, so dass bei ihrer Nachholung die Ausschlussfrist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt (so OLG Frankfurt/Main, BtPrax 2003, 281 f.; HK-BUR/Bauer/Deinert, § 1836, Rdn. 10a). Die Feststellung durch das Amtsgericht ist vorliegend unterblieben, weil der Beschwerdeführer bereits vor In-Kraft-Treten des (Ersten) Betreuungsrechtsänderungsgesetzes zum Nachlasspfleger bestellt worden war. In einem solchen Fall bedarf es aus Gründen des Vertrauensschutzes keiner ausdrücklichen nachträglichen Feststellung im Sinn von § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB zumindest dann, wenn der Nachlasspfleger wie hier bereits vor dem Jahr 1999 eine Vergütung erhalten hat und somit vom Nachlassgericht die Berufsmäßigkeit seiner Tätigkeit anerkannt worden ist (BGH, NJW 2002, 366; OLG Zweibrücken, FGPrax 2000, 62, 63; BayObLG, NJW-RR 2000, 1392, 1394; MüKo/Wagenitz, vor § 1835, Rdn. 30; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rdn. 747).

Ob die Fristversäumung in Einzelfällen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unbeachtlich sein kann (vgl. Dodegge/Roth, a.a.O., F Vergütung, Rdn. 108), kann dahinstehen. Anhaltspunkte hierfür sind jedenfalls nicht gegeben. Insbesondere musste das Vormundschaftsgericht hier weder von Amts wegen gemäß § 56g Abs. 1 FGG tätig werden noch war es gehalten, den Beschwerdeführer vor Fristablauf auf die Folgen einer verspäteten Antragstellung hinzuweisen (Senat, Beschluss vom 9. September 2005 - 1 W 166/05 -; BayObLG, FamRZ 2004, 1137, 1138; OLG Dresden, FamRZ 2004, 137f.).

Auch Gründe des Vertrauensschutzes können keine andere Beurteilung rechtfertigen. Die Vergütung des Nachlasspflegers folgt aus dem Gesetz. Da sich die vergütungsrechtlichen Grundlagen im Laufe der von dem Beschwerdeführer geführten Nachlasspflegschaft geändert hatten und Übergangsvorschriften nicht vorgesehen waren, richteten sich seine Vergütungsansprüche ab dem 1. Januar 1999 nach neuem Recht (BayObLG, NJW-RR 2000, 1392, 1393).

c) Schließlich bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die entsprechende Anwendung von § 1836 Abs. 2 S. 4 BGB a.F. auf die Tätigkeit von berufsmäßig tätigen Nachlasspflegern (Senat, Beschluss vom 2. August 2005 - 1 W 433/03 -; BayObLG, FamRZ 2004, 1137, 1138).

2. Auch soweit der Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 9. November 2001 bis zum 10. Oktober 2002 eine höhere Vergütung als von dem Landgericht festgesetzt geltend macht, ist seine sofortige Beschwerde unbegründet.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass sich auch die Höhe einer dem Nachlasspfleger zu bewilligenden Vergütung gemäß §§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1 BGB nach den für die Vergütung eines Vormunds geltenden Regelungen richtet. Mit Recht zieht das Landgericht auch für die Tätigkeit des Berufsnachlasspflegers § 1836 Abs. 2 S. 2 BGB in der bis zum 30. Juni 2005 geltenden Fassung heran, wonach sich der Anspruch des Beteiligten auf Vergütung gegen den Nachlass richtet, weil dieser nicht mittellos ist.

Danach ist der Nachlasspfleger für seinen Arbeitsaufwand mit einem angemessenen Stundensatz zu vergüten (vgl. Senat, Beschlüsse vom 17.9.2002 - 1 W 7298/99 -; vom 15.10.2002 - 1 W 7440/99 -; vom 28. Juni 2005 - 1 W 219/02 -). Diese Ermessensentscheidung ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur begrenzt überprüfbar, nämlich darauf, ob der Tatsachenrichter den Sachverhalt hinreichend und ohne Gesetzesverletzung erforscht hat, § 12 FGG, von rechtlich zutreffenden Bewertungsgrundlagen ausgegangen ist und keine Rechtsvorschriften, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt hat (Senat, KG-Report 2001, 297, 298). Im Rahmen dieser begrenzten Prüfung lässt die angefochtene Entscheidung jedenfalls im Ergebnis keine Rechtsfehler erkennen, die zu Lasten des Beteiligten gehen und zu einer Aufhebung des Beschlusses führen könnten.

Das Landgericht ist bei der Feststellung der Stundensatzhöhe von den Grundsätzen für die Bemessung der Vergütung eines Berufsbetreuers ausgegangen, wonach sich auch der Stundensatz des Betreuers eines vermögenden Betreuten an den für Vergütungszahlungen aus der Staatskasse festgelegten Stundensätzen des § 1 Abs. 1 BVormVG auszurichten habe (vgl. BGHZ 145, 104, 115 = NJW 2000, 3709 = BtPrax, 2001,31). Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die vom Gesetzgeber vorgegebenen Stundensätze des § 1 Abs. 1 BVormVG von höchstens 31,00 Euro auch bei bemittelten Betreuten den Charakter einer Richtlinie haben und im Regelfall nicht überschritten werden dürfen.

Allerdings ist es in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob diese Grundsätze auch auf die Vergütung von berufsmäßig tätigen Pflegern zu übertragen sind. Nach Auffassung des OLG Hamm muss auch bei der Bemessung einer Vergütung für den berufsmäßig tätigen Nachlasspfleger dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Richtliniencharakter der Sätze des § 1 BVormVG und dem sich daraus ergebenden Ausnahmecharakter einer höheren Vergütung Rechnung getragen werden (OLG Hamm, FGPrax 2002, 229 = FamRZ 2003, 116, 117). Demgegenüber will das OLG Dresden die für die Betreuervergütung entwickelten Grundsätze des Bundesgerichtshofs nur mit Einschränkungen auf die Vergütung des Nachlasspflegers übertragen. Die Stundensätze des § 1 BVormVG enthielten Mindestsätze, seien aber als Regelsätze für den Bereich der Vergütung des Nachlasspflegers bei vermögendem Nachlass abzulehnen (OLG Dresden, NJW 2002, 3480, 3481 = FamRZ 2002, 1364; im Ergebnis ebenso LG Hannover, Rpfleger 2001, 412; LG Stuttgart, Rpfleger 2001, 427; LG München, Rpfleger 2003, 249; LG Münster, Rpfleger 2003, 369; Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 1960 Rn. 27; Zimmermann, ZEV 2001, 15, 16).

18Der Senat folgt im Gegensatz zum Landgericht der letztgenannten Auffassung. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Stundensatzhöhe von Betreuern bemittelter Betreuter kann auf berufsmäßig tätige Nachlasspfleger bemittelter Nachlässe nicht uneingeschränkt übertragen werden. Die Nachlasspflegschaft unterscheidet sich insoweit von der Betreuung so wesentlich, dass hier eine Differenzierung möglich ist. Trotz der Verpflichtung des Betreuers, auf die Rehabilitierung des Betroffenen hinzuwirken, vgl. § 1901 Abs. 4 S. 1 BGB, sind Betreuungen in der Regel aufgrund der Erkrankung oder Behinderung des Betroffenen auf Dauer angelegt. Daraus folgt eine besondere Interessenlage bei den Betroffenen und ihren (Berufs-) Betreuern. Auf Seiten der Berufsbetreuer soll die angemessene Vergütung geeignete Personen zur berufsmäßigen Übernahme der Betreuertätigkeit motivieren, andererseits soll die Vergütung aber nicht so hoch sein, dass das Vermögen des Betreuten regelmäßig alsbald aufgezehrt wird mit der Folge, dass dann die Staatskasse zu belasten ist. Eine solche Interessenlage besteht bei der Nachlasspflegschaft nicht. Sie dient lediglich der Sicherung des Nachlasses bis zum Zeitpunkt, in dem die Erben ermittelt sind und die Erbschaft angenommen haben. Die Nachlasspflegschaft ist also im Gegensatz zur Betreuung regelmäßig nicht auf Dauer angelegt. Zutreffend ist darauf hingewiesen worden, dass Erben auch grundsätzlich weniger schutzbedürftig sind als Betreute: Zwar werden die Erben auch ein Interesse an einer möglichst günstigen Nachlasspflegschaft haben, doch hängen davon ihre Lebensumstände nicht unmittelbar ab. Während die Betreuten in besonderer Weise auf die andauernde Beziehung zum Betreuer angewiesen sind, wird der Nachlasspfleger entlassen, wenn die Erben die Erbschaft angenommen haben. Wegen dieser unterschiedlichen Interessenlage ist die entsprechende Anwendung des BVormVG auf die Vergütung von Nachlasspflegern bei nicht mittellosen Nachlässen nicht gerechtfertigt.

Diese Auffassung wird bestätigt durch die aufgrund des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 21. April 2005 (BGBl. I S. 1973) eingeführte Regelung in § 1915 Abs. 1 S. 2 BGB. Danach wird nunmehr ausdrücklich die Höhe der Pflegervergütung bei bemittelten Pfleglingen eigenständig geregelt. Der Gesetzgeber hat dies damit begründet, die neuen allgemeinen Regelsätze für die Vormundschaft im Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) könnten nicht auf alle Fälle der Pflegschaft übertragen werden (vgl. BT-Drucks. 15/4874, S. 28; Zimmermann, FamRZ 2005, 953).

Obwohl das Landgericht damit unzutreffend davon ausging, die Sätze des § 1 Abs. 1 BVormVG dürften bei bemittelten Betroffenen nur in Ausnahmefällen überschritten werden, stellt sich die Entscheidung im Ergebnis als richtig dar. Da weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind, ist der Senat entsprechend § 563 Abs. 3 ZPO befugt, in der Sache abschließend zu entscheiden, insbesondere im Rahmen des § 1836 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. eine eigene Ermessensausübung vorzunehmen.

21Gemäß §§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1 S. 1, 1836 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach den für die Führung der Nachlasspflegschaft nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der vormundschaftlichen Geschäfte. Im Hinblick darauf, dass die Sätze in § 1 Abs. 1 BVormVG als Mindestsätze anzusehen sind, teilt der Senat die Auffassung, dass die dortigen Vergütungssätze bei einfacher Abwicklung des Nachlasses zu gewähren und im Fall mittelschwerer bis schwerer Abwicklung angemessen zu erhöhen sind (vgl. OLG Dresden, NJW 2002, 3480, 3481 = FamRZ 2002, 1364; LG Hannover, NJW-RR 2002, 653). Vorliegend ist die von dem Landgericht festgesetzte Stundensatzhöhe von 35,00 Euro nicht zu niedrig bemessen. Die Nachlassabwicklung war einfach, auch wenn der Hauptpunkt in der Durchsetzung eines Restitutionsanspruchs lag. Für seine insoweit vor allem rechtlich sicherlich anspruchsvolle Tätigkeit hat der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt Gebühren nach BRAGO gegenüber dem Nachlass geltend gemacht. Gemäß §§ 13 Abs. 1, 25 Abs. 1 BRAGO entgelten die Gebühren aber die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit einschließlich der allgemeinen Geschäftskosten. Die Gebühren decken also insbesondere den gesamten Arbeits- und Zeitaufwand als auch die Schwierigkeiten des konkreten Falles ab. Deshalb mussten die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Restitutionsverfahren stehenden Tätigkeiten bei der Festsetzung der Vergütung des Beschwerdeführers als Nachlasspfleger unberücksichtigt bleiben und zwar nicht nur hinsichtlich der in diesem Rahmen aufgewendeten Zeit, sondern auch bei der Festsetzung der Höhe des Stundensatzes. Ansonsten erhielte der Beschwerdeführer eine doppelte Vergütung. Außerhalb des Restitutionsverfahrens verblieben aber keine Tätigkeiten, die als besonders anspruchsvoll oder schwierig anzusehen waren. Das ergibt sich in erster Linie aus der herangezogenen Handakte des Beschwerdeführers, die der Senat verwerten konnte, weil sie auch dem Landgericht vorgelegen hat. So beschränkte sich die Tätigkeit des Nachlasspflegers im Wesentlichen auf die Fertigung seiner Berichte an das Nachlassgericht. Da im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Leipzig keine weiterführenden Entscheidungen getroffen worden waren, erschöpften sich die Berichte letztlich in dieser Mitteilung. Daneben waren lediglich einige kurze Anfragen des Finanzamtes, der Miterbin sowie der L. W. - und B. mbH zu beantworten. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers war letztlich darauf gerichtet, den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abzuwarten. Entsprechend hat er auch auf die Kaufangebote von Seiten der Miterbin und der L. W. - und B. mbH reagiert.

Soweit die hiesige Auffassung zur Übertragung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Richtliniencharakter der Vergütungssätze des § 1 Abs. 1 BVormVG von der Entscheidung des OLG Hamm (FGPrax 2002, 229 = FamRZ 2003, 116, 117) abweicht, kam eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG nicht in Frage. In der dortigen Entscheidung ging es um die Vergütung nach § 1836 Abs. 3 BGB, also um einen Fall in dem die berufsmäßige Führung der Nachlasspflegschaft gerade nicht festgestellt worden war. Der Sachverhalt unterscheidet sich dadurch von dem hiesigen in so erheblicher Weise, dass nicht von der Gleichheit der Rechtsfrage ausgegangen werden kann, was aber Voraussetzung für eine Vorlagepflicht nach § 28 Abs. 2 FGG ist (vgl. BGH, FamRZ 2003, 1653 f.; Keidel/Kuntze/Winkler/Meyer-Holz, a.a.O., § 28, Rdn. 18).

III. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 KostO. Eine Kostenerstattung nach § 13a FGG war nicht veranlasst.






KG:
Beschluss v. 13.10.2005
Az: 1 W 195/05


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