Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Mai 2006
Aktenzeichen: 32 W (pat) 130/04

(BPatG: Beschluss v. 31.05.2006, Az.: 32 W (pat) 130/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Gericht hat in dieser Entscheidung die Beschwerde der Widersprechenden gegen die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. April 2003 und vom 3. Mai 2004 angenommen. Die Löschung der Marke "Linatura" wurde angeordnet, da sie mit der Marke "RINATURA" verwechslungsfähig ist. Die Widersprechende hatte Argumente vorgebracht, die eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht unterstützen. Die Markeninhaberin hatte lediglich darauf hingewiesen, dass ihre Marke einen Vor- und Nachnamen repräsentiert ("Lina Tura"). Das Gericht hat jedoch festgestellt, dass die Verwechslungsgefahr aufgrund der Ähnlichkeit der Markennamen und der teilweisen Ähnlichkeit der Waren besteht. Es wurde keine Kostenaufteilung für das Verfahren angeordnet.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 31.05.2006, Az: 32 W (pat) 130/04


Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. April 2003 und vom 3. Mai 2004 aufgehoben.

Die Löschung der Marke 300 91 872 wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 179 419 wird angeordnet.

Gründe:

I.

Die am 16. Dezember 2000 angemeldete und am 23. August 2001 in das Markenregister eingetragene Wortmarke 300 91 872 Linaturaist für folgende Waren der Klassen 29, 30 und 31 bestimmt:

29: Konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Kaffee-Ersatzmittel, Honig, Melassesirup, Salz, Saucen (Würzmittel) und Gewürze; 31: land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samenkörner, soweit in Klasse 31 enthalten.

Widerspruch ist erhoben aus der prioritätsälteren deutschen Wortmarke 1 179 419 (Anmeldetag 13. Februar 1988)

RINATURA die für Waren der Klassen 5, 29, 30, 32 und 33, nämlich für Weine aus biologischem Anbau; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis und Reisprodukte, Kaffee-Extrakte; Mehle, Getreidekörner, Getreideflocken und Getreidepräparate (ausgenommen Futtermittel); Backwaren, insbesondere ballaststoffreiche Vollkorn-Backwaren; Vollkorn-Backmischungen, Sojaprodukte, -getränke, -desserts und -extrakte; Tofu und -zubereitungen, Vitaminpräparate, Bierhefetabletten, Müsli- und Knabberartikel auf der Basis von Soja- und Getreidepräparaten, Teigwaren unter Einschluss von Vollkorn- und Sojateigwaren, Kräuterbonbons, Rohr- und Traubenzucker, Zucker, Lakritz, Schokolade; Honig, Ahornsirup; Apfelessig; Gewürze; sämtliche vorstehenden Waren nach den Vollwertkost-Richtlinien hergestellt Schutz genießt. Der Widerspruch richtet sich gegen alle Waren der jüngeren Marke.

Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen vom 29. April 2003 und vom 3. Mai 2004, von denen der zuletzt genannte im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Ausgehend von teilweiser Warenidentität/-ähnlichkeit und normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hielten die Vergleichsmarken in klanglicher, begrifflicher und schriftbildlicher Hinsicht einen ausreichenden Abstand ein. Gegen eine klangliche und schriftbildliche Verwechslungsgefahr spreche insbesondere die Kennzeichnungsschwäche des gemeinsamen Bestandteils "natura".

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie beantragt (sinngemäß), die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 30 - vom 29. April 2003 und vom 3. Mai 2004 aufzuheben und die Marke 300 92 872 zu löschen.

Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt sie die Auffassung, dass zwischen den Vergleichsmarken eine klangliche und schriftbildliche Verwechslungsgefahr bestehe. Die von der Markenstelle vorgenommene zergliedernde Betrachtungsweise sei beim Vergleich zweier Marken zu vermeiden, soweit diese - wie hier - nicht mehrgliedrig seien. Die beiden Marken vorangestellten Konsonanten "R" bzw. "L" würden jeweils hinter dem gemeinsamen und betonten Vokal "I" zurücktreten. Auch in schriftbildlicher Hinsicht seien sich die Marken sehr ähnlich. Daneben bestehe auch eine Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen, da beiden Marken der Stammbestandteil "natura" gemeinsam sei.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache eingelassen. Im Amtsverfahren hat sie lediglich darauf hingewiesen, dass es sich bei ihrer Marke um einen Vor- und Nachnamen handeln solle (Lina Tura).

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amts- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken - entgegen der Auffassung der Markenstelle - der Gefahr in der Verwechslung im Verkehr (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) unterliegen.

Nach diesen Vorschriften ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer Marke älteren Zeitrangs und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und der Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2005, 419, 422 - Räucherkate).

a) "Konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Honig, Gewürze" sind in beiden Warenverzeichnissen identisch enthalten. Die übrigen Waren der jüngeren Marke "Kaffee-Ersatzmittel, Melassesirup, Salz, Soßen (Würzmittel); land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samenkörner, soweit in Klasse 31 enthalten" sind mit den Widerspruchswaren "Kaffee-Extrakte; Ahornsirup; Gewürze; Getreidekörner, Getreideflocken und Getreidepräparate" (teilweise hochgradig) ähnlich.

b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist insgesamt als durchschnittlich anzusehen.

c) Die Widerspruchsmarke RINATURA und die jüngere Marke Linatura sind sich phonetisch hochgradig ähnlich. Beide Marken stimmen in drei von vier Silben ("natura") überein. Sehr ähnlich sind aber auch die Anfangssilben "Li-" und "RI-". Die Betonung liegt hier jeweils auf dem klangstarken identischen Vokal "I". Der Unterschied in dem Anfangsbuchstaben wird häufig überhört werden, da "L" und "R" klangverwandte Konsonanten sind und zudem hinter dem anschließenden Vokal "I" klanglich zurücktreten. Hinzu kommt, das bei längeren Wörtern eine klangliche Abweichung meist weniger ins Gewicht fällt. Fälle des Sich-Verhörens können nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Vor allem unter ungünstigen Übermittlungsbedingungen, etwa bei telefonischen Bestellungen, kann es zu Markenverwechslungen kommen.

Dem steht nicht entgegen, dass die Übereinstimmung der Vergleichsmarken in der Lautfolge "-natura" ein auf dem vorliegenden Warengebiet kennzeichnungsschwaches Element betrifft. Denn auch kennzeichnungsschwache oder gar schutzunfähige Zeichenbestandteile tragen zum Gesamteindruckeiner Marke bei (vgl. BGH GRUR 2004, 783, 784 f. - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Eine Verwechslungsgefahr könnte und müsste insoweit nur verneint werden, als sich die Zeichenübereinstimmung auf solche kennzeichnungsschwachen bzw. schutzunfähigen Zeichenteile beschränkt. Dies ist hier aber nicht der Fall.

Das Vorbringen der Markeninhaberin schließlich, ihre Marke sei wie ein Name ("Lina-Tura") gebildet, betrifft offensichtlich ein anderes als das hier streitbefangene Zeichen.

d) Die Gesamtabwägung von teilweiser Warenidentität und im Übrigen eher enger Warenähnlichkeit, durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und hochgradiger phonetischer Markenähnlichkeit ergibt, dass die Gefahr von Verwechslungen nicht auszuschließen ist.

Gründe: für eine Auferlegung von Verfahrenskosten (gem. § 71 Abs. 1 MarkenG) sind nicht ersichtlich.

gez.

Unterschriften






BPatG:
Beschluss v. 31.05.2006
Az: 32 W (pat) 130/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/4c8d7a60b1c6/BPatG_Beschluss_vom_31-Mai-2006_Az_32-W-pat-130-04




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