Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Februar 2007
Aktenzeichen: 10 W (pat) 12/06

(BPatG: Beschluss v. 17.02.2007, Az.: 10 W (pat) 12/06)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. November 2005 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I Am 25. April 2005 reichte die Anmelderin beim Patentamt einen Antrag auf Erteilung eines Patents mit der Bezeichnung "Verfahren und System zum Verarbeiten von Daten" ein, dem neben Zusammenfassung, Beschreibung und Patentansprüchen auch ein Blatt Zeichnung mit Figur 1 beigefügt war. Auf den Seiten 8 und 11 der Beschreibung ist darüber hinaus auch auf eine Figur 2 Bezug genommen worden.

Mit Bescheid vom 21. September 2005 forderte das Patentamt die Anmelderin auf, binnen Monatsfrist entweder die Zeichnungen nachzureichen oder zu erklären, dass jede Bezugnahme auf die Zeichnungen als nicht erfolgt gelten solle. Für den Fall, dass die fehlenden Zeichnungen nachgereicht würden, könne sich der Anmeldetag auf den Tag des Eingangs der Zeichnungen verschieben. Die Anmelderin reichte daraufhin mit Schreiben vom 5. Oktober 2005 druckfähige Zeichnungen - und zwar Figuren 1 und 2 - nach und erklärte, die nunmehr vorliegenden Zeichnungen sollten die vorher eingereichten ersetzen.

Am 22. November 2005 erließ die Prüfungsstelle, besetzt mit einem Regierungsangestellten im gehobenen Dienst, einen nicht näher begründeten Beschluss mit folgendem Tenor: "Der Anmeldetag wird auf den 8. Oktober 2005 festgelegt (§ 35 Abs. 2 Satz 3 PatG)."

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zur Begründung führt sie aus, die Festsetzung des Anmeldetags auf den 8. Oktober 2005 erscheine ungerechtfertigt, da die hinzugefügte Figur 2 keinen zusätzlichen Offenbarungsgehalt darstelle. Sie beantragt die Beibehaltung des ursprünglichen Anmeldetags. Für den Fall, dass diesem Antrag nicht entsprochen werden könnte, solle die Bezugnahme auf Figur 2 als nicht erfolgt gelten.

II Die zulässige Beschwerde führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das Patentamt, da das Verfahren vor dem Patentamt an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG). Der angefochtene Beschluss stellt eine unzulässige gesonderte Vorabentscheidung über den Anmeldetag dar. Er verletzt die Anmelderin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör und verstößt gegen Zuständigkeitsvorschriften.

1. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Patentamt gesondert über den Anmeldetag entschieden, was unzulässig ist. Das Patentamt hat vielmehr die Anmeldung zurückzuweisen, wenn zwischen der Prüfungsstelle und dem Anmelder über den der Patentanmeldung zukommenden Anmeldetag keine Einigung besteht. Nach ständiger Rechtssprechung kann ein Patent nur so erteilt werden, wie es beantragt ist (vgl. BGH GRUR 66, 488 - Ferrit; 79, 221 - Wollastonit; Senatsbeschluss vom 21. August 2003 10 W(pat) 5/02 - veröffentlicht in Juris m. w. N; Benkard, PatG, 10. Auflage, § 35, Anm. 34). Auch der hier vorliegende Fall einer später nachgereichten Zeichnung (Figur 2), der unter den Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 Satz 2 PatG zur Verschiebung des Anmeldetags führt, lässt keine isolierte Festsetzung eines bestimmten Anmeldetags durch Beschluss zu, da der Anmeldetag notwendiger Bestandteil des Erteilungsantrags ist (vgl. insoweit auch Hövelmann, GRUR 1999, 801, 803 re. Sp.).

Auf die am 8. Oktober 2005 nachgereichten Zeichnungen hätte das Patentamt der Anmelderin zunächst mitteilen müssen, dass es beabsichtige, den Anmeldetag zu verschieben und dass, falls hiermit kein Einverständnis bestehe, die Anmeldung zurückgewiesen werden müsse. Danach hätte die Anmelderin prüfen können, ob sie zur Wahrung des ursprünglichen Anmeldetags auf die Nachreichung der in der Beschreibung in Bezug genommenen Figur 2 verzichten wolle oder nicht.

2. Wegen des auf die Nachreichung der Zeichnung (Figur 2) nicht erfolgten Hinweises auf die beabsichtigte Verschiebung des Anmeldetags hat das Patentamt gleichzeitig die Pflicht zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) vor dem Erlass von Entscheidungen, die die Rechte von Beteiligten berühren können, verletzt. Das bloße Zitieren der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (§ 35 PatG) in dem dem angefochtenen Beschluss vorangegangenen Bescheid erübrigt nicht die Belehrung über die Rechtsfolgen und kann die Gewährung rechtlichen Gehörs nicht ersetzen.

3. Der angefochtene Beschluss ist darüber hinaus unter Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften zustande gekommen, wonach die Obliegenheiten der Prüfungsstelle ein technisches Mitglied der Patentabteilung (Prüfer) wahrnimmt (§ 27 Abs. 2 PatG). Ausnahmen hiervon sind zwar unter den Voraussetzungen von § 27 Abs. 5 PatG in Verbindung mit der Wahrnehmungsverordnung (WahrnV) möglich. Eine Entscheidung durch den gehobenen Dienst im Erteilungsverfahren ist jedoch - wenn die Zurückweisung der Anmeldung im Raum steht - nur möglich, wenn der Anmelder dieser nicht widersprochen hat (§ 1 Ziffer 7b WahrnV i. V. m. § 27 Abs. 5 Satz 1 PatG).

Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben. Das Patentamt wird insbesondere unter Beachtung der oben unter Ziffer 1 dargestellten Vorgehensweise das Prüfungsverfahren fortzusetzen haben.






BPatG:
Beschluss v. 17.02.2007
Az: 10 W (pat) 12/06


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