Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 30. August 2001
Aktenzeichen: 4 U 184/97

(OLG Hamm: Urteil v. 30.08.2001, Az.: 4 U 184/97)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 25. Juli 1997 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und beschwert die Beklagte mit 150.000,00 DM.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Sicherheitsleistung kann durch unwiderrufliche, unbefristete, unbedingte selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Europäischen Union als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung die Aufgabe hat, "den Wettbewerb für Heilmittel und verwandte Produkte zu schützen und zu stärken", und dazu beitragen soll, "den lauteren Wettbewerb zu erhalten und unlauteren Wettbewerb ggf. im Zusammenwirken mit den Behörden und Gerichten zu bekämpfen". Ihm gehören 63 Mitglieder an, darunter eine Reihe namhafter Pharmaunternehmen sowie drei Fachverbände.

Die Beklagte führt für die Tageszeitungen der Zeitungsgruppe X u.a. das Anzeigengeschäft. In den Zeitungen dieser Gruppe wurde am 19. November 1996 ebenso wie in anderen Tageszeitungen die ganzseitige, aus vier Artikeln medizinischen Inhalts bestehende Anlage der M GmbH abgedruckt. Wegen der dort verkleinert wiedergegebenen Anzeige wird auf die Anlage zum Tenor des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 117 d.A.).

Der Kläger hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Er hat die Anzeige aus mehreren Gründen als wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG beanstandet. Es stelle einen Verstoß gegen das heilmittelwerberechtliche Verbot der Werbung mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen dar (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 HWG), wenn in den redaktionell gestalteten Artikel "Sensationelle Herz-Kreislauf-Studie" außerhalb der Fachkreise für das Knoblauchpräparat "L" der M GmbH geworben und unter Erwähnung "namhafter Wissenschaftler" von dem wissenschaftlich fundierten Nachweis gesprochen werde, "daß Menschen, die Knoblauch-Dragees einnehmen (geprüft wurde L), deutlich elastischere Arterien haben". Der Artikel "Bakterien schlagen aufs Herz", mit dem ebenfalls für L geworben werde, sei geeignet, Angstgefühle hervorzurufen oder auszunutzen und verstoße daher gegen § 11 Abs. 1 Nr. 7 HWG. Außerdem verstoße die Abbildung eines Forschers gegen das Verbot, mit bildlichen Darstellungen von Personen in Berufskleidung zu werben (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 HWG). Schließlich sei in dem Hinweis auf die Aussagen eines Expertenteams wiederum ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 HWG zu sehen. Hinzu komme, daß die beanstandete Werbung nicht hinreichend als Anzeige gekennzeichnet worden sei.

Der Kläger hat mit der Begründung, bei der Anzeige handele es sich um einen eklatanten Verstoß, der sich bei einem flüchtigen Blick in das Heilmittelwerbegesetz feststellen lasse, nicht nur die M GmbH diese hat eine strafbewährte Unterwerfungserklärung abgegeben , sondern auch die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, die Ordnungshaft zu vollstrecken an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten, zu unterlassen,

1)

Anzeigen zu veröffentlichen, in denen unter Hinweis auf eine Herz/Kreislaufuntersuchung unter der Überschrift "Sensationelle Herz-Kreislaufstudie" für Heilmittel geworben wird,

2)

redaktionell aufgemachte Anzeigen zu veröffentlichen, in welchen behauptet wird, daß wissenschaftlich fundiert nachgewiesen wurde, daß Menschen, die Knoblauch-Dragees einnehmen, deutlich elastischere Arterien haben,

3)

redaktionell gestaltete Anzeigen zu veröffentlichen, in welchen mit der blickfangmäßigen Überschrift "Bakterien schlagen aufs Herz" für Heilmittel geworben wird,

4)

redaktionell gestaltete Anzeigen zu veröffentlichen, in denen mit der bildlichen Darstellung von Personen in Berufskleidung bei der Ausübung der Tätigkeit als Angehöriger eines Heilberufes geworben wird,

5)

redaktionell gestaltete Anzeigen zu veröffentlichen, wenn diese nicht deutlich als Anzeige gekennzeichnet werden, wie die aus der Anlage K 9 ersichtlichen Anzeigen "Bakterien schlagen aufs Herz" und "G".

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich darauf berufen, eine Zeitung, die Anzeigen veröffentliche, treffe nur eine sehr eingeschränkte Prüfungspflicht. Es müsse sich um einen groben Wettbewerbs/Gesetzesverstoß handeln, den der Verleger, Redakteur oder Drucker unschwer erkennen können müsse. Die Wiederholungsgefahr sei durch die strafbewehrte Unterwerfungserklärung der M GmbH die Inserentin ausgeräumt. Zumindest sei das Vorgehen des Klägers rechtsmißbräuchlich nach § 13 Abs. 5 UWG. Die Anzeige selbst sei als solche hinreichend gekennzeichnet. Dieser Anspruch (Antrag zu 5)) sei im übrigen verjährt und darüber hinaus nicht geeignet den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte die Abweisung der Klage angestrebt und dazu ihr bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft. Sie hat beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen,

Der Kläger hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise

der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, die Ordnungshaft zu vollstrecken an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten, zu untersagen,

1.

redaktionell gestaltete Anzeigen zu veröffentlichen, in denen außerhalb von Fachkreisen gegenüber Endverbrauchern

a)

unter Hinweis auf eine Herz-Kreislauf-Untersuchung unter der Überschrift "sensationelle Herz-Kreislauf-Studie" für Heilmittel, insbesondere "L

Knoblauch-Trockenpulver-Dragees" der Fa. M, C, geworben wird, und/oder

b)

behauptet wird, daß wissenschaftlich fundiert nachgewiesen wurde, daß Menschen, die Knoblauch-Dragees, insbesondere das Produkt "L" der Fa. M, C, einnehmen, deutlich elastischere Arterien haben, und/oder

c)

mit der blickfangmäßig hervorgehobenen Überschrift "Bakterien schlagen aufs Herz" für Heilmittel, insbesondere Knoblauch-Dragees wie z.B. "L" der Fa. M, C geworben wird und/oder

d)

mit der bildlichen Darstellung von Personen in Berufskleidung bei der Ausübung der Tätigkeit als Angehöriger eines Heilberufes geworben wird,

insbesondere wie in der Anzeige der Fa. M GmbH, C, in der X (X) vom 19.11.1996 Anlage K 9 der Klagebegründung,

2.

redaktionell gestaltete Anzeigen zu veröffentlichen, wenn diese nicht deutlich als Anzeige gekennzeichnet werden, wie die aus der Anlage K 9 ersichtlichen Anzeigen "Bakterien schlage aufs Herz" und "G".

Er hat das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen verteidigt.

Der Senat hat durch sein Urteil vom 26. März 1998 das angefochtene Urteil abgeändert und die Klage wegen fehlender Prozeßführungsbefugnis des Klägers abgewiesen.

Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof dieses Urteil aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an den Senat zurückverwiesen. Wegen der Begründung wird auf das Urteil des Bundesgerichtshofs Bezug genommen.

In dem erneuten Berufungsverfahren verfolgen die Parteien ihre ursprünglichen Berufungsanträge weiter.

Der Kläger führt dazu desweiteren aus, die "X-Gruppe" verfüge über eine zentrale Rechtsabteilung, deren Leiter ein im Wettbewerbs- und Presserecht versierter Rechtsanwalt sei.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das Begehren des Klägers scheitert weder an der fehlenden Klagebefugnis (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG) noch an einer fehlenden Bestimmtheit der geltend gemachten Hauptanträge, wie der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung ausgeführt hat.

Die Beklagte hat bei der Veröffentlichung der Anzeige ihrer Prüfungspflicht dahin, ob die Anzeige wettbewerbswidrig ist, verletzt (Anträge zu 1) bis 4)).

Diese Prüfungspflicht erstreckt sich für einen Verleger oder Redakteur eines Presseorgans nicht auf Gesetzesverstöße schlechthin, sondern nur auf grobe, vom Verleger oder Redakteur unschwer zu erkennende Verstöße (vgl. BGH WRP 1995, 302 ff - Schlußverkaufswerbung II; im oben angeführten Urteil S. 11). Dabei ist zu beachten, daß den Verantwortlichen für Presseorgane nicht ohne weiteres die Kenntnis sämtlicher den Wettbewerb betreffenden Vorschriften abverlangt werden kann. Die Frage nach dem Charakter eines Verstoßes als grob gesetzes-(wettbewerbs)widrig und nach dessen unschwerer Erkennbarkeit betrifft demnach nicht nur die Offensichtlichkeit des Verstoßes im Sinne einer leichten Subsumierbarkeit des Sachverhalts unter eine Verbotsnorm, sondern auch die Kenntnisse von der Vorschrift und deren Inhalt überhaupt (vgl. BGH a.a.O., 304 - Schlußverkaufswerbung II). Die Verstöße gegen § 11 HWG liegen hier aber auf der Hand und werden auch von der Beklagten nicht im einzelnen problematisiert. So finden die Anträge zu 1) und 2) ihre Rechtfertigung in § 11 Abs. 1 Nr. 1 HWG, der Antrag zu 3) in § 11 Abs. 1 Nr. 7 HWG und der zu 4) in § 11 Abs. 1 Nr. 4 HWG.

Soweit es auf die Kenntnis dieser Regelung für die Werbung von Heilmitteln im vorliegenden Fall ankommt, ist davon auszugehen, daß die Beklagte sich im Hinblick auf das ganzseitige und damit entsprechend teure Inserat und die eingehende Prüfung der redaktionellen Gestaltung der vier dort wiedergegebenen Artikel nicht ohne weiteres darauf berufen kann, es handele sich bei den Verboten um inhaltlich im einzelnen wenig bekannte Detailregelungen (vgl. BGH im hier zugrundeliegenden Urteil S. 11). Umstände, die es der Beklagten ermöglichen könnten, sich gleichwohl darauf zu berufen, ihr sei die Kenntnis der Verbote nicht abzuverlangen, sind weder dargetan noch ansonsten ersichtlich. Die eigene Rechtsabteilung der Beklagten und die Qualifikation ihres Leiters lassen solche Umstände auch nicht vermuten.

Ist aber davon auszugehen, daß die Beklagte Kenntnis von den oben angeführten Regelungen des HWG zu haben hat, so handelt es sich um grob und unschwer zu erkennende Verstöße dagegen. Denn § 11 HWG enthält insoweit Tatbestände, die eine leichte Subsumierbarkeit ermöglichen.

Die Wiederholungsgefahr ist durch die Unterwerfungserklärung des inserierenden Unternehmens nicht entfallen, da durch diese das Ziel, die Veröffentlichung solcher Anzeigen durch die Beklagte zu verhindern, ersichtlich nicht erreicht wird.

Für ein mißbräuchliches Vorgehen im Sinne von § 13 Abs. 5 UWG fehlen jegliche Anhaltspunkte.

Die Verstöße sind gleichfalls geeignet, den Wettbewerb auf diesem Gebiet wesentlich zu beeinträchtigen, da Interessen der Allgemeinheit Fragen der Volksgesundheit betroffen sind (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG).

Die Beklagte hat darüber hinaus den Anzeigencharakter der beiden unteren Beiträge nicht hinreichend deutlich gemacht und damit gegen § 3 UWG verstoßen (Antrag zu 5)).

Zwar ist die Anzeigenseite rechts und links mit dem Hinweis "Anzeige" in der oberen Zeile versehen worden. Davon sind aber die beiden unteren Beiträge optisch abgegrenzt. So ist der rechte Beitrag "eingeklinkt" und erweckt dadurch den Eindruck einer reinen Sachinformation, wofür auch die Überschrift und der Untertitel sprechen. Aber auch der links stehende Beitrag ist deutlich von den beiden oberen Artikeln abgetrennt, wofür sachlich bei einer einheitlichen Werbung kein Anlaß besteht. Der Hinweis auf das werbende Unternehmen ganz unten am Blattrand ist so unauffällig gestaltet, daß er nicht als Ergänzung zu dem Hinweis "Anzeige" gesehen werden kann, durch die gleichsam der Text dazwischen "eingerahmt" würde.

Dieser Verstoß ist ebenfalls geeignet, den Wettbewerb auf diesem Gebiet wesentlich zu beeinträchtigen, da auch hier Belange der Allgemeinheit im Hinblick auf die Irreführung bei Themen der Volksgesundheit berührt sind.

Soweit die Beklagte wegen dieses Begehrens der Klägerin die Einrede der Verjährung erhoben hat, vermag sie damit nicht durchzudringen, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 30.08.2001
Az: 4 U 184/97


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