Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. August 2001
Aktenzeichen: 32 W (pat) 447/99

(BPatG: Beschluss v. 01.08.2001, Az.: 32 W (pat) 447/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 41 - vom 21. Juli 1999 dahingehend abgeändert, dass die Marke 397 27 011 für die Waren "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen" gelöscht wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die für Geräte zur Übertragung, Aufzeichnung und Wiedergabe von Ton und Bild (Magnetaufzeichnungsträger, CDs, Schallplatten; soweit in Klasse 9 enthalten); Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Organisation und Veranstaltung von Musikdarbietungenam 27. August 1997 eingetragene Wortmarke Hirschist Widerspruch erhoben aus der seit 10. März 1976 für Bekleidungsstücke, einschließlich Stiefel, Schuhe, Hausschuhe und Sportschuhe, insbesondere Freizeitbekleidungsstücke und Sportbekleidungsstücke, Bade- und Strandanzüge, Hemden, Strümpfe, Unterwäsche; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke, Taschen und Beutel aus Leder und Lederimitationen und gegebenenfalls in Verbindung mit Textilmaterialeingetragenen farbigen (Schrift gelb, Hintergrund blau) Wort-/Bildmarke:

siehe Abb. 1 am Ende Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auch bei teilweise identischen Waren keine Verwechslungsgefahr bestehe, da sich die Marken - auch in klanglicher Hinsicht - markenregisterrechtlich nicht ähnlich seien. Sie unterschieden sich deutlich in den Anfangsbuchstaben. Das "H" des angegriffenen Zeichens werde weich gesprochen, das "K" der Widerspruchsmarke dagegen hart. Diese Unterschiede würden durch den jeweiligen Sinngehalt der Worte verstärkt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden. Er ist der Auffassung, dass der gemeinsame Bestandteil der Marken "-irsch" diese jeweils so stark präge, dass der Sinngehalt überhört werde. Auch schriftbildlich seinen "H" und "K" so ähnlich, dass Verwechslungen nicht ausgeschlossen werden könnten.

Er beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 397 27 011 "Hirsch" anzuordnen.

Die Markeninhaberin hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Sie legt ein Sachverständigengutachten vor, in dem ausgeführt wird, dass "H" und "K" völlig unterschiedlich ausgesprochen würden. "K" habe in fast allen Sprachen einen harten Klang, das "H" dagegen würde in vielen Sprachen gar nicht oder kaum ausgesprochen. Die Begrifflichkeiten seien ebenfalls völlig unterschiedlich. Es sei zu beachten, dass derjenige, der richtig lesen lerne überhaupt keine Buchstaben mehr, sondern Wörter lese. Auch bestünden vom Schriftbild her wesentliche Unterschiede.

II Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet.

Nach § 9 Abs 1 Nr 2, § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älteren Zeitrang und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke besteht (vgl BGH MarkenR 2000, 359, 360 - Bayer/BeiChem).

1) Die von der angegriffenen Marke beanspruchten Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen sind identisch mit den für die Widerspruchsmarke geschützten Bekleidungsstücken. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke insgesamt und auch im Wortbestandteil aus.

Bei dieser Sachlage müssen die Marken einen deutlichen Abstand einhalten, um Verwechslungen zu vermeiden. In visueller Hinsicht wird dieser Abstand ohne weiteres schon wegen des Bildbestandteils der angegriffenen Marke eingehalten.

In klanglicher Hinsicht ist dies jedoch nicht der Fall. Es ist davon auszugehen, dass die Widerspruchsmarke mit "Kirsch" benannt werden wird. Es ist zwar von dem das Kennzeichenrecht beherrschenden Grundsatz auszugehen, dass bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen ist. Das schließt aber nicht aus, dass einem einzelnen Zeichenbestandteil unter Umständen eine besondere, das gesamte Kennzeichen prägende Kennzeichnungskraft beizumessen ist und deshalb bei Übereinstimmung von Zeichen in den jeweils prägenden Bestandteil die Gefahr einer Verwechslung der beiden Gesamtbezeichnungen zu bejahen ist (BGH Mitt 2000, 65, 66 - RAUSCH/Elfi Rauch, mwN). Die Widerspruchsmarke besteht neben "Kirsch" noch aus den Wortbestandteilen "Herrenausstatter", "Est. 1972", "2 Hamburg 20", "Hohe Luftchaussee 2", "Telefon 474552". Zum einen wird der Verkehr die Sachangabe Herrenausstatter, die Jahreszahl, die Anschrift und die Telefonnummer nicht als das eigentliche Kennzeichen ansehen, zum anderen tritt "Kirsch" von der Größe im Widerspruchszeichen her derart markant hervor, dass alles übrige in den Hintergrund tritt, zumal auch die übrigen Wortbestandteile in ihrer Gesamtheit eine Länge erreichen, die sich zur Benennung einer Marke auf dem Modesektor nicht anbietet.

Es stehen sich damit in klanglicher Hinsicht "Hirsch" und "Kirsch" gegenüber. Diese kommen sich durchaus nahe, da sie jeweils einsilbig sind, denselben Vokal aufweisen und über einen identischen aus zwei Bestandteilen, nämlich "r" und "sch" bestehenden gewichtigen Auslaut verfügen, demgegenüber die unterschiedlichen Anfangsbuchstaben keine ausreichende Unterscheidungshilfe bietet. Die Gefahr von Verwechslungen kann demnach bei identischen Waren nicht ausgeschlossen werden.

2) Soweit der Widersprechende aus seiner Marke die Löschung des angegriffenen Zeichens für "Geräte zur Übertragung, Aufzeichnung und Wiedergabe von Ton und Bild (Magnetaufzeichnungsträger, CDs, Schallplatten, soweit in Klasse 9 enthalten); Organisation und Veranstaltung von Musikdarbietungen" begehrt, liegt schon die Voraussetzung der Waren- bzw Dienstleistungsähnlichkeit nicht vor. Waren sind dann als ähnlich anzusehen, wenn in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren so enge Berührungspunkte vorliegen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggf wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdnr 41). Gesichtspunkte dieser Art hat weder der Widersprechende vorgetragen, noch konnte der Senat Feststellungen derart treffen, dass Bekleidungsstücke und Aufzeichnungsträger für Ton und Bild uä markenregisterrechtlich relevante Beziehungen zueinander aufweisen. Dasselbe gilt im Hinblick auf die Ähnlichkeit der von der angegriffenen Marke beanspruchten Organisation und Veranstaltung von Musikdarbietungen mit Bekleidungsstücken. Waren und Dienstleistungen sind dann als ähnlich anzusehen, wenn bei den beteiligten Verkehrskreisen der Eindruck aufkommen kann, Ware und Dienstleistung unterlägen der Kontrolle desselben Unternehmens, sei es, dass das Dienstleistungsunternehmen sich selbständig auch mit der Herstellung bzw den Vertrieb der Ware befasst, sei es, dass der Warenhersteller oder Vertreiber sich auch auf dem entsprechenden Dienstleistungsbereich gewerblich betätigt (Althammer/Ströbele, aa0, Rdnr 67). Auch insoweit hat weder der Widersprechende vorgetragen, noch der Senat ermitteln können, dass Bekleidungshersteller Musikdarbietungen organisieren oder veranstalten bzw, dass die Organisatoren und Veranstalter von Musikdarbietungen in registerrechtlich beachtlichem Umfang Bekleidungsstücke herstellen oder vertreiben.

Der Senat sieht keinen Grund, einem der Beteiligten gemäß § 71 Abs 1 MarkenG Kosten aufzuerlegen.

Winkler Dr. Albrecht Sekretaruk Hu Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/32W(pat)447-99.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 01.08.2001
Az: 32 W (pat) 447/99


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