Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 4. August 2006
Aktenzeichen: 11 K 3833/05

(VG Köln: Urteil v. 04.08.2006, Az.: 11 K 3833/05)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen ein Inkasso- und Rechnungslegungsverbot für die Rufnummern 000000000 und 000000000.

Die Beklagte stellte auf Grund von mehr als hundert Verbraucherbeschwerden fest, dass die Klägerin auf den Webseiten www. und www. Dienste wie Videofilme, Fotos, Zugang zu Chatrooms und Liveshows anbot, die über die Telefonrechnung abgerechnet wurden. Zur Einwahl wurde zunächst die Telefonnummer 0000-000000 verwendet. Ab dem 27. Oktober 2004 wurde das Programm unter dieser Nummer als Dialer registriert. Diese Registrierung wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 15. April 2004 rückwirkend zum 27. Oktober 2004 zurückgenommen. Dieser Bescheid ist Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens 11 K 192/05.

Später wählte ein Anwählproramm mit demselbem Identifikationswert(Hashwert) die Rufnummern 0000-00000 und 0000000 an, obwohl in den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" immer noch die frühere Rufnummer 0000-000000 genannt wurde. Die Anwählprogramme zu den Rufnummern 0000-00000 und 00000000 waren bei der Beklagten nicht als Dialer registriert. Für eine Verbindung für die Dauer einer Sekunde wurden zwischen 31,03 Euro bzw. 43,09 Euro netto berechnet. Die Rechnungslegung und das Inkasso erfolgten durch die Firma C. ( ) GmbH, & Co KG, mit der die Klägerin am 1. Dezember 2003 einen Vertrag über ISP und Netzwerk-Dienstleistungen geschlossen hatte. Die Beträge wurden dem Endkunden mit der Telefonrechnung von der Netzbetreiberin in Rechnung gestellt.

Die Beklagte teilte der Netzbetreiberin mit, dass mit den Rufnummern 0000- 00000 und 00000000 ein unregistrierter Dialer betrieben werde und forderte sie auf, die Nummern abzuschalten, was auch geschah. Mit Bescheid vom 15. April 2004 forderte die Beklagte die Firma C. ( ) GmbH & Co KG auf, für die Rufnummern 0000-00000 und 0000000 für die Zeit zwischen dem 15. August 2003 und dem Zeit- punkt der Abschaltung keine Rechnung zu legen oder durch einen anderen legen zu lassen, soweit dies bisher noch nicht erfolgt sei. Dem Verbot der Rechnungslegung sei das Verbot der Inkassierung von Entgelten für die beiden Rufnummern und den angegeben Zeitraum gleichgestellt. Für Zuwiderhandlungen wurde ein Zwangsgeld i. H. von jeweils 1000 Euro angedroht.

Gegen diesen Bescheid legte nur die Klägerin Widerspruch ein. Sie erklärte, sie habe keinen Mehrwertdienst, sondern einen Callbycall-Internet-Zugang angeboten. Daher seien die Vorschriften über Dialer nicht anzuwenden.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 30. Mai 2005 zurück, weil die Anwählprogramme als Dialer und nicht als in der Rufnummerngasse 0193 grundsätzlich frei tarifierbare Online-Dienste anzusehen seien. Mit einem Online-Dienst werde der Zugang zu einem Datendienst ermöglicht und nur diese Telekommunikationsdienstleistung in Rechnung gestellt. Bei einem Dialer werde nicht allein die Telekommunikationsdienstleistung abgerechnet, sondern auch der Inhalt gegen ein Entgelt zur Verfügung gestellt. Die Klägerin biete hier nicht nur einen Internetzugang an, sondern stelle angesichts der Ausgestaltung des Programms und der Höhe des geforderten Entgelts vorrangig den Inhalt zur Verfügung. Sie sei zunächst auch selbst davon ausgegangen, dass es sich um einen Dialer handle, denn sie habe dasselbe Anwählprogramm mit dem identischen Hashwert als Dialer zu der Rufnummer 0000-000000 registrieren lassen.

Die Klägerin hat am 26. Juni 2005 Klage erhoben. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass sie einen Internet-Zugangsdienst betreibe. Bei den Dialern in Form der Mehrwertdienste müsse sich der Nutzer bereits ins Internet eingewählt haben und der Dialer ermögliche nur die Nutzung bestimmter Inhalte. Bei der vom Kläger betriebenen Software werde dem Nutzer neben der inhaltlichen Zusatzleistung (Premium) auch der Zugang zum Internet selbst ermöglicht. Der Preis von 36 Euro für eine Stunde sei angesichts der Leistung angemessen. Der Nutzer entscheide bei jeder Aktivierung des Programms neu, ob er die Einwahlhilfe der Klägerin nutzen oder sich eines anderen Internet-Zugangs bedienen wolle.

Die Klägerin beantragt,

den an die C. ( ) GmbH, & Co KG gerichteten Bescheid der Beklagten vom 15. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihre früheren Ausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akten des Verfahrens 11 K 192/05 und der zu beiden Verfahren beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

Gründe

Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 VwGO zulässig, obwohl die Klägerin nicht die Adressatin des angefochtenen Bescheides ist. Denn das Rechnungslegungs- und Inkassoverbot kann die Klägerin, für die die zu kassierenden Beträge bestimmt sind, in ihren Rechten verletzen.

Die Klage ist aber nicht begründet, weil die angegriffenen Bescheide rechtmäßig sind, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage der Verfügung war § 43c Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 25. Juli 1996 (BGBl. I S. 1120), in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs von 0190er-/0900er-Mehrwertdiensterufnummern vom 9. August 2003, BGBl. I, S. 1590. Nach dieser Norm kann die Regulierungsbehörde geeignete Maßnahmen treffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und der von ihr erteilten Bedingungen über die Zuteilung von Nummern sicherzustellen. Nach § 43c Abs. 1 Satz 4 TKG kann die Regulierungsbehörde bei gesicherter Kenntnis einer rechtswidrigen Nutzung den Rechnungssteller auffordern, für diese Nummer keine Rechnung zu legen.

Bedenken gegen die Anwendbarkeit des TKG ergeben sich nicht daraus, dass die Klägerin als Anbieterin der in Rechnung gestellten Internetdienstleistungen ihren Sitz in den Niederlanden hat. Denn die Verfügung knüpft nicht an das Erbringen der Dienstleistung an, sondern an die Verwendung eines Anwählprogrammes, das eine Verbindung zu einer deutschen Festnetzrufnummer herstellt und damit in den Regelungsbereich des TKG fällt.

Hier lagen der Regulierungsbehörde gesicherte Kenntnisse über die mißbräuchliche Verwendung eines Anwählprogrammes zu den Rufnummern 0000- 00000 und 000000000 vor. Dies berechtigte die Regulierungsbehörde dazu, nach § 43c Abs. 1 Satz 4 TKG einzuschreiten.

§ 43c Abs. 1 Satz 4 TKG ist hier zwar nicht unmittelbar angewendbar. Denn diese Vorschrift regelt nur die rechtswidrige Nutzung einer 0190er- oder 0900er- Mehrwertdiensterufnummer, wie sich aus dem Gesetzeszusammenhang mit § 43c Abs. 1 Satz 3 TKG ergibt.

Vgl. VG Köln, Beschluss vom 26. April 2004 - 11 L 673/04 -.

Hier wird jedoch durch das Programm der Klägerin nicht eine 0190er- oder 0900er-Mehrwertdiensterufnummer angewählt, sondern die frei tarifierbaren Rufnummern 0000-00000 und 00000000. Die Klägerin hat diese Onlinedienstnummern aber zur Umgehung der Vorschrift des § 43b TKG verwendet. Denn sie hat Leistungen bereitgestellt, die nur über 0190er- oder 0900er Rufnummern erbracht und abgerechnet werden dürfen.

Das ergibt sich zunächst schon aus dem Verhalten der Klägerin selbst und der eigenen Einstufung ihres Anwählprogramms. Die Klägerin hatte das gleiche Programm, mit dem der Nutzer auf die Internetseiten www. und www. geleitet wird, zunächst schon unter der Rufnummer 0000-000000 angeboten und am 27. Oktober 2003 unter dieser Rufnummer als Dialer registrieren lassen. Dieses Programm hatte den gleichen Hashwert und ist deshalb identisch.

Auch inhaltlich ist das Anwählprogramm der Klägerin in erster Linie als Zugang zu einem Mehrwertdienst anzusehen und nicht als bloßer Online-Dienst in Gestalt eines Callbycall-Internetzugang. Online-Dienste ermöglichen den Zugang den Zugang zu Datendiensten wie z. B. dem Internet. Dabei ist aber nur die Telekommunikationsleistung und nicht der Inhalt abrechenbar. Mehrwertdienste werden in Ziff. 1 der Vfg. Nr. 38/2003, Amtsblatt Nr. 16/2003, als Premium-Rate-Dienste (PRD) bezeichnet. Es sind Dienste, bei denen der Netzbetreiber neben der Telekommunikationsdienstleistung für die Öffentlichkeit zusätzlich eine "weiter Dienstleistung" erbringt. Der Anbieter der weitere Dienstleistung legt den Tarif fest, mit dem die Dienstleistung über die Rufnummer des Anbieters abgerechnet wird. Das bedeutet, dass neben der reinen Telekommunikationsdienstleistung ein zusätzlicher Inhalt angeboten wird, der für den Nutzer so interessant ist, dass er dafür einen einen wesentlichen höheren Preis bezahlt. Diese zusätzliche Leistung ist hier der Zugang zu Erotik-Filmen u. ä.. Für die Nutzung der Internetplattform allein wäre der von der Klägerin geforderte Preis von 31,03 Euro bzw. 43,09 Euro netto im Vergleich zu den Preisen anderer Internetanbieter unangemessen hoch und damit für den Nutzer völlig uninteressant. Die Klägerin bezeichnet ihre Leistung selbst als "Premium-Internetzugang", d. h. sie räumt ein, dass über den Internetzugang hinaus eine "weitere Leistung" im Sinne der Zuteilungsregeln erbracht wird. Bei einem reinen Internetzugang wäre es auch unüblich - und in der Regel unerwünscht - wenn die Verbindung nach jeder halben Stunde unterbrochen würde.

Die Klägerin hat damit 0193-Nummern für Programme genutzt, die in die 0190er- oder 0900er-Gasse einzuordnen wären. Sie hat mit dieser Vorgehensweise gegen die Zuteilungsregeln verstoßen und unter Umgehung des § 43b TKG ein Anwählprogramm angeboten, das als Dialer unzulässig wäre. Denn in dem Programm fehlte u. a. die expliziete Zustimmung des Nutzers beim Bezug und der Installation des Programmes. Außerdem wurden dem Nutzer die Versionsnummer, der Hashwertes und der ladungsfähigen Anschrift des Inhalteanbieters nicht offensichtlich und eindeutig erkennbar mitgeteilt, und die Preisgestaltung entsprach nicht den Vorgaben des § 43b Abs 3 TKG. Insoweit wird auf die Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Bescheid und auf das Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 11 K 192/05 verwiesen.

Mit der Schaltung über die 0193-Nummern wollte der Kläger anscheinend davon profitieren, dass der Gesetzgeber in § 43b Abs. 6 TKG nicht jedes Anwählprogramm in eine bestimmte Rufnummerngasse verwiesen hat - was angesichts der bei Anwählprogrammen generell gegebenen Missbrauchsmöglichkeiten nahe gelegen hätte -, sondern nur die Anwählprogramme, die Verbindungen zu 0190er- oder 0900er-Mehrwertdiensterufnummern herstellen.

Bei einer derartigen Umgehung des Gesetzes muss § 43c Abs. 1 Satz 4 TKG analog angewendet werden. Denn der Gesetzgeber wollte bei der Einführung der der §§ 43b und 43c TKG ausdrücklich den Missbrauch von automatischen Einwählprogrammen bekämpfen, bei denen neben der Telekommunikationsdienstleistung eine weitere Dienstleistung erbracht wird, die schnell und einfach über die Telefonrechnung abgerechnet werden kann. Denn er sah "erhebliche Probleme mit der missbräuchlichen Nutzung dieser Nummern. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit den sog. Dialern, die sich zum Teil unbemerkt auf den PC aufschalten."

Vgl. Deutscher Bundestag, Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs von 0190er-/0900er-Mehrwertdienstenummern, Begründung, Drucksache 15/907, S. 8.

Deshalb wurden die Anwählprogramme für entgeltpflichtige Mehrwertdienst gemäß § 43b Abs. 6 TKG in eine besondere Rufnummerngasse (0190- bzw. 0900- Nummern) verwiesen. Für diese in § 43b Abs. 5 Satz 1 TKG als "Anwählprogramme über 0190er- oder 0900er-Mehrwertdiensterufnummern" definierten Dialer wurden im Interesse der Verbraucher besondere Regeln aufgestellt und die Beklagte kann beim Verstoß gegen diese Regeln nach § 43 c TKG einschreiten.

Vgl. OVG NRW, Beschluß vom 12. September 2005 - 13 A 1453/05 -, MMR 2005, 873.

Die Nutzung von Onlinedienstnummer für Anwählprogramme, die nach den Zuteilungsregeln der Beklagten in der Vfg. Nr. 38/2003 in die Rufnummerngasse 900 einzuordnen wären, stellt sich deshalb als Umgehung der in § 43b TKG aufgestellten Anforderungen dar. Diesem Mißbrauch darf die Beklagte mit denselben Sanktionen begegnen wie der Nutzung eines unzulässigen Dialers. Inzwischen hat der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer weitergehenden Eingriffsmöglichkeit auch selbst gesehen und die frühere Eingriffsbefugnis nach § 43c Abs. 1 Satz 4 TKG bei der Neufassung des TKG nach § 67 TKG 2004 auf alle Rufnummerngassen ausgedehnt.

Die Verfügung, mit der der Netzbetreiberin die Rechnungslegung und das Inkasso verboten wurde, ist auch verhältnismäßig. Dieses Verbot ist erforderlich, weil die Endkunden bei der Weigerung, die Rechnung zu bezahlen, befürchten müssen, dass der gesamte Telefonanschluss abgeschaltet wird.

Die Regulierungsbehörde hat ihr Ermessen auch fehlerfrei ausgeübt. Sie hat sich ausweislich ihrer Ausführungen im Widerspruchsbescheid erkennbar für einen sofort wirksamen Verbraucherschutz entschieden. Das ist vertretbar und lässt Ermessensfehler nicht erkennen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 04.08.2006
Az: 11 K 3833/05


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